Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 11.05.1999 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt gefasst wird: Der Bescheid der Beklagten vom 19.06.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.09.1998 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Klägerin ab dem 01.10.1997 in der Krankenversicherung der Studenten versicherungspflichtig ist. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des zweiten Rechtszuges zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin versicherungspflichtig in der Krankenversicherung der Studenten (KVdS) ist.
Die Klägerin ist im … 1965 geboren. Sie hat im Juli 1981 die Fachoberschulreife erworben und ab August 1985 eine Lehre zur Bürokauffrau absolviert, die sie mit der Abschlussprüfung am 20.01.1988 abgeschlossen hat. Nach eigener Darstellung verrichtete sie anschließend Gelegenheitsarbeiten. Ab 01.02.1989 besuchte sie das Bergische Kolleg in W. (Einrichtung zur Erlangung der Hochschulreife). Ab 01.02.1991 bis zur Abmeldung am 17.01.1992 war sie beurlaubt. Nach ihrer Angabe beendete sie den Kollegbesuch wegen der Geburt ihres ersten Kindes. Das erste Kind der Klägerin ist am … 1990 geboren worden, ein zweites Kind am … 1992. Vom 01.08.1995 bis 31.01.1997 hat die Klägerin das Städtische Abendgymnasium in W. besucht und die Fachhochschulreife erworben. Nach einem halbjährigen Berufspraktikum hat sie zum Wintersemester 1997/98 an der Fachhochschule D. ein Fachhochschulstudium mit der Studienrichtung Sozialarbeit aufgenommen.
Die Klägerin war bei der Beklagten seit 1989 freiwillig versichert. Auch nach Eingang der Meldung der Fachhochschule für das Wintersemester 1997 (28.10.1997) führte die Beklagte die freiwillige Versicherung fort.
Mit Schreiben vom 04.06.1998 bat die Klägerin um Prüfung, ob eine Versicherung in der KVdS in Betracht komme. Mit Bescheid vom 19.06.1998 lehnte die Beklagte die Aufnahme in die KVdS ab, da die Klägerin das Studium erst nach dem 30. Lebensjahr aufgenommen habe. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin unter Darlegung ihres Ausbildungsganges geltend, sie habe das Fachhochschulstudium erst auf dem zweiten Bildungsweg erreicht. Zudem seien familiäre Gründe für den verspäteten Studienbeginn maßgebend. Sie wies dabei auf ein Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 11.02.1992 hin, wonach bei der Erziehung eines Kindes eine Verlängerung des Studiums um drei Jahre gerechtfertigt sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.09.1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zwar liege zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr die Zeit der Ausbildung zur Bürokauffrau sowie die Geburt zweier Kinder. Es könne dahingestellt bleiben, wie lange die Hinderung durch die Geburt und die Betreuung der Kinder angedauert habe. Schwangerschaft, Geburt und Betreuung der Kinder seien im Hinblick auf den Normzweck der Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 1 Nr. 9 2. Halbsatz SGB V keine Hinderungsgründe, die das Hinausschieben des Beschreitens des zweiten Bildungswegs rechtfertigen könnten. Soweit derartige familiäre Gründe bei Eintritt nach Aufnahme eines Studiums als Hinderungsgründe die Überschreitung der Höchstsemesterzahl oder der Lebensaltersgrenze rechtfertigten, liege die Kausalität für die Verlängerung des Studiums auf der Hand. Wenn, wie im vorliegenden Fall, die Kinder vor Beschreiten des zweiten Bildungsweges geboren worden seien, belege dies, das ursprünglich eine andere Lebensplanung beabsichtigt gewesen sei.
Die Klägerin hat mit ihrer Klage ihren Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt. Sie hat die Darstellung der Beklagten als unangemessen bezeichnet, dass eine andere Lebensplanung belegt sei. Bis 1 Jahr nach der Geburt des zweiten Kindes habe sie mit ihrem Partner zusammen gelebt. Dieser sei selbständig und tagsüber nicht zu Hause gewesen.
