Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31.03. 2014 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht die Berufung gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Gemäß § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bedarf die Berufung der Zulassung in einem Urteil des Sozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR oder bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000,00 EUR nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Hier ist die Berufung nicht kraft Gesetzes zugelassen, weil der Streitgegenstand des Klageverfahrens allein der von der Beschwerdeführerin im Klageverfahren geltend gemachte Anspruch auf Zahlung eines höheren Krankengeldes ist, das von ihr selbst auf 132,80 EUR (nebst Zinsen) beziffert wird.
Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor. Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn (1) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, (2) das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundeverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Soweit die Klägerin das Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung mit ihrer Beschwerde damit begründet, dass sich die von den gesetzlichen Krankenkassen – wie u.a. der Beklagten – praktizierte Krankengeldberechnung auf alle abhängig beschäftigten Arbeitnehmer bezieht, verkennt sie den Anwendungsbereich der Norm. Voraussetzung für die Zulassung einer Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung ist nämlich, dass die Sache eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Berufungsgericht bedürftig und fähig ist. Klärungsfähig in diesem Sinne ist die aufgeworfene Rechtsfrage nur, wenn sie im konkreten Fall entscheidungserheblich ist (u.v.a. Leitherer in Meyer- Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 144, Rdn. 28 und § 160, Rdn. 6 ff., jeweils m.w.N). Grundsätzliche Bedeutung ist schon deshalb nicht gegeben, weil in dem anhängigen Rechtsstreit eine klärungsbedürftige Rechtsfrage im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG nicht aufgeworfen wurde.
(2) Ein Fall des § 144 Abs. 2 Ziffer 2 SGG liegt ebenfalls nicht vor. Soweit die Klägerin geltend macht, die Berechnung der Beklagten und ihr folgend des Sozialgerichts das Urteil des Sozialgerichts weiche von den Vorgaben des BVerfG im Beschluss vom 17.02.21997 ab, ist dies nicht zutreffend. Das BVerfG hat sich in seiner Entscheidung keine Ausführungen ("Vorgaben") zur Berechnungsmethode von Krankengeld gemacht. Die Verfassungsbeschwerde betraf vielmehr die Neuregelung des § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V mit dem Gesetz zur Entlastung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung (Beitragsentlastungsgesetz – BeitrEntlG) vom 01.11.1996 (BGBl I S. 1631), durch welches die Höhe des Krankengeldes ab 01.01.1997 von bisher 80 auf 70 vom Hundert des Regelentgelts herabgesetzt und der Höchstbetrag des Krankengeldes von bisher 100 auf 90 vom Hundert des Nettoarbeitsgeldes festgesetzt wurde. Die dortige Beschwerdeführerin, die nach einer Operation mit einem längeren Krankengeldbezug rechnete, hielt die für sie zu erwartende Kürzung des Zahlbetrags für familienfeindlich. Sie sei Mutter von vier minderjährigen Kindern; Unterhaltspflichten berücksichtige der Gesetzgeber aber nicht. Das BVerfG hielt die mit der Beschwerde aufgeworfenen Fragen für geklärt und lehnte die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung ab. Einen für das vorliegende Verfahren maßgeblichen Rechtssatz hat das BVerfG indes nicht aufgestellt.
(3) Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG zuzulassen. Das Sozialgericht hat mit seiner Entscheidung insbesondere nicht das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG), §§ 62, 128 Abs. 2 SGG) verletzt, weil es – wie die Klägerin mit ihrer Beschwerde geltend macht – in seiner Entscheidung im Wesentlichen der Begründung des Widerspruchsbescheides gefolgt ist. Ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör setzt voraus, dass ein Beteiligter nicht hinreichend Gelegenheit gehabt hat, sich zu dem zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern und dadurch die Willensbildung des Gerichts zu beeinflussen (BVerfGE 22, 114). Das Gebot des rechtlichen Gehörs erfordert zudem, dass das Gericht die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht (BVerfGE 96, 205; BVerfG SozR 4-2500 § 87 Nr. 6). Im Rahmen der Verpflichtung, den Vortrag von Beteiligten zu erwägen, ist das Gericht nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen zu befassen; es muss nur auf das für das Verfahren wesentliche und nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserhebliche Vorbringen eingehen (BVerfGE 69, 141, BVerfGE 79, 51 und in BVerfGE 96, 205). Je umfangreicher das Vorbringen ausfällt, desto stärker besteht die Notwendigkeit, im Rahmen der Entscheidungsbegründung nur die wesentlichen Fragen abzuhandeln und auf die ausdrückliche Auseinandersetzung mit weniger wichtigen oder gar abwegigen Fragen zu verzichten. § 136 Abs. 3 SGG ermöglicht insofern ausdrücklich die Möglichkeit, von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es – wie hier – der Begründung des Widerspruchsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt. Insbesondere war nicht erforderlich, das Rechenwerk der Klägerin nachzuvollziehen, sondern, wie durch das angefochtene Urteil erfolgt, über die Rechtmäßigkeit der Berechnung der Beklagten zu entscheiden.
Soweit die Klägerin als Verstoß gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör weitergehend rügt, sie habe keine Gelegenheit gehabt, sich zu den ergänzenden Ausführungen des Sozialgerichts, die Einmalzahlung finde keine Berücksichtigung, da das Arbeitsentgelt der Klägerin die Beitragsbemessungsgrenze überschreite, zu "positionieren", beruht auch dieser Einwand auf einer Verkennung des Gewährleistungsgehalts des § 62 SGG sowie des Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und trifft nicht zu. Aus dem Recht auf rechtliches Gehör ergibt sich keine allgemeine Aufklärungspflicht des Richters. Der Richter muss auch nicht auf sämtliche Gesichtspunkte hinweisen, die die Beteiligten in ihren wechselseitigen Schriftsätzen bislang nicht angesprochen haben. Ein Gericht verstößt lediglich dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn es ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfGE 84, 188 (190); 86, 133 (144 f.)). Dies ist erkennbar nicht der Fall.
Die Anmerkung der Klägerin, der Kammervorsitzende des Sozialgerichts habe anders als in der schriftlichen Entscheidungsbegründung im Rahmen der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass in ihrem Falle die Einmalzahlungen bei der Krankengeldberechnung hätten berücksichtigt werden müssen, steht im Widerspruch zu den von der Klägerin unwidersprochenen Ausführungen in der Sitzungsniederschrift, wonach der Vorsitzende darauf hingewiesen hat, dass "die Berechnungsweise der Beklagten nicht zu beanstanden ist". Ein Widerspruch zwischen diesem protokollierten Hinweis und der Entscheidungsbegründung besteht nicht.
Unabhängig davon, dass aus den mit dem Hinweisschreiben des Senats vom 03.09.2014, wegen dessen Inhalts auf Bl. 195 f. der Gerichtsakte Bezug genommen wird, grundlegende Bedenken bestehen, dass die Berufung erfolgreich wäre, stellt jedenfalls die von der Klägerin im Wesentlichen gerügte sachliche Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nach § 144 Abs. 2 SGG keinen Grund dar, eine kraft Gesetzes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Vielmehr soll es gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bei Verfahren mit geringem Streitwert – wie hier – grundsätzlich mit einer gerichtlichen sachlichen Überprüfung des Klagebegehrens sein Bewenden haben.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Mit der Zurückweisung der Beschwerde wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31.03.2014 rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Erstellt am: 26.09.2014
Zuletzt verändert am: 26.09.2014