Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11. Februar 2008 geändert. Der Eilantrag der Antragstellerin vom 30. Oktober 2007 zur Ausschreibung der Antragsgegnerin (Vergabenummer: 2007/S 195-237200), nur noch die Lose 4 und 5 betreffend, wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten in beiden Rechtszügen. Der Streitwert wird auf 2.000,- EUR festgesetzt.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Zuschlagserteilung in einem Vergabeverfahren, das die Ausschreibung eines Vertrags zur Hauszustellung und Lieferung von Inkontinenzartikeln für Versicherte der Antragsgegnerin (AGn.) in nur noch zwei Losen im Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) betrifft.
Die Antragstellerin (AStn.) betreibt in E ein Sanitätshaus und ist als Orthopädietechnikbetrieb gemäß § 126 Abs 1 Fünftes Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB V) Vertragspartnerin der AGn. (Zulassungsbescheid vom 12.7.2005). Die Zulassung umfasst ua die Abgabe von Inkontinenzhilfen an Versicherte der AGn … Durch Bekanntmachung vom 10.10.2007 (Europäische Gemeinschaft – Lieferaufträge – offenes Verfahren 2007/S 195-237200) schrieb die AGn. den Abschluss einer Rahmenvereinbarung nach § 127 Abs 1 SGB V in der Fassung (idF) des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26.03.2007 (BGBl. I S. 378) – neue Fassung (nF) – zur Versorgung ihrer Versicherten mit aufsaugenden Inkontinenzartikeln und Krankenunterlagen europaweit aus. Die Ausschreibung erfolgte in 20 Losen, wobei die Lose 4 bis 8 auf das Bundesland NRW bezogen waren. Schlusstermin für den Eingang der Angebote bzw Teilnahmeanträge war der 19.11.2007 – 24.00 Uhr (Ziff IV. 3.4 der Bekanntmachung), die Bindungsfrist der Angebote reichte bis zum 7.1.2008 (Ziff IV.3.7 der Bekanntmachung).
Die AStn. forderte die Vergabeunterlagen nicht selbst bei der AGn. an, sondern beschaffte sich diese außerhalb der unter Ziff IV.3.3 der Bekanntmachung genannten Bedingungen. Mit Schreiben vom 23.10.2007 forderte sie die AGn. auf, ihr gegenüber innerhalb einer Frist von drei Werktagen klarzustellen, dass aufgrund dieser Ausschreibung kein Zuschlag erteilt werde, denn sie sehe sich durch die Leistungsbeschreibungen und die Vertragsbestimmungen an der Abgabe eines Angebotes gehindert. Die Leistungs- und Vergabebedingungen benachteiligten sie unangemessen und berücksichtigten nicht die gesetzlichen Bestimmungen, wonach sie unter gewissen Voraussetzungen auch ohne Zuschlag berechtigt sei, eine Versorgung von Versicherten der AGn. mit Inkontinenzartikeln weiterhin durchzuführen. Mit Schreiben vom 26.10.2007 lehnte die AGn. eine inhaltliche Befassung mit diesem Vorbringen ab, denn die AStn. habe die Vertragsunterlagen nicht ordnungsgemäß angefordert. Daher sei diese im vorliegenden Vergabeverfahren bereits keine Bewerberin; es fehle ihr das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
Am 30.10.2007 hat die AStn. vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, der AGn. bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu untersagen, in dem Vergabeverfahren über einen Vertrag zur Hauszustellung und Lieferung von Inkontinenzartikeln (2007/S 195-237200) einen Zuschlag für die im Bundesland NRW gebildeten Lose 4 bis 8 zu erteilen. Die Antragsgegnerin hat den beschrittenen Rechtsweg gerügt und beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 14.11.2007 hat das SG den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt und das Verfahren nach § 17a Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) an die Vergabekammer des Bundes verwiesen. Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 20.12.2007 der Beschwerde der AStn. stattgegeben, den Beschluss des SG vom 14.11. 2007 aufgehoben und festgestellt, der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit sei eröffnet (Aktenzeichen (Az) L 16 B 127/07 KR ER, in: www.sozialgerichtsbarkeit.de); die zugelassene weitere Beschwerde zum Bundessozialgericht (BSG) nach § 17a Abs 4 Satz 4 und 5 GVG hat das BSG als unzulässig verworfen ("keine Rechtswegbeschwerde zum BSG in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes"; Beschluss vom 24.01.2008 – Az B 3 SF 1/08 R – zur Veröffentlichung vorgesehen in: Sozialrecht (SozR) 4; juris.de).
