Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 17.12.2002 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über Honoraraufhebungs- und -rückforderungsbescheide für die Quartale I/1996 bis II/1997.
Der Kläger nimmt als niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin in E an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Für die Quartale I und II/1996 stellte die Beklagte im Rahmen von Plausibilitätsprüfungen fest, dass er Leistungen mit Mindestzeiten von mehr als 400 Stunden im Quartal, nämlich 633,25 Stunden im Quartal I/1996 bzw. 484,50 Stunden im Quartal II/1996, abgerechnet hatte und dass in den Quartalen III/1996 bis II/1997 sein angeforderter Leistungsbedarf den durchschnittlichen Leistungsbedarf seiner Arztgruppe um mehr als das 1,5fache der Standardabweichung überschritt. Außerdem erstellte die Beklagte Quartalsübersichten für alle Quartale sowie Tagesprofile für die Quartale II/1996 und IV/1996, aus denen sie ableitete, dass die vom Kläger abgerechneten Leistungen zeitlich nicht erbringbar seien.
Bei den Quartalsübersichten ordnete die Beklagte den vom Kläger abgerechneten zeitabhängigen Leistungen bestimmte Mindestzeiten zu und teilte die Summe sämtlicher Zeiten durch die Anzahl der Werktage. Für das Quartal I/1996 ergaben sich auf diese Weise insgesamt 1.442,92 Stunden, die verteilt auf 64 Werktage eine Durchschnittsleistung von 22,55 Stunden am Tag ergaben. Unter Berücksichtigung des vom Kläger in diesem Quartal halbtags beschäftigten Weiterbildungsassistenten teilte die Beklagte diesen Wert durch 1,5 und errechnete eine zeitliche Durchschnittsbelastung von 15,03 Stunden pro Werktag. Für das Quartal II/1996 ergaben sich unter Berücksichtigung einer in den Monaten Mai und Juni in Vollzeit beschäftigten Weiterbildungsassistentin auf diese Weise 14,22 Stunden, im Quartal III/1996 – unter Außerachtlassung der auch im Juli beschäftigten Assistentin – 21,20 Stunden, in den Quartalen IV/1996 bis II/1997 17,44 Stunden, 18,87 Stunden bzw. 18,90 Stunden. Dabei reduzierte die Beklagte die Zahl der im Divisor enthaltenen Werktage im Quartal III/1996 um zehn Urlaubstage. Im Quartal IV/1996 erhöhte sie sie im Hinblick auf die erstellten Tagesprofile und die sich daraus ergebenenden an Wochenenden erbrachten Leistungen um sechs. Die Tagesprofile der Beklagten zeigten u.a. für den 02.04.1996 eine Belastung von 19,22 Stunden, für das Quartal IV/1996 an zehn Tagen Belastungen von mehr als 12 und an einem Tag von mehr als 16 Stunden.
Die Beklagte hob aufgrund dessen die Honorarbescheide des Klägers für die Quartale I/1996 bis II/1997 teilweise auf und forderte 307.622,29 DM gezahltes Honorar zurück (Bescheid vom 03.07.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.1999). Zur Begründung führte sie aus: Der Kläger habe die Aufgreifkriterien des Vorstandes für Plausibilitätskriterien (mehr als 400 Stunden pro Quartal an Mindestzeiten bzw. Abweichungen um mehr als das 1,5fache der Standardabweichung) erfüllt. Das von ihr praktizierte Verfahren der Plausibilitätsprüfung sei höchstrichterlich anerkannt. Die zugrunde gelegten Zeiten ergäben sich bei Leistungen mit Mindestzeiten aus dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM-Ä) und im Übrigen aus einem vom Vorstand nach Abstimmung mit Prüfärzten, Fachkollegen und Berufsverbänden ermittelten Zeitrahmen. Dass insoweit keine bundeseinheitlichen Vorgaben bestünden, sei unschädlich. Die Behandlungszeiten, bei denen es sich ohnehin nur um Mindestzeiten handele, erfassten lediglich einen Teil der täglichen Arbeitszeit, nämlich die nicht delegationsfähigen abrechenbaren vertragsärztlichen Leistungen. Die tägliche Organisation des Praxisablaufs, das Anleiten und Überwachen des Praxispersonals bei delegationsfähigen Leistungen, die Auswertung von Befundunterlagen, Dokumentationen, Arztbriefen