I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Die 1959 geborene Klägerin begab sich am 5. März 2009 in durchgangsärztliche Behandlung. Es wurde angegeben, sie habe bei ihrer Tätigkeit als Zeitungszustellerin am 19. Dezember 2008 Erfrierungen beider Füße und Hände erlitten. Später teilte die Klägerin mit, sich die Erfrierungen am 19. Februar 2009 zugezogen zu haben. Der Durchgangsarzt (D-Arzt) notierte eine normale Färbung der Haut der Zehen und schloss eine Erfrierung der Zehen aus. Der D-Arzt nahm keinen Arbeitsunfall an.
Bei einer Behandlung der Klägerin am 22. Februar 2010 im Klinikum B-Stadt wurden dann funktionelle Perfusionsstörungen der Finger und Zehen beidseits bei Erfrierungen 1. Grades im Februar 2009 diagnostiziert.
Die Beklagte veranlasste das angiologische Gutachten vom 14. Februar 2011 durch das Klinikum B-Stadt. Die Klägerin habe sich erstmals am 3. August 2009 vorgestellt. Damals habe sich eine funktionelle Minderperfusion der Finger und Zehen beidseits bei durch Kälteexposition hervorrufbaren Gefäßspasmen gezeigt. Hinweise auf eine fixierte Mikro- oder Makroangiopathie bzw. trophische Störungen hätten sich nicht ergeben. Bereits 2007 habe sich die Klägerin wegen rheumatischer Beschwerden in Behandlung begeben. Es bestehe der Verdacht auf Kollagenose im Sinn eines sogenannten PmScl-Overlap-Syndroms. Bei der aktuellen Untersuchung hätten sich keine trophischen Störungen der oberen und unteren Extremitäten gezeigt. Das Gutachten gelangte zu dem Ergebnis, dass keine Hinweise für eine fixierte Durchblutungsstörung der oberen und unteren Extremitäten bestünden, insbesondere betreffend die Hand-, Fuß-, Finger- oder Zehenarterien. Vielmehr liege eine Vasomotorikstörung bei Kälteexposition vor mit funktioneller akraler Minderperfusion der oberen und unteren Extremitäten, die nach Wiedererwärmen komplett reversibel sei. Durch die Kälteeinwirkung im Februar 2009 seien möglicherweise die im Rahmen einer rheumatologischen Vorstellung berichteten Beschwerden anhaltend verschlimmert worden, so dass die Symptomatik seitdem als sehr störend empfunden werde. Arbeitsunfähigkeit oder Behandlungsbedürftigkeit hätten nicht bestanden. Auch eine Minderung der Erwerbsfähigkeit sei nicht eingetreten.
Mit Bescheid vom 22. Juni 2011 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, weil eine Erfrierung am 19. Februar 2009 nicht bewiesen sei.
Auf den Widerspruch der Klägerin hin wurde von dem Internisten und Angiologen Prof. Dr. T. im Januar 2012 ein weiteres Gutachten erstattet. Demnach habe die Klägerin eine mäßig ausgeprägte Akrozyanose von Händen und Füßen. Bereits bei normaler Zimmertemperatur habe sie kalte Hände und Füße. Es handle sich um eine funktionelle, rein vasospastische Perfusionsstörung. In der Zusammenschau sei davon auszugehen, dass eine funktionelle Durchblutungsstörung durch kälteinduzierten Vasospasmus mindestens seit 2008 vorliege. Diese Problematik sei entweder primär oder sekundär im Rahmen der Mischkollagenose entstanden und sie beinhalte das Risiko von Kälteschäden an Händen und Füßen bei zu langer Kälteexposition. Wiederholte Kälteschäden könnten zu einer Verschlechterung der Neigung zum Vasospasmus beitragen, der Beitrag sei aber nicht quantifizierbar. Auf jeden Fall habe eine Erfrierung am 19. Februar 2009 dies nicht primär ausgelöst.
Daraufhin wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. März 2012 zurückgewiesen.
Dagegen hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten am 23. April 2012 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Die Klägerin habe am 19. Februar 2009 während ihrer beruflichen Tätigkeit Erfrierungen an den Zehen und Fingern beidseits erlitten. Die Folgen dieser Erfrierungen bestünden nach wie vor. Bereits zuvor, im Jahr 2008, habe sie kurzzeitig Frostbeulen an Händen und Füßen gehabt. Über "weiße Hände" habe sie dagegen noch nie geklagt. Es liege eindeutig ein Zusammenhang mit der Erfrierung vor, aber keine rheumatische Ursache.
