Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 11.05.1999 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin mit einem handbetriebenen Rollstuhleinhängefahrrad zu versorgen.
Die 19 … geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Die die Klägerin behandelnde Fachärztin für innere Medizin Dr. F. verordnete unter dem 12.09.1996 ein Rollstuhleinhängefahrrad. Diese Verordnung wurde damit begründet, daß die Klägerin seit ihrer Geburt an einer Spina bifida leide. Infolgedessen bestehe eine Querschnittslähmung mit kompletter schlaffer Parese beider Beine. Außerdem bestehe eine erhebliche Skoliose. Durch die permanent gebeugte Haltung im Rollstuhl bestehe eine progrediente Fehlhaltung der Wirbelsäule. Schließlich würde durch die Versorgung mit einem Rollstuhleinhängefahrrad dem Grundbedürfnis der Klägerin Rechnung getragen, Entfernungen, die ein nicht Behinderter zu Fuß zurücklege, überhaupt absolvieren zu können.
Es wurde ein Kostenvoranschlag vom 21.10.1996 vorgelegt, der für ein Rollstuhleinhängefahrrad nebst diverser Zusatzausstattung einen Endbetrag von insgesamt 7.324,86 DM ausweist.
Die Beklagte holte ein MDK-Gutachten ein. Dr. G. führte unter dem 17.12.1996 aus, durch das verordnete Rollstuhleinhängefahrrad könne es zu keinem zusätzlichen Behinderungsausgleich kommen. Die ausgefallene Gehfunktion sei im Sinne von § 33 SGB V durch den vorhandenen Rollstuhl ausreichend ausgeglichen.
Mit Bescheid vom 27.01.1997 lehnte es die Beklagte demgemäß ab, die Klägerin mit einem Rollstuhleinhängefahrrad zu versorgen.
Am 06.03.1997 erhob die Klägerin mit der Begründung Widerspruch, ein herkömmlicher Rollstuhl sei bei ihr nicht als Ausgleich für die ausgefallene Gehfunktion anzusehen, weil es durch den Gebrauch dieses Hilfsmittels immer wieder zu Beschwerden im Schulter- und Halswirbelbereich komme. Das Bundessozialgericht habe bereits entschieden, daß zwischen dem durch einen Selbstfahrerrollstuhl regelmäßig eröffneten Freiraum und den Entfernungen, die ein Gesunder bzw. nicht Behinderter zu Fuß zurücklege, eine Lücke bestehe, die ebenfalls noch den Grundbedürfnissen zuzurechnen sei.
Die Beklagte veranlaßte ein weiteres MDK-Gutachten. Unter dem 28.07.1997 führte Frau Dr. P. aus, außer durch den bereits vorhandenen Rollstuhl werde die bei der Klägerin bestehende Behinderung durch einen behindertengerecht umgebauten Pkw ausgeglichen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.1997 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dem von der Klägerin erwähnten Urteil des Bundessozialgerichts habe ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen. In jenem Falle sei es um die Versorgung mit einer Rollstuhl-Fahrrad-Kombination gegangen, bei der der Rollstuhl in ein Fahrrad ohne Vorderrad eingehängt werde und die Funktion des fehlenden Vorderrades übernehme. Eine Hilfsperson auf dem Sattel des Fahrrades treibe die Konstruktion an und lenke sie. Bei diesem Gerät handele es sich dann um ein Hilfsmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn der Versicherte nicht in der Lage sei, einen manuell betriebenen Rollstuhl oder einen Elektrorollstuhl zu bedienen.
