Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 17.12.2002 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine Disziplinarmaßnahme.
Der Kläger nimmt als niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin in E an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Für die Quartale I und II/1996 stellte die Beklagte im Rahmen von Plausibilitätsprüfungen fest, dass er Leistungen mit Mindestzeiten von mehr als 400 Stunden im Quartal, nämlich 633,25 Stunden im Quartal I/1996 bzw. 484,50 Stunden im Quartal II/1996, abgerechnet hatte und dass in den Quartalen III und IV/1996 sein angeforderter Leistungsbedarf den durchschnittlichen Leistungsbedarf seiner Arztgruppe um mehr als das 1,5fache der Standardabweichung überschritt. Außerdem erstellte die Beklagte Quartalsübersichten für alle Quartale sowie Tagesprofile für die Quartale II/1996 und IV/1996, aus denen sie ableitete, dass die vom Kläger abgerechneten Leistungen zeitlich nicht erbringbar seien.
Bei den Quartalsübersichten ordnete die Beklagte den vom Kläger abgerechneten zeitabhängigen Leistungen bestimmte Mindestzeiten zu und teilte die Summe sämtlicher Zeiten durch die Anzahl der Werktage. Für das Quartal I/1996 ergaben sich auf diese Weise insgesamt 1.442,92 Stunden, die verteilt auf 64 Werktage eine Durchschnittsleistung von 22,55 Stunden am Tag ergaben. Unter Berücksichtigung des vom Kläger in diesem Quartal halbtags beschäftigten Weiterbildungsassistenten teilte die Beklagte diesen Wert durch 1,5 und errechnete eine zeitliche Durchschnittsbelastung von 15,03 Stunden pro Werktag. Für das Quartal II/1996 ergaben sich unter Berücksichtigung einer in den Monaten Mai und Juni in Vollzeit beschäftigten Weiterbildungsassistentin auf diese Weise 14,22 Stunden, im Quartal III/1996 – unter Außerachtlassung der auch im Juli beschäftigten Assistentin – 21,20 Stunden, im Quartal IV/1996 17,44 Stunden. Dabei reduzierte die Beklagte die Zahl der im Divisor enthaltenen Werktage im Quartal III/1996 um zehn Urlaubstage. Im Quartal IV/1996 erhöhte sie sie im Hinblick auf die erstellten Tagesprofile und die sich daraus ergebenenden an Wochenenden erbrachten Leistungen um sechs. Die Tagesprofile der Beklagten zeigten u.a. für den 02.04.1996 eine Belastung von 19,22 Stunden, für das Quartal IV/1996 an zehn Tagen Belastungen von mehr als 12 und an einem Tag von mehr als 16 Stunden.
Auf Antrag des Vorstandes vom 13.06.1997, bezogen auf die Quartale I und II/1996 eröffnete der Disziplinarausschuss der Beklagten am 28.07.1997 ein Disziplinarverfahren gegen den Kläger, in das mit Beschluss vom 20.10.1997 die Quartale III und IV/1996 einbezogen wurden. Mit Beschluss vom 27.04.1998 verhängte der Diszplinarausschuss der Beklagten gegen den Kläger wegen Verstoßes gegen die Pflicht zur peinlich genauen Honorarabrechnung vertragsärztlicher Leistungen in den Quartalen I/1996 bis IV/1996 einen Verweis und eine Geldbuße in Höhe von 20.000 DM. Der Kläger habe seine vertragsärztlichen Pflichten verletzt, indem er eine implausible, fehlerhafte Abrechnung eingereicht habe. Angesichts des großen Zeitaufwandes an einzelnen Tagen des Quartals II/1996 sowie der quartalsweisen Abrechnungsergebnisse, auch im Vergleich zu denen des Jahres 1995, liege die Vermutung nahe, dass er die im EBM-Ä vorgeschriebenen Zeiten nicht eingehalten habe. Es sei von einem fahrlässigen Pflichtverstoß auszugehen, da keine Anhaltspunkte für ein bewusstes und gewolltes Handeln vorlägen. Die Verfehlung sei als besonders schwerwiegend zu bewerten. Allerdings stelle sie keine gröbliche Pflichtverletzung dar, die den Entzug der Zulassung oder die Anordnung ihres Ruhens rechtfertigen könne. Das Vertrauen zwischen dem Kläger und der Beklagten sei jedoch in hohem Maße erschüttert. Bei der Verhängung der Geldbuße sei auch zu berücksichtigen, dass der Kläger bislang mit der Beklagten keine Vereinbarung über die Schadenswiedergutmachung getroffen habe.