Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 1.432,06 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Vergütung des Behandlungsfalles J nach Aufrechnung mit einem vermeintlichen Erstattungsanspruch aus der stationären Behandlung des bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherten Gerhard T (Versicherter) in Höhe von 1.432,06 EUR.
In der Zeit vom 18.04.2018 bis zum 02.05.2018 erfolgte der stationäre Aufenthalt des Versicherten in der zur Behandlung gesetzlich Krankenversicherter zugelassenen I Klinik I2, deren Trägerin die Klägerin ist. Grund der Aufnahme war der Verdacht auf Pneumonie. Nach einer Bronchoskopie zur Sekretabsaugung und mikrobiologischer Untersuchung konnte der Erreger Haemophilus influenzae nachgewiesen werden. Für die Behandlung stellte die Klägerin der Beklagten am 03.05.2018 einen Betrag in Höhe von 4.468,49 EUR unter der DRG E79A (Infektionen und Entzündungen der Atmungsorgane mit komplexer Diagnose oder äußerst schweren CC, mehr als ein Belegungstag oder mit äußerst schweren CC mit bestimmten Infektionen oder Entzündungen) in Rechnung. Bei der Kodierung des Aufenthaltes berücksichtigte sie dabei die Diagnose J14 (Pneumonie durch Haemophilus influenzae) als Hauptdiagnose sowie unter anderem die Diagnose B96.3! (Haemophilus und Moraxella als Ursachen von Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind) als Nebendiagnose.
Nachdem die Beklagte zunächst vollständig gezahlt hatte, leitete sie eine Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Dieser zeigte am 14.05.2018 die Prüfung unter Anforderung von Unterlagen gegenüber der Klägerin an. Mit Gutachten vom 31.01.2019 gelangte Dr. O des MDK zu dem Ergebnis, dass die Nebendiagnose B96.3! zu streichen sei, da bereits die Hauptdiagnose die Erkrankung umfassend mitsamt Erreger abbilde. Mit KAIN-Nachricht vom 04.02.2019 teilte die Beklagte der Klägerin das Prüfergebnis mit und bezifferte ihren Erstattungsanspruch auf 1.432,06 EUR. Die Klägerin verweigerte eine Rückzahlung und beanstandete mit KAIN-Nachricht vom 18.02.2019 das Prüfergebnis. Sodann rechnete die Beklagte am 24.04.2019 ihren vermeintlichen Erstattungsanspruch aus dem Aufenthalt des Versicherten mit einem zwischen den Beteiligten unstreitigen Vergütungsanspruch der Klägerin aus dem Behandlungsfall J in Höhe von 1.432,06 EUR auf.
Mit ihrer bei Gericht am 02.09.2019 eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Zahlung von 1.432,06 EUR zur Vergütung des Behandlungsfalles J. Sie meint, dass die Nebendiagnose B96.3! nach der Deutschen Kodierrichtlinie (DKR) D012i obligatorisch zu kodieren sei. Ein mikrobiologischer Befund und ein entsprechender Aufwand seien dokumentiert.
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.432,06 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.04.2019 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist unter Bezugnahme auf die DKR D012 der Auffassung, dass keine obligatorische Kodierung zu erfolgen habe, wenn Haemophilus influenzae als Erreger der vorliegenden Pneumonie feststehe. Der Behandlungsfall des Versicherten sei daher unter der DRG E79D (Infektionen und Entzündungen der Atmungsorgane ohne komplexe Diagnose, ohne äußerst schwere CC oder ein Belegungstag, außer bei Para- / Tetraplegie, ohne bestimmte mäßig aufwendige Behandlung, Alter ) 0 Jahre) zu vergüten.
Im Verhandlungstermin vom 15.10.2020 ist für die Klägerin niemand erschienen. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat am 15.10.2020 mitteilen lassen, mit einer Entscheidung in Abwesenheit einverstanden zu sein.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Patientenakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Kammer konnte trotz des Fernbleibens der Klägerin im Termin entscheiden, weil diese nach § 110 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ordnungsgemäß geladen wurde und sie vorab ihr Nichterscheinen mit dem Einverständnis einer Entscheidung in Abwesenheit mitgeteilt hatte.
