Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 21.02.2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger über den Monat August 2004 hinaus Anspruch auf Kostenerstattung für Arzneimittel zur Behebung seiner erektilen Dysfunktion hat.
Der Kläger ist 1939 geboren, Rentner und bei der Beklagten freiwillig krankenversichert. Wegen einer radikalen perinealen Prostatektomie im Jahre 1999 leidet er an einer erektilen Dysfunktion. Gegenüber der Beklagten erwirkte er das rechtskräftig gewordene Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30.01.2003 – L 16 KR 7/02, in dem die Beklagte unter Änderung ihrer damaligen Bescheide verurteilt wurde, dem Kläger auf entsprechende ärztliche Verordnung zukünftig das Arzneimittel "Viagra" als Sachleistung zu gewähren. In der Urteilsbegründung wurde u. a. ausgeführt, der Anspruch des Klägers werde durch Nr. 17.1 f) der seinerzeit geltenden Arzneimittelrichtlinien nicht beschränkt, weil ein diesbezüglicher Leistungsausschluss von der Ermächtigungsgrundlage des § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 des Sozialgesetzbuches 5. Buch – SGB V nicht gedeckt sei. Diese Vorschrift ermächtige den (damaligen) Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkasse nicht, die Behandlung einer bestimmten Erkrankung durch zugelassene Arzneimittel auszuschließen.
Die Beklagte übernahm die Kosten für die vom Kläger eingereichten Rechnungen über Caverject bis einschließlich August 2004, das Arzneimittel Viagra nahm der Kläger nicht in Anspruch.
Durch Art. 1 Nr. 22 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 (BGBl. I, 2190) wurden ab 01.01.2004 sämtliche Arzneimittel, die der Behandlung einer erektilen Dysfunktion dienen, von der Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Wegen der Einzelheiten wird auf die neu angefügten Sätze 7 und 8 des § 34 Abs. 1 SGB V verwiesen.
Im August 2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie auf Grund der geänderten und nun eindeutigen Rechtslage letztmalig Erstattung auf die Rechnungen von Juni und Juli 2004 leisten werde, eine weitere Kostenübernahme jedoch nicht mehr möglich sei. Nach weiterem Schriftwechsel wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.05.2005 den Widerspruch des Klägers wegen der geänderten gesetzlichen Vorschriften zur Arzneimittelversorgung zurück. Nach Nr. 18.2 der Arzneimittelrichtlinien sei das Arzneimittel Caverject nunmehr ausdrücklich von der Verordnung ausgeschlossen. Das Urteil des LSG NRW vom 30.01.2003 verliere auf Grund der gesetzlichen Neuregelung automatisch seine Wirkung, weil es zu der bis zum 31.12.2003 geltenden Rechtslage ergangen sei.
Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben, mit der er im Wesentlichen geltend gemacht hat, die Beklagte sei auf Grund der im rechtskräftigen Urteil des LSG NRW ausgesprochenen Verurteilung verpflichtet, ihm auch für die Zukunft Viagra bzw. Caverject als Sachleistung zu gewähren. Die ab 01.01.2004 geltende Rechtslage sei insoweit für ihn nicht maßgeblich. Es komme auch nicht darauf an, dass sich das Urteil über Viagra verhalte, es gelte vielmehr für sämtliche sonstigen Arzneimittel zur Behandlung einer erektilen Dysfunktion. Dazu hat der Kläger ein weiteres Schreiben der Beklagten vom 24.05.2005 vorgelegt, in dem die Kostenerstattung für das auf Privatrezept verordnete Arzneimittel Viagra abgelehnt wird.
Vor dem Sozialgericht hat der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.05.2005 sowie des Bescheides vom 24.05.2005 zu verurteilen, ihm die Kosten für die Arzneimittel Caverject und Viagra über den Monat August 2004 hinaus auch zukünftig zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält ihre Auffassung für zutreffend. Durch die Gesetzesänderung zum 01.01.2004 sei die Begründung für das Urteil des LSG NRW vom 30.01.2003 nicht mehr haltbar, ihm sei die Grundlage entzogen. Auf Grund dieser neuen Gesetzeslage sei die Beklagte auch faktisch nicht mehr in der Lage, die Arzneimittel als Sachleistung zur Verfügung zu stellen, da kein Behandler mehr dazu berechtigt sei, entsprechende Verordnungen auszustellen.
Mit Urteil vom 21.02.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, dass der Bescheid der Beklagten vom 24.05.2005 gemäß § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Klageverfahren geworden sei. Jedoch sei der Kläger durch die angefochtenen ablehnenden Entscheidungen nicht beschwert, denn diese seien rechtswidrig. Dazu hat es ausgeführt:
Der Kläger hat demgemäß jedoch weder Anspruch auf Kostenerstattung der ihm in der Vergangenheit privatärztlich verordneten og Medikamente nach § 13 Abs. 3 des Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V – noch auf zukünftige Kostenübernahme im Rahmen des Sachleistungsanspruchs, denn die Versorgung mit Arzneimitteln zur Behebung einer erektilen Dysfunktion fällt bereits seit dem 01.01.2004 nicht mehr in die Leistungspflicht einer gesetzlichen Krankenkasse.
Dies hat der Gesetzgeber in § 34 Abs. 1 Sätze 7 und 8 SGB V in der seit dem 01.01.2004 geltenden Fassung i. V. m. Nr. 18.2 der AMRI im Hinblick auf die bis dahin uneinheitliche Rechtsprechung zur Verordnungsfähigkeit der og Präparate ausdrücklich klargestellt. Demzufolge ist ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V, der unter den dort genannten Voraussetzungen an die Stelle eines Anspruchs auf eine Sach- oder Dienstleistung tritt und nur in dem Umfang besteht, soweit die selbstbeschaffte Leistung ihrer Art nach zu denjenigen Leistungen gehört, die von den gesetzlichen Krankenkassen als Sachleistungen zu erbringen sind, mit Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung nicht mehr gegeben.