Am 17.10.1997 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung legte sie eine Stellungnahme von Dr. C., Kinderkrankenhaus der Stadt K., vom 04.05.1998 vor, auf die genauso Bezug genommen wird wie auf eine von der Klägerin außerdem vorgelegte Bescheinigung von Dr. M.-St., Chefarzt der W.-W.-Klinik, Zentrum für Wirbelsäulenchirurgie "Deutsches Skoliose-Zentrum", vom 26.05.1998. Darüber hinaus stützte sich die Klägerin auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 16.04.1998, Az. B 3 KR 9/97 R. In jenem Falle sei entschieden worden, daß ein querschnittsgelähmter Versicherter von der Krankenkasse die Versorgung mit einem handbetriebenen Rollstuhleinhängefahrrad verlangen könne. Ob ein Rollstuhleinhängefahrrad gleichzeitig die Funktion eines Fahrrades erfülle, könne dahingestellt bleiben. Die Klägerin erkläre nämlich ihre Bereitschaft, gemäß der Argumentation des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 16.04.1998 einen Eigenanteil in Höhe von 700,– DM zu leisten.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 27.01.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.10.1997 zu verurteilen, der Klägerin ein Rollstuhl-Bike zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie führte zur Begründung aus, das von der Klägerin erwähnte Urteil des Bundessozialgerichts vom 16.04.1998 sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. In jenem Falle sei lediglich entschieden worden, daß ein Rollstuhleinhängefahrrad als Hilfsmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung anzusehen sei, weil es bei einem Kind bzw. Jugendlichen umfassend zur Integration in den Kreis etwa gleichaltriger Kinder und Jugendlicher beitrage. Diese Integration in den Kreis Gleichaltriger habe das Bundessozialgericht als allgemeines Grundbedürfnis angesehen. Ob auch bei einem erwachsenen Versicherten, der seinen Rollstuhl im üblichen Umfang mit den Händen bewegen könne, der durch ein Rollstuhleinhängefahrrad eröffnete größere Bewegungsfreiraum noch zu den allgemeinen Grundbedürfnissen zähle, habe das Bundessozialgericht aber ausdrücklich offen gelassen. Zwar bestehe zwischen dem durch einen manuell betriebenen Rollstuhl regelmäßig eröffneten Freiraum und den Entfernungen, die ein Gesunder vor allem im ländlichen Bereich zu Fuß zurücklege, eine Lücke; genauso wie mit einem Rollstuhleinhängefahrrad könne diese Lücke jedoch mit einem Rollstuhl mit Hebelmechanik geschlossen werden.
Mit Urteil vom 11.05.1999 hat das Sozialgericht der Klage mit der Begründung stattgegeben, die Versorgung mit einem Rollstuhleinhängefahrrad erweitere den Bewegungsfreiraum der Klägerin wesentlich. Der bereits vorhandene manuell zu betreibende Rollstuhl sei zum Zurücklegen größerer Entfernungen nicht geeignet.
Gegen das ihr am 17.06.1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 06.07.1999 Berufung eingelegt. Zur Begründung wird ergänzend vorgetragen, es könne nicht Aufgabe der Krankenversicherung sein, die Gehbehinderung der Klägerin in allen Entfernungen/Lebensbereichen auszugleichen. Auch ältere Versicherte oder Versicherte mit geringfügigeren Behinderungen, für die ein Krankenfahrstuhl (noch) nicht benötigt werde, könnten anspruchsvollere Strecken oder längere Wege nicht zu Fuß zurücklegen. Dies bedeute jedoch nicht, daß die gesetzliche Krankenversicherung hierfür einen Ausgleich schaffen müsse. Es stelle sich nach wie vor die Frage, ob es Aufgabe der Krankenversicherung sei, eine Gehbehinderung in einem Maße bzw. für eine Entfernung auszugleichen, die auch von nicht Behinderten nicht zu Fuß zurückgelegt werden könne.
Die Beklagte beantragt,
unter Änderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihre bisherigen Ausführungen sowie auf das angefochtene Urteil des Sozialgerichts.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Versorgung mit einem Rollstuhleinhängefahrrad aus § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind.
Ein Ausschluss gemäß § 34 Abs. 4 SGB V liegt offensichtlich nicht vor; da auch keiner der Beteiligten diese Auffassung vertritt, erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu.
Ferner handelt es sich bei dem begehrten Rollstuhleinhängefahrrad nicht um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Hierzu gehören nur solche Gegenstände, die allgemein im täglichen Leben verwendet, d.h. üblicherweise von einer großen Zahl von Personen regelmäßig benutzt werden. Das ist bei einem Rollstuhleinhängefahrrad nicht der Fall, weil dieses Gerät bauartbedingt nur in der Kombination mit einem Rollstuhl benutzt werden kann. Es kommt mithin für Gesunde nicht in Betracht. Daß es seiner Funktion nach einem Fahrrad vergleichbar ist, das auch von Gesunden benutzt zu werden pflegt, ist rechtlich unerheblich, weil es allein auf die besondere bauartbedingte Funktion ankommt (vgl. ebenso zur Fahrrad-Rollstuhl-Kombination bzw. zum Rollstuhlboy bzw. zum Rollfiets BSG, Urteil vom 08.06.1994, Az. 3/1 RK 13/93 = SozR 3-2500 § 33 Nr. 7 und zum Rollstuhleinhängefahrrad bzw. Rollstuhl-Bike BSG, Urteil vom 16.04.1998, Az. B 3 KR 9/97 R = SozR 3-2500 § 33 Nr. 27).