Unter Vorlage eines anonymisierten Schreibens der AGn. vom 17.01.2008, wonach in den Losen 6,7 und 8 zwischenzeitlich ein Zuschlag erteilt worden sei und die Versorgung der Versicherten mit Wohnort in den bezuschlagten Losbereichen nach dem ausgeschriebenen Vertrag ab dem 01.02.2008 beginne, hat die AStn. für diese Lose den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Hinsichtlich der noch nicht bezuschlagten Lose 4 und 5 hat sie ihren Antrag aufrecht erhalten.
Die Antragstellerin hat sinngemäß beantragt,
der Antragsgegnerin zu untersagen, in dem Vergabeverfahren über einen Vertrag zur Hauszustellung und Lieferung von Inkontinenzartikeln (2007/S 195-237200) einen Zuschlag für die im Bundesland Nordrhein-Westfalen gebildeten Lose 4 und 5 (Az der AGn.: 001-Inkonti-2007) zu erteilen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 11.02.2008 hat das SG der AGn. bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren – längstens jedoch bis zum 31.12.2008 – untersagt, in dem vorliegenden Vergabeverfahren für die Lose 4 und 5 einen Zuschlag zu erteilen. Unter Hinweis auf einen Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 31.01.2008 – Az S 5 KR 310/07 ER – in: www.sozialgerichtsbarkeit.de – hat das SG die Auffassung vertreten, es "scheine festzustehen", dass mit einer Zuschlagserteilung die AStn. von einer Versorgung der Versicherten der AGn. mit Inkontinenzmitteln ausgeschlossen sei. Unabhängig von ihrem Marktanteil sei der AStn. ein Zuwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten, da mit einer Zuschlagserteilung die vom Gesetzgeber in § 126 Abs 2 SGB V nF normierte Übergangsregelung für zugelassene Vertragspartner unterlaufen werde. Es sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber allen (zugelassenen) Leistungserbringern ermöglichen wollte, bis zum Ende der Übergangsfrist (31.12.2008) zur Versorgung der Versicherten berechtigt zu bleiben.
Gegen diese ihr am 12.02.2008 zugestellte Entscheidung hat die AGn. am 13.02.2008 mit der Begründung Beschwerde eingelegt, ein schützenswerter Besitzstand solle durch § 126 Abs 2 SGB V nF im Falle einer erfolgten Ausschreibung nach § 127 Abs 1 SGB V nF gerade nicht begründet werden. Im Falle einer erfolgreichen Ausschreibung sei § 33 Abs 6 Satz 2 SGB V einschlägig, der im Verhältnis zum Satz 1 dieser Vorschrift eine speziellere Regelung enthalte. Damit das Instrument der Ausschreibung wirksam genutzt und vertraglich vereinbarte Abnahmeverpflichtungen erfüllt werden könnten, kämen in diesen Fällen neben den Ausschreibungsgewinnern keine anderen Leistungserbringer mehr zum Zuge. Unabhängig davon scheitere der Antrag bereits am fehlenden Anordnungsgrund; die Behauptung von Umsatzeinbußen von 0,25 % des Gesamtumsatzes rechtfertige keine Zuschlagsverzögerung mit einem Gesamtschaden auf ihrer Seite von monatlich 120.000 bis 150.000 EUR.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie zur Entscheidung dem erkennenden Senat vorgelegt (Beschluss und Verfügung vom 15.02.2008).
