NZB d. Kl. als unzul. verworfen
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 23. Oktober 2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die 1996 geborene Klägerin für ihre kieferorthopädische Behandlung zunächst mit einem Eigenanteil in Höhe von 20 Prozent der berücksichtigungsfähigen Kosten je Quartal in Vorleistung zu gehen hat.
Mit Schreiben vom 06.11.2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin, die bei dieser familienversichert ist, eine kieferorthopädische Behandlung, deren Kosten sich laut Behandlungsplan vom 22.10.2008 voraussichtlich auf 3.025,18 Euro belaufen werden. In dem an den Vater der Klägerin gerichteten Schreiben heißt es weiter: "Es ist vorgesehen, dass Sie zunächst einen Eigenanteil in Höhe von 20 Prozent direkt an die Praxis zahlen. Dieser Eigenanteil soll ein Anreiz für Sie und Ihre Tochter K sein, die oft lange und vielleicht nicht immer einfache Zeit der kieferorthopädischen Behandlung erfolgreich zu meistern. Sie erhalten von Ihrer kieferorthopädischen Praxis jedes Quartal eine Rechnung über Ihren Eigenanteil. Bitte bewahren Sie diese sorgfältig auf, denn sobald die Praxis den erfolgreichen Abschluss der Behandlung bestätigt, zahlen wir Ihren Eigenanteil zurück."
Mit dem dagegen gerichteten Widerspruch machte der Vater der Klägerin geltend, er könne die Vorleistung des Eigenanteils als Vater von drei Kindern finanziell nicht verkraften, und beantragte im Wege einer Härtefallentscheidung, seine Tochter von der Vorleistungsverpflichtung freizustellen. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 20.05.2009 als unbegründet zurück und erläuterte, anders als z. B. bei Zuzahlungen zu Arzneimitteln (§ 61, 62 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch [SGB V]) sei eine Befreiung von den zunächst an den Vertragszahnarzt zu leistenden Eigenanteilen während der kieferorthopädischen Behandlung gesetzlich nicht vorgesehen, vgl. § 29 Abs. 2 SGB V. Eventuell komme eine Übernahme der Kosten durch andere Sozialleistungsträger in Betracht. Es sei auch denkbar, dass die Klägerin eine Abtretung ihres Rückzahlungsanspruchs aus § 29 Abs. 3 S. 2 SGB V gegen sie, die Beklagte, bzgl. der Eigenanteile an den behandelnden Kieferorthopäden vornehme und dadurch von laufenden Zahlungsforderungen freigestellt werde. Mit der Regelung, den 20-prozentigen Eigenanteil erst nach dem erfolgreichen Abschluss der Behandlung zu erstatten, habe der Gesetzgeber dem vorzeitigen Abbruch der Behandlung vorbeugen wollen. Die Regelung des § 29 SGB V sei für alle Krankenkassen zwingend. Sie, die Beklagte, sei daher nicht berechtigt, den vorläufigen Eigenanteil vor Behandlungsabschluss zu übernehmen, auch nicht in Härtefällen oder vorschussweise. Zur weiteren Begründung bezog sich die Beklagte auf ein Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Berlin vom 29.05.1991 (Az: L 5 KR 13/90). Um die Behandlung nicht zu gefährden, sei gegebenenfalls der zuständige Sozialhilfeträger verpflichtet, diese Kosten zu tragen. Eine Berücksichtigung des Eigenanteils für die kieferorthopädische Behandlung im Rahmen der nach § 62 SGB V geltenden Belastungsgrenze für die Zuzahlungsbefreiung könne jedenfalls nicht erfolgen, da es sich bei dem Eigenanteil nicht um eine Zuzahlung im Sinne der §§ 61, 62 SGB V handele.
Mit der am 25.05.2009 zum Sozialgericht (SG) Duisburg erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, trotz der im Übrigen gegebenen Zuzahlungsbefreiung sehe sich ihre Familie durch die Vorleistungspflicht für die Eigenanteile der kieferorthopädischen Behandlung überproportional und unverhältnismäßig belastet. In ihrem Fall habe daher die Krankenkasse die kieferorthopädische Behandlung von Beginn an zu 100 Prozent zu übernehmen, zumal sie selbst über keinerlei Einkommen verfüge. Das von der Beklagten zitierte Urteil, das noch unter der Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ergangen sei, könne auf die nunmehr geltende Rechtslage nicht übertragen werden; denn eine Vielzahl von Einmalleistungsansprüchen sei mit Einführung des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII) entfallen. Die Regelung des § 29 SGB V verstoße gegen das Sozialstaatsprinzip.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.05.2009 zu verurteilen, sie von der Zuzahlung von Eigenanteilen zu ihrer kieferorthopädischen Behandlung zu befreien, hilfsweise, die Berufung zuzulassen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig und die zugrunde liegende Norm des § 29 SGB V verfassungsgemäß. Ergänzend hat sie mitgeteilt, dass der voraussichtlich zu leistende Eigenanteil bei planmäßigem Behandlungsverlauf etwa 600,- Euro betragen werde.