Schließlich ist das von der Klägerin begehrte Rollstuhleinhängefahrrad erforderlich im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGG V. Sie benötigt dieses Hilfsmittel zwecks Ausgleichs ihrer Behinderung. Zu einer solchen Behinderung zählen primär die ausgefallenen natürlichen Funktionen (vgl. etwa BSGE 37, 138, 141). Es kann dahingestellt bleiben, ob es für einen Ausgleich der bei der Klägerin nicht mehr bestehenden Funktion der Beine ausreicht, daß sie einen manuell betriebenen Rollstuhl mit Hilfe ihrer oberen Extremitäten fortbewegen kann. Jedenfalls sind Teil der auszugleichenden Behinderung ferner auch weitergehende Folgen, soweit diese lebensnotwendige Grundbedürfnisse betreffen. Ein solches lebensnotwendiges Grundbedürfnis stellt im vorliegenden Falle ein hinreichender körperlicher Freiraum dar (vgl. in diesem rechtlichen Zusammenhang etwa BSG SozR 2200 § 182 b Nr. 34; SozR 3-2500 § 33 Nr. 7).
Bei der Schaffung eines hinreichenden körperlichen Freiraumes ist als Zielvorgabe derjenige eines Gesunden maßgebend. Dies folgt letztlich aus einer Interpretation des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt u.a. die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V. Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist kein vernünftiges Argument dafür ersichtlich, einem gehbehinderten Versicherten ein geringeres lebensnotwendiges Grundbedürfnis nach einem körperlichen Freiraum zuzugestehen als einem nicht Gehbehinderten.
Überträgt man diese rechtlichen Kriterien auf den vorliegenden Fall, so kann im Sinne des Wirtschaftlichkeitsgebots des § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V allein ein Rollstuhleinhängefahrrad das Mittel der Wahl sein. Es verschafft der Klägerin einen viel weiteren körperlichen Freiraum als bei einer Versorgung durch den vorhandenen Rollstuhl, aber auch durch den von der Beklagten mit Rücksicht auf die Skoliose angebotenen Handhebelrollstuhl. Dies folgt daraus, daß ein Rollstuhleinhängefahrrad dank mehrstufiger Schaltung durch Handkurbeln viel leichter angetrieben werden kann.
Dabei sieht der Senat die über die bloße Gehunfähigkeit hinausgehenden Gesundheitsstörungen der Klägerin – z.B. Kombination von kongenitaler und Lähmungsskoliose, Blasen- und Mastdarmlähmung – als unerheblich für die Beantwortung der Frage der Hilfsmittelversorgung an. Unter Berücksichtigung der konkreten Betreuungssituation im vorliegende Falle (zum Erfordernis der individuellen Bedarfsprüfung bei der Hilfsmittelversorgung vgl. etwa BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 7) zeigt sich nämlich bereits in allgemeinkundiger Weise, daß die Kraft der Klägerin nicht dazu auseichen würde, sowohl per manuell betriebenem Rollstuhl als auch per Handhebelrollstuhl in der hügeligen Gegend, in der die Klägerin wohnt, nennenswerte Strecken allein zurücklegen zu können. Von daher hat die Klägerin schon in quantitativer Hinsicht zumindest ein allgemeines Grundbedürfnis nach einem körperlichen Freiraum, der in der Regel durch einen handbetriebenen Rollstuhl in ebenem Gelände eröffnet wird, so daß es insoweit auch in diesem Falle auf sich beruhen kann, ob zwischen dem durch einen manuell betriebenen Rollstuhl regelmäßig eröffneten Freiraum und den Entfernungen, die ein Gesunder auch bei eingeschränktem Gesundheitszustand vor allem im ländlichen Bereich zu Fuß zurücklegt, eine Lücke besteht, die ebenfalls noch den Grundbedürfnissen zuzurechnen ist (vgl. in diesem Zusammenhang das eine solche Bedarfslücke wohl bejahende obiter dictum im Urteil des BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 7).
Demgegenüber vermag der Senat die Auffassung der Beklagten, wonach die Klägerin für das Zurücklegen von Wegstrecken außerhalb ihrer Wohnung mit dem vorhandenen behindertengerecht ausgestatteten Auto ausreichend versorgt sein soll, nicht zu teilen (vgl. im Sinne der Beklagten ebenso die nicht bzw. nicht hinreichend – so Landessozialgericht Baden-Württemberg – nach quantitativem und qualitativem Aspekt des Grundbedürfnisses eines körperlichen Freiraumes differenzierenden Urteile des Bayerischen LSG vom 17.09.1998, Az. L 4 KR 96/96, beim BSG anhängig unter Az. B 3 KR 10/99 R, LSG Baden-Württemberg vom 22.01.1999, Az. L 4 KR 291/98, beim BSG anhängig unter Az. B 3 KR 2/99 R, und LSG für das Saarland vom 02.03.1999, Az. L 2 K 24/97, beim BSG anhängig unter Az. B 3 KR 13/99 R). Anders als das Landessozialgericht Niedersachsen in einem obiter dictum seines rechtskräftig gewordenen Urteils vom 27.05.1998, Az. L 4 KR 235/96, hält der Senat etwaige Beschwernisse beim Ein- und Aussteigen während der Benutzung eines behindertengerecht ausgestatteten Autos mit Rücksicht auf eine wegen des Wirtschaftlichkeitsgebots gemäß § 12 SGB V nicht zu erfolgende Optimalversorgung allerdings für unerheblich. Indessen birgt das Grundbedürfnis eines körperlichen Freiraumes in für die Hilfsmittelversorgung relevanter Weise außer dem quantitativen einen qualitativen Aspekt, dem die Beklagte nicht hinreichend Rechnung getragen hat.