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11.02.2008 zu ändern und den Antrag zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses. Ergänzend sieht sie sich durch einen Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 08.02.2008 – Az L 1 B 41/08 KR ER – in: www.sozialgerichtsbarkeit.de und juris.de – bestätigt, wonach § 126 Abs 2 SGB V nF keine Schutznorm für Leistungserbringer darstelle. Neben dem Leistungs- und Leistungserbringerrecht des SGB V sei die ausgesprochene Zuschlagsuntersagung zudem durch reines Vergaberecht begründet: Ihr stehe aufgrund der von der AStn. verwendeten unzulässigen Vertragsbedingungen ein Abwehranspruch zu, da sie dadurch gehindert worden sei, ein Angebot abzugeben. Dies gelte umso mehr, als die AGn. im Nachhinein auf die Einhaltung ihrer Bedingungen im bereits bezuschlagten Los 8 (Postleitzahlen(PLZ)-Bereich 40210-42929) nicht mehr bestehe. Schließlich könne ein Anordnungsanspruch nicht bezweifelt werden. Wenn Sozialgerichte Vergaberecht anwenden wollten, dürften im Vergleich zum Vergabeverfahren keine höheren Hürden aufgestellt werden. Im Vergabeverfahren werde die aufschiebende Wirkung gegen eine Zuschlagserteilung bereits mit der Einreichung des Antrags bzw der Beschwerde hergestellt.
II. Die Beschwerde, über die der Senat ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter hat entscheiden können (§ 12 Abs 1 Satz 1, § 176 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), ist begründet. Die Voraussetzungen für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung liegen entgegen der Rechtsauffassung des SG nicht vor. Der angefochtene Beschluss vom 11.02. 2008 ist aufzuheben; das SG hat zu Unrecht eine Zuschlagsuntersagung ausgesprochen.
Rechtsgrundlage für den von der AStn. begehrten einstweiligen Rechtsschutz ist entgegen den Ausführungen im angefochtenen Beschluss keine Regelungsanordnung nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG, sondern eine Sicherungsanordnung nach Abs 2 Satz 1 dieser Vorschrift. Die hier allein in Streit stehende bestandsschützende, einstweilige Maßnahme (hier: Zuschlagsuntersagung) soll kein streitiges Rechtsverhältnis regeln, sondern ist ausschließlich auf die Sicherung bereits ggf bestehender Rechte der AStn. als zugelassener Leistungserbringerin nach § 126 Abs 1 SGB V idF des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) vom 14.11.2003 (BGBl. I S. 2190) gerichtet. Es geht daher in der Sache um einen reinen Abwehranspruch bei Eingriffen in den gesetzlich geschützten Gewerbebetrieb der AStn. (wie hier: LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 27.02.208 – Az L 5 KR 507/08 ER-B und L 5 KR 61207 ER-B – bisher noch nicht veröffentlicht; anders wohl LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.02.2008, Az L 1 B 41/08 KR ER – aaO (Regelungsanordnung bei einem möglichen Ausschluss eines zugelassenen Hilfsmittelerbringers von der Versorgung der Versicherten nach § 126 Ab 1 SGB V; völlig offen gelassen bei SG Köln, Beschluss vom 31.01.2008 – S 5 KR 310/07).
Nach § 86b Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht – soweit kein Fall nach § 86b Abs 1 SGG vorliegt – auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der AStn. vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Voraussetzung dafür ist das Vorliegen eines Anordnungsanspruches (materielles Recht, für das einstweiliger Rechtsschutz begehrt wird) und eines Anordnungsgrundes (Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, wenn ein Abwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten ist). Dabei stehen sich Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert einander gegenüber, vielmehr besteht zwischen ihnen eine funktionelle Wechselbeziehung dergestalt, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw Schwere des drohenden Eingriffs (Anordnungsgrund) zu verringern sind oder umgekehrt (dabei dürfen keine zu hohen Anforderungen an die Glaubhaftmachung im Eilverfahren gestellt werden; die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, welches der Antragsteller mit seinem Begehren verfolgt, vgl Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschlüsse vom 29.07.2003 – Az 2 BvR 311/03 – NVwZ 2004, 95; vom 19.03.2004 – 1 BvR 131/04 – NJW 2004, 3100). Ist dagegen dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung unter umfassender Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange aller Beteiligter zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – Az 1 BvR 569/05 – Breithaupt 2005, 803; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., 2005, § 86b Rn 27 f mit weiteren Nachweisen (mwN)). Dabei kann – wie hier – der vorläufige Rechtsschutz auch schon vor Klageerhebung begehrt werden (§ 86b Abs 3 SGG).