usw., persönliche Bedürfnisse wie Toilettengänge oder Nahrungsaufnahme, privatärztliche Behandlungen, Gutachten und dergleichen seien unberücksichtigt geblieben. Der Umfang der Berücksichtigung der Weiterbildungsassistentin im Quartal II/1996 wirke sich ausschließlich zugunsten des Klägers aus, da sie nicht seiner Arbeitsentlastung diene und zudem für ihn zusätzlichen Weiterbildungsaufwand verursache. Im Hinblick darauf sei sie für das Quartal III/1996 außer Ansatz geblieben. Für die Quartale, für die keine Tagesprofile vorlägen, sei eine Bereinigung des Divisors nicht möglich, zumal sich auch die Fehltage nicht ermitteln ließen. Für das Quartal II/1996 sei eine solche Bereinigung nicht erforderlich, weil ein wesentlich abweichendes Ergebnis nicht zu erwarten sei. Im Rahmen der Schadensberechnung sei von einer täglichen Nettoarbeitszeit für zeiterfasste vertragsärztliche Leistungen von maximal zehn Stunden auszugehen. Das diesen Zeitraum überschreitende Honorar werde, nach vorherigem Abzug von Wirtschaftlichkeitsprüfmaßnahmen und Teilbudgetierungen für zeitabhängige Leistungen sowie unter Berücksichtigung lediglich des für den Kläger günstigeren Primärkassenpunktwertes, zurückgefordert.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Dortmund (SG) erhoben und vorgetragen: Plausibilitätsprüfungen anhand von Zeitvorgaben seien unzulässig, solange es keine bundeseinheitlichen Zeitvorgaben und gesamtvertraglichen Vereinbarungen über die Durchführung von Plausibilitätsprüfungen gebe. Die von der Beklagten erstellten Tagesprofile genügten nicht den von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Anforderungen, weil sie nicht die Möglichkeiten berücksichtigten, dass Leistungen auch zeitlich nebeneinander erbracht werden könnten. Seine Abrechnungen seien plausibel, da er 70 Stunden pro Woche gearbeitet habe und dabei der Mittwoch Nachmittag sowie der Samstag als volle Arbeitstage zu berücksichtigen seien. Die Beklagte habe ihre Amtsermittlungspflicht verletzt, indem sie zu keinem Zeitpunkt seinem Angebot nachgegangen sei, Praxismitarbeiter oder Patienten zu befragen. Er habe seine Praxis, nicht zuletzt unter Berücksichtigung der Weiterbildungsassistenten, optimal organisiert. Im Übrigen ergebe sich aus – vom Kläger im Verfahren vorgelegten – alternativen Berechnungen, dass seine Abrechnungen keineswegs implausibel seien. Die hohen Abrechnungswerte des Quartals I/1996 beruhten mit auf den zu diesem Zeitpunkt wirksamen gewordenen Änderungen des EBM-Ä.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 03.07.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.1999 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat den angefochtenen Bescheid verteidigt.
Das SG hat die Klage abgewiesen und sich zur Begründung im Wesentlichen auf die Begründung des angefochtenen Bescheides bezogen. Die Abrechnungssammelerklärungen des Klägers hätten ihre Garantiefunktion verloren, nachdem feststehe, dass er zumindest grob fahrlässig falsch abgerechnet habe. Aufgrund dessen habe die Beklagte im Rahmen des ihr zustehenden weiten Schätzungsermessens das Honorar des Klägers neu festsetzen müssen. Dies habe sie ermessensfehlerfrei getan, zumal sich die von ihr gezogene Grenze von 10 Nettoarbeitsstunden lediglich auf zeiterfasste Leistungen beziehe.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung lasse sich die Implausibilität einer Abrechnung nur anhand von möglichst über einen längeren Zeitraum erstellten Tagesprofilen nachweisen. Da ihm die Zeitvorgaben erst mit dem Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid bekannt gegeben worden seien, habe die Beklagte zudem sein rechtliches Gehör verletzt. Weiter habe sie der Beschäftigung von Weiterbildungsassistenten und dem Umstand, dass er eine besonders große Praxis betreibe, nicht genügend Rechnung getragen.
