Rev. d.Bekl. zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 29.07.2009 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 2.760,96 Euro zuzüglich 4 % Zinsen aus 2.490 EUR ab dem 01.05.2006 und aus weiteren 270 EUR ab dem 01.07.2006 zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.760,96 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenerstattung (KE) bzgl. einer Zweitversorgung mit einem Therapiestuhl für den Kindergartenbesuch.
Die am 00.00.2001 geborene, über ihren Vater B bei der Beklagten familienversicherte K X (im Folgenden: Versicherte) beantragte am 09.06.2005 bei der Beklagten unter Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Verordnung vom 28.04.2005, sie für den anstehenden Besuch eines Kindergartens im Rahmen einer Zweitversorgung mit einem Therapiestuhl "Wombat upgrade", Hilfsmittel-Nr. 26.11.050009, Größe 2 mit Zubehör zu versorgen. Nach dem beigefügten Kostenvoranschlag des Sanitätshauses C vom 09.05.2005 beliefen sich die Kosten auf 4.875,37 EUR. Diesen Antrag leitete die Beklagte mit Schreiben vom 10.06.2005, Eingang bei dem Kläger am 13.06.2005, an den Kläger weiter, da nach Auffassung der Beklagten eine Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht gegeben war. Die Versicherte sei bereits seit dem 20.11.2003 mit einem Zimmeruntergestell "Lex" und einer Sitzeinheit "EASyS" versorgt. Eine Zweitversorgung für den Kindergarten zu Lasten der GKV komme nicht in Betracht. Weder der Weg zu Kindergarten oder Schule noch der Transport eines notwendigen Hilfsmittels dorthin gehöre zu den über die GKV versicherten Risiken. In Betracht kämen jedoch Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 54 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Die Weiterleitung erfolge nach § 14 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) an den aus ihrer, der Beklagten, Sicht zuständigen Leistungsträger. Mit weiterem Schreiben vom selben Tag informierte die Beklagte den Vater der Versicherten über die Weiterleitung des Antrages.
Parallel dazu hatte die Versicherte am 01.03.2005 bei dem Landrat des Kreises H als örtlichem Träger der Sozialhilfe einen Antrag auf Kostenübernahme (KÜ) für die Aufnahme in die additive Tageseinrichtung für Kinder "U" in S gestellt. Den Antrag sowie das amtsärztliche Gutachten und den Eingliederungsvorschlag leitete der Landrat an den Kläger als überörtlichen Träger der Sozialhilfe weiter. Danach bestand bei der Versicherten eine schwere allgemeine Entwicklungsstörung bei Zustand nach Frühgeburt in der 26. Schwangerschaftswoche mit Epilepsie, cerebraler Bewegungsstörung, Sehbehinderung und fehlender Sprachentwicklung. Das aktuell dreijährige Mädchen, das zwei Mal wöchentlich Krankengymnastik, Frühförderung und Seh-Frühförderung bei Strabismus beidseits erhalte, sei 87 cm groß und wiege 10 kg. Es liege in der Rückenlage. Ein aktives Drehen sei nicht möglich, ebenso wenig aktive Fortbewegung. Ein gezieltes Greifen größerer Gegenstände scheine rechts möglich, die linke Hand sei gefaustet. Eine selbständige Nahrungsaufnahme sei nicht möglich. Die Kost werde püriert. Das Kind müsse gewindelt werden. Der Rumpf stelle sich hypoton dar, Gleiches gelte für die Extremitäten. Eine Lautäußerung sei nicht zu verzeichnen, die visuelle Wahrnehmung sei deutlich beeinträchtigt. Zudem bestehe eine deutliche mentale Retardierung. Im Rahmen der Eingliederung sei die Aufnahme in eine integrative Kindertagesstätte erforderlich (mit Krankengymnastik, Ergotherapie, Wahrnehmungs- und Sprachförderung). Bei der Schwere des Krankheitsbildes reichten ambulante Maßnahmen nicht aus.
Mit Bescheid vom 11.05.2005 bewilligte der Kläger der Versicherten die Kosten der heilpädagogischen Leistung zunächst vom 01.08.2005 bis zum 31.01.2006 bzw. im Anschluss nach positivem Ablauf der Erprobungsfrist bis zum Beginn der Schulpflicht in der Heilpädagogischen Kindertageseinrichtung "U" im Rahmen der Sozialhilfe sowie die Kosten für die Fahrten zwischen der Wohnung und der Einrichtung.