Die Klage ist als echte Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 SGG zulässig. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18.09.2008, Az.: B 3 KR 15/07 R, zit. nach juris).
Streitbefangen ist hier nicht mehr der Anspruch auf Zahlung des Behandlungsfalles des Versicherten, da diese Forderung von der Beklagten bereits nach Vorliegen der notwendigen Abrechnungsdaten vollständig beglichen wurde. In Streit steht aktuell, ob die Beklagte berechtigt war, am 24.04.2019 mit einem entsprechenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch aus dem stationären Aufenthalt des Versicherten gegen die unstreitige Vergütungsforderung der Klägerin aus dem Behandlungsfall J in Höhe der Klageforderung aufzurechnen.
Die sich aus der Erbringung von Leistungen für gesetzlich Krankenversicherte ergebenden Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und als Leistungserbringer zugelassene Krankenhäuser sind öffentlich-rechtlicher Natur, vgl. § 69 S. 2 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch – (SGB V). Bei derartigen öffentlich-rechtlich geprägten Rechtsbeziehungen tritt an die Stelle des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs nach § 812 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch. Der im öffentlichen Recht auch ohne ausdrückliche Normierung anerkannte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne Rechtsgrund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind (vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2011, Az.: B 1 KR 8/11 R, Rn. 9 und 11, zit. nach juris). Zur Überzeugung der Kammer steht im vorliegenden Fall der Beklagten der für die Aufrechnung herangezogene Erstattungsanspruch aus dem Behandlungsfall des Versicherten zu. Die von der Beklagten vergütete Krankenhausbehandlung des Versicherten ist ohne Rechtsgrund erfolgt, weil die Beklagte nicht berechtigt war, den Behandlungsfall unter der DRG E79A abzurechnen. Vielmehr hätte die DRG E79D zur Abrechnung gelangen müssen, da die Nebendiagnose B96.3! zu streichen ist (hierzu I.). Im Übrigen war die Beklagte auch im Sinne der Prüfverfahrensvereinbarung vom 03.02.2016 für das Jahr 2018 (PrüfVv a. F.) zur Aufrechnung berechtigt (hierzu II.).
I. Rechtsgrundlage der von der Klägerin mit Rechnung vom 03.05.2018 geltend gemachten Forderung ist § 109 Abs. 4 S. 3 SGB V in Verbindung mit § 7 S. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgeltG) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2018 und die von den Vertragsparteien auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den DKR für das Jahr 2018. Die Beklagte müsste jedoch nur dann die Rechnung unter der DRG E79A begleichen, wenn die Diagnose B96.3! als Nebendiagnose zu berücksichtigen ist. Dies ist hier nicht der Fall.
Unter welcher DRG eine Krankenhausbehandlung zu vergüten ist, ist nach der Rechtsprechung des BSG von der Krankenkasse und im Streitfall von den Gerichten selbstständig zu prüfen und zu entscheiden. Dabei ist die Beurteilung des verantwortlichen Krankenhausarztes im Abrechnungsstreit zwischen Krankenhaus und Krankenkasse immer darauf zu überprüfen, ob nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung und dem damals verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des Krankenhausarztes – ex ante – eine Krankenhausbehandlung erforderlich war, seine Beurteilung also den medizinischen Richtlinien, Leitlinien und Standards entsprach und nicht im Widerspruch zur allgemeinen oder besonderen ärztlichen Erfahrung stand. Eine Bindung an die Einschätzung des Krankenhauses oder seiner Ärzte besteht dabei nicht (BSG, Urteil vom 22.04.2009, Az.: B 3 KR 24/07 R, zit. nach juris).