Nach diesen Grundsätzen ist die vorläufige Zuschlagsuntersagung nicht auszusprechen. Bei einem bestenfalls offenen Ausgang eines möglichen Hauptsacheverfahrens überwiegen die Interessen der AGn. an einer Zuschlagserteilung gegenüber den Interessen der AStn. an einer unveränderten Beibehaltung des derzeitigen Zustandes derart gravierend, dass die darin liegende Verweigerung des Primärrechtsschutzes gegen die streitige Vergabehandlung hingenommen werden muss (zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Versagung eines Primärrechtsschutzes bei Vergabehandlungen, vgl BVerfG, Beschluss vom 13.06.2006 – Az 1 BvR 1160/03 – BVerfGE 116, 135). Darin liegt weder die Versagung eines effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 Grundgesetz (GG)) noch eine Verletzung des im allgemeinen Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG) verbürgten allgemeinen Justizgewährungsanspruchs.
Zunächst liegt kein Fall nach § 86b Abs 1 SGG vor (zum Sonderfall einer bereits ergangenen Entscheidung der – unzuständigen – Vergabekammer, vgl. Beschlüsse des LSG Baden-Württemberg vom 27.02.2008, aaO). Der Senat folgt nicht der Rechtsauffassung der AStn., wonach bereits die Einlegung eines (hier ohnehin nicht vorliegenden) vergaberechtlichen Antrags auf Nachprüfung (vgl zu den dort geregelten Ansprüchen auf aufschiebende Wirkung § 115 Abs 1, § 118 Abs 1 Satz 1 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) einerseits, andererseits § 13 Satz 5 Vergabeverordnung (VgV)) der Vergabestelle eine Zuschlagserteilung verbietet. Wie der Senat bereits im Beschluss vom 20.12.2007 über die Rechtswegbeschwerde nach § 17a GVG unter Angabe von Rechtsprechungs- und Literaturnachweisen (Otting in: ZMGR 2005, 243; Engelmann in: jurisPK-SGB V, § 69 Rn 158; Hauck in: RPG 2007, 64; OLG Karlsruhe vom 19.11.2007 – Az 17 Verg 11/07 – in: www.juris.de; Vergabekammer Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 07.11.2007 – Az 1 VK 47/07, vom 26.01.2007 – Az 1 VK 82/06; LSG Baden-Württemberg vom 04.04.2007, Az L 5 KR 518/07 ER-B – in: www.juris.de; aA Vergabekammer des Bundes, Beschlüsse vom 14.11.2007 – Az VK 3-124/07 -, vom 24.10.2007 – Az VK 2-102/07; Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf vom 31.10.2007 – Az VK-31/2007 – L) ausführlich begründet hat, finden diese Normen im hier zur Entscheidung stehenden Beschwerdeverfahren keine direkte Anwendung; es verbleibt bei der in § 69 Abs 1 Satz 2 SGB V enthaltenen Regelung einer entsprechenden Anwendung der §§ 19 bis 21 GWB (wie hier: LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 27.02.2008, aaO).