Der Kläger versorgte daraufhin die Versicherte entsprechend seinem Bewilligungsbescheid vom 18.08.2005 mit einem Therapiestuhl für den Besuch der Kindertagesstätte, wobei das Hilfsmittel im Eigentum des Klägers verblieb. Der Kaufpreis lag bei 2.490 EUR Mit Schreiben vom 18.08.2005 machte der Kläger sodann gegenüber der Beklagten einen entsprechenden Erstattungsanspruch nach §§ 102 ff. SGB X in Höhe von 2.490,00 Euro geltend. Die Versicherte wurde unmittelbar nach Beendigung der Sommerschließzeit am 24.08.2005 in den Kindergarten aufgenommen.
Da die Beklagte weiterhin nicht bereit war, die Kosten der Zweitversorgung mit einem Therapiestuhl zu übernehmen, wie sie durch ablehnendes Schreiben vom 31.08.2005 mitteilte, zog der Kläger zur Überprüfung der Erfolgsaussichten einer Klage zunächst Unterlagen bei. Danach basierte die Erstversorgung der Versicherten durch die Beklagte auf einer ärztlichen Verordnung vom 20.11.2003. Es handelte sich um das EASyS-Sitzsystem mit Zubehör und Zimmer- sowie Straßenuntergestell. Die integrative Kindertagesstätte U äußerte sich mit Schreiben vom 16.11.2005 zu der aus ihrer Sicht bestehenden Notwendigkeit der Zweitversorgung mit einem Therapiestuhl: Aus medizinischen Gründen sei die Versorgung mit einem Therapiestuhl notwendig. Aufgrund der starken Rumpfhypotonie könne die Versicherte nicht selbständig sitzen, nicht Becken und Rücken aufrichten, nicht die Mittelposition halten (sie "falle zur linken Seite weg"), die Kopfkontrolle nur schwer beeinflussen. Hinzu komme eine extreme Abduktion der Beine, das Bestehen einer spastischen Tendenz der unteren Extremitäten und des linken Armes. Durch die mangelnde Kopfkontrolle und die Sehbehinderung falle der Versicherten das Fixieren sehr schwer. Diese Beeinträchtigungen würden durch den Therapiestuhl ausgeglichen, der therapeutischen Zwecken diene. Aufgrund seiner empfindlichen und genau justierten Anbauteile, seines Gewichtes und der Ausmaße könne der Stuhl nicht täglich transportiert werden.
Im Hinblick auf die zusätzliche Bewilligung eines Therapietisches für den Therapiestuhl erweiterte der Kläger Schreiben vom 24.01.2006 seinen gegenüber der Beklagten geltend gemachten Anspruch auf KE um weitere 270,96 EUR, wobei der Kläger die Zahlungen im Verhältnis zu dem Leistungserbringer am 07.03.2006 bzw. 11.05.2006 frei gab.
Am 30.11.2006 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Münster erhoben, zu deren Begründung er vorgetragen hat, der Besuch einer Kindertagesstätte gehöre zu den Grundbedürfnissen, für deren Sicherstellung die GKV im Rahmen der Krankenbehandlung verpflichtet sei. Dies sei höchstrichterlich anerkannt, wenn sich auch die Entscheidung des BSG (Sozialrecht (SozR) 3-2500 § 37 Nr. 5) auf die häusliche Krankenpflege beziehe: Nach § 2 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) dienten die sozialen Rechte der Erfüllung der in § 1 SGB I genannten Aufgaben, insbesondere der Schaffung gleicher Voraussetzungen für die freie Entfaltung der Persönlichkeit junger Menschen. Dazu gehöre bei Kindern die Wiederherstellung und Sicherung der Möglichkeit zur sozialen Integration unter Gleichaltrigen (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27) in einem Kindergarten bzw. in einer Kindertagesstätte sowie der Schulfähigkeit nach Eintritt der Schulpflicht (BSG SozR 2200 § 182 Nr. 73; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 22).