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Dortmund (SG) erhoben und vorgetragen: Plausibilitätsprüfungen anhand von Zeitvorgaben seien unzulässig, solange es keine bundeseinheitlichen Zeitvorgaben und gesamtvertraglichen Vereinbarungen über die Durchführung von Plausibilitätsprüfungen gebe. Die von der Beklagten erstellten Tagesprofile genügten nicht den von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Anforderungen, weil sie nicht die Möglichkeiten berücksichtigten, dass Leistungen auch zeitlich nebeneinander erbracht werden könnten. Seine Abrechnungen seien plausibel, da er 70 Stunden pro Woche gearbeitet habe und dabei der Mittwoch Nachmittag sowie der Samstag als volle Arbeitstage zu berücksichtigen seien. Die Beklagte habe ihre Amtsermittlungspflicht verletzt, indem sie zu keinem Zeitpunkt seinem Angebot nachgegangen sei, Praxismitarbeiter oder Patienten zu befragen. Er habe seine Praxis, nicht zuletzt unter Berücksichtigung der Weiterbildungsassistenten, optimal organisiert. Im Übrigen ergebe sich aus – vom Kläger im Verfahren vorgelegten – alternativen Berechnungen, dass seine Abrechnungen keineswegs implausibel seien. Die hohen Abrechnungswerte des Quartals I/1996 beruhten mit auf den zu diesem Zeitpunkt wirksamen gewordenen Änderungen des EBM-Ä.
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem SG den Verweis aufgehoben.
Der Kläger hat hinsichtlich des Bescheides im Übrigen beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 27.04.1998 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat den angefochtenen Beschluss verteidigt, soweit sie ihn in der mündlichen Verhandlung aufrecht erhalten hat.
Das SG hat die Klage abgewiesen. Es hat die Zeitprofile als plausibel und daher den Verstoß gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung als bewiesen angesehen. Ermessensfehler bei der Festlegung der konkreten Maßregelung seien nicht zu erkennen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung lasse sich die Implausibilität einer Abrechnung nur anhand von möglichst über einen längeren Zeitraum erstellten Tagesprofilen nachweisen. Da ihm die Zeitvorgaben erst mit dem Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid bekannt gegeben worden seien, habe die Beklagte zudem sein rechtliches Gehör verletzt. Weiter habe sie der Beschäftigung von Weiterbildungsassistenten und dem Umstand, dass er eine besonders große Praxis betreibe, nicht genügend Rechnung getragen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 17.12.2002 abzuändern und den Beschluss der Beklagten vom 27.04.1998 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den gesamten Akteninhalt einschließlich des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist. Außerdem wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten des Verfahrens L 11 KA 72/03 LSG NRW Bezug genommen, dem Honoraraufhebungs- und Rückforderungsbescheide der Beklagten gegen den Kläger für die Quartale I/1996 bis II/1997 zugrunde liegen und das gemeinsam mit dem vorliegenden Verfahren vor dem Senat verhandelt worden ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der angefochtene Honoraraufhebungs- und -rückforderungsbescheid vom 03.07.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.1999 in der Fassung, die er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 11.02.2004 erlangt hat (§ 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Dieser Bescheid ist nicht rechtswidrig.
Er beruht auf § 81 Abs. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung i.V.m. der Disziplinarordnung der Beklagten in der Fassung des Beschlusses der Vertreterversammlung vom 24.06.1995 (DO). Das Verfahren ist formell ordnungsgemäß durchgeführt worden.
Der Beschluss des Disziplinarausschusses ist auch materiell rechtmäßig. Der Kläger, der Mitglied der Beklagten ist, hat schuldhaft gegen seine vertragsärztlichen Pflichten verstoßen (§ 1 Abs. 1 DO), nämlich die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung (vgl. BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 4 m.w.N.). Er hat für die Quartale I bis IV/1996 schuldhaft fehlerhafte Abrechnungen überreicht. Denn er hat Leistungen abgerechnet, die er unter Verstoß gegen Abschn. A.I. Teil A Ziff. 1 Satz 1 EBM-Ä nicht oder nicht vollständig erbracht hatte. Zu Recht hat der Disziplinarausschuss der Beklagten angenommen, dass dies aufgrund der von der Beklagten erstellten Zeitprofile feststeht.