Nach der DKR D003l ist die Nebendiagnose definiert als: "Eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt." Für Kodierungszwecke müssen Nebendiagnosen als Krankheiten interpretiert werden, die das Patientenmanagement in der Weise beeinflussen, dass irgendeiner der folgenden Faktoren erforderlich ist:
• therapeutische Maßnahmen • diagnostische Maßnahmen • erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand
Bei Patienten, bei denen einer dieser erbrachten Faktoren auf mehrere Diagnosen (entweder Hauptdiagnose und Nebendiagnose(n) oder mehrere Nebendiagnosen) ausgerichtet ist, können alle betroffenen Diagnosen kodiert werden. Somit ist es unerheblich, ob die therapeutische(n)/diagnostische(n) Maßnahme(n) bzw. der erhöhte Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand auch in Bezug auf die Hauptdiagnose geboten waren.
Neben der Allgemeinen Kodierrichtlinie D003l ist im vorliegend auch die Kodierrichtlinie D012i zu berücksichtigen. Danach ist eine Mehrfachkodierung erforderlich, wenn:
1. Ätiologie- und Manifestationsverschlüsselung: "Kreuz – Stern – System” Schlüsselnummern für Ätiologie (zugrunde liegende Ursache) werden durch das Kreuz-Symbol (†) und Manifestations-Schlüsselnummern durch das Stern-Symbol (*) gekennzeichnet. Zu kodieren ist in derselben Reihenfolge, in der sie im Alphabetischen Verzeichnis oder im Systematischen Verzeichnis der ICD-10-GM erscheinen, d.h. die Ätiologie-Schlüsselnummer, gefolgt von der Manifestations-Schlüsselnummer. Diese Reihenfolge für die Ätiologie-/Manifestationsverschlüsselung gilt nur für das Kreuz-/Stern-System. Die Hauptdiagnosenregelung der DKR D002 erfährt somit außerhalb der Kreuz-/Stern-Systematik in Bezug auf die Reihenfolge von Ätiologie-/Manifestationskodes keine Einschränkung.
2. Hinweise zur Doppelklassifizierung Für bestimmte Situationen ist eine andere Form der Doppelklassifizierung als die des Kreuz-Stern-Systems anwendbar, um den Gesundheitszustand einer Person vollständig zu beschreiben. Der Hinweis im Systematischen Verzeichnis "Soll angegeben werden, ist eine zusätzliche Schlüsselnummer zu benutzen", kennzeichnet viele solcher Situationen (WHO). Hier sind aufzuzählen:
• Lokale Infektionen bei Zuständen, die den Kapiteln der "Organkrankheiten" zuzuordnen sind. Schlüsselnummern des Kapitels I zur Identifizierung des Infektionserregers werden hinzugefügt, sofern dieser im Rubriktitel nicht enthalten ist. Am Ende von Kapitel I steht für diesen Zweck die Kategoriengruppe B95!–B98! zur Verfügung (siehe Tabelle 2).
• Neubildungen mit funktioneller Aktivität. Eine geeignete Schlüsselnummer aus Kapitel IV kann zur Kennzeichnung der funktionellen Aktivität einer Neubildung der jeweiligen Schlüsselnummer aus Kapitel II hinzugefügt werden.
• Morphologie von Neubildungen. Obwohl die ICD-O nicht Bestandteil der Hauptklassifikation ICD ist, kann sie zur Kennzeichnung der Morphologie (Histologie) von Tumoren zusätzlich einer Schlüsselnummer von Kapitel II hinzugefügt werden.
• Ergänzungen für Zustände, die Kapitel V, F00–F09 (Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen) betreffen. Die zugrunde liegende Krankheit, Verletzung oder andere Hirnschädigung kann durch Hinzufügen einer Schlüsselnummer aus einem anderen Kapitel angegeben werden.
• Zwei Schlüsselnummern zur Beschreibung einer Verletzung, einer Vergiftung oder einer sonstigen Nebenwirkung. Zu einer Schlüsselnummer aus Kapitel XIX, die die Art der Verletzung beschreibt, kann auch eine Schlüsselnummer aus Kapitel XX für die Ursache zusätzlich angegeben werden.