Die Leistungsverweigerung der Beklagten verletze das Gebot der versichertenfreundlichen Auslegung und die sozialen Rechte des Kindes und gefährde hierdurch dessen körperliche und geistige Entwicklung. Gerade in einem heilpädagogischen Kindergarten solle auf die Schulpflicht vorbereitet werden. Da die Beklagte vorrangig leistungsverpflichtet gewesen und er, der Kläger, als subsidiär leistungsverpflichteter Träger eingesprungen sei, stehe ihm der geltend gemachte Erstattungsanspruch zu. Der Zinsanspruch ergebe sich aus § 108 Abs. 2 SGB X. Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten für die Versorgung des Kindes K X mit einem Therapiestuhl in Höhe von 2.760,96 Euro zuzüglich Zinsen nach § 108 Abs. 2 SGB X zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Leistungspflicht der GKV umfasse nur das Grundbedürfnis des Schulbesuchs im Rahmen der Schulpflicht, nicht jedoch den Kindergartenbesuch. Die Versicherte sei im häuslichen Bereich zu Lasten der GKV mit einem Therapiestuhl im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse ausreichend versorgt. Die GKV decke allein den Bereich der medizinischen Rehabilitation ab. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Integration, die auch die Versorgung mit Hilfsmitteln umfassen könne, sei Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Die Versorgung Versicherter im Rahmen der GKV richte sich ausschließlich nach den Vorschriften des SGB V (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr.3): Der in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V genannte Zweck des Behinderungsausgleichs eines von der GKV leistenden Hilfsmittels bedeute auch nach Inkrafttreten des SGB IX nicht, dass nicht nur die Behinderung als solche, sondern auch sämtliche direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen wären. Aufgabe der GKV sei nach wie vor allein die medizinische Rehabilitation, also die möglichst weit gehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktion einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation bleibe Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel sei von der GKV daher nur dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitige oder mildere und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betreffe. Nach der ständigen Rechtsprechung (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 31 und Nr. 32) gehörten zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungaufnehmen, Ausscheiden, (elementare) Körperpflegen, selbständige Wohnen sowie Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums. Das vom Kläger zitierte Urteil des BSG sei dagegen nicht anwendbar, denn es habe die Gewährung von Behandlungspflege gemäß § 37 Abs. 2 SGB V im Kindergarten zum Inhalt, also sich nur zu der Frage geäußert, ob diese begrifflich außerhalb der Familienwohnung anfallen könne, nicht aber zu der Frage, ob der Besuch des Kindergartens ein Grundbedürfnis darstelle. Das BSG (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr. 6) habe vielmehr entschieden, dass die GKV Bildungswege, die über das staatlicherseits als Minimum angesehene Maß an Bildung hinausgingen, nicht zu fördern habe. Vergleichbar mit der fehlenden Befugnis gesetzlicher Krankenkassen, über die Versorgung mit Hilfsmitteln den Schulbesuch nach Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht (z.B. ab der 11. Klasse) zu fördern, sei der – nicht obligatorische – Besuch eines Kindergartens.
Im Übrigen sei nicht nachvollziehbar, warum der im Rahmen einer Erstversorgung zur Verfügung stehende Therapiestuhl nicht von der Wohnung zum Kindergarten und umgekehrt transportiert werden könne, so dass auch die Notwendigkeit einer Zweitversorgung nicht gegeben sei.
Mit Urteil vom 29.07.2009 hat das SG unter Zulassung der Berufung die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die für die Zweitversorgung der Versicherten mit einem Therapiestuhl angefallen seien. Die Schulfähigkeit bzw. der Erwerb einer elementaren Schulausbildung seien als allgemeines Grundbedürfnis eines Schülers anerkannt. Die Schulfähigkeit sei aber nur insoweit als allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens im Sinne des § 33 SGB V anzusehen, als es um die Vermittlung von grundlegendem schulischen Allgemeinwissen an Schüler im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht geht. Die GKV ist jedoch zu einer über die Schulpflicht hinausgehenden Herstellung und Sicherung der Schulfähigkeit nicht verpflichtet (BSG SozR 4-2500, § 33 Nr. 6), sondern lediglich zum Ausgleich einer Behinderung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zuständig. Bei einer über die allgemeine Schulpflicht hinausgehenden Schul- und Berufsausbildung sei die GKV zum Ausgleich einer Behinderung nicht verpflichtet, um die Schulfähigkeit herzustellen oder zu sichern. Dies gelte auch für den Besuch eines Kindergartens oder einer Kindertagesstätte, der dem Schulbesuch im Rahmen einer allgemeinen Schulpflicht bzw. Sonderschulpflicht vorausgehe.