Der Disziplinarausschuss hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt vollständig ermittelt (vgl. zu diesem Kriterium BSG SozR 2200 § 368m Nr. 3; BSG SozR 3-2500 § 81 Nr. 9; m.w.N.). Er hat dabei zutreffend angenommen, dass der Nachweis einer unrichtigen Abrechnung auch auf der Grundlage von Zeitprofilen geführt werden kann. Für Tagesprofile ist dies bereits höchstrichterlich ausdrücklich entschieden (BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 4; BSG SozR 3-2500 § 83 Nr. 1). Danach sind Zeitprofile bei übermäßiger Praxisausdehnung in der Regel das einzige Beweismittel, um einem Arzt unkorrekte Abrechnung nachzuweisen. Es handelt sich um Indizienbeweise, gegen deren Verwendung im Honorarberichtigungsverfahren keine Bedenken bestehen.
Die Verwendung von Tages- und Quartalsprofilen ist nicht von der Existenz bundeseinheitlicher Zeitvorgaben oder gesamtvertraglicher Regelungen zu Plausibilitätskontrollen gemäß § 83 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) abhängig. Die gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen regeln abschließend die Vorgaben, an die die KÄVen bei der Honorierung vertragsärztlicher Leistungen und ggf. ihrer sachlich-rechnerischen Berichtigung gebunden sind. Für die Notwendigkeit, Zeitprofile nur anhand bundeseinheitlicher Regelungen zu erstellen und zu verwenden, ist dabei nichts ersichtlich. Im Gegenteil akzeptiert es der Gesetzgeber auch in anderem Zusammenhang, nämlich z.B. bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten (§ 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V), dass das vertragsärztliche Abrechnungsverhalten anhand regionaler, auf den Zuständigkeitsbereich einer KÄV beschränkter Vergleichswerte überprüft wird. Der den Gesamtvertragsparteien erteilte Auftrag, Verfahren zur Prüfung der Abrechnungen durch Plausibilitätskontrollen zu vereinbaren (§ 83 Abs. 2 SGB V), hindert die KÄVen nicht daran, vertragsärztliche Abrechnungen auch ohne solche Vereinbarungen auf Plausibilität und Richtigkeit hin zu überprüfen. §§ 45 Abs. 1 und 2 BMV-Ä, 34 Abs. 4 EKV-Ä enthalten nämlich einen umfassenden Auftrag an die KÄVen, die von den Vertragsärzten vorgelegten Abrechnungen entsprechend zu kontrollieren. Zu den hierfür geeigneten Kontrollmaßnahmen gehört grundsätzlich auch die Verwendung von Zeitprofilen.
Bei der Festlegung der den Zeitprofilen zugrunde liegenden Zeitvorgaben kommt der Beklagten ein vom Senat nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Denn diese Zeitvorgaben beruhen, wie die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden eingehend dargelegt hat, auf ärztlichem Erfahrungswissen (vgl. zum Beurteilungsspielraum in diesen Fällen BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 26; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 4; jeweils m.w.N.). Die gerichtliche Überprüfung der Zeitprofile beschränkt sich daher auf die schlüssige, nachvollziehbare, widerspruchsfreie Ausgestaltung der Zeitvorgaben und insbesondere ihre Übereinstimmung mit dem vertragsärztlichen Abrechnungsregelwerk.
Vor diesem Hintergrund sind Tagesprofile, d.h. die Addition der Behandlungszeiten für Leistungen an einem Behandlungstag, als Beweismittel zum Nachweis einer unrichtigen Abrechnung nur dann geeignet, wenn in die Ermittlung der Gesamtbehandlungszeit nur solche Leistungen einbezogen werden, die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzen. Die zugrunde gelegten Zeiten müssen zudem so bemessen sein, dass auch ein erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt die Leistungen im Durchschnitt in kürzerer Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß und vollständig erbringen kann. Ferner ist zu beachten, dass bestimmte Leistungen nach dem EBM-Ä nebeneinander berechnungsfähig sind. Soweit Tagesprofile als einziges Mittel zum Nachweis einer unrichtigen Abrechnung eingesetzt werden, reicht es regelmäßig nicht aus, einzelne Tage herauszugreifen. Vielmehr ist es erforderlich, die Tagesprofile über einen längeren Zeitraum, z.B. ein vollständiges Quartal, zu erstellen.