Reihenfolge von Diagnoseschlüsseln bei Mehrfachkodierung ICD-Kodes ohne Kennzeichen oder mit einem Kreuz (Ätiologie, "†") als Kennzeichen werden im Folgenden als Primär-Diagnoseschlüssel bezeichnet, da diese alleine verwendet werden dürfen. ICD-Kodes mit einem Stern (Manifestation, "*") oder mit einem Ausrufezeichen (Sonstiges, "!") als Kennzeichen werden im Folgenden als Sekundär-Diagnoseschlüssel bezeichnet, da sie nie alleine verwendet werden dürfen, sondern nur in Kombination mit einem Primär-Kode. Für die Reihenfolge der ICD-Kodes bei Mehrfachverschlüsselung mit Primär- und Sekundär-Diagnoseschlüssel gelten folgende Regeln: • Primär-Diagnoseschlüssel vor Sekundär-Diagnoseschlüssel
• Ein Primär-Diagnoseschlüssel gilt für alle folgenden Sekundär-Diagnoseschlüssel bis zum Auftreten eines neuen Primär-Diagnoseschlüssels.
• Ein Sekundär-Diagnoseschlüssel darf nie einem Sekundär-Diagnoseschlüssel zugeordnet werden. (D.h. ein Ausrufezeichenkode darf nie einem Sternkode zugeordnet werden und umgekehrt.)
Ausrufezeichenkodes Sowohl in der ICD-10-GM als auch in der Datenübermittlungsvereinbarung nach § 301 SGB V werden die Ausrufezeichenkodes (z.B. S31.83!) als "optionale" Schlüsselnummern bezeichnet. Mit einem Ausrufezeichen gekennzeichnete sekundäre Schlüsselnummern sind zum Teil optional, in anderen Fällen obligatorisch anzugeben. Einen Überblick über die mit Ausrufezeichen gekennzeichneten ICD-Kodes/Kategorien bieten Tabelle 1 und 2. Die in Tabelle 1 aufgeführten Ausrufezeichenkodes können angegeben werden, wenn dies aus klinischer Sicht sinnvoll ist. Alle Ausrufezeichenkodes, die in Tabelle 2 aufgeführt sind, sind obligat (nicht optional) anzugeben.
Nach Auslegung dieser Kodierrichtlinien steht für die Kammer fest, dass die Diagnose B96.3! nicht als Nebendiagnose kodiert werden durfte, da es sich um eine unzulässige Mehrfachkodierung handelt. Die Kammer kann es daher im Ergebnis auch offenlassen, ob die medizinischen Voraussetzungen für die Diagnose B96.3! vorliegen bzw. diese Diagnose das Patientenmanagement im Sinne der DKR D003l beeinflusst hat.
Zwar ist der Klägerin zuzugestehen, dass die Diagnose B96! tatsächlich in Tabelle 2 geführt und damit grundsätzlich obligatorisch anzugeben ist (also nicht optional), jedoch stellt ihr bloßer Verweis auf Tabelle 2 zur Überzeugung der Kammer eine unzutreffende Verkürzung der DKR D012i dar. Vielmehr ist auf die Tabelle 2 nach der DKR D012i erst dann zurückzugreifen, wenn die Voraussetzungen der Regelung der DKR D012i unter 1. Ätiologie- und Manifestationsverschlüsselung: "Kreuz – Stern – System” und/oder unter 2. Hinweise zur Doppelklassifizierung erfüllt sind. Diese geben nämlich vor, wann bzw. "ob" eine Mehrfachkodierung zu erfolgen hat.