Das BSG ist in seinem Urteil vom 11.05.2005, Az: 1 KR 25/03 R, von der Verfassungsmäßigkeit des nunmehr gesetzlich geregelten Leistungsausschlusses ausgegangen.
Dem Leistungsausschluss steht auch das rechtskräftige Urteil des LSG NW vom 30.01.2003, mit dem die Beklagte verurteilt wurde, dem Kläger auf entsprechende ärztliche Verordnung zukünftig das Arzneimittel Viagra als Sachleistung zu gewähren, nicht entgegen. Bereits dem Wortlaut nach kann aus der Urteilsformel und den Entscheidungsgründen kein Anspruch auf zukünftige Kostenerstattung hergeleitet werden. Das Urteil verhält sich lediglich über die Zurverfügungstellung von Viagra aufgrund vertragsärztlicher Verordnung als Sachleistung nach Maßgabe des seinerzeit geltenden Rechts. Für den hier streitigen Zeitraum ab August 2004 geht es indessen um die Frage der Kostenerstattung der jeweils auf Privatrezept verordneten Präparate Caverject und Viagra. Über die Frage einer zukünftigen Kostenerstattung liegt indessen keine Entscheidung vor. Aus dem Urteilstenor lässt sich vielmehr nur entnehmen, dass der Kläger Anspruch auf Verordnung von Viagra auf Kassenrezept hat, solange die Versorgung mit diesem Arzneimittel in die Sachleistungspflicht der Beklagten fällt.
Für eine weitergehende Auslegung des Urteils dahingehend, dass die Beklagte hierdurch, unabhängig von der jeweiligen Gesetzeslage, verpflichtet werden sollte, Kostenerstattung für Arzneimittel zur Behebung einer erektilen Dysfunktion zu leisten, bestehen im Hinblick auf die mit der Bezugnahme auf den Sachleistungsgrundsatz vorgenommene Einschränkung des zukünftigen Leistungsanspruchs aus Sicht des erkennenden Gerichts keine Anhaltspunkte.
Die in dem Urteilstenor ausgsprochene Leistungspflicht der Beklagten war zwar nicht ausdrücklich befristet. Wenn sich aber wie im vorliegenden Fall die der Entscheidung zugrunde liegende Rechtslage ändert, ist die Rechtskraft eines Urteils immer auf den Zeitpunkt dieser Änderung beschränkt (vgl. hierzu: Meyer-Ladewig, Komm zum SGG, 8. Aufl. 2005, § 141 SGG Rndnr 9).
Auch soweit die Beklagte im Schreiben vom 15.05.2001 eine Leistungsentscheidung bezüglich der Erstattung für Caverject getroffen hat, handelt es sich hierbei nicht um einen sog Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der zunächst nach § 48 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – SGB X – wegen Änderung der rechtlichen Verhältnisse formal aufzuheben wäre. Ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn es sich um laufende Geldleistungen, wie z. B. beim Rentenbezug, handelt. Im Rahmen einer Kostenerstattung erfolgt die Erstattung jeweils nur nach Vorlage der Verordnung und entsprechender Prüfung.
Aber selbst bei Annahme eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung hätte dieser im vorliegenden Fall aufgrund der in § 39 Abs 2 SGB X getroffenen Regelung seine Wirksamkeit verloren, denn ein Verwaltungsakt bleibt nur wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein neues Gesetz Status- oder Rechtspositionen gänzlich abschafft.
Vorliegend ist von einer Erledigung aufgrund der mit Wirkung zum 01.01.2004 in Kraft getretenen Gesetzesänderung auszugehen mit der Folge, dass der Kläger aus dem Schreiben der Beklagten vom 15.05.2001 keine Rechte mehr herleiten kann.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Damit trägt er vor, das Landessozialgericht habe ihm mit Urteil vom 30.01.2003 einen Sachleistungsanspruch für die Zukunft zugesprochen. Dieses positive Urteil gelte für alle Zukunft. Auf entsprechende Anregung des damaligen Vorsitzenden des Senates sei sein Antrag auch entsprechend formuliert worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 21.02.2006 abzuändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Weitere Einzelheiten, auch des Vorbringens der Beteiligten, ergeben sich aus den Prozess- und Verwaltungsakten und der beigezogenen Akten des Verfahrens S 9 KR 160/00 SG Duisburg.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 21.02.2006 ist statthaft und zulässig, aber unbegründet.
Der Kläger ist durch die angefochtene Entscheidung nicht beschwert, denn diese ist rechtmäßig. Der Kläger hat jedenfalls für die Zeit ab September 2004 keinen Anspruch auf Gewährung einer Sachleistung oder Kostenerstattung für die von ihm begehrten Medikamente Caverject und/oder Viagra.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen, weil der Senat die Berufung aus diesen Gründen zurückweist, § 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Das Berufungsvorbringen des Klägers führt zu keinem anderen Ergebnis. Damit verkennt der Kläger die Rechtskraftwirkung eines Urteils gemäß § 141 Abs. 1 SGG. Eine Bindung zwischen denselben Beteiligten bei Identität des Streitgegenstands gilt nicht mehr, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse oder die Rechtslage seit der Entscheidung des Gerichts geändert haben (statt aller: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 8. Aufl. 2005, § 141 Randnr. 9). Eine solche Änderung der maßgeblichen gesetzlichen Grundlagen ist zum 01.01.2004 in Kraft getreten, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat und zwischen den Beteiligten letztlich nicht streitig ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Erstellt am: 04.04.2007
Zuletzt verändert am: 04.04.2007