Gegen das ihm am 14.08.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.09.2009 Berufung eingelegt. Zur Begründung verweist er auf eine für ihn positive Entscheidung des SG Karlsruhe vom 08.08.2007, Az.: S 5 KR 5364/06, und trägt ergänzend vor, eine Transportfähigkeit des Therapiestuhls sei gerade nicht gegeben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Münster vom 29.07.2009 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm 2.760,96 EUR zzgl. 4 % Zinsen aus 2.490 EUR ab dem 01.05.2006 und aus weiteren 270 EUR ab dem 01.07.2006 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Das BSG habe in der von ihr bereits erstinstanzlich zitierten Entscheidung eingehend dargelegt, warum die Versorgung mit Hilfsmitteln im Rahmen der Erfüllung der Schul- bzw. Sonderschulpflicht in die Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenkasse falle. Auf den Kinderbesuch, der nicht obligatorisch sei, treffe dies gerade nicht zu. Im Übrigen sei das ursprünglich verordnete Transportsystem EASyS ohne Weiteres transportfähig. Der Kläger hätte durch geeignete Maßnahmen und Einsatz geeigneter Fahrzeuge den Transport sicherstellen müssen.
Der Senat hat ergänzend die Eltern der Versicherten befragt. Danach sei der streitgegenständliche Therapiestuhl bis 2009 benutzt worden. Wegen des Wachstums der Versicherten habe eine Neuversorgung stattfinden müssen. Aufgrund des Gewichts und der Sperrigkeit sei nicht möglich gewesen, schultäglich die Sitzschale und zwei Untergestelle für den Innen- bzw. Außenbereich aus Wohnung über mehrere Stufen bis zu dem Fahrzeug und zurück zu heben bzw. zu schieben und in den Kindergarten mitzugeben. Auf die schriftliche Auskunft vom 14.07.2010 wird im Übrigen Bezug genommen (Bl. 77 PA).
Der Senat hat eine Produktbeschreibung der Therapiestühle "EASyS" und "Wombat upgrade" beigezogen.
Die Beteiligten haben im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 20.01.2011 erklärt, dass sie sich darüber einig seien, dass im Falle einer eventuellen Verurteilung der Beklagten zur Erstattung des Kaufpreises der Kläger verpflichtet wäre, Zug um Zug gegen Zahlung den Zweitrollstuhl zu übereignen. Es bedürfe insoweit keines entsprechenden Vorbehaltes im Urteil. Auch bestehe Einigkeit bzgl. des Zeitraumes, ab dem eine Verzinsung der vom Kläger geltend gemachten Forderung in Betracht komme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Prozess- sowie der Verwaltungsakten des Klägers und der Beklagten Bezug genommen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und statthafte Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Münster vom 29.07.2009 ist begründet. Das SG hat zu Unrecht die Klage abgewiesen. Ein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte steht dem Kläger zu; als Annexanspruch gilt dies auch für den geltend gemachten Zinsanspruch.
Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen nicht. Der Kläger hat – in dem Gleichordnungsverhältnis zur Beklagten – zu Recht nicht durch Verwaltungsakt, § 31 SGB X, entschieden, ein Vorverfahren nicht durchgeführt und den Anspruch im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend gemacht.
Dem klagenden Landschaftsverband Westfalen-Lippe steht ein Anspruch auf Zahlung von 2.760,96 EUR gegen die beklagte Krankenkasse Zug um Zug gegen Übereignung des Hilfsmittels zu.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (Sozialrecht (SozR) 4-3250 § 14 Nr. 10 mwN) räumt § 14 SGB IX als einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage dem zweitangegangenen Rehabilitationsträger einen spezialgesetzlichen Erstattungsanspruch gegen den materiell-rechtlich originär zuständigen Rehabilitationsträger ein. Dieser spezielle Anspruch geht den allgemeinen Erstattungsansprüchen nach dem SGB X vor. Er ist begründet, soweit der Versicherte von dem Sozialleistungsträger, der ohne die Regelung des § 14 SGB IX zuständig wäre, die gewährte Maßnahme hätte beanspruchen können. Die Regelung begründet einen Ausgleich dafür, dass der zweitangegangene Rehabilitationsträger – bei Vorliegen eines entsprechenden Rehabilitationsbedarfs – die erforderlichen Rehabilitationsleistungen (spätestens nach drei Wochen) selbst dann erbringen muss, wenn er der Meinung ist, hierfür nicht zuständig zu sein. Dabei handelt es sich um eine gleichsam "aufgedrängte Zuständigkeit" (vgl. BSG SozR 4-3250 § 14 Nr. 4). Diese in § 14 Abs. 2 Satz 1 und 3 SGB IX geregelte Zuständigkeitszuweisung erstreckt sich im Außenverhältnis zum Versicherten auf alle Rechtsgrundlagen, die in der konkreten Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind. Im Verhältnis zum behinderten Menschen wird dadurch eine eigene gesetzliche Verpflichtung des zweitangegangenen Trägers begründet, die – vergleichbar der Regelung des § 107 SGB X – einen endgültigen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung in diesem Rechtsverhältnis bildet. Im Verhältnis der Rehabilitationsträger untereinander ist jedoch eine Lastenverschiebung ohne Ausgleich nicht bezweckt. Den Ausgleich bewirkt der Anspruch nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX.