Die Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung am 11.02.2004 bereit erklärt, die Weiterbildungsassistentin des Klägers auch für den Monat Juli 1996 (Quartal III/1996) zu berücksichtigen und für die Monate Mai und Juni 1996 auf eine Honorarrückforderung zu verzichten. Hieraus ergeben sich Erstattungsbeträge zugunsten des Klägers von 13.920,85 DM im Quartal II/1996 bzw. 15.006,25 DM im Quartal III/1996.
Der Kläger beantragt daraufhin,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 17.12.2002 abzuändern und die Bescheide der Beklagten vom 03.07.1998 und 08.03.1999 in der Fassung vom 11.02.2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den gesamten Akteninhalt einschließlich des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist. Außerdem wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten des Verfahrens L 11 KA 30/03 LSG NRW Bezug genommen, dem ein Disziplinarbeschluss der Beklagten gegen den Kläger wegen Verstoßes gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung in den Quartalen I bis IV/1996 zugrunde liegt und das gemeinsam mit dem vorliegenden Verfahren vor dem Senat verhandelt worden ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der angefochtene Honoraraufhebungs- und -rückforderungsbescheid vom 03.07.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.1999 in der Fassung, die er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 11.02.2004 erlangt hat (§ 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Dieser Bescheid ist nicht rechtswidrig.
Der Bescheid ist nicht deshalb formell rechtswidrig, weil die Beklagte die ihm zugrunde liegenden Zeitvorgaben dem Kläger nicht zuvor bekannt gegeben hat. Selbst wenn darin eine Verletzung der Anhörungspflicht gemäß § 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gelegen haben sollte, wäre diese dadurch geheilt, dass der Kläger im Widerspruchsverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hat (§ 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X). Im Übrigen haben sich die betreffenden Unterlagen jedoch in den Akten des Disziplinarverfahrens gegen den Kläger (Rechtsstreit L 11 KA 30/03 LSG NRW) befunden, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Diszplinarausschuss war. Diese hat am 27.04.1998 und damit vor Erlass der hier streitigen Bescheid stattgefunden. Im Hinblick darauf hatte der Kläger ausreichend Gelegenheit, sich über die Zeitvorgaben der Beklagten zu orientieren.
Der Bescheid ist auch materiell nicht rechtswidrig. Er beruht auf §§ 45 Abs. 1 und 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä), 34 Abs. 4 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen (EKV-Ä). In diesen Vorschriften ist übereinstimmend geregelt, dass die Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) die von den Vertragsärzten eingereichten Abrechnungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig ("Regelwerk") prüft und nötigenfalls richtig stellt (vgl. hierzu zuletzt BSG SozR 3-2500 § 82 Nr. 3 m.w.N.). Die Vorschriften gestatten es der Beklagten, dem Kläger aufgrund nicht ordnungsgemäßer Honorarabrechnung zu Unrecht erteilte Honorarbescheide ohne Beachtung weiterer Voraussetzungen aufzuheben und den materiell-rechtlich richtigen Zustand herzustellen.
Die dem Kläger für die Quartale I/1996 bis II/1997 erteilten Honorarbescheide waren rechtswidrig. Denn sie beruhten auf seiner unrichtigen Honorarabrechnung. Hierzu muss die Beklagte nicht den Nachweis jeder einzelnen Unrichtigkeit führen. Vielmehr reicht es aus, dass sie einzelne Unrichtigkeiten aufdeckt, soweit diese auf grob fahrlässiger Falschabrechnung des Vertragsarztes beruhen (BSG SozR 3-5550 § 35 Nr. 1). In diesem Fall entfällt nämlich die Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärung. Dies führt dazu, dass sich die gesamte jeweilige Quartalsabrechnung als rechtswidrig erweist.
Der Nachweis einer unrichtigen Abrechnung kann auch auf der Grundlage von Zeitprofilen geführt werden. Für Tagesprofile ist dies bereits höchstrichterlich ausdrücklich entschieden (BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 4; BSG SozR 3-2500 § 83 Nr. 1). Danach sind Zeitprofile bei übermäßiger Praxisausdehnung in der Regel das einzige Beweismittel, um einem Arzt unkorrekte Abrechnung nachzuweisen. Es handelt sich um Indizienbeweise, gegen deren Verwendung im Honorarberichtigungsverfahren keine Bedenken bestehen.