Entsprechende Anforderungen sind an die Verwendung von Quartalsprofilen zu stellen. Im Gegensatz zu Tagesprofilen werden hierbei nicht die Leistungen eines einzelnen Behandlungstages, sondern eines längeren Behandlungszeitraums addiert. Soweit die bereits genannten Voraussetzungen erfüllt sind, kommt ihnen ein mindestens ebenso hoher Beweiswert wie den Tagesprofilen zu. Diesen gegenüber haben sie sogar insofern Vorteile, als sie bereits aus sich heraus einen längeren Abrechnungszeitraum abdecken und daher nicht zu Verzeichnungen aufgrund der besonderen Praxisverhältnisse eines einzelnen Behandlungstages führen. Überdies bieten sie die Möglichkeit, auch solche Leistungen in die Gesamtbetrachtung mit einfließen zu lassen, die nur einmal im Behandlungsfall abgerechnet werden können, obwohl sie – wie z.B. bei der hausärztlichen Grundvergütung (Nr. 1 EBM-Ä), bei der Ordinationsgebühr (Nr. 2 EBM-Ä) oder bei Betreuungsgrundleistungen (Nrn. 14 ff. EBM-Ä) – Leistungen an verschiedenen Behandlungstagen des Quartals umfassen können oder sogar müssen.
Die von der Beklagten im konkreten Fall erstellten Zeitprofile werden den genannten Anforderungen gerecht.
Die Beklagte hat nur solche Leistungen berücksichtigt, die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzen. Leistungen, die ausschließlich aufgrund im Wege der Delegation erbracht werden können, sind außer Ansatz geblieben. Die in die Zeitprofile eingestellten Leistungen sind darüberhinaus sämtlich zeitabhängig. Das gilt auch für die Leistungen nach Nrn. 20 EBM-Ä (Betreuung eines moribunden Kranken), 85 EBM-Ä (Zuschlagsziffer bei ambulanten Operationen für den erhöhten personellen und sächlichen Aufwand, insbesondere im Hinblick auf die Nachsorge) und 332 EBM-Ä (Reanimation), die in den seit dem 01.01.2003 geltenden Zeitvorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) nicht gesondert bewertet werden (vgl. www.kvwl.de/arzt/abrech/abrech/zeitprofplau.pdf). Denn es ist nicht zu bezweifeln, dass für sämtliche Leistungen ein – wenn auch im Einzelnen möglicherweise nicht planbarer – zeitlicher Aufwand anfällt. Schließlich hat die Beklagte bei der Erstellung der Tages- und Quartalsprofile auch zwischen solchen Zeiten unterschieden, die lediglich bei Quartalsprofilen zu berücksichtigen sind (wie z.B. Nr. 1 EBM-Ä), und solchen, die auch in Tagesprofile eingestellt werden können.
Die für die Leistungen zugrunde gelegten Zeiten sind ebenfalls nicht zu beanstanden.
Zu Recht ist die Beklagte davon ausgegangen, dass maßgeblich diejenigen Zeitvorgaben sind, die im jeweiligen Abrechnungsquartal "gegolten" haben, d.h. von ihr als der zuständigen KÄV bei der Erstellung von Zeitprofilen angewandt worden sind. Eine Änderung dieser Zeitvorgaben in späteren Quartalen, insbesondere ihre Anpassung an bundeseinheitlich entwickelte Zeitangaben (z.B. seitens der KÄBV) ist nicht geboten. Mit dem Anknüpfen an die zum Zeitpunkt der Leistungserbringung und Abrechnung maßgebenden Zeitvorgaben sind einerseits eine einheitliche Prüfpraxis und andererseits ein Mindestmaß an Kalkulierbarkeit durch die Vertragsärzte selbst gewährleistet. Das schließt nicht aus, dass einzelne Zeitangaben – insbesondere zugunsten des Vertragsarztes – auch während eines laufenden Prüfverfahrens noch korrigiert werden. Eine Rechtspflicht hierzu besteht jedoch solange nicht, wie sich die angewandten Zeitangaben nicht wegen Überschreitung des Beurteilungsspielraums als rechtswidrig erweisen.
Eine derartige Überschreitung des Beurteilungsspielraums ist für die Quartale I/1996 bis IV/1996 nicht erkennbar.
