Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 27.05.2009 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revison wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der beklagten Krankenkasse die Übernahme der Kosten für die Durchführung einer Brustverkleinerung (Mammareduktionsplastik – MRP).
Die 1983 geborene Klägerin beantragte am 28.06.2007 unter Vorlage eines ärztlichen Berichtes des Orthopäden Dr. N vom 11.01.2007 die Übernahme der Kosten für eine Mammareduktionsplastik. Er gab an, die Klägerin – seine Patientin – klage über zunehmende Schmerzen in der Brustwirbelsäule bei kurzzeitiger statischer Belastung (Kochen, Büroarbeiten). Unter der durchgeführten balneophysikalischen Therapie und Krankengymnastik sei es nur zu einer unzureichenden Besserung der Beschwerdesymptomatik gekommen. Die Klägerin legte überdies eine Bescheinigung des Gynäkologen Dr. T vom 07.03.2007 vor, der schilderte, die Klägern habe eine ausgeprägte Makromastie und Ptosis mammae. Sie habe sich in den letzten Monaten um eine Gewichtsreduktion bemüht und ca. vier Kilo abgenommen. Es sei davon auszugehen, dass eine (weitere) Gewichtsentlastung durch eine operative Brustverkleinerung die andauernden Verspannungen in der Schulter-Nacken-Region beseitigen könne und dauerhaften orthopädischen Folgeschäden vorbeugen werde. Auf Nachfrage der Beklagten gab die Klägerin am 28.02.2007 eine Körpergröße von 167 cm und ein Gewicht von 70 kg an. Die Beklagte veranlasste zur weiteren medizinischen Aufklärung des Sachverhalts eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Westfalen-Lippe. Dr. H stellte nach Untersuchung der Klägerin eine Körpergröße von nur 162 cm bei einem Gewicht vom 74,5 kg, mithin einen Body-Mass-Index (BMI) von 28,5 kg/m2 fest. Bei der Altersgruppe sei ein BMI von 19 bis 24 wünschenswert. Er diagnostizierte einen physiologischen Mammabefund ohne Krankheitswert im Rahmen der Spielbreite des Regelhaften und proportioniert zum feststellbaren Übergewicht. Eine Krankheit im Sinne der Krankenversicherung bestehe nicht. Unabhängig vom Mammabefund bestehe eine Haltungsinsuffizienz, der durch Wirbelsäulen-Gymnastik gegengesteuert werden solle. Darüber hinaus solle sie sich um eine Reduzierung des Übergewichtes bemühen, "auch wenn dies wahrscheinlich nicht mit einer Größen- und Gewichtsabnahme der Mammae verbunden" sei. Unter Zugrundelegung dieser Feststellungen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.04.2007 den Antrag ab.
Auf den Widerspruch der Klägerin, mit dem sie bemängelte, der von ihr vorgelegte orthopädische Befundbericht sei nicht ausreichend gewürdigt worden, holte die Beklagte ein Zweitgutachten des MDK ein. Dr. Q bestätigte unter dem 27.06.2007 das Begutachtungsergebnis von Dr. H. Der bestehenden Haltungsschwäche könne durch Wirbelsäulen-Gymnastik und Gewichtsreduktion begegnet werden. Im Anschluss an diese Stellungnahme wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 30.08.2007 zurück.
Gegen diese Entscheidung hat sich die am 26.09.2007 erhobene Klage gerichtet, zu dessen Begründung die Klägerin vorgetragen hat, durch das Gewicht ihrer Brüste gesundheitlich beeinträchtigt zu sein. Umfang und Gewicht hätten bereits zu einem Bandscheibenvorfall geführt. Sie leide weiterhin unter massiven Rückenschmerzen sowie Verspannungen im Hals- und Nackenbereich. Die Inanspruchnahme von Krankengymnastik zur Stärkung der Rückenmuskulatur habe die bestehenden Beschwerden nicht verbessert. Ebenso wenig führe der besonders ausgestattete Büstenhalter mit Körbchengröße 80 G zu einer Entlastung. Auch eine Gewichtsreduktion habe nicht zu einer Verminderung der bestehenden Beschwerden geführt. Sie sei seit 2003 sportlich aktiv, besuche zweimal wöchentlich einen "Rückenkurs" und zweimal wöchentlich ein "Gerätetraining". Ihre Muskulatur sei gut ausgeprägt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.04.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2007 zu verurteilen, der Klägerin die Kostenübernahme für eine Mammareduktion zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer Auffassung festgehalten und auf ihre Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen. Die von der Klägerin angegeben sportlichen Betätigungen seien nicht mit einer komplexen fachorthopädischen Behandlung gleichzusetzen, die bislang nicht stattgefunden habe.