Die Verwendung von Tages- und Quartalsprofilen ist nicht von der Existenz bundeseinheitlicher Zeitvorgaben oder gesamtvertraglicher Regelungen zu Plausibilitätskontrollen gemäß § 83 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) abhängig. Die gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen regeln abschließend die Vorgaben, an die die KÄVen bei der Honorierung vertragsärztlicher Leistungen und ggf. ihrer sachlich-rechnerischen Berichtigung gebunden sind. Für die Notwendigkeit, Zeitprofile nur anhand bundeseinheitlicher Regelungen zu erstellen und zu verwenden, ist dabei nichts ersichtlich. Im Gegenteil akzeptiert es der Gesetzgeber auch in anderem Zusammenhang, nämlich z.B. bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten (§ 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V), dass das vertragsärztliche Abrechnungsverhalten anhand regionaler, auf den Zuständigkeitsbereich einer KÄV beschränkter Vergleichswerte überprüft wird. Der den Gesamtvertragsparteien erteilte Auftrag, Verfahren zur Prüfung der Abrechnungen durch Plausibilitätskontrollen zu vereinbaren (§ 83 Abs. 2 SGB V), hindert die KÄVen nicht daran, vertragsärztliche Abrechnungen auch ohne solche Vereinbarungen auf Plausibilität und Richtigkeit hin zu überprüfen. §§ 45 Abs. 1 und 2 BMV-Ä, 34 Abs. 4 EKV-Ä enthalten nämlich einen umfassenden Auftrag an die KÄVen, die von den Vertragsärzten vorgelegten Abrechnungen entsprechend zu kontrollieren. Zu den hierfür geeigneten Kontrollmaßnahmen gehört grundsätzlich auch die Verwendung von Zeitprofilen.
Bei der Festlegung der den Zeitprofilen zugrunde liegenden Zeitvorgaben kommt der Beklagten ein vom Senat nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Denn diese Zeitvorgaben beruhen, wie die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden eingehend dargelegt hat, auf ärztlichem Erfahrungswissen (vgl. zum Beurteilungsspielraum in diesen Fällen BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 26; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 4; jeweils m.w.N.). Die gerichtliche Überprüfung der Zeitprofile beschränkt sich daher auf die schlüssige, nachvollziehbare, widerspruchsfreie Ausgestaltung der Zeitvorgaben und insbesondere ihre Übereinstimmung mit dem vertragsärztlichen Abrechnungsregelwerk.
Vor diesem Hintergrund sind Tagesprofile, d.h. die Addition der Behandlungszeiten für Leistungen an einem Behandlungstag, als Beweismittel zum Nachweis einer unrichtigen Abrechnung nur dann geeignet, wenn in die Ermittlung der Gesamtbehandlungszeit nur solche Leistungen einbezogen werden, die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzen. Die zugrunde gelegten Zeiten müssen zudem so bemessen sein, dass auch ein erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt die Leistungen im Durchschnitt in kürzerer Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß und vollständig erbringen kann. Ferner ist zu beachten, dass bestimmte Leistungen nach dem EBM-Ä nebeneinander berechnungsfähig sind. Soweit Tagesprofile als einziges Mittel zum Nachweis einer unrichtigen Abrechnung eingesetzt werden, reicht es regelmäßig nicht aus, einzelne Tage herauszugreifen. Vielmehr ist es erforderlich, die Tagesprofile über einen längeren Zeitraum, z.B. ein vollständiges Quartal, zu erstellen.
Entsprechende Anforderungen sind an die Verwendung von Quartalsprofilen zu stellen. Im Gegensatz zu Tagesprofilen werden hierbei nicht die Leistungen eines einzelnen Behandlungstages, sondern eines längeren Behandlungszeitraums addiert. Soweit die bereits genannten Voraussetzungen erfüllt sind, kommt ihnen ein mindestens ebenso hoher Beweiswert wie den Tagesprofilen zu. Diesen gegenüber haben sie sogar insofern Vorteile, als sie bereits aus sich heraus einen längeren Abrechnungszeitraum abdecken und daher nicht zu Verzeichnungen aufgrund der besonderen Praxisverhältnisse eines einzelnen Behandlungstages führen. Überdies bieten sie die Möglichkeit, auch solche Leistungen in die Gesamtbetrachtung mit einfließen zu lassen, die nur einmal im Behandlungsfall abgerechnet werden können, obwohl sie – wie z.B. bei der hausärztlichen Grundvergütung (Nr. 1 EBM-Ä), bei der Ordinationsgebühr (Nr. 2 EBM-Ä) oder bei Betreuungsgrundleistungen (Nrn. 14 ff. EBM-Ä) – Leistungen an verschiedenen Behandlungstagen des Quartals umfassen können oder sogar müssen.