Die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB X sind jedoch vorliegend erfüllt; dass sich der Kläger nicht explizit auf die Norm berufen hat, ist unschädlich.
Zunächst hat der Kläger als zweitangegangener Rehabilitationsträger die Leistung – hier Versorgung der Versicherten mit einem Hilfsmittel – nach § 14 Abs. 1 Satz 2 bis 4 SGB IX bewilligt. Die beklagte Krankenkasse hat den Antrag an den Kläger auch rechtzeitig im Sinne dieser Vorschrift weitergeleitet; denn der am 09.06.2005 bei der Beklagten eingegangene Antrag der Versicherten lag dem Kläger einschließlich aller für die Entscheidung notwendigen Unterlagen bereits am 13.06.2005 vor. Die Beklagte war im Sinne der Norm auch für die Leistungserbringung im Sinne des § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX zuständig; denn die Versicherte konnte die Leistung ihrer Art nach von der Beklagten nach deren materiellem Recht – der Zuständigkeitsordnung außerhalb von § 14 SGB IX (vgl. BSG SozR 4-3250 § 14 Nrn. 4 und 10) – beanspruchen: Ihr stand gegen die Beklagte ein Anspruch auf die streitige Zweitversorgung nach § 33 SGB V zu, denn die materiellen Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 SGB V sind erfüllt.
Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der zum Zeitpunkt der Leistungsversorgung geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 20 lit. a bb des Gesetzes zur Modernisierung der GKV (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190, im Folgenden: § 33 SGB V aF) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 ausgeschlossen sind. Dem gemäß besteht nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V aF ein Anspruch auf einen Therapiestuhl, der kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens (vgl. hierzu BSG Sozialrecht (SozR) 4-2500 § 33 Nr. 26), nicht nach § 34 Abs. 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen ist und weder der Krankenbehandlung noch der Vorbeugung einer Behinderung dient, soweit er im Rahmen des Notwendigen und Wirtschaftlichen (§ 12 Abs. 1 SGB V) für den von der Krankenkasse geschuldeten Behinderungsausgleich erforderlich ist. Der von den Krankenkassen geschuldete Behinderungsausgleich bemisst sich nach ständiger Rechtsprechung des für die GKV-Hilfsmittelversorgung ausschließlich zuständigen 3. Senats des BSG, dem sich der erkennende Senat anschließt, entscheidend danach, ob eine Leistung des unmittelbaren oder des mittelbaren Behinderungsausgleichs beansprucht wird (BSG SozR 4-2500 § 36 Nr. 2). Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist die Hilfsmittelversorgung (z. B. mit Hörgeräten oder Prothesen) grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs geleitet. Beschränkter sind die Leistungspflichten der GKV, wenn die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der beeinträchtigten Körperfunktion nicht oder nicht ausreichend möglich ist und deshalb Hilfsmittel zum Ausgleich von direkten und indirekten Folgen der Behinderung benötigt werden (sog. mittelbarer Behinderungsausgleich), wie dies typischerweise bei einem Therapiestuhl der Fall ist. Dann sind die Krankenkassen ständiger Rechtsprechung des BSG zufolge nur für einen Basisausgleich von Behinderungsfolgen eintrittspflichtig: Es geht insoweit nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl. § 1 SGB V sowie § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 5 Nr. 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV deshalb nur dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu diesen allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören nach ständiger Rechtsprechung des BSG das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSG SozR 4-2500 § 33 Nrn. 3, 7; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 14). Für den Ausgleich darüber hinausreichender Behinderungsfolgen haben beim mittelbaren Behinderungsausgleich hingegen gegebenenfalls andere Sozialleistungssysteme Sorge zu tragen.
