Die Klage des Klägers wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1968 geborene Kläger war bis 2006 Rechtsanwalt. Anschließend bezog er von der Arbeitsgemeinschaft N (ARGE) Arbeitslosengeld II (ALG II) und war bei der Beklagten kranken- und pflegeversichert. Vom 27.07.2007 bis 24.09.2007 verbüßte der Kläger eine Ersatzfreiheitsstrafe, wovon er weder die Beklagte und zunächst auch nicht die ARGE unterrichtete. Die ARGE hob die ALG II-Bewilligung ab 28.07.07 rückwirkend auf (Klageverfahren S 8 (12) AS 111/08 anhängig) und bewilligte ab dem 24.09.2007 wieder ALG II.
Nachdem die Beklagte wegen des Endes des ALG II-Bezuges eine Abmeldung erhalten hatte, befragte sie den Kläger zur Klärung des Versichertenstatus zunächst erfolglos mit Schreiben vom 08.07.2008 und 22.7.2008. Mit Schreiben vom 18.08.2008 wurde der Kläger anschließend unter anderem darauf hingewiesen, dass die Beklagte die Beiträge pauschal auf der Basis der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze berechnen werde, wenn der Kläger die vollständigen Unterlagen nicht bis zum 01.08.2008 ausgefüllt und unterschrieben zusammen mit den entsprechenden Nachweisen zurück gereicht habe. Der Kläger reagierte jedoch auch auf dieses Schreiben nicht.
Unter dem 01.09.2008 erteilte die Beklagte dem Kläger sodann für den Zeitraum vom 28.7.2007 bis 23.9.2007 einen Beitragsbescheid über insgesamt 1.022,08 EUR.
Der Kläger legte dagegen am 09.09.2008 Widerspruch ein, den er trotz Aufforderung seitens der Beklagten nicht begründete.
Am 5.1.2009 hat der Kläger beim Sozialgericht Münster (SG) die als Untätigkeitsklage überschriebene Klage erhoben, die bis zur Entscheidung des SG nicht begründet worden ist und auch keinen Hinweis auf die zwischenzeitliche Inhaftierung enthalten hat:
"Hiermit erhebe ich Untätigkeitsklage gemäß § 88 SGG (Sozialgerichtsgesetz) und werde wie folgt beantragen:
1.der Beitragsbescheid der Technikerkrankenkasse zum Geschäftszeichen xxx vom 01.09.2008 wird aufgehoben.
2.es wird festgestellt, dass für den gesamten Versicherungszeitraum uneingeschränkter gesetzlicher Versicherungsschutz besteht." Die Beklagte hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat ausgeführt: Weil die Kläger sich jeglicher Mitwirkung entzogen habe, sei der Beitrag nach der Beitragsbemessungsgrenze berechnet worden. Die Einstufung sei auf den Zeitraum vom 28.07.2007 bis 23.09.2007 begrenzt worden, weil nachfolgend wieder eine Pflichtmitgliedschaft aufgrund des Bezuges von ALG II eingetreten sei. Die Streitsache könne sich kurzfristig erledigen, wenn der Kläger erkläre, ob seine Einkommensverhältnisse ursächlich für die Unterbrechung des ALG II – Bezuges gewesen seien und wenn er seine Einkommensverhältnisse für den streitbefangenen Zeitraum offen lege.
Das SG hat das Verfahren nicht gemäß § 88 Abs 1 Satz 2 des SGG ausgesetzt, sondern nach Anhörung der Beteiligten die Klage mit Gerichtsbescheid vom 06.04.2009 (am 07.04.2009 zur Post gegeben) abgewiesen. Anträge der Beteiligten führt dieser Gerichtsbescheid nicht auf. Zur Begründung hat das SG ausgeführt: Die Klage sei unbegründet. Da der Kläger seinen Widerspruch vom 08.09.2008 gegen den Bescheid vom 01.09.2008 ohne Angabe von Hinderungsgründen nicht begründet habe, liege ein zureichender Grund dafür vor, dass bisher nicht über den Widerspruch entschieden wurde.