Die von der Beklagten im konkreten Fall erstellten Zeitprofile werden den genannten Anforderungen gerecht.
Die Beklagte hat nur solche Leistungen berücksichtigt, die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzen. Leistungen, die ausschließlich aufgrund im Wege der Delegation erbracht werden können, sind außer Ansatz geblieben. Die in die Zeitprofile eingestellten Leistungen sind darüberhinaus sämtlich zeitabhängig. Das gilt auch für die Leistungen nach Nrn. 20 EBM-Ä (Betreuung eines moribunden Kranken), 85 EBM-Ä (Zuschlagsziffer bei ambulanten Operationen für den erhöhten personellen und sächlichen Aufwand, insbesondere im Hinblick auf die Nachsorge) und 332 EBM-Ä (Reanimation), die in den seit dem 01.01.2003 geltenden Zeitvorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) nicht gesondert bewertet werden (vgl. www.kvwl.de/arzt/abrech/abrech/zeitprofplau.pdf). Denn es ist nicht zu bezweifeln, dass für sämtliche Leistungen ein – wenn auch im Einzelnen möglicherweise nicht planbarer – zeitlicher Aufwand anfällt. Schließlich hat die Beklagte bei der Erstellung der Tages- und Quartalsprofile auch zwischen solchen Zeiten unterschieden, die lediglich bei Quartalsprofilen zu berücksichtigen sind (wie z.B. Nr. 1 EBM-Ä), und solchen, die auch in Tagesprofile eingestellt werden können.
Die für die Leistungen zugrunde gelegten Zeiten sind ebenfalls nicht zu beanstanden.
Zu Recht ist die Beklagte davon ausgegangen, dass maßgeblich diejenigen Zeitvorgaben sind, die im jeweiligen Abrechnungsquartal "gegolten" haben, d.h. von ihr als der zuständigen KÄV bei der Erstellung von Zeitprofilen angewandt worden sind. Eine Änderung dieser Zeitvorgaben in späteren Quartalen, insbesondere ihre Anpassung an bundeseinheitlich entwickelte Zeitangaben (z.B. seitens der KÄBV) ist nicht geboten. Mit dem Anknüpfen an die zum Zeitpunkt der Leistungserbringung und Abrechnung maßgebenden Zeitvorgaben sind einerseits eine einheitliche Prüfpraxis und andererseits ein Mindestmaß an Kalkulierbarkeit durch die Vertragsärzte selbst gewährleistet. Das schließt nicht aus, dass einzelne Zeitangaben – insbesondere zugunsten des Vertragsarztes – auch während eines laufenden Prüfverfahrens noch korrigiert werden. Eine Rechtspflicht hierzu besteht jedoch solange nicht, wie sich die angewandten Zeitangaben nicht wegen Überschreitung des Beurteilungsspielraums als rechtswidrig erweisen.
Eine derartige Überschreitung des Beurteilungsspielraums ist für die Quartale I/1996 bis II/1997 nicht erkennbar.
Sie folgt nicht schon aus dem Umstand, dass andere KÄVen zeitgleich oder später zu anderen Zeitvorgaben gekommen sind bzw. dass die Beklagte selbst ihre Zeitvorgaben in nachfolgenden Quartalen geändert hat. Derartige Anpassungen entspringen vielmehr der Verpflichtung, die Wirkung von Regelungen, bei denen ein besonderer Beurteilungsspielraum besteht, zu beobachten und sie ggf. mit Wirkung für die Zukunft anzupassen bzw. nachzubessern (vgl. hierzu zuletzt BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 34 m.w.N.). Dementsprechend hat die Beklagte die Zeitvorgaben für Nrn. 10, 11, 17 und 18 EBM-Ä im Jahr 1997 gegenüber dem Jahr 1996 angepasst. Rückwirkend brauchte sie dies jedoch nicht zu tun.