Das Sozialgericht (SG) hat Beweis erhoben durch Beiziehung von Befundberichten des Orthopäden Dr. N vom 15.11.2007 und des Gynäkologen Dr. T vom 18.11.2007, die ihre Ausführungen im Wesentlichen wiederholt haben und sodann ein Gutachten der Fachärztin für Orthopädie Dr. H1 vom 29.02.2008 eingeholt. Die Sachverständige hat bei der Klägerin einen Bandscheibenvorfall im Brustwirbelsäulenbereich in Höhe von D10/D11, degenerative Veränderungen der unteren Halswirbelsäule mit Nachweis einer Bandscheibenvorwölbung in Höhe C6/C7, strukturelle Veränderungen der Wirbelkörper im Brust- und Lendenwirbelsäulenbereich bei im Wachstumsalter durchgemachten Wachstumsstörungen (Morbus Scheuermann), konstitutionelle Bindegewebsschwäche mit Überstreckbarkeit peripherer Gelenke, Adipositas (bei einem Gewicht von nunmehr 78,5 kg mit einem BMI von über 30 kg/m2) sowie Hyperplasie und Ptosis beider Mammae diagnostiziert. Von einer Gigantomastie im Bereich der Brüste sei nicht auszugehen. Gravierende Hautveränderungen im Auflagebereich der Brüste ließen sich eben so wenig feststellen, wie anhaltende Schnürfurchen im Bereich der BH-Träger. Die nachvollziehbaren Beschwerden der Klägerin seien auf den Bandscheibenvorfall, die durchgemachten Wachstumsstörungen, die Bindegewebsschwäche und die Adipositas zurückzuführen. Dringend wünschenswert sei eine gezielte orthopädische Behandlung, eine deutliche Gewichtsreduktion in Kombination mit einem gezielten Muskelaufbau der stabilisierenden Rumpfmuskulatur. Eine Mammareduktion sei weder erforderlich noch geeignet, um die bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhindern oder auch die Krankheitsbeschwerden zu lindern.
Auf Antrag der Klägerin hat das Gericht ein weiteres orthopädisches Gutachten von Dr. N vom 24.10.2008 eingeholt, der ausgeführt hat, die Klägerin zeige sich in einem guten Allgemeinzustand und adipösen Ernährungszustand ("bei einer Größe von 166 cm verfüge (sie) über ein Gewicht von 73 kg"). Entgegen der Vorgutachterin hat er einen Rundrücken und deutliche Schnürfurchen festgestellt. Die Durchführung einer Mammareduktionsplastik sei medizinisch indiziert, um "keine Verschlechterung der hier feststellbaren Veränderungen wahrscheinlich werden zu lassen".
In einer vom SG eingeholten ergänzenden Stellungnahme vom 30.01.2009 hat die Sachverständige Dr. H1 an ihrer sozialmedizinischen Beurteilung festgehalten; es bestehe kein gesicherter Zusammenhang zwischen Form und Größe der Brüste und degenerativen Veränderungen in der Brustwirbelsäule, gerade im Zusammenhang mit den durchgemachten Wachstumsstörungen im Sinne des Morbus Scheuerman.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 27.05.2009 abgewiesen. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass bei der Klägerin keine behandlungsbedürftige Erkrankung im Bereich der Brüste vorliegt. Im Anschluss an die Sachverständige H1 habe die Kammer die beantragte Brustverkleinerung nicht für geeignet gehalten, die Rückenbeschwerden der Klägerin zu beheben, zu lindern oder deren Verschlimmerung zu verhüten. Die gegenteiligen Ausführungen des Sachverständigen Dr. N seien nicht überzeugend, da er seine Auffassung nicht substantiiert begründet habe. Zudem habe er die Körpergröße der Klägerin und das Gewicht unzutreffend angegeben, so dass sich insoweit ein anderer BMI errechne. Die Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates seien durch konservative Maßnahmen wie Muskelaufbau und Gewichtsreduktion zu behandeln. Eine äußerliche Entstellung, die behandlungsbedürftig wäre, könne ebenfalls nicht festgestellt werden, da bei der Klägerin ein proportioniertes Körperbild bestehe.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 05.06.2009 zugestellte Urteil am 29.06.2009 Berufung eingelegt. Der Bandscheibenvorfall im Brustwirbelbereich und die degenerativen Veränderungen der unteren Halswirbelsäule machten die Brustverkleinerung notwendig. Die Sachverständige Dr. H1 habe ihre Beschwerdesymptomatik sowie Ursache und Wirkung nicht zutreffend berücksichtigt
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 27.05.2009 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2007 zu verurteilen, die Kosten für eine Mammareduktion zu übernehmen.