Entgegen der Rechtsauffassung des SG steht auch nicht "scheinbar" fest, dass die in § 126 Abs 2 SGB V nF geschaffene Übergangsregelung Leistungserbringer berechtigt, die – wie die AStn. – am 31.01.2007 über eine Zulassung nach § 126 SGB V verfügten, bis zum 31.12.2008 weiterhin Versicherte der AGn. mit Inkontinenzartikeln zu versorgen und – was hier allein maßgebend ist und das SG wohl im Umkehrschluss ohne nähere Begründung unterstellt – bis zu diesem Zeitpunkt auch zur Verhinderung von Zuschlagserteilungen bei Verträgen nach § 127 Abs 1 SGB V nF berechtigt. Zwar ist der AStn. und dem SG insoweit zuzustimmen, dass nach der bis zum 31.03.2007 geltenden Rechtslage diese Leistungserbringer weiterhin Hilfsmittel an Versicherte abgeben durften (so wohl zu Recht LSG NRW, Urteil vom 18.01.2007 – Az L 2 KN 16/05 KR – www.sozialgerichtsbarkeit.de – Revision zum BSG anhängig unter Az B 5b KN 2/07 R). Das LSG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 08.02.2008, aaO) hat allerdings unter Geltung des neuen Rechts einen schützenswerten Besitzstand der bisherigen Leistungserbringer bejaht. Zweifel daran bestehen aber aufgrund der korrespondierend zum 01.04.2007 eingefügten Änderungen im Hilfsmittelrecht des § 33 Abs 6 SGB V nF. Im Falle einer erfolgreichen Ausschreibung könnten, wie die AGn. meint, die Sätze 2 – und insbesondere wohl – 3 dieser Vorschrift vorrangig Anwendung finden, um das Instrument der Ausschreibung überhaupt wirksam nutzen zu können (Bundestags-Drucksache (BT-Drs) 16/3100, S. 103). Der Senat braucht jedoch diese Streitfrage nicht zu entscheiden. In Streit steht nämlich nicht, was wohl Gegenstand des Beschlusses des LSG Berlin-Brandenburg war, ob ein bisheriger Leistungserbringer auch nach Zuschlagserteilung zur Versorgung der Versicherten der Krankenkasse mit Inkontinenzartikeln zumindest bis zum 31.12.2008 berechtigt bleibt (ggf aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebotes in § 12 Abs 1 SGB V, dann aber nur zu den in der Ausschreibung vermittelten Konditionen), sondern ob aus dem Leistungserbringungsrecht des SGB V zumindest bis zum 31.12.2008 ein Anspruch hergeleitet werden kann, Zuschläge zu den nach § 127 Abs 1 SGB V nF zu schließenden Verträgen zu verhindern. Hierzu hat die AGn. außer der ihrem Rechtsvorbringen innewohnenden Rechtsmeinung, § 127 Abs 1 SGB V nF sei verfassungswidrig, weder substantiiert vorgetragen noch Tatsachen behauptet und diese in der erforderlichen Weise nach den §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit (iVm) § 86b Abs 2 Satz 4 SGG glaubhaft gemacht. Der Senat vermag in der hier allein zur Entscheidung stehenden Beschwerde über den Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne weitere, umfangreiche Ermittlungen keine Verfassungswidrigkeit der Norm des § 127 Abs 1 SGB V nF oder einen Anspruch auf eine Zuschlagsuntersagung erkennen. Diese Ermittlungen bleiben bei der hier gebotenen rein summarischen Prüfung einem ggf von der AStn. noch anhängig zu machenden Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Das Gleiche gilt, soweit die AStn. zumindest nach der Begründung im Beschwerdeverfahren einen Anspruch auf Zuschlagsuntersagung aus dem Wettbewerbsrecht herzuleiten versucht. Zwar hatte die AStn. noch in der Antragsschrift vom 30.10.2007 hervorgehoben, sich nicht auf die Verletzung von Vergaberecht berufen zu wollen; der Senat versteht insbesondere ihr Vorbringen im Beschwerdeverfahren aber umfassend im Sinne einer Prüfung auch dieser Vorschriften. Allerdings auch bei dieser Prüfung kann es der Senat offen lassen, ob die AStn. als Nichtbieterin und mit einem Geschäftslokal örtlich außerhalb der hier allein noch streitigen PLZ-Bezirke überhaupt in den Schutzbereich dieser Vorschriften einbezogen ist (vgl dazu insbesondere § 107 Abs 2 GWB), denn eine Verletzung der hier allein maßgebenden Vorschriften der §§ 19 bis 21 GWB ist bei summarischer Prüfung weder nach dem Inhalt der Akten noch nach dem Vorbringen der AStn. erkennbar. Die AStn. wird insbesondere zu ihren Geschäftsaktivitäten außerhalb ihres Stammsitzes in einem möglichen Hauptsacheverfahren detailliert weiter vorzutragen haben. Ohne Bedeutung für die Entscheidung der hier in Streit stehenden einstweiligen Regelung ist auch, ob die spätere Umsetzung der Vergabe ausschreibungskonform erfolgt oder nicht. Ggf bestehende Schadensersatzansprüche sind nicht Streitgegenstand des anhängigen Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz. Schließlich scheidet nach summarischer Prüfung des Senates eine Verletzung europäischen Kartellrechts aus. Wie bereits im Beschluss vom 20.12.2007 vom erkennenden Senat ausgeführt, ist bereits zweifelhaft, ob im hier zur Entscheidung stehenden Fall dieses Recht Anwendung findet, jedenfalls können ohne weiteren substantiierten Sachvortrag unter Auswertung der zitierten aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, zuletzt Beschluss v 13.12.2007 – Az C-337/06 -; Urteil vom 11.07.2006 – Az C-205/03) keine für eine Verurteilung der AGn. ausreichenden Tatsachen unterstellt werden.