Den einzelnen Zeitvorgaben der Beklagten liegen keine unvertretbaren Annahmen zugrunde. Soweit es sich dabei um Leistungen handelt, für die nach dem EBM-Ä Mindestzeiten erfüllt sein müssen, hat die Beklagte lediglich diese angesetzt. Für die übrigen Leistungen bewegen sich die Zeitvorgaben durchweg im unteren Bereich des von der KÄBV seit dem 01.01.2003 vorgegebenen Korridors. Ausnahmen gelten nur für die Bewertung der Nrn. 14, 15 und 21 EBM-Ä, bei denen es sich jedoch um um kontinuierliche Betreuungsleistungen bzw. eines spezifische Interventionsleistung handelt, deren zeitlicher Aufwand besonders schwer zu schätzen ist und die daher einen besonders weit gehenden, von der Beklagten nicht überschrittenen Beurteilungsspielraum verlangen. Zu Unrecht beanstandet der Kläger auch die Zeitvorgaben im Zusammenhang mit Nr. 1 EBM-Ä. Mit einer Zeitvorgabe von neun Minuten für "normale" Mitglieder und Familienversicherte hat die Beklagte annähernd die durchschnittliche Zeitvorgabe der KÄBV für Allgemeinmediziner von acht Minuten getroffen. Schon aus diesem Grund kann insoweit also nicht von einer Überschreitung des Beurteilungsspielraums ausgegangen werden. Hiervon weicht die Vorgabe für Rentner von 16 Minuten zwar ab. Andererseits ist es nicht beurteilungsfehlerhaft anzunehmen, dass die allgemeinärztliche Betreuung von Rentnern im Behandlungsfall typischerweise einen größeren Zeitaufwand verlangt als bei jüngeren Versicherten. Es kommt hinzu, dass die Beklagte bei vielen anderen Leistungen einen Zeitaufwand angesetzt hat, der weit unter den aktuellen durchschnittlichen Zeitvorgaben der KÄBV liegt (vgl. z.B. Nr. 32 EBM-Ä (4 Minuten gegenüber 8 Minuten nach KÄBV), Nr. 160 EBM-Ä (15 Minuten gegenüber 25 Minuten nach KÄBV), Nr. 378 EBM-Ä (5 Minuten gegenüber 13 Minuten nach KÄBV). Insofern gehört es jedoch mit zu ihrem Beurteilungsspielraum, ein insgesamt in sich schlüssiges Zeitgefüge zu entwickeln. Dieses würde zerstört, wenn von ihrer Häufigkeit her wesentliche einzelne Leistungsziffern zeitlich niedriger bewertet würden, ohne dass es gleichzeitig zu einer entsprechenden Anpassung des gesamten Gefüges einschließlich der Anhebung der Zeitvorgaben für andere Leistungsziffern käme.
Die Beklagte hat auch dem Umstand Rechnung getragen, dass bestimmte Leistungen nach dem EBM-Ä neben anderen erbracht werden können, ohne dass im Rahmen von Zeitprofilen beide Leistungen angesetzt werden dürften.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist die entsprechende Anforderung des BSG an ordnungsgemäße Zeitprofile nicht dahingehend zu verstehen, dass das BSG meint, bestimmte Leistungen könnten gleichsam parallel oder – wie der Kläger es formuliert – "überlappend" erbracht werden (z.B. das therapeutische hausärztliche Gespräch nach Nr. 10 EBM-Ä im Zusammenhang mit einer sonografischen Untersuchung nach Nr. 378 EBM-Ä). Vielmehr verlangt das Gebot, Leistungen nur dann zu berechnen, wenn der Leistungsinhalt vollständig erbracht worden ist (Abschn. A.I. Teil A Ziff. 1 Satz 1 EBM-Ä), die volle Konzentration des Vertragsarztes auf die jeweilige Leistung. Das gilt auch und gerade dann, wenn es sich um Leistungen mit Mindestzeiten handelt. Anders liegt es nur dann, wenn eine Leistung keinen zusätzlichen zeitlichen Aufwand verlangt, wie dies etwa bei Sachaufwandsvergütungen oder Zuschlagsziffer (z.B. Nr. 388 EBM-Ä im Verhältnis zu Nr. 378 EBM-Ä) der Fall ist. Dort können die Leistungen nebeneinander erbracht oder abgerechnet werden, ohne dass sie doppelten Zeitaufwand verlangen. Dies hat die Beklagte bei der Ausgestaltung der Zeitvorgaben jedoch, wie bereits dargelegt, zutreffend berücksichtigt.