Die in der mündlichen Verhandlung nicht anwesende Beklagte beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß, die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Die Durchführung einer Mammareduktionsplastik zum Zwecke der Heilung bzw. Linderung von Wirbelsäulenbeschwerden sei in der medizinisch-wissenschaftlichen Literatur nach wie vor höchst umstritten. Da die Klägerin die objektive Beweislast trage, könne sie – die Beklagte – nicht zur Leistung verpflichtet werden.
Der Senat hat ein orthopädisch-chirurgisches Gutachten von Dr. T1 eingeholt. Dieser hat unter dem 09.09.2009 bei der Klägerin mit geeichten Geräten eine Körpergröße von 160,4 cm und 77,6 kg Körpergewicht mit einem BMI von 30 kg/m2 gemessen und mit Fotos den Bruststatus dokumentiert. Bei der Klägerin bestehe eine Makromastie sowie ein wiederkehrendes HWS und BWS-Syndrom bei Fehlhaltung und Bandscheibenverlagerungen im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule mit Zustand nach Morbus Scheuermann und Übergewicht. Der Brustbefund stelle einen krankheitswertigen Befund dar und nicht nur eine Normvariante oder ein ästhetisches Problem ohne Krankheitswert. Das Brustgewicht von 4000 g verursache statische Beschwerden von Seiten der Hals- und Brustwirbelsäule sowie ziehende Schmerzen bei längerem Stehen sowie bei sportlichen Betätigungen. Gezielte krankengymnastische Maßnahmen und konservative Behandlungen mit Medikamenten und Infiltrationen der Wirbelsäule hätten in der Vergangenheit die Beschwerden der Klägerin nur kurzfristig lindern können. Eine Gewichtsabnahme sei allein nicht geeignet, ihre Beschwerden zu lindern. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 06.01.2010 hat sich der Sachverständige mit den Einwendungen der Beklagten, die bezweifelt, ob wissenschaftliche Erkenntnisse, die einen ursächlichen Zusammenhang zwischen orthopädischen Gesundheitsstörungen und der Brustgröße belegen, tatsächlich existieren, auseinander gesetzt und unter Bezugnahme auf die von ihm vorgelegte Studie von Benditte Klepetko u.a. "Hypertrophy oft he Breast: A Problem of Beauty or Health ?" (veröffentlich im Journal of Women´s Health, Volume 16, Number 7, 2007) an seiner Auffassung festgehalten.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid vom 18.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2007 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch, im Wege der Sachleistung mit einer brustverkleinernden Operation versorgt zu werden. Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung setzt nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) eine Krankheit voraus. Damit wird ein regelwidriger, vom Leitbild eines gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand umschrieben, welcher der ärztlichen Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht. Dabei kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert im Rechtssinne zu; die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hat diese Grundvoraussetzungen für die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht vielmehr dahingehend präzisiert, dass eine Krankheit nur vorliegt, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (ständige Rechtsprechung, u.a. BSG, Urteile vom 28.02.2008 – B 1 KR 19/07 R – und vom 09.12.2003 – B 1 KR 9/04 R – jeweils m.w.N.).
Bei der Klägerin liegt, was allein den Zustand der Brust anbelangt, keine Krankheit im Sinne der o.a. Vorschrift vor, die der ärztlichen Behandlung bedarf. Unter dem Gesichtspunkt der körperlichen Fehlfunktion stellt die Brustgröße und -form der Klägerin keine körperliche Anomalie dar, die als Krankheit in diesem Sinne zu bewerten wäre. Den vorliegenden medizinischen Befunden der behandelnden Ärzte, den Ausführungen der Gutachter des MDK sowie der vom Gericht und Senat beauftragten Sachverständigen Dr. H1 und Dr. N lässt sich nicht entnehmen, dass die Form oder die Größe der Brüste Funktionseinschränkungen mit Krankheitswert bedingen. Die Mammae werden insbesondere vom den die Klägerin behandelnden Gynäkologen Dr. T nicht als krankes Organ beschrieben. Dies gilt letztlich auch für die Ausführungen des Sachverständigen Dr. T1, der seine Auffassung, der Brustbefund stelle einen krankheitswertigen Befund dar, lediglich mit der Brustgröße begründet, welche sich aber nicht als Krankheit im o.a. rechtlichen Sinn definieren lässt.