Zu den Aufgaben der Krankenkassen gehört allerdings auch die Herstellung und die Sicherung der Schulfähigkeit eines Schülers bzw. der Erwerb einer elementaren Schulausbildung (BSG SozR 2200 § 182 Nr. 73; BSG SozR 2200 § 182b Nr. 28; BSG SozR 3-2500 § 33 Nrn. 22 und 40). Steht die Schulausbildung im Dienst der Vermittlung von grundlegendem schulischem Allgemeinwissen an Schüler im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht oder der Sonderschulpflicht (vgl. dazu BSG SozR 4-2500 § 33 Nr. 6), so hat ihn die Krankenkasse mit einem entsprechend geeigneten Hilfsmittel zu versorgen.
Aufgrund ihrer verschiedenen Erkrankungen und der damit verbundenen Funktionsausfälle benötigte die Versicherte einen speziell an ihre Bedürfnisse angepassten Therapiestuhl einschl. des nachgerüsteten Zubehörs mit diversen Verstellmöglichkeiten, was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist. Mit einem solchen war sie u. a. für den Innenbereich auch seitens der Beklagten versorgt. Die Frage, ob der Besuch des Kindergartens dem Schulbesuch gleich zu stellen ist und damit die Leistungspflicht der Beklagten auch in dem hier streitgegenständlichen Bereich besteht und die Versorgung mit einem Zweithilfsmittel gleicher Art erfordert, würde sich jedoch dann nicht stellen, wenn sich der vorhandene baugleiche Therapiestuhl mit zumutbarem Aufwand in den Kindergarten transportieren ließe. Dies ist aus Sicht des Senates jedoch nicht der Fall. Anders als ein Rollstuhl ist der Therapiestuhl grundsätzlich für den Innenbereich konzipiert und nicht auf einen ständigen Ortswechsel – wie bei gerade deshalb faltbaren Rollstühlen der Fall – eingerichtet. Hinzu kommt das deutlich über demjenigen von Rollstühlen liegende Gewicht von zwei Untergestellen und einer Sitzschale. Im Gegensatz zu Rollstühlen kann auch nur das Untergestell für den Außenbereich geschoben werden, während Sitzschale und Untergestell für den Innenbereich getragen werden müssen. Hinzu kommt, dass der Therapiestuhl der Versicherten an diversen Stellen fein justiert sein musste, um ihr eine optimale, medizinisch notwendige Sitzposition zu ermöglichen. Auch das spricht gegen eine uneingeschränkte Transportfähigkeit, und zwar auch dann, wenn nur der im Innenbereich einsetzbare Therapiestuhl mitgenommen werden würde. Nach Abschnitt III. Nr. 21 der für den Leistungsanspruch der Versicherten im Einzelfall nach § 91 Abs. 9 SGB V (in der bis zum 07.11.2006 geltenden Fassung) verbindlichen Hilfsmittelrichtlinien vom 17.06.1992, hier in der maßgeblichen Fassung der Änderung vom 19.10.2004, rechtfertigt eine besondere Beanspruchung, wie sie hier durch den ständigen Transport ausgeübt wird, auch und gerade unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes eine Mehrfachversorgung mit Hilfsmitteln (A. II. b. 21 der Hilfsmittelrichtlinien). Mit dem 5. Senat des LSG NRW (Urteil vom 23.09.2010 – L 5 KR 117/09 -, anhängig BSG B 3 KR 13/10 R) sieht der erkennende Senat keine Transportfähigkeit des Therapiestuhls in dem hier notwendigen Umfang. Dies hat im Übrigen der Vertreter der dortigen beklagten Krankenkasse in dem am selben Tag von dem erkennenden Senat entschiedenen Rechtsstreit (L 16 KR 185/09, LSG NRW) ausdrücklich eingeräumt.
Deshalb kommt es auf die Anerkennung des Grundbedürfnisses des Kindergartenbesuchs an. Der Besuch der Kindertagesstätte durch ein schwerstbehindertes Kind, für den hier wegen der mangelnden Transporteignung unstreitig ein zweiter Therapiestuhl benötigt wurde, dient zur Überzeugung des Senats, wie der Besuch eines Kindergartens für behinderte Dreijährige überhaupt, der Befriedigung von Grundbedürfnissen im vorbezeichneten Sinne, nämlich der Integration des Kindes wie seiner Vorbereitung auf den Erwerb schulischen Allgemeinwissens (vgl. auch LSG NRW, Urteil vom 23.09.2010 – L 5 KR 117/09 (Revision anhängig: B 3 KR 13/10 R); SG Karlsruhe, Urteil vom 08.08.2007 – S 5 KR 5364/06; SG Würzburg, Urteil vom 13.04.2010 – S 4 KR 426/08).