Am 07.04.2009 ist die Klagebegründung des Klägers eingegangen. Danach habe er im 20.07.2007 bis 24.09.2007 eine Freiheitsstrafe verbüßt; aus diesem Grunde sei er nicht versicherungspflichtig gewesen.
Gegen den am 08.04.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 07.05.2009 Berufung eingelegt. Auf Verlangen des Senats hat der Kläger schließlich die Haftentlassungsbescheinigung vorgelegt. Die Beklagte hat unter dem 20.08.2009 den Bescheid vom 01.09.2008 aufgehoben. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat sie außerdem anerkannt, dass der Bescheid rechtswidrig gewesen sei. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, das Verfahren der Untätigkeitsklage werde nicht weiter betrieben; auch der Antrag zu 2 der Klageschrift bleibe nicht aufrecht erhalten. Den Antrag zu 1 der Klageschrift betreibe er im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage weiter. Die Aufhebung des Beitragsbescheides und die zusätzliche ausdrückliche Anerkennung der Beklagte, dass der Bescheid rechtswidrig gewesen sei, genüge ihm nicht. Er befürchte, in einem weiteren Verfahren zu einer Geldstrafe verurteilt zu werden, die er dann wieder absitzen müsse. Es möge sein, dass in diesem Falle die Beklagte sich in gleicher Weise verhalte, wie bisher. Das vermöge er nicht auszuschließen. Deshalb sei er an einem Urteil und einer Festschreibung eines Anspruchs interessiert; es bestehe ein Präjudizinteresse.
Der Kläger beantragt,
im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage festzustellen, dass der Beitragsbescheid der Techniker Krankenkasse vom 01.09.2008 rechtswidrig war.
Die Beklagte beantragt,
die Fortsetzungsfeststellungsklage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach – und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten, der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der beigezogenen Akten – Az S 8 (12) AS 111/08 – SG Münster, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unzulässig.
Hat sich der Verwaltungsakt vor der Entscheidung des Gerichts durch Zurücknahme oder anders erledigt, spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat (vgl § 131 Abs 1 Satz 3 SGG).
Der Kläger hatte mit seiner ursprünglichen Klage (Antrag Nr 1) die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 01.09.2008 beantragt, obwohl die von ihm als Volljuristen ausdrücklich als solche bezeichnete Untätigkeitsklage im sozialgerichtlichen Verfahren (§ 88 SGG) nach herrschender Meinung jedenfalls im Regelfall als echte Bescheidungsklage auf die Erteilung des noch fehlenden Widerspruchsbescheides, nicht auf die Aufhebung des Ausgangsbescheides zielt (vgl etwa bei Leitherer, Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 88 Rn 2). Obwohl ferner das SG dem Aufhebungsantrag des Klägers irrtümlich – aber nicht versehentlich im Sinne des § 140 SGG – keine eigenständige Bedeutung beigemessen hat, ist der Antrag des Klägers auf Aufhebung des Bescheides vom 01.09.2008 mit der Berufung beim LSG angefallen. Der Bescheid enthält auch einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X. Dieser Verwaltungsakt hat sich durch seine Aufhebung seitens der Beklagten im Berufungsverfahren im Sinne des § 131 Abs 1 Satz 3 erledigt. Für die vom Kläger begehrte Feststellung durch Urteilsausspruch, dass dieser Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen sei, fehlt aber das Fortsetzungsfeststellungsinteresse.
Der Fortsetzungsfeststellungsantrag setzt gemäß § 131 Abs 1 Satz 3 SGG ein berechtigtes Interesse voraus, welches rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein kann. Ein Feststellungsinteresse als Sonderform des Rechtsschutzbedürfnisses kommt – abgesehen von Fällen der Präjudiziabilität – im Grundsatz in drei verschiedenen Richtungen in Betracht: wegen eines Schadensersatzinteresses, eines Rehabilitierungsinteresses und wegen des Wiederholungsvorbeugungsinteresses. Dabei sind vom Rechtssuchenden die Umstände substantiiert darzulegen, die sein Feststellungsinteresse begründen (vgl Jansen, SGG, 3. Aufl 2008, § 131 Rz 18 mwN). Ein solches berechtigtes Interesse hat der Kläger nicht dartun können.