Sie folgt nicht schon aus dem Umstand, dass andere KÄVen zeitgleich oder später zu anderen Zeitvorgaben gekommen sind bzw. dass die Beklagte selbst ihre Zeitvorgaben in nachfolgenden Quartalen geändert hat. Derartige Anpassungen entspringen vielmehr der Verpflichtung, die Wirkung von Regelungen, bei denen ein besonderer Beurteilungsspielraum besteht, zu beobachten und sie ggf. mit Wirkung für die Zukunft anzupassen bzw. nachzubessern (vgl. hierzu zuletzt BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 34 m.w.N.). Dementsprechend hat die Beklagte die Zeitvorgaben für Nrn. 10, 11, 17 und 18 EBM-Ä im Jahr 1997 gegenüber dem Jahr 1996 angepasst. Rückwirkend brauchte sie dies jedoch nicht zu tun.
Den einzelnen Zeitvorgaben der Beklagten liegen keine unvertretbaren Annahmen zugrunde. Soweit es sich dabei um Leistungen handelt, für die nach dem EBM-Ä Mindestzeiten erfüllt sein müssen, hat die Beklagte lediglich diese angesetzt. Für die übrigen Leistungen bewegen sich die Zeitvorgaben durchweg im unteren Bereich des von der KÄBV seit dem 01.01.2003 vorgegebenen Korridors. Ausnahmen gelten nur für die Bewertung der Nrn. 14, 15 und 21 EBM-Ä, bei denen es sich jedoch um um kontinuierliche Betreuungsleistungen bzw. eines spezifische Interventionsleistung handelt, deren zeitlicher Aufwand besonders schwer zu schätzen ist und die daher einen besonders weit gehenden, von der Beklagten nicht überschrittenen Beurteilungsspielraum verlangen. Zu Unrecht beanstandet der Kläger auch die Zeitvorgaben im Zusammenhang mit Nr. 1 EBM-Ä. Mit einer Zeitvorgabe von neun Minuten für "normale" Mitglieder und Familienversicherte hat die Beklagte annähernd die durchschnittliche Zeitvorgabe der KÄBV für Allgemeinmediziner von acht Minuten getroffen. Schon aus diesem Grund kann insoweit also nicht von einer Überschreitung des Beurteilungsspielraums ausgegangen werden. Hiervon weicht die Vorgabe für Rentner von 16 Minuten zwar ab. Andererseits ist es nicht beurteilungsfehlerhaft anzunehmen, dass die allgemeinärztliche Betreuung von Rentnern im Behandlungsfall typischerweise einen größeren Zeitaufwand verlangt als bei jüngeren Versicherten. Es kommt hinzu, dass die Beklagte bei vielen anderen Leistungen einen Zeitaufwand angesetzt hat, der weit unter den aktuellen durchschnittlichen Zeitvorgaben der KÄBV liegt (vgl. z.B. Nr. 32 EBM-Ä (4 Minuten gegenüber 8 Minuten nach KÄBV), Nr. 160 EBM-Ä (15 Minuten gegenüber 25 Minuten nach KÄBV), Nr. 378 EBM-Ä (5 Minuten gegenüber 13 Minuten nach KÄBV). Insofern gehört es jedoch mit zu ihrem Beurteilungsspielraum, ein insgesamt in sich schlüssiges Zeitgefüge zu entwickeln. Dieses würde zerstört, wenn von ihrer Häufigkeit her wesentliche einzelne Leistungsziffern zeitlich niedriger bewertet würden, ohne dass es gleichzeitig zu einer entsprechenden Anpassung des gesamten Gefüges einschließlich der Anhebung der Zeitvorgaben für andere Leistungsziffern käme.