Sodann regeln die Tabellen 1 und 2 der DKR D012i lediglich die Reihenfolge von Diagnoseschlüsseln bei Mehrfachkodierung, also "wie" zu kodieren ist. Für dieses Verständnis spricht zum einen der Wortlaut der Überschriften der einzelnen Regelungen der DKR D012i, so finden sich die Tabellen 1 und 2 unter der Überschrift Reihenfolge von Diagnoseschlüsseln bei Mehrfachkodierung. Aus den Wörtern "Reihenfolge" und "bei Mehrfachkodierung" folgt bereits, dass die nachfolgenden Regelungen nur dann zur Anwendung gelangen, wenn bereits geklärt ist, dass eine Mehrfachkodierung zu erfolgen hat. Zum anderen folgt aus einer systematischen Betrachtung, dass zunächst entsprechend der Nummerierung die Voraussetzungen unter den Überschriften 1. Ätiologie- und Manifestationsverschlüsselung: "Kreuz – Stern – System” und/oder 2. Hinweise zur Doppelklassifizierung geprüft werden müssen. Im Übrigen wären bei einem anderen Verständnis für die Ausführungen unter 2. Hinweise zur Doppelklassifizierung und dem ersten Aufzählungspunkt "Lokale Infektionen" kein eigenständiger Anwendungsbereich eröffnet. Schließlich soll nach dieser Regelung eine Kodierung der in Tabelle 2 aufgeführten Diagnosen zur Identifizierung des Infektionserregers nur dann erfolgen, wenn dieser nicht bereits im Rubriktitel der Primärdiagnose enthalten ist. Würde die bloße Auflistung einer Diagnose in Tabelle 2 aber automatisch zu einer zwingenden Kodierung führen, dann wäre die vorherige Regelung für "Lokale Infektionen" überflüssig.
Übertragen auf den Behandlungsfall steht für die Kammer fest, dass die Regelung 1. Ätiologie- und Manifestationsverschlüsselung: "Kreuz – Stern – System” nicht zur Anwendung gelangt, weil es sich bei der Diagnose B96.3! nicht um eine Verschlüsselung nach dem "Kreuz – Stern – System” handelt. Vielmehr ist auf die Regelung 2. Hinweise zur Doppelklassifizierung mit dem ersten Aufzählungspunkt "Lokale Infektionen" zurückzugreifen. Danach erweist sich jedoch die Angabe der Diagnose B96.3! als Nebendiagnose als unzulässige Mehrfachkodierung, weil der Infektionserreger Haemophilus influenzae bereits im Rubriktitel der zutreffenden und zwischen den Beteiligten auch unstreitigen Hauptdiagnose J14 (Pneumonie durch Haemophilus influenzae) enthalten ist. Dieses Auslegungsergebnis entspricht auch dem allgemeinen Kodiergrundsatz so genau, einfach und spezifisch wie möglich bei der Angabe von Diagnosen zu kodieren und Mehrfachnennungen bzw. Überschneidungen zu vermeiden.
II. Im Übrigen war die Beklagte auch zur Aufrechnung unter Berücksichtigung der §§ 4, 8 und 10 PrüfvV a. F. berechtigt. Die Beklagte hat der Klägerin nach § 4 PrüfvV a. F. innerhalb der Sechs-Wochen-Frist die Einleitung des Prüfverfahrens ordnungsgemäß mit Schreiben vom 14.05.2018 mitgeteilt. Gemäß §§ 8 und 10 S. 1 PrüfvV a. F. hat sie der Klägerin ihre abschließende Entscheidung mitsamt Bezifferung des Erstattungsanspruchs per KAIN-Nachricht vom 04.02.2019 binnen der Frist von 11 Monaten nach Übermittlung der Prüfanzeige eröffnet. Ferner hat die Beklagte im Rahmen der Aufrechnungserklärung vom 24.04.2019 Leistungs- und Erstattungsanspruch genau benannt im Sinne des § 10 S. 2 PrüfvV a. F. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig bzw. ergibt sich aus dem in der Verwaltungsakte enthaltenen Schriftwechsel der Beteiligten im Rahmen des Prüfverfahrens sowie schließlich aus den im Termin von der Beklagtenvertreterin überreichten Unterlagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197 a SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und trägt dem Unterliegen der Klägerin Rechnung.
In dem Klageverfahren gehören weder die Klägerin noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen. Damit werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben (§ 197 a Abs. 1 S. 1 SGG). Der Streitwert im Sinne des § 63 Abs. 2 GKG ist nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Die Klage war auf Zahlung von 1.432,06 EUR gerichtet. Dies ist gemäß §§ 52 Abs. 3, 43 Abs. 1 GKG als Streitwert festzusetzen.
Erstellt am: 02.02.2021
Zuletzt verändert am: 02.02.2021