Soweit er in der mündlichen Verhandlung ein Präjudizinteresse geltend gemacht hat, ist weder dargelegt noch sonst erkennbar, in wieweit die jetzt beantragte Entscheidung lediglich Vorfrage für die Entscheidung eines nachfolgenden Rechtsstreits sein sollte (zur Präjudiziabilität vgl bei Jansen, aaO § 141 Rz 15). Der Senat geht deshalb davon aus, dass der Kläger der Sache nach insbesondere ein Wiederholungsvorbeugungsinteresse (vgl. dazu Gerhardt in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), Loseblatt-Kommentar, Stand Nov. 2008, § 113 Rn 93) reklamiert. Für die Wiederholungsgefahr beziehungsweise das Wiederholungsvorbeugungsinteresse genügt jedoch nicht jede abstrakte, im Übrigen aber ungewisse oder vage Möglichkeit der Wiederholung einer gleichartigen Verwaltungsentscheidung. Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr setzt vielmehr die hinreichend bestimmte (konkrete) Gefahr (Bundessozialgericht, BSGE 42, 212,217) beziehungsweise wohl begründete Gefahr (vgl. Bundesverwaltungsgericht, BVerwGE 42, 318,320) voraus, dass in naher Zukunft oder in absehbarer Zeit unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird oder trotz veränderter Verhältnisse zumindest eine auf gleichartigen Erwägungen beruhende Entscheidung zu erwarten ist, weil die Behörde eine entsprechende Absicht zu erkennen gegeben hat (vgl Jansen aaO § 131 Rz 19 mwN). Davon kann hier nicht die Rede sein. Die Beklagte hat vielmehr nicht nur durch die Aufhebung ihres Verwaltungsaktes vom 01.09.2008, sondern auch durch die ausdrückliche Anerkennung in der mündlichen Verhandlung, dass ihr Bescheid vom 01.09.2008 rechtswidrig gewesen sei, unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, dass auch sie der Auffassung ist, dass der Kläger während Verbüßung einer Haftstrafe selbst keinen Beitrag zu Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlen hat. So hatte schon ihr Bescheid vom 01.09.2008 nicht darauf beruht, dass sie der Auffassung gewesen wäre, während der Strafhaft unterfalle der Kläger Zahlungspflichten auslösenden anderen Versicherungstatbeständen, weil er weder Versicherungsschutz nach § 5 Abs 1 Nr 2a SGB V genieße noch anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall nach §§ 56 ff Strafvollzugsgesetz bestehe, sondern auf der fehlenden Information seitens des Klägers. Selbst wenn der Kläger also demnächst wieder eine Haftstrafe antreten sollte, wäre deshalb keine hinreichend konkrete Gefahr gegeben, dass die Beklagte dem Kläger einen inhaltlich unrichtigen Beitragsbescheid erteilt. Selbst wenn diese Gefähr gesehen würde, wäre sie durch das unkooperative Verhalten des Klägers begründet, sodass ihr nicht durch die vom Kläger hier beantragte Entscheidung, sondern durch Verhaltensänderung seitens des Klägers zu begegnen wäre.
Da ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse auch unter den og anderen Aspekten nicht zu begründen ist, ist die Fortsetzungsfeststellungsklage unzulässig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat neben der Erfolglosigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage berücksichtigt, dass die ursprüngliche Klage als Untätigkeitsklage wegen des Vorliegens eines zureichenden Grundes im Sinne § 88 SGG unbegründet und mit den vom Kläger ausdrücklich formulierten Klageanträgen mangels Abschluss des Vorverfahrens unzulässig gewesen ist, ferner, dass dem Kläger ersichtlich mehr an der Führung eines Verfahrens als an der Klärung seines Versicherungsschutzes gelegen gewesen ist. Von der Verhängung von Kosten nach § 192 SGG gegen den Kläger hat der Senat diesmal abgesehen.
Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
Erstellt am: 26.11.2009
Zuletzt verändert am: 26.11.2009