Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 16.09.1996 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin ist mit ihrem Begehren auf Kostenübernahme für eine medizinische Behandlung bei Dr. R. in Dallas/Texas oder bei Dr. M. in Abborts Langley (GB) ohne Erfolg geblieben (Bescheid der Antragsgegnerin vom 15.08.1996; Beschluss SG Köln vom 16.09.1996).
Zur Begründung ihrer Beschwerde trägt die Antragstellerin vor, sie leide an CFS und MCS. Eine Behandlung zum Erhalt ihres Lebens sei nur noch durch eine Behandlung bei Dr. R. gewährleistet.
Die Antragstellerin beantragt schriftlich sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 16.09.1996 abzuändern und im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Kosten einer Behandlung bei Dr. R., hilfsweise, bei Dr. M. im vollen Umfang zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt schriftlich,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verweist auf Stellungnahmen des MDK.
Für die Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Nach der gebotenen summarischen Prüfung fehlt es an einem Verfügungsanspruch. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt u.a. ärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 28 SGB V) und Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, § 39 SGB V). Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Solange Versicherte sich im Ausland aufhalten, ruht der Anspruch auf Leistungen grundsätzlich (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Ist eine dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung ganz oder teilweise übernehmen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme sind nach der im einstweiligen Anordnungsverfahren vorzunehmenden Prüfung nicht erfüllt. Vertragsärztlich ist die Erkrankung CFS und MCS, deren Behandlung die Antragstellerin begehrt, als Diagnose nicht in jüngerer Zeit (ab 1996) gesichert. Die privatärztlichen Atteste, die die Antragstellerin vorgelegt hat, sind uneinheitlich (z. B.: Klar zu definierende Diagnose derzeit nicht zu erstellen, Dr. S., 29.02.1996; chronisch hypoergische Immunerkrankung, bisher medizinisch unzureichend erforscht, derselbe, 10.04.1996; Polyneuropathie, Myopathie, extrapyramidale Störungen, Leistungs- und Wesensänderung wahrscheinlich durch toxische Stoffe, als auch für Laien verständliche Beschreibung der Krankheitsentwicklung: MCS (Dr. B., 30.05.1996); MCS-Syndrom (Prof. Dr. G./Dr. F., 27.06.1996); chronisches Müdigkeitssyndrom (Dr. H., 06.05.1996); MCS und CFS (Dr. R., 10.07.1996); erhebliche Immundysfunktion mit Müdigkeitssyndrom (derselbe, 19.11.1996); kein Hinweis auf Immundefekt (Dr. Da., 18.04.1996)). Im Hinblick darauf erscheint die Beurteilung des MDK (Dr. F., 27.12.1996; 29.07.1996) auch unter Würdigung der Arztbriefe von Prof. Dr. D. 1991/1992 als überzeugend, es bedürfe zunächst einer umfassenden, interdisziplinären Ausschlußdiagnostik. Das differenzialdiagnostische Ausschlußverfahren sei in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur möglich, sondern auch üblicher Mindestqualitätsstandard. Daß die diagnostischen Möglichkeiten in Deutschland ausgeschöpft worden sind, ist nicht ersichtlich. So hat die Antragstellerin den mit Dr. Sch. vereinbarten Termin unter Hinweis darauf, mit einem zweistündigen Gespräch sei ihr nicht geholfen, verstreichen lassen, die Möglichkeit einer Diagnostik bei Prof. Dr. Schl. nicht genutzt – beide Möglichkeiten hat die Antragsgegnerin benannt – und auch z. B. in der von Prof. Dr. G. angesprochenen Habichtswald-Klinik (K.) keine Diagnostik durchführen lassen, obwohl Dr. Sch. darauf hingewiesen hatte, daß ohne vorherige ambulante Klärung der Situation keine exakteren Aussagen über eine stationäre und ambulante Behandlung zu machen seien und Prof. Dr. Schn. ausgeführt hatte, in der Allergie- und Umweltambulanz der Klinik würden Patienten mit bisher ungeklärten Krankheitsbildern betreut, die Klinik verfüge über umweltneutrale Zimmer, und eine Aufnahme sei im Einverständnis mit der Antragsgegnerin möglich.