Etwas Abweichendes gilt auch nicht im Zusammenhang mit Besuchen. Zwar liegt es auf der Hand, dass während eines Besuchs regelmäßig noch weitere Leistungen anfallen. Indessen handelt es sich insoweit um einen Umstand, der den sachkundigen Verfassern von Vorgaben für Zeitprofile unbedenklich bekannt ist. Dementsprechend ist es vom Beurteilungsspielraum gedeckt, die Zeitvorgaben für Besuche eher knapp zu fassen, um dann die weiteren während des Besuchs erbrachten Leistungen gesondert zu berechnen. Dass sich die Beklagte in den Streitquartalen von dieser Überlegung hat leiten lassen, belegt vor allem die geringe Annahme von lediglich 13 Minuten für einen Besuch, wenn man berücksichtigt, dass damit der gesamte Zeitaufwand (einschließlich An- und Abfahrt) erfasst wird.
Die Erstellung der Zeitprofile im konkreten Fall ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Der Senat kann dahinstehen lassen, in welchem Umfang sich die Beschäftigung eines Weiterbildungsassistenten im Rahmen von Zeitprofilen auswirkt, nachdem die Beklagte die Weiterbildungsassistentin auch für den Monat Juli 1996 zugunsten des Klägers berücksichtigt hat. Jedenfalls dürfte die Beklagte nämlich im Rahmen des Beurteilungsspielraums unbedenklich in Rechnung stellen, dass die Beschäftigung eines Assistenten nicht der Vergrößerung der Praxis oder auch nur der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs dienen darf (§ 32 Abs. 3 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte) und dass die durch die Delegierung von Leistungen auf einen Weiterbildungsassistenten hervorgerufene Zeitersparnis zumindest teilweise durch den erforderlichen Weiterbildungsaufwand ausgeglichen wird. Insoweit ist der Beurteilung des Sozialgerichts, die Berücksichtigung der Weiterbildungsassistenten als vollwertige Behandler stelle eine den Kläger begünstigende Annahme dar, uneingeschränkt zuzustimmen. Das gilt umso mehr, als sich der zeitliche Umfang der abgerechneten Leistungen nach Ausscheiden der Weiterbildungsassistentin Ende Juli 1996, vor allem ab dem Quartal IV/1996, kaum verringert hat.
Die Beklagte brauchte im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens in den Quartalen I bis III/1996 sowie I und II/1997 die Tätigkeit des Klägers an Wochenenden nicht im Sinne einer Erhöhung des aus der Anzahl der Werktage im Quartal berechneten Divisors zu berücksichtigen. Zutreffend hat sie in diesem Zusammenhang auf die Auswertung des Quartals IV/1996 anhand von Tagesprofilen hingewiesen, aus der sich ergibt, dass an zahlreichen Tagen nur geringe Leistungen erbracht worden sind. Darüberhinaus stellt es eine Annahme zugunsten des Klägers dar, den Mittwoch als vollen Behandlungstag anzuerkennen und auf die Ermittlung etwaiger einzelner Fehltage (z.B. durch Krankheit oder sonstige teilweise Abwesenheit) zu verzichten. Schließlich hat die Beklagte ebenfalls ermessensfehlerfrei dargelegt, dass die zusätzliche Berücksichtigung weiterer Werktage lediglich zu einer geringfügigen Reduzierung der täglichen Leistungszeiten führen würde. So würde sich z.B. im Quartal II/1997 bei einer Erhöhung des Divisors um sechs Werktage entsprechend dem Quartal IV/1996 der durchschnittliche Zeitaufwand pro Tag von jetzt 18,90 Stunden auf lediglich 17,21 Stunden verringern.
Zu Recht hat es die Beklagte abgelehnt, die vom Kläger geltend gemachte "Praxisbesonderheit" einer großen Praxis im Wege einer wertenden Betrachtung zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. Denn die Größe einer Praxis hat keinen Einfluss auf die dem Vertragsarzt zur Verfügung stehende Arbeitszeit und erlaubt es ihm vor allem nicht, die gebotene Sorgfalt gegenüber seinen Patienten zu verringern, Leistungen unvollständig zu erbringen oder vom Gebot der peinlich genauen Abrechnung abzuweichen. Ebenso wenig darf die Umstellung eines Vergütungssystems (wie die Änderung des EBM-Ä zum 01.01.1996) dazu führen, dass Vertragsärzte nicht oder nicht vollständig erbrachte Leistungen abrechnen.