Die Beklagte hat auch dem Umstand Rechnung getragen, dass bestimmte Leistungen nach dem EBM-Ä neben anderen erbracht werden können, ohne dass im Rahmen von Zeitprofilen beide Leistungen angesetzt werden dürften.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist die entsprechende Anforderung des BSG an ordnungsgemäße Zeitprofile nicht dahingehend zu verstehen, dass das BSG meint, bestimmte Leistungen könnten gleichsam parallel oder – wie der Kläger es formuliert – "überlappend" erbracht werden (z.B. das therapeutische hausärztliche Gespräch nach Nr. 10 EBM-Ä im Zusammenhang mit einer sonografischen Untersuchung nach Nr. 378 EBM-Ä). Vielmehr verlangt das Gebot, Leistungen nur dann zu berechnen, wenn der Leistungsinhalt vollständig erbracht worden ist (Abschn. A.I. Teil A Ziff. 1 Satz 1 EBM-Ä), die volle Konzentration des Vertragsarztes auf die jeweilige Leistung. Das gilt auch und gerade dann, wenn es sich um Leistungen mit Mindestzeiten handelt. Anders liegt es nur dann, wenn eine Leistung keinen zusätzlichen zeitlichen Aufwand verlangt, wie dies etwa bei Sachaufwandsvergütungen oder Zuschlagsziffer (z.B. Nr. 388 EBM-Ä im Verhältnis zu Nr. 378 EBM-Ä) der Fall ist. Dort können die Leistungen nebeneinander erbracht oder abgerechnet werden, ohne dass sie doppelten Zeitaufwand verlangen. Dies hat die Beklagte bei der Ausgestaltung der Zeitvorgaben jedoch, wie bereits dargelegt, zutreffend berücksichtigt.
Etwas Abweichendes gilt auch nicht im Zusammenhang mit Besuchen. Zwar liegt es auf der Hand, dass während eines Besuchs regelmäßig noch weitere Leistungen anfallen. Indessen handelt es sich insoweit um einen Umstand, der den sachkundigen Verfassern von Vorgaben für Zeitprofile unbedenklich bekannt ist. Dementsprechend ist es vom Beurteilungsspielraum gedeckt, die Zeitvorgaben für Besuche eher knapp zu fassen, um dann die weiteren während des Besuchs erbrachten Leistungen gesondert zu berechnen. Dass sich die Beklagte in den Streitquartalen von dieser Überlegung hat leiten lassen, belegt vor allem die geringe Annahme von lediglich 13 Minuten für einen Besuch, wenn man berücksichtigt, dass damit der gesamte Zeitaufwand (einschließlich An- und Abfahrt) erfasst wird.
Die Erstellung der Zeitprofile im konkreten Fall ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Der Senat kann dahinstehen lassen, in welchem Umfang sich die Beschäftigung eines Weiterbildungsassistenten im Rahmen von Zeitprofilen auswirkt, nachdem die Beklagte die Weiterbildungsassistentin auch für den Monat Juli 1996 zugunsten des Klägers berücksichtigt hat. Jedenfalls dürfte die Beklagte nämlich berücksichtigen, dass die Beschäftigung eines Assistenten nicht der Vergrößerung der Praxis oder auch nur der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs dienen darf (§ 32 Abs. 3 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte) und dass die durch die Delegierung von Leistungen auf einen Weiterbildungsassistenten hervorgerufene Zeitersparnis zumindest teilweise durch den erforderlichen Weiterbildungsaufwand ausgeglichen wird. Insoweit ist der Beurteilung des Sozialgerichts, die Berücksichtigung der Weiterbildungsassistenten als vollwertige Behandler stelle eine den Kläger begünstigende Annahme dar, uneingeschränkt zuzustimmen. Das gilt umso mehr, als sich der zeitliche Umfang der abgerechneten Leistungen nach Ausscheiden der Weiterbildungsassistentin Ende Juli 1996, d.h. ab dem Quartal IV/1996, kaum verringert hat.
Selbst wenn man im Übrigen zugunsten des Klägers unterstellt, dass er auch an Wochenenden in nennenswertem Umfang gearbeitet hat, ändert dies nichts an der Beurteilung des vorliegenden Falles. Wie die von der Beklagten für das Quartal IV/1996 erstellten Tagesprofile ausweisen, sind an den entsprechenden Tagen nur in geringem Umfang Leistungen erbracht worden. Dementsprechend hat die Beklagte für das Quartal IV/1996 die Zahl der im Divisor wiedergegebenen Werktage lediglich um sechs erhöht. Am Ergebnis einer implausiblen Abrechnung, die nicht allein – wie vom Abrechnungsregelwerk geboten – die tatsächlich vollständig erbrachten Leistungen widerspiegelt, hat sich hierdurch jedoch nichts geändert und würde sich auch bei einer entsprechenden Anwendung für die übrigen Quartale des Jahres 1996 nichts ändern.