Die Beteiligten sind zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört worden.
Für die Klägerin wird beantragt (sinngemäß):
Der Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. März 2012 wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass die Klägerin am 19. Februar 2009 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Für die Beklagte wird beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht macht von der Möglichkeit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid Gebrauch. Die Beteiligten sind dazu angehört worden, der Sachverhalt ist geklärt und die Sache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf, § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die Klage ist zulässig, sie hat allerdings in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. März 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG), dass sie am 19. Februar 2009 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Nach § 8 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Für einen Arbeitsunfall ist danach grundsätzlich erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (sachlicher oder innerer Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen ist keine Voraussetzung für die Anerkennung als Arbeitsunfall, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG, Urteil vom 4. September 2007, B 2 U 28/06 R; Urteil vom 27. April 2010, B 2 U 11/09 R).
Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt: Als Voraussetzung für die Feststellung von Unfallfolgen und die Bewilligung von Leistungen müssen die versicherte Tätigkeit, der Unfall und die Gesundheitsschädigung im Sinn des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden. Der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfall und einem Gesundheitsschaden bzw. der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung der Entschädigungspflicht ist nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen; dafür reicht grundsätzlich die "hinreichende" Wahrscheinlichkeit – nicht allerdings die bloße Möglichkeit – aus (BSG, Urteil vom 2. April 2009, B 2 U 29/07 R). Eine solche Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn nach vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Faktoren ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gestützt werden kann (BSG, BSGE 45, 285; 60, 58). Hierbei trägt der Versicherte, also die Klägerseite, die objektive Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. deren etwaige Nichterweislichkeit geht zu ihren Lasten (vgl. BSG, Urteil vom 5. Februar 2008, B 2 U 10/07 R).
Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin am 19. Februar 2009 keinen Gesundheitsschaden erlitten, für den ihre versicherte Tätigkeit zumindest wesentlich mitursächlich war.
Für das Gericht ergibt sich aus den beiden im Verwaltungsverfahren erstellten Gutachten, dass die Kälteempfindlichkeit der Klägerin und daraus resultierende Perfusionsstörungen an den Händen und Füßen möglicherweise durch eine oder mehrere Erfrierungen verursacht worden sind oder zumindest eine vorbestehende Neigung anhaltend negativ beeinflusst wurde. Das haben beide Gutachten übereinstimmend ausgeführt und es sind auch in der Beurteilung keine Unstimmigkeiten erkennbar, so dass das Gericht an dieser Einschätzung keine Zweifel hat.
Auch wenn unterstellt wird, dass die Klägerin am 19. Februar 2009 bei ihrer versicherten Tätigkeit als Zeitungszustellerin erhebliche Erfrierungen an Händen und Füßen erlitten hat, ist ein Zusammenhang aber nicht mit der nötigen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Denn beide Gutachten nennen als wahrscheinlichere Ursache eine rheumatische Systemerkrankung. Diese könne die Durchblutungsstörungen auch gut erklären und diese seien eine typische Folgeerscheinung. Damit bestehen beim Gericht doch so deutliche Zweifel an einem kausalen Zusammenhang gerade mit den von der Klägerin angeschuldigten Erfrierungen, dass dieser nicht als wahrscheinlich erachtet werden kann.
Hinzu kommt, dass Erfrierungen der Klägerin an dem als Datum genannten Tag, dem 19. Februar 2009, zwar denkbar erscheinen. Eine zeitnahe Behandlung hat aber nicht stattgefunden und bei der Untersuchung der Klägerin am 5. März 2009 im Klinikum B-Stadt bzw. beim D-Arzt waren keinerlei Zeichen einer Erfrierung feststellbar. Auch hat die Klägerin zuletzt von mehrfach bereits 2008 aufgetretenen Frostbeulen berichtet. Angesichts dessen sieht das Gericht nicht mit Gewissheit, dass gerade am 19. Februar 2009 die alleinige Ursache oder der richtungsweisende Beitrag für die dann einsetzenden Beschwerden gesetzt worden sein soll.
Daher ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Erstellt am: 12.07.2012
Zuletzt verändert am: 12.07.2012