Aber auch wenn man zugunsten der Antragsstellerin von den Krankheitsbezeichnungen CFS und MCS ausgeht, ist nicht ersichtlich, daß eine dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung nur im Ausland (Dr. R.; Dr. M.) möglich ist. Nach den von der Antragstellerin vorgelegten Publikationen fehlen nicht nur bis heute für CFS wissenschaftlich gesicherte pathognomische Zeichen oder spezifische diagnostische Tests, sondern es gibt derzeit keine definitive Therapie. Jüngste Longitudinalstudien lassen danach vermuten, daß sich einige CFS-Betroffene mit der Zeit erholen, die meisten jedoch über mehrere Jahre funktionell eingeschränkt bleiben (umweltmedizinische Forschungspraxis 1 (4), 221 ff., 222, 1996, m.w.N.). Idiopathische umweltbezogene Unverträglichkeiten (IEI, umfassend auch mit MCS beschriebene Störungen) ließen sich erst wirksam behandeln, wenn die Ursachen geklärt seien. Bis dahin sei eine verständnisvolle und unterstützende Behandlungsweise angezeigt. Der Forschungsbedarf solle sich auf die Ermittlung der Natur und Ursachen umweltbezogener Unverträglichkeiten konzentrieren. Die Schlüsselfrage sei, ob Personen mit IEI in der Lage seien, im Rahmen von placebo kontrollieren Doppelblindversuchen zwischen den von ihnen als ursächlich angesehenen Umwelteinflüssen und Placebos zu unterscheiden. Die Fähigkeit zur Unterscheidung würde auf eine toxikologische Ursache hindeuten, andernfalls wären eher seelische Ursachen anzunehmen. Die behandelnden Ärzte befänden sich in einem Dilemma zwischen der offensichtlichen Not der Patienten und dem aktuellen "Unwissensstand" (UBA, Presseinformation Nr. 6/96 zu einem internationalen Wissenschaftlertreffen der WHO). Das stimmt mit dem Standpunkt von Dr. S. (a.a.O.) überein, es gehe nach gesicherten Kenntnisstand der Medizin um experimentelle Therapien. Nichts anderes besagt die Stellungnahme des MDK (Dr. F., a.a.O.), bei der Vorgehensweise von Dr. R. handele es sich um ein nicht anerkanntes Verfahren ohne Wirksamkeitsnachweis. Im Hinblick darauf ist nicht nur unter Berücksichtigung von § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V der Leistungsanspruch von Versicherten im Inland beschränkt. Leistungen von wissenschaftlich nicht anerkannten Methoden, nicht ausreichend erprobte Verfahren oder Außenseitermethoden, die sich nicht bewährt haben, lösen keine Leistungspflicht der GKV aus. Die medizinische Forschung kann nicht der GKV angelastet werden (vgl. BT-Drucksache 11/2237 S. 157; vgl. BSG, Urteil vom 08.03.1995, 1 RK 8/94, SozR 3-2500 § 31 SGB V Nr. 3, S. 5 ff., 12, m.w.N.). Fehlt eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlungsmöglichkeit, so sind damit zugleich auch die Voraussetzungen einer Auslandsbehandlung (§ 18 Abs. 1 SGB V) nicht erfüllt. Soweit Ärzte in einzelnen Privatattesten, die die Antragstellerin vorgelegt hat, eine Behandlung allein bei Dr. R./Dr. M. für möglich halten, wird aus den Attesten nicht deutlich, daß es sich um mehr als Experimente handelt. Soweit sich die Antragstellerin auf die Rechtsprechung des BSG zur RVO beruft, ist diese durch die genannten Bestimmungen des SGB V überholt. Daß einer Behandlung unterhalb des Experimentalstadiums auf dem von der WHO gefordeten Niveau (vgl. oben) nur im Ausland möglich ist, ist dagegen weder glaubhaft gemacht noch sonst ersichtlich.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 16.08.2003
Zuletzt verändert am: 16.08.2003