In diesem Zusammenhang unerheblich ist die Größe der vom Kläger betriebenen Praxis. Denn diese hat keinen Einfluss auf die dem Vertragsarzt zur Verfügung stehende Arbeitszeit und erlaubt es ihm vor allem nicht, die gebotene Sorgfalt gegenüber seinen Patienten zu verringern, Leistungen unvollständig zu erbringen oder vom Gebot der peinlich genauen Abrechnung abzuweichen. Ebenso wenig darf die Umstellung eines Vergütungssystems (wie die Änderung des EBM-Ä zum 01.01.1996) dazu führen, dass Vertragsärzte nicht oder nicht vollständig erbrachte Leistungen abrechnen.
Der Disziplinarausschuss brauchte sich im Rahmen der vollständigen Sachverhaltsermittlung nicht gedrängt zu sehen, die weiteren vom Kläger angebotenen Beweise zu erheben. Ordnungsgemäß erstellte Zeitprofile sind Indizien, mit deren Hilfe der Vollbeweis der unrichtigen Abrechnung geführt werden kann. Es kann unbedenklich zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass er seine Praxis optimal organisiert hat und so viele Leistungen wie möglich und nach den vertragsärztlichen Vorschriften zulässig auf seine Mitarbeiter delegiert. Bei den Zeitvorgaben der Beklagten handelt es sich jedoch ihrerseits um Mindestzeiten, bei denen ohne weiteres angenommen werden kann, dass sie eine entsprechende Praxisorganisation unterstellen.
Aufgrund der Zeitprofile ist der Disziplinarausschuss der Beklagten rechtsfehlerfrei zu der Annahme gelangt, dass der Kläger in den Quartale I bis IV/1996 seine Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung schuldhaft verletzt hat.
Insbesondere aufgrund der Sachkunde seiner ehrenamtlichen Richter schließt sich der Senat der Beurteilung der Beklagten an, wonach es ausgeschlossen ist, dass ein Vertragsarzt über einen längeren Zeitraum durchschnittlich zeitgebundene Leistungen von mehr als 15 Stunden täglich erbringt. Das gilt vor allem, wenn man sich vergegenwärtigt, dass unvermeidbare Handlungen wie die tägliche Organisation des Praxisablaufs, das Anleiten und Überwachen des Praxispersonals bei delegationsfähigen Leistungen, die Auswertung von Befundunterlagen, Dokumentationen, Arztbriefen usw., persönliche Bedürfnisse wie Toilettengänge oder Nahrungsaufnahme, ganz zu schweigen von privatärztlichen Behandlungen, in diese Berechnung in keiner Weise eingeflossen sind.
Im Hinblick darauf ist davon auszugehen, dass der Kläger jedenfalls einzelne der von ihm abgerechneten Leistungen entweder nicht oder – anders als nach Abschn. A.I. Teil A Ziff. 1 Satz 1 EBM-Ä erforderlich – nicht vollständig erbracht hat. Im einen wie im anderen Fall sind seine Abrechnungs-Sammelerklärungen in allen Quartalen unrichtig gewesen. Im Hinblick auf die zeitliche Größenordnung musste sich dem Kläger die Unrichtigkeit seiner Abrechnung auch aufdrängen, sodass ihm insoweit auch das nach § 1 Abs. 1 DO erforderliche Verschulden zur Last.
Die Auswahl der Disziplinarmaßnahme ist im Hinblick auf das dem Disziplinarausschuss insoweit zustehende Ermessen (vgl. BSG SozR 3-2500 § 81 Nr. 9 m.w.N.). Die Verhängung einer Geldbuße von 20.000 DM (§ 6 Abs. 1 Buchst. c) DO) ist nicht zu beanstanden. Insbesondere durfte sich der Disziplinarausschuss dabei auch von der zulässigen Erwägung leiten lassen, dass der Kläger bis zur Entscheidung in sein Fehlverhalten keine Einsicht gezeigt und keine Anstrengungen zur Wiedergutmachung des entstandenen Schadens unternommen hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum 01.01.2002 geltenden Fassung (vgl. BSG SozR 3-2500 § 116 Nr. 24).
Der Senat hat keinen Anlass gesehen, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), nachdem die wesentlichen durch den Rechtsstreit aufgeworfenen Fragen durch das BSG vorgeklärt sind und sich die dabei gewonnenen Erkenntnisse ohne weiteres auf die Beurteilung quartalsweise erstellter Zeitprofile übertragen lassen.
Erstellt am: 11.08.2004
Zuletzt verändert am: 11.08.2004