Weder die Beklagte noch der erkennende Senat brauchten sich gedrängt zu fühlen, die weiteren vom Kläger angebotenen Beweise zu erheben. Ordnungsgemäß erstellte Zeitprofile sind Indizien, mit deren Hilfe der Vollbeweis der unrichtigen Abrechnung geführt werden kann. Es kann unbedenklich zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass er seine Praxis optimal organisiert hat und so viele Leistungen wie möglich und nach den vertragsärztlichen Vorschriften zulässig auf seine Mitarbeiter delegiert. Bei den Zeitvorgaben der Beklagten handelt es sich jedoch ihrerseits um Mindestzeiten, bei denen ohne weiteres angenommen werden kann, dass sie eine entsprechende Praxisorganisation unterstellen.
Aufgrund der von der Beklagten aufgestellten Zeitprofile steht fest, dass der Kläger in sämtlichen Streitquartalen unrichtig abgerechnet hat.
Insbesondere aufgrund der Sachkunde seiner ehrenamtlichen Richter schließt sich der Senat der Beurteilung der Beklagten an, wonach es ausgeschlossen ist, dass ein Vertragsarzt über einen längeren Zeitraum durchschnittlich zeitgebundene Leistungen von mehr als 15 Stunden täglich erbringt. Das gilt vor allem, wenn man sich vergegenwärtigt, dass unvermeidbare Handlungen wie die tägliche Organisation des Praxisablaufs, das Anleiten und Überwachen des Praxispersonals bei delegationsfähigen Leistungen, die Auswertung von Befundunterlagen, Dokumentationen, Arztbriefen usw., persönliche Bedürfnisse wie Toilettengänge oder Nahrungsaufnahme, ganz zu schweigen von privatärztlichen Behandlungen, in diese Berechnung in keiner Weise eingeflossen sind.
Im Hinblick darauf ist davon auszugehen, dass der Kläger jedenfalls einzelne der von ihm abgerechneten Leistungen entweder nicht oder – anders als nach Abschn. A.I. Teil A Ziff. 1 Satz 1 EBM-Ä erforderlich – nicht vollständig erbracht hat. Im einen wie im anderen Fall sind seine Abrechnungs-Sammelerklärungen in allen Quartalen unrichtig gewesen. Im Hinblick auf die zeitliche Größenordnung musste sich dem Kläger die Unrichtigkeit seiner Abrechnung auch aufdrängen, sodass ihm insoweit zumindest grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt.
War die Beklagte somit berechtigt, die Honorarbescheide für sämtliche Streitquartale aufzuheben und das Honorar des Klägers neu festzusetzen, so hat sie das ihr dabei zustehende weite Schätzungsermessen fehlerfrei ausgeübt. Die Annahme, im Durchschnitt sämtlicher Werktage könnten zeitgebundene Leistungen nicht im Umfang von mehr als zehn Nettoarbeitsstunden erbracht werden, erweist sich angesichts der hiervon nicht erfassten und im Einzelnen in den angefochtenen Bescheiden aufgeführten Handlungen und Leistungen als zumindest vertretbar. Schließlich hat die Beklagte ermessensfehlerfrei den Rückforderungsbetrag zugunsten des Klägers ausgehend vom niedrigeren Primärkassenpunktwert festgesetzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum 01.01.2002 geltenden Fassung (vgl. BSG SozR 3-2500 § 116 Nr. 24). Das geringfügige Nachgeben der Beklagten im Berufungsverfahren war nicht im Sinne einer Kostenquotelung zu berücksichtigen, zumal jedenfalls der Umfang dieses Nachgebens aus den dargelegten Gründen nicht zwingend geboten war.
Der Senat hat keinen Anlass gesehen, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), nachdem die wesentlichen durch den Rechtsstreit aufgeworfenen Fragen durch das BSG vorgeklärt sind und sich die dabei gewonnenen Erkenntnisse ohne weiteres auf die Beurteilung quartalsweise erstellter Zeitprofile übertragen lassen.
Erstellt am: 02.04.2004
Zuletzt verändert am: 02.04.2004