Mit Urteil vom 11.05.1999 hat das Sozialgericht die Beklagte antragsgemäß zur Aufnahme der Klägerin in die KVdS ab 01.10.1997 verurteilt. Unabhängig davon, ob eine andere Lebensplanung belegt sei, sei entscheidend, dass familiäre Gründe für die Verzögerung des Studiums ursächlich gewesen seien. Entsprechend dem Besprechungsergebnis der Spitzenverbände sei für die Betreuung der Kinder jeweils eine Hinderungszeit von drei Jahren anzuerkennen.
Mit ihrer Berufung hält die Beklagte an ihrer Auffassung fest, dass Geburt und Betreuung der Kinder kein rechtfertigender Hinderungsgrund für das späte Beschreiten des zweiten Bildungsweges gewesen seien. Soweit in Anlehnung an das Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) eine Hinderungszeit von drei Jahren eingeräumt werde, lasse sich eine so lange Zeit nicht mit dem notwendigen Gewicht der Hinderungsgründe vereinbaren. Es müsse dem Betroffenen objektiv unzumutbar sein, sein Studium bzw. seine Ausbildung fortzusetzen. Insoweit könne allenfalls für die Zeitdauer des Mutterschutzes eine Hinderungszeit anerkannt werden. Das BErzGG habe eine familienpolitische Zielsetzung. Im übrigen bedeute eine Berufstätigkeit neben der Kinderbetreuung eine andere Belastung als der Besuch eines Abendgymnasiums bei bestehender Lebensgemeinschaft mit dem Vater der Kinder.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 11.05.1999 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Ergänzend weist sie auf die Richtlinie 79/7/EWG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit hin und meint, da Betreuung und Erziehung der Kinder weit überwiegend durch die Frauen/Mütter erfolgten, liege in der Verneinung von Hinderungsgründen durch Kindererziehung eine unzulässige Diskriminierung von Frauen.
Der Senat hat eine Auskunft des B. Kollegs in W. eingeholt; insoweit wird auf Blatt 70 der Gerichtsakten Bezug genommen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, das die Klägerin mit Aufnahme ihres Fachhochschulstudiums versicherungspflichtig in der KVdS geworden ist.
Da die Versicherungspflicht bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen kraft Gesetzes eintritt, bedarf es keiner "Aufnahme" der Klägerin in die KVdS durch die Beklagte. Der Senat hat daher den Tenor zur Klarstellung neu gefasst und die Versicherungspflicht ab 01.10.1997 festgestellt. Zwar begann des Wintersemester 1997/1998 am 01.09.1997 und die Klägerin hat sich auch schon am 02.09.1997 immatrikuliert, so dass gemäß § 186 Abs. 7 SGB V ihre Pflichtmitgliedschaft bereits an diesem Tag begann. Da die Klägerin aber ausdrücklich die Feststellung ihrer Versicherungspflicht erst ab 01.10.1997 beantragt hat, konnte der Senat über diesen Antrag nicht hinausgehen.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Halbsatz 1 SGB V sind Studenten längstens bis Vollendung des 30. Lebensjahres (bzw. des Abschlusses des 14. Fachsemesters) versicherungspflichtig, es sei denn, dass die Art der Ausbildung oder familiäre sowie persönliche Gründe das Überschreiten der Altersgrenze (bzw. der Studienzeit) rechtfertigen (Halbsatz 2 aaO.). Die Klägerin war bei Beginn ihres Studiums bereits 32 Jahre alt. Zwar kann im Regelfall bei Aufnahme eines Studiums nach dem 30. Lebensjahr Versicherungspflicht in der KVdS nicht mehr beginnen. Ausnahmsweise kommt jedoch eine Versicherung in der KVdS in Betracht, wenn zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr sowie weiter bis zum Beginn des Studiums Hinderungsgründe bestanden haben, die für so einen späten Studienbeginn ursächlich waren und das Überschreiten der Altersgrenze rechtfertigen (BSG SozR 3-2500 § 5 Nr. 8; BSG USK 9419).