Mit Urteil vom 23.10.2009 hat das SG Duisburg – unter Zulassung der Berufung – die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das SG wie folgt ausgeführt: Die als vorläufige Zahlungen zu leistenden Eigenanteile dürfe die Krankenkasse vor Abschluss der Behandlung auch nicht vorschussweise übernehmen, wie sich aus dem Regierungsentwurf zum Gesundheitsreformgesetz S. 171 (Begründung zu § 29 Abs. 1 SGB V) entnehmen lasse. Der nur vorläufig zu erbringende Eigenanteil unterfalle unter Berücksichtigung seiner dargestellten rechtlichen Ausgestaltung auch nicht den endgültig zu leistenden Zuzahlungen im Sinne der §§ 61, 62 SGB V, von denen eine Befreiung bei Erreichen der Belastungsgrenze vorgesehen sei. In diesem Zusammenhang könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass im Hinblick auf die Durchführung einer kieferorthopädischen Behandlung bei Minderjährigen eine volle Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung, wenn auch im Ergebnis zeitversetzt, vorgesehen sei. Unter diesem Gesichtspunkt sei kein Verstoß gegen das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG) erkennbar. Soweit im Ergebnis – jedenfalls nach ordnungsgemäßem Abschluss der Behandlung – die volle Kostenübernahme für die kieferorthopädische Behandlung durch die gesetzliche Krankenversicherung gesichert sei, bestehe kein unmittelbarer Handlungsbedarf im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Insoweit obläge es zudem allein dem Gesetzgeber, auch für diesen Bereich – ähnlich wie bei Zuzahlungen – eine Härtefallregelung zu schaffen, die einer Überforderung von Familien mit niedrigen Einkünften entgegenwirke. Die insoweit vorgesehene familienbezogene Verringerung des Eigenanteils auf 10 Prozent bei Behandlung weiterer Kinder nach § 29 Abs. 2 S. 2 SGB V erscheine nicht ausreichend. Um den Anspruch auf Krankenbehandlung verwirklichen zu können, sei es daher aus Sicht des SG erforderlich, wenn der zuständige Sozialleistungsträger in Fällen wie dem vorliegenden die Eigenanteilskosten zumindest darlehensweise vorschieße, um die Durchführung einer medizinisch notwendigen Krankenbehandlung im Interesse des Kindeswohles zu gewährleisten, soweit sich die mit den quartalsmäßig zu leistenden Eigenanteilen verbundene zusätzliche Belastung für die Familie als nicht zumutbar und tragbar erweise. Ggfls. könne der Sozialleistungsträger sich den künftigen Erstattungsanspruch gegen die Krankenkasse zur Sicherung seiner Rückzahlungsansprüche abtreten lassen. Die Klage sei nach alledem aus den dargelegten Gründen nach Maßgabe geltenden Rechts abzuweisen gewesen.
Gegen das ihrem Vater am 03.11.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am selben Tag Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Ergänzend hat sie auf Nachfrage mitgeteilt, sowohl ihr Vater als auch ihre Mutter bezögen auf Dauer Renten wegen voller Erwerbsminderung. Sie habe zwei Geschwister, die Brüder Q1, geboren 1997, und Q, geboren 2002. Die Familie erhalte zusätzlich Kindergeld für die drei Kinder, aber – im Hinblick auf den Rentenbezug – keinen Kindergeldzuschlag nach § 6a Bundeskindergeldgesetz (BKGG). Insoweit werde ein Berufungsverfahren vor dem LSG NRW geführt. Ergänzende Leistungen nach dem SGB XII beziehe die Familie nicht, und zwar weder laufende Leistungen – das Einkommen liege knapp oberhalb des sozialhilferechtlich relevanten Bedarfs – noch in Form von Einmalleistungen. Letztere seien beispielsweise in Bezug auf Weihnachtsbeihilfe, Bekleidung, die Reparatur der Waschmaschine, Schulmaterialien oder Schulausflüge gestellt, jeweils aber vom Träger der Sozialhilfe abschlägig beschieden worden. Auch bezüglich des streitgegenständlichen Eigenanteils zu kieferorthopädischen Leistungen für die Klägerin habe die Familie einen ablehnenden Bescheid des zuständigen Sozialamtes erhalten, der vor dem SG Duisburg angefochten sei. Die Eigenanteile je Quartal seien bislang in folgender Höhe angefallen:
Quartal IV/2008: 57,60 Euro,
Quartal I/2009: 11,15 Euro,
Quartal II/2009: 11,15 Euro,
Quartal III/2009: 40,70 Euro,
Quartal IV/2009: 24,69 Euro.