Die Leistungspflicht der Beklagten lässt sich auch nicht damit begründen, dass die Klägerin wegen äußerlicher Entstellung als behandlungsbedürftig anzusehen wäre. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anormalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die nahe liegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit erzeugt und damit zugleich erwarten lässt, dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist (BSG a.a.O.). Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 23.02.2010 – L 11 KR 4761/09 und vom 11.06.2008 – L 9 KR 589/07 – jeweils m.w.N.). Allein die BH-Größe 80 G bietet nicht ansatzweise Anlass von einer "Entstellung" in diesem Sinn auszugehen. Das macht auch die Klägerin selbst nicht geltend und war im Übrigen nicht feststellbar.
Schließlich lassen die von der Klägerin zur Begründung ihres Begehrens geltend gemachten orthopädischen Beschwerden nicht die Notwendigkeit eines operativen Eingriffs im Bereich der Brüste erkennen. Es ist bereits äußerst fraglich, ob von einer gesicherten Erfolgsprognose für die fragliche Behandlung ausgegangen werden kann (verneinend LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.09.2010 – L 16 (5) KR 142/08 -, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.12.2008 – L 5 KR 2638/07 – m.w.N. ; offen gelassen von LSG Hessen, Urteil vom 21.08.2008 – L 1 KR 7/07 -; LSG Berlin-Brandenburg vom 11.06.2008 – L 9 KR 62/06 – und LSG NRW, Urteil vom 10.05.2007 – L 5 KR 118/04 -). Die von der Klägerin geklagten Beschwerden im Bereich der Brustwirbelsäule beruhen nach den Feststellungen der Sachverständigen Dr. H1 auf dem Bandscheibenvorfall, durchgemachten Wachstumsstörungen, einer konstitutionellen Bindesgewebsschwäche und Adipositas. Eine MRP ist nach ihrer Auffassung nicht geeignet, um die Beschwerden der Klägerin zu lindern bzw. ihre Verschlimmerung zu verhindern. Entgegen der Ansicht der Klägerin konnte gutachterlich – auch nicht unter Berücksichtigung der Ausführungen der Sachverständigen Dr. N und Dr. T1 – nicht der Nachweis erbracht werden, dass das Gewicht der Brüste für die Beschwerden ursächlich verantwortlich ist. Die knappen Ausführungen von Dr. N sind bereits aufgrund ihrer Widersprüchlichkeit und Unschlüssigkeit nicht geeignet, für die Klägerin zu streiten. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen dieser davon ausgeht, dass die von der Klägerin beklagten Beschwerden mit Ausstrahlung in die Hände – die Klägerin selbst hat nach seinen Feststellungen lediglich von einer Ausstrahlung in die linke Hand berichtet – Folge einer Fehlhaltung, die er auf die Brustgröße zurückzuführen scheint, und nicht Folge der von ihm dargestellten (leicht) fortschreitenden degenerativen Veränderungen der Brustwirbelsäule sind. Auch das für die Klägerin prima vista streitende Gutachten von Dr. T1 vermag den geltend gemachten Anspruch nicht zu begründen. Soweit er die Auffassung vertritt, es bestehe ein direkter Zusammenhang zwischen der Größe der Brüste und den geklagten Beschwerden der Klägerin, eine MRP könne daher seines Erachtens dazu beitragen, die Beschwerden zu lindern und Verschlimmerungen mit Folgeschäden zu vermeiden, folgt der Senat ihm nicht. Denn die von ihm zur Begründung vorgelegte Studie von Benditte Klepetko u.a. "Hypertrophy oft he Breast: A Problem of Beauty or Health ?" ist zumindest im Falle der Klägerin nicht geeignet, um von einer gesicherten Erfolgsprognose der begehrten Behandlung auszugehen. Um festzustellen, ob ein Zusammenhang zwischen Brustgröße und Wirbelsäulenschäden besteht, wurden 50 normalgewichtige Frauen mit einem BMI unter 25 untersucht. Der Senat lässt dahin stehen, ob die Studie wissenschaftlich anerkannt und trotz der geringen Anzahl an Probantinnen valide einen Zusammenhang zwischen einer definierten Brust und ebenfalls definierten morphologischen Veränderungen der Wirbelsäule aufzuzeigen vermag, jedenfalls lässt sie Rückschlüsse auf die – nach den Feststellungen aller Sachverständigen – adipöse Klägerin, insbesondere vor dem Hintergrund des im Jugendalter erlittenen Morbus Scheuermann, nicht zu.