Nach § 24 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) besteht für Kinder ab dem vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schulbesuch Anspruch auf den Besuch einer Tageseinrichtung. Die ganz überwiegende Zahl der mehr als drei Jahre alten Kinder macht davon inzwischen auch Gebrauch. So lag nach der Bundesjugendstatistik 2006 die Betreuungsquote in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege der Bundesländer für Kinder von 3 bis unter 6 Jahren bei rd. 87 % im Bundesdurchschnitt. Tageseinrichtungen für Kinder und Kindertagespflege sollen nach § 22 Abs. 2 SGB VIII die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit fördern, die Erziehung und Bildung in der Familie unterstützen und ergänzen, den Eltern dabei helfen, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung besser miteinander vereinbaren zu können. Der Förderungsauftrag umfasst nach § 22 Abs. 3 SGB VIII Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes und bezieht sich auf die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung des Kindes. Er schließt die Vermittlung orientierender Werte und Regeln ein. Die Förderung soll sich am Alter und Entwicklungsstand, den sprachlichen und sonstigen Fähigkeiten, der Lebenssituation sowie den Interessen und Bedürfnissen des einzelnen Kindes orientieren und seine ethnische Herkunft berücksichtigen. Nach heutigem Verständnis ist der Kindergarten also auch eine Bildungseinrichtung (vgl. Struck in Wiesner, SGB VIII, 3. Aufl. 2006, vor § 22 Rz. 20). Über dieses Merkmal ist er mit der Schule verbunden, auf deren Besuch er vorbereitet. Dieser Umstand sowie die Formulierung eines Rechtsanspruchs in § 24 SGB VIII und der sehr hohe Grad der Inanspruchnahme der Einrichtungen belegen den Stellenwert des Kindergartenbesuchs und zeigen, dass er unter Berücksichtigung gesellschaftlicher wie staatlicher Einschätzung wie der Schulbesuch zum Erwerb eines schulischen Grundwissens, dem er regelmäßig und offenbar mit zunehmender Notwendigkeit vorausgeht, als Grundbedürfnis im Sinne der eingangs zitierten Rechtsprechung des BSG zum Hilfsmittelrecht zu qualifizieren ist.
Wie das BSG (SozR 3-2500 § 37 Nr. 5 (zur häuslichen Krankenpflege)) zudem betont, dienen nach § 2 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) die sozialen Rechte der Erfüllung der in § 1 SGB I genannten Aufgaben, insbesondere der Schaffung gleicher Voraussetzungen für die freie Entfaltung der Persönlichkeit junger Menschen dienten. Dazu gehört bei Kindern die Wiederherstellung und Sicherung der Möglichkeit zur sozialen Integration unter Gleichaltrigen (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 27) in einem Kindergarten bzw. in einer Kindertagesstätte sowie der Schulfähigkeit nach Eintritt der Schulpflicht (BSG SozR 2200 § 182 Nr. 73; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 22). Wenn bereits bei nicht behinderten Kindern der Besuch eines Kindergartens offenbar regelmäßig (s.o.) als zur Vorbereitung auf die Schule geboten angesehen wird, muss dies für schwerstbehinderte Kinder mit erheblichen Entwicklungsverzögerungen wie die Versicherte erst recht gelten und zwar nicht nur unter dem Aspekt der Herstellung von Schulreife, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der Integration. Kinder, die wie die Versicherte in ihrer Mobilität behinderungsbedingt stark eingeschränkt sind, können nur unter Schwierigkeiten und erheblichem (u.a. Transport-) Aufwand für die Eltern Kontakt zu Gleichaltrigen pflegen und sind mehr als nicht behinderte Kinder auf organisierte und betreute Kontaktgelegenheiten, wie sie Tageseinrichtungen bieten, angewiesen. Wenn gleichzeitig beachtet wird, dass inzwischen ca. 87 % der Kinder zwischen 3 und 6 Jahren in Deutschland einen Kindergarten o. ä. besuchen (s.o.), reduziert sich die Möglichkeit zu Kontakt und Integration für ein Kinder mit Behinderung weiter. Es würde zu einer Isolierung des behinderten Kindes kommen, wenn es selbst eine solche Einrichtung nicht besuchen kann, denn die in Betracht kommenden gleichaltrigen Kontaktpersonen halten sich im Kindergarten auf und sind deshalb weitgehend nicht erreichbar.