Die Beträge seien jeweils aus dem Einkommen der Familie aufgebracht und an den Kieferorthopäden gezahlt worden. Zwar sei der behandelnde Kieferorthopäde bereit gewesen, keine Eigenanteilsrechnungen geltend zu machen und sich stattdessen ihre, der Klägerin, Ansprüche gegen die Beklagte abtreten zu lassen; jedoch habe sie davon keinen Gebrauch gemacht; denn sie sei nicht bereit, als Bettlerin gegenüber den Behandlern aufzutreten. Im Übrigen stehe nicht fest, in welcher Höhe bis zum Abschluss der kieferorthopädischen Behandlung Eigenanteile anfielen. Bislang sei insbesondere die Hauptklammer noch nicht gesetzt worden, die mit besonders hohen Kosten verbunden sei. Auch durch die Erhöhung des Kindergeldes habe sich die finanzielle Situation der Familie nicht verbessert. Zeitgleich seien die Energiekosten gestiegen und auch die Wohnungsmiete habe sich erhöht. Gleiches gelte für Versicherungsbeiträge.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Senat ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des SG Duisburg vom 23.10.2009 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.05.2009 zu verurteilen, ihr eine kieferorthopädische Behandlung als Sachleistung ohne vorschussweise Eigenanteilszahlung zu bewilligen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Ergänzend weist sie darauf hin, dass die Klägerin die Zahlung von Eigenanteilen durch Abgabe einer entsprechenden Abtretungserklärung gegenüber dem behandelnden Kieferorthopäden hätte abwenden können. Im Übrigen liege die Höhe der bislang angefallenen Eigenanteile in einer Größenordnung, die eine darlehensweise Gewährung durch den Sozialhilfeträger offensichtlich nicht notwendig mache.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozess- sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem sich die Beteiligten übereinstimmend schriftsätzlich damit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Das SG hat zu Recht mit Urteil vom 23.10.2009 die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 06.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.05.2009 ist rechtmäßig. Ein Anspruch der Klägerin auf Bewilligung einer kieferorthopädischen Behandlung als Sachleistung ohne vorschussweise Eigenanteilszahlung besteht nicht.
Gemäß § 29 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf kieferorthopädische Versorgung in medizinisch begründeten Indikationsgruppen, bei denen eine Kiefer- oder Zahnfehlstellung vorliegt, die das Kauen, Beißen, Sprechen oder Atmen erheblich beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht. Nach Abs. 2 der Norm leisten Versicherte zu der kieferorthopädischen Behandlung nach Absatz 1 einen Anteil in Höhe von 20 vom Hundert der Kosten an den Vertragszahnarzt. Satz 1 gilt nicht für im Zusammenhang mit kieferorthopädischer Behandlung erbrachte konservierend-chirurgische und Röntgenleistungen. Befinden sich mindestens zwei versicherte Kinder, die bei Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und mit ihren Erziehungsberechtigten in einem gemeinsamen Haushalt leben, in kieferorthopädischer Behandlung, beträgt der Anteil nach Satz 1 für das zweite und jedes weitere Kind 10 vom Hundert. Der Vertragszahnarzt rechnet nach Abs. 3 der Norm die kieferorthopädische Behandlung abzüglich des Versichertenanteils nach Absatz 2 Satz 1 und 3 mit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung ab. Wenn die Behandlung in dem durch den Behandlungsplan bestimmten medizinisch erforderlichen Umfang abgeschlossen worden ist, zahlt die Kasse den von den Versicherten geleisteten Anteil nach Absatz 2 Satz 1 und 3 an die Versicherten zurück.