Dieser qualitative Aspekt des Grundbedürfnisses eines körperlichen Freiraumes besteht in der Möglichkeit des unmittelbaren körperlichen Fortbewegens mit all seinen audio-visuellen und kommunikativen Möglichkeiten. Der Qualität einer solchen körperlichen Fortbewegung vermag ein nur mittelbares Fortbewegen im Auto bei weitem nicht gerecht zu werden. Darüber hinaus hat die Klägerin im Verhandlungstermin in genauso glaubhafter wie für den Senat anschaulichen Weise dargestellt, mit welchen Defiziten die Benutzung ihres behindertengerecht ausgestatteten Autos für ihre körperliche Fortbewegung behaftet ist. Dabei stellen sich der Klägerin unüberwindbare Hindernisse etwa beim Aufsuchen von Geschäften, Arztpraxen, Fußgängerzonen in den Weg, die sie in den Fällen nicht vorhandener ortsnaher Parkplätze auch nicht durch die Benutzung sowohl des bereits vorhandenen Rollstuhls als auch des von der Beklagten angebotenen Handhebelrollstuhls, sondern nur unter Zuhilfenahme des begehrten Rollstuhleinhängefahrrades zu überwinden in der Lage ist.
Der Beklagten ist immerhin zuzugeben, daß die Klägerin durch die Versorgung mit einem Rollstuhleinhängefahrrad in die Lage versetzt werden wird, solche Entfernungen zurückzulegen, die auch von nicht Behinderten nicht zu Fuß zurückgelegt werden können oder zumindest auf bequemere Weise unter Zuhilfenahme eines Fahrrades absolviert werden. In diesem Zusammenhang ist dem Rollstuhleinhängefahrrad eine gewisse Doppelfunktion – Ausgleich der Gehbehinderung/Fahrrad – eigen. Dieser die Hilfsmittelversorgung gleichsam überschießenden Doppelfunktion wird jedoch Rechnung getragen, indem die Beklagte nicht gehindert sein wird, von der Klägerin den sogar von deren Seite freiwillig erbotenen Eigenanteil zu verlangen. Unter dem Gesichtspunkt ersparter Aufwendungen kann vom Versicherten nämlich eine Eigenbeteiligung dann verlangt werden, wenn anzunehmen ist, daß er ohne die Behinderung einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens – hier Fahrrad – angeschafft hätte. Dabei geht der Senat davon aus, daß ein solcher Eigenanteil auch derzeit noch bei 700,– DM liegen dürfte (vgl. hierzu ebenso BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 27).
Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ab, weil eine dieser Entscheidung entgegenstehende Rechtsprechung ersichtlicher weise nicht vorhanden ist. Das Urteil des Bundessozialgerichts vom 06.08.1998, Az. B 3 KR 14/97 R (= SozR 3-2500 § 33 Nr. 29) verhält sich gerade nicht zu der streitbefangenen, sondern in spiegelbildlicher Weise zu der ganz anders gelagerten Problematik, ob eine behindertengerechte Ausstattung eines Kraftfahrzeuges ein Hilfsmittel im Sinne von § 33 SGB V sein kann. Im übrigen hat das Bundessozialgericht in diesem Urteil immerhin Stellung dahin bezogen, daß es beim Grundbedürfnis eines körperlichen Freiraumes nur um einen Basisausgleich einer nicht vorhandenen Gehfähigkeit gehen kann, so daß ein "vollständiges Gleichziehen mit den letztlich unbegrenzten Mobilitätsmöglichkeiten" eines gesunden Versicherten als Zielvorgabe der Hilfsmittelversorgung nicht in Betracht kommen kann. Im vorliegenden Falle geht es indessen lediglich um eine uneingeschränkte – mit Ausnahme der oben erwähnten Doppelfunktion, für die die Beklagte einen Eigenanteil verlangen darf – dem Basisausgleich der Organfunktion des Gehens dienende Hilfsmittelversorgung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Die Zulassung der Revision folgt aus § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Die vom Senat zu beantwortende Rechtsfrage der Reichweite des allgemeinen Grundbedürfnisses nach körperlichem Freiraum eines erwachsenen Versicherten ist bislang höchstrichterlich noch nicht geklärt und hat grundsätzliche Bedeutung.
Erstellt am: 02.09.2003
Zuletzt verändert am: 02.09.2003