Ob der Einschätzung der Sachverständigen Dres. N und T1 zu folgen ist, kann im Ergebnis jedenfalls dahin gestellt bleiben. Denn auch dann, wenn man davon ausginge, dass es möglicherweise zu einer Minderung der von der Klägerin geklagten Rückenschmerzen bei einer Reduzierung des Brustgewichtes käme, könnte dies eine Leistungspflicht der Beklagten nicht begründen, weil sich der Eingriff nicht als verhältnismäßig darstellt.
Soll durch eine Operation in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen und dieses zur mittelbaren Behandlung von Beschwerden, die von anderen körperlichen Bereichen ausgehen, verändert werden, bedarf eine solche mittelbare Behandlung nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (u.a. Urteil vom 19.02.2003, – B 1 KR 1/02 R -) einer speziellen Rechtfertigung, wobei die Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, die Risiken und der zu erwartende Nutzen der Therapie sowie etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung gegeneinander abzuwägen sind. Eine solche Abwägung spricht hier gegen die Durchführung einer brustverkleinernden Operation zur Linderung von Rückenbeschwerden. Der Senat vermochte sich schon nicht davon zu überzeugen, dass die Klägerin an einer solchen erheblichen, den Eingriff rechtfertigenden Schmerzsymptomatik leidet. Aus der Darstellung von Dr. T1, der die Klägerin zuletzt untersucht hat, ergibt sich: Bei Untersuchung der HWS, BWS und der Schultergelenke hat die Klägerin bei sämtlichen Bewegungsrichtungen keinen muskulären Widerstand entgegen gesetzt und bei allen Untersuchungen keine Bewegungsschmerzen angegeben. Bei der isolierten manuellen Untersuchung der einzelnen Bewegungssegmente der HWS haben sich keine Blockaden gezeigt. Eine deutliche Verspannung ließ sich im Bereich der Schulternackenmuskulatur nicht feststellen. Auch die manuelle Untersuchung der BWS hat keine Bewegungsstörung gezeigt. Die paravertebrale Muskulatur der BWS war im oberen und mittleren Bereich nur leicht verspannt. Er bestätigt damit die Ausführungen der Sachverständigen Dr. H1, die problemlose Überkopfhandlungen mit beiden Händen, nur leichte Verspannungen der paravertebralen Halswirbelsäulenmuskulatur bei freier Beweglichkeit der Halswirbelsäule, Beweglichkeit der Arme in Kopfhöhe bei der Untersuchung in Bauchlage, freie Beweglichkeit der Schultergelenke, flotte Positionswechsel ohne rückengerechtes Verhalten und ohne Schon- oder Fehlhaltung beschreibt. Alles in allem erscheinen die vorhandenen Wirbelsäulenbeschwerden trotz der o.a. Gesundheitsstörungen nicht als so schwer, als dass diese einen Eingriff in ein gesundes Organ als verhältnismäßig rechtfertigen, zumal allgemeine Risiken einer Operation (z.B. Thrombose oder Embolie), Operationsrisiken (z.B. Blutungen, Infektionen, Wundheilungsstörungen, Sensibiliationsstörungen) und mögliche lokale Komplikationen (z.B. Narbenwucherung, Verlust der Stillfähigkeit) nicht auszuschließen sind.
Selbst von einem ausgeprägten subjektiven Leidensdruck kann nicht ausgegangen werden. Die Klägerin befindet sich nicht in chirurgisch-orthopädischer oder nervenärztlicher Behandlung. Sie führt keine laufende Schmerztherapie durch. Zudem wird von ihr keine Krankengymnastik unter fachlicher Anleitung durchgeführt. Damit fehlt es auch an einer Dringlichkeit der Intervention, denn die sonstigen Therapiemöglichkeiten zur Beschwerdelinderung sind offensichtlich noch nicht ausgeschöpft. Damit schließt sich der Senat der Auffassung von Dr. H1 an, die bereits in ihrem Gutachten vom 29.02.2008 eine gezielte fachorthopädische Behandlung der degenerativen Bandscheibenveränderungen sowie eine Gewichtsreduzierung in Kombination mit einem Auftrainieren der Rumpf stabilisierenden Muskulatur als erforderlich angesehen hat. Die von der Klägerin angegebenen sportlichen Betätigungen sind nicht mit einer solchen komplexen Maßnahme gleichzusetzen und für sich nicht ausreichend.
Eine Entscheidung zu Gunsten der Klägerin war daher ausgeschlossen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 18.11.2011
Zuletzt verändert am: 18.11.2011