Ist danach die Entscheidung in einem möglichen Hauptsacheverfahren bestenfalls als offen zu beurteilen, kommt es maßgebend auf die danach durchzuführende umfassende Folgenabwägung an. Auch hierzu hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 20.12. 2007 ausführlich Stellung bezogen. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seinem Beschluss vom 24.01.2008 – aaO – die Rechtsauffassung des Senats zu den wirtschaftlichen Auswirkungen einer Zuschlagsversagung ausdrücklich geteilt (der Streitwert von 100,- EUR (anteilig für die Rechtswegbeschwerde, ausgehend von einer wirtschaftlichen Bedeutung von 2.000 EUR für das einstweilige Verfahren) sei " der Bedeutung der Sache angemessen"). Dem ist angesichts eines auch von der AStn. nicht bestrittenen monatlichen Schadens der AGn. von 120.000,- bis 150.000,- EUR bei einer weiteren Zuschlagsverzögerung allein in den Losen 4 und 5 kaum etwas hinzuzufügen, zumal die Umsatzerwartung der AStn. für zwei Jahre auf nur etwa 4.000,- Euro (im Bereich der streitigen Inkontinenzartikeln) begrenzt ist (vgl dazu schon den entsprechenden Vortrag aus 2007 und den Beschluss des erkennenden Senats vom 20.12.2007, aaO). Die AStn. ist in ihrer wirtschaftlichen Existenz bei einer Zuschlagserteilung in keiner Weise ernsthaft gefährdet; selbst ein möglicher Schaden ist im Falle eines nachträglichen Obsiegens angesichts der wirtschaftlichen Größe und Bonität der AGn. als gesetzliche Ersatzkasse ohne weiteres auszugleichen. Hinzu kommt, dass die AStn. noch nicht einmal behauptet hat, konkrete Geschäftsbeziehungen in den hier allein noch streitigen PLZ-Bezirken 45127-47929 (Los 4) bzw 40210-42929 (Los 5) seien bei einer Zuschlagserteilung gefährdet. Demgegenüber ist anerkannt und vom Senat im Beschluss vom 20.12.2007 näher ausgeführt worden, dass nicht jede Bagatellverletzung die Gewährung eines Primärrechtsschutzes nach sich ziehen kann (zu den vorgegebenen Schwellenwerten, vgl § 2 VgV). Zudem würde eine weitere Zuschlagsuntersagung massiv in geschützte Rechte der Konkurrenzunternehmen der AStn. eingreifen, die sich entgegen der eigenverantwortlichen Entscheidung der AStn. am Bieterverfahren beteiligt haben und wirtschaftlich auf eine Zuschlagserteilung warten. Soweit das SG seine Entscheidung ausdrücklich unabhängig vom Marktanteil der AStn. getroffen hat, stimmt dies nicht mit der geltenden Rechtslage überein und basiert, wie ausgeführt, auf einer rechtlichen Fehlvorstellung zum Anordnungsanspruch.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Hinsichtlich der Streitwertberechnung verweist der Senat auf seine Ausführungen im Beschluss vom 20.12.2007 und schließt sich der Berechnung des SG inhaltlich an. Aufgrund der hier zu treffenden Eilentscheidung verzichtet der Senat, den Streitwert auf die nur noch in Streit stehende Zuschlagsversagung, bezogen auf die Lose 4 und 5, zu reduzieren. Hierzu hat die AStn. selbst nichts vorgetragen und ihr Begehren in wirtschaftlicher Sicht auch nicht reduziert.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden, § 177 SGG.
Erstellt am: 26.03.2008
Zuletzt verändert am: 26.03.2008