Die Beklagte hat die Vorschrift – auch zur Überzeugung der Klägerin – zutreffend in dem angefochtenen Bescheid umgesetzt. Die Vorschrift ist auch verfassungsgemäß, obwohl sie bzgl. der vorschussweisen Eigenbeteiligung der Versicherten keine, die kieferorthopädische Behandlung – wie hier – nur eines versicherten Kindes betreffende Härteregelung enthält. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat bereits mehrfach entschieden (vgl. z. B. BVerfG Beschl. vom 28.02.2008 Az.: 1 BvR 1778/05, www.juris.de, mwN), dass es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass die gesetzliche Krankenversicherung den Versicherten Leistungen nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskatalogs (§ 11 SGB V) unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V) zur Verfügung stellt, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden (§ 2 Abs. 1 S. 1 SGB V). Es steht mit dem Grundgesetz in Einklang, wenn der Gesetzgeber vorsieht, dass die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich zu sein haben und nicht das Maß des Notwendigen überschreiten dürfen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Der Leistungskatalog darf auch von finanzwirtschaftlichen Erwägungen mitbestimmt sein. Gerade im Gesundheitswesen hat der Kostenaspekt für gesetzgeberische Entscheidungen erhebliches Gewicht (vgl. Entscheidungssammlung des BVerfG (BverfGE) 103, 172 (184); siehe auch Bundessozialgericht (BSG) Sozialrecht (SozR) 4-2500 § 60 Nr. 1). Die gesetzlichen Krankenkassen sind nicht von Verfassungs wegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist (vgl. BVerfGE 115, 25 (45 f.)). Eine Überschreitung des dem Gesetzgeber zuzubilligenden Gestaltungsspielraums vermag der Senat bezüglich der Ausgestaltung der Eigenverantwortung der Versicherten (§ 2 Abs. 1 S. 1 SGB V) im Rahmen der Regelungen des § 29 Abs. 2 und 3 SGB V nicht zu erkennen, wenn er eine Beteiligung der Versicherten an bestimmten Kosten der kieferorthopädischen Behandlung vorsieht. Es handelt sich zum einen – im Gegensatz zu anderen der Eigenverantwortung der Versicherten zugewiesenen Bereichen, wie ausgeschlossene Arznei-, Heil- oder Hilfsmittel (§ 34 SGB V), Versorgung von Versicherten, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, mit Sehhilfen (§ 33 Abs. 2 SGB V) – nicht um eine endgültige, sondern lediglich um eine vorschussweise Kostentragungspflicht. Die finanzielle Belastung durch die in die Vorschusspflicht einbezogenen Kosten ist auch, wie der Fall der Klägerin deutlich macht, mit bisher angefallenen Eigenanteilen, die zwischen 20,00 und 4,00 EUR je Monat gelegen haben, lediglich geringfügig. Eine existenzbedrohende Einschränkung des Lebensunterhalts bei Zahlung der Eigenanteile ist jedenfalls, auch wenn in Zukunft höhere Kostenbeteiligungen anfallen sollten, nicht zu erkennen. Die Klägerin müsste die Eigenanteile jedoch nicht einmal vorschussweise leisten; wenn sie sich auf das Angebot des behandelnden Kieferorthopäden einließe, diesem ihre Ansprüche gegen die Beklagte aus § 29 Abs. 3 S. 2 SGB V abzutreten. Dass die Eltern der Klägerin dies als Betteln empfinden, ist nicht nachvollziehbar.
Auf die Frage, ob ein Anspruch auf – darlehnsweise – Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) dem Grunde nach, möglicherweise als unmittelbarer, auf Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG gestützter Leistungsanspruch (vgl. BVerfG Urteile vom 09.02.2010, Az.: 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, www.juris.de; BVerfG, Beschl. vom 24.03.2010, Az.: 1 BvR 395/09, www.bundesverfassungsgericht.de; BSG, Urt. vom 18.02.2010, Az.: B 4 AS 29/09 R, www.bundessozialgericht.de) besteht, kommt es für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des § 29 Abs. 2 und 3 SGB V nicht an. Anders als durch eine vorschussweise Eigenbeteiligung der Versicherten lässt sich zur Überzeugung des Senates im Übrigen der vom Gesetzgeber mit der Regelung beabsichtigte und im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V) billigenswerte Zweck nicht sicherstellen, dass der Erfolg der kostenaufwändigen und die Versichertengemeinschaft deshalb besonders belastenden kieferorthopädischen Maßnahmen, die sich in der Regel über Jahre erstrecken und in hohem Maße Akzeptanz und Mitwirkung bei den jugendlichen Patienten und deren Erziehungsberechtigten fordern, eintritt. Dieselbe Zielrichtung wird auch durch die Anspruchsabtretung an den Kieferorthopäden erreicht: Wird die Behandlung nicht erfolgreich zu Ende geführt, so sieht sich der Versicherte den Eigenanteilsforderungen des Behandlers ausgesetzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Anlass zur Zulassung der Revision, § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG, hat nicht bestanden.
Erstellt am: 09.06.2010
Zuletzt verändert am: 09.06.2010