Die Einwendungen der Beklagten und ihre Hinweise auf die Rechtsprechung des BSG zur Limitierung des Grundbedürfnisse auf Bildung auf den durch die Schulpflicht vorgegebenen Rahmen überzeugen nicht. Eine schulische Bildung nach Erfüllung der Schulpflicht oder ein Studium mögen mit der Rechtsprechung des BSG (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr. 6) kein Grundbedürfnis im Sinne der mehrfach zitierten Rechtsprechung zum Hilfsmittelrecht darstellen, weil die GKV nur das staatlicherseits als Minimum angesehene Maß an Bildung zu fördern habe. Auch trifft es zu, dass es eine Kindergartenpflicht trotz entsprechender verschiedentlicher Vorstöße weiterhin nicht gibt (vgl. dazu bei Struck in Wiesner, SGB VIII, 3. Aufl. 2006, vor § 22 Rz. 12). Die Beklagte übersieht aber, dass nicht die Erfüllung der Schulpflicht das Grundbedürfnis ist, sondern der Erwerb elementarer Grundkenntnisse, und dass ein Kindergartenbesuch vor Beginn der Schulpflicht und z. B. ein Studium nach ihrer Erfüllung nicht gleich zu bewerten sind. Die Phase der Befriedigung des fraglichen Grundbedürfnisses beginnt nämlich heute, wie oben ausgeführt, nicht erst in der Schule, sondern bereits im Kindergarten bzw. in der Kindertagesstätte. Der dem Schulbesuch vorausgehende Kindergartenbesuch bereitet auf den Schulbesuch vor und soll namentlich die Schulfähigkeit gewährleisten. Er ermöglicht den Erwerb des staatlicherseits als Mini-mum angesehenen Maßes an Bildung und dient damit wie der Schulbesuch der Befriedigung des Grundbedürfnisses und geht, anders als ein Studium, nicht darüber hinaus. Im Fall der Versicherten ist dem Eingliederungsvorschlag des Landkreises im Übrigen zu entnehmen, dass Leistungen nach §§ 54 ff SGB XII für dringend erforderlich gehalten werden, da die notwendige Förderung der Versicherten nicht zu Hause im selben Maße wie im Kindergarten erreicht werden könne.
Im Hinblick auf die zu verneinende Transportfähigkeit und die Anerkennung des Kindergartenbesuchs der Versicherten als Grundbedürfnis im Sinne der GKV hätte deren Versorgung mit einem zweiten Therapiestuhl zu Lasten der Beklagten erfolgen müssen. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf KE daher zu.
Ebenfalls begründet ist der Zinsanspruch. Rechtsgrundlage dafür ist § 108 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB X iVm § 44 Abs. 3 Satz 1 SGB I. Hiernach haben die Sozialhilfeträger und die anderen in § 108 Abs. 2 SGB X genannten Träger – und nur diese (vgl. BSG SozR 4-2500 § 19 Nr. 4 RdNr. 29 mwN) – auf Antrag Anspruch auf Verzinsung eines Erstattungsanspruchs mit 4 vH für den Zeitraum nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des vollständigen, den gesamten Erstattungszeitraum umfassenden Erstattungsantrages beim zuständigen Erstattungsverpflichteten bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung (§ 108 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB X). Verzinst werden aber nur volle Euro-Beträge (§ 44 Abs. 3 Satz 1 SGB I). Diese Vorschriften gelten für Erstattungsansprüche nach § 14 Abs. 4 SGB IX entsprechend. § 14 Abs. 4 SGB IX begründet einen spezialgesetzlichen Erstattungsanspruch, der den allgemeinen Erstattungsansprüchen nach dem SGB X vorgeht (BSGE 98, 267, und 277, 279). Soweit dessen Regelungen nicht vorgreiflich sind, gelten deshalb im Erstattungsstreit zwischen den Rehabilitationsträgern die allgemeinen Vorschriften des SGB X und damit auch die Zinsregelung des § 108 Abs 2 SGB X (BSG Urt. vom 20.11.2008 – B 3 KR 16/08 R).
In concreto bedeutet dies: Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf 4 % Zinsen aus 2.490 EUR ab dem 01.05.2006 und aus weiteren 270 EUR ab dem 01.07.2006 zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Senat hat dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beigemessen und deshalb die Revision zugelassen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 1 Nr. 4 iVm § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG) und entspricht der Höhe des geltend gemachten Erstattungsanspruchs.
Erstellt am: 19.03.2012
Zuletzt verändert am: 19.03.2012