Ein solcher Ausnahmefall liegt vor. In der Zeit zwischen Vollendung des 20. Lebensjahres und dem Beginn des Beschreitens des zweiten Bildungsweges und der Zeit zwischen dem Erwerb der Fachhochschulreife und der Aufnahme des Studiums bestanden im wesentlich durchgehend Hinderungsgründe.
Bei Absolventen des zweiten Bildungsweges wie der Klägerin zählt schon nach dem Gesetzeswortlaut die Zeit des Besuchs der Ausbildungsstätte für den Erwerb der Zugangsvoraussetzungen zum Studium als Hinderungszeit (BSG SozR 3-2500 § 5 Nr. 8 S.31). Voraussetzung für den Besuch des Kollegs zum Erwerb der Hochschulreife war nach § 2 lit.a der Verordnung über den Bildungsgang und die Abiturprüfung am Kolleg (Institut zur Erlangung der Hochschulreife – APO-Kolleg) vom 23.03.1982 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land NRW, GV NRW, S. 188) der Abschluss einer Berufsausbildung (für das Vorliegen der Alternativvoraussetzung lit. b aaO. ist nichts ersichtlich), so dass auch die Ausbildungszeit bis Abschluss der Berufsausbildung zur Bürokauffrau (20.01.1988) Hinderungszeit ist. Das B. Kolleg hat die Klägerin ab 01.02.1989 besucht; diese Ausbildung hat sie – ohne Abschluss – im Januar 1992 abgebrochen, nachdem sie bereits ab 01.02.1991 beurlaubt gewesen war. Sie hat nach der Geburt ihrer am …1990 und …1992 geborenen Kinder diese betreut und die Fachhochschulreife nach dem Besuch des Abendgymnasiums vom 01.08.1995 bis 31.07.1997 erworben.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch die Zeit der Betreuung der Kinder eine Hinderungszeit. Entsprechend dem Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 11.02.1992 (BB 1992, 1000) sind für die Betreuung eines Kindes bis maximal drei Jahre nach der Geburt Hinderungszeiten anzuerkennen. Die Auffassung der Beklagten, allenfalls für die Zeitdauer des Mutterschutzes (§ 6 Abs. 1 Mutterschutzgesetz) könne eine Hinderungszeit bejaht werden, ist zu eng. Zwar trifft es zu, dass der Gesetzgeber mit dem GRG die beitragsgünstige KVdS begrenzen und sie grundsätzlich auf einen Lebensaltersabschnitt beschränken wollte, in dem Leistungen der Krankenversicherung üblicherweise in geringerem Umfang in Anspruch genommen werden, weil der Gesundheitszustand altersbedingt im allgemeinen gut ist und beitragsfrei mitversicherte Angehörige seltener sind oder erst im Laufe der Zeit dazukommen (vgl. BSG SozR 3-2500 § 5 Nr. 4 S. 12; Nr. 32 S. 125). Dementsprechend müssen die familiären oder persönlichen Gründe, die ein Überschreiten der Altersgrenze rechtfertigen, von solcher Art und solchem Gewicht sein, dass sie auch bei objektiver Betrachtungsweise die Aufnahme eines Studiums oder seinen Abschluss verhindern oder als unzumutbar erscheinen lassen. Nicht ausreichend ist es, das Studium nur deshalb aufzuschieben, weil es als zweckmäßig oder sinnvoll erscheint (BSG SozR 3-2500 § 5 Nr. 4 S.14 f; Nr. 6 S.22; Nr. 7 S.26). In der Gesetzesbegründung des GRG werden aber als Beispiele für persönlich oder familiäre Gründe im Sinne des 2. Halbsatzes unter anderem Schwangerschaft und die Betreuung von behinderten oder aus anderen Gründen auf Hilfe angewiesenen Kindern genannt (BT-Drucks. 11/2237, Seite 159). "Aus anderen Gründen" sind typischerweise Säuglinge und Kleinkinder auf Betreuung und Hilfe angewiesen. Das BSG hat dementsprechend im Urteil vom 30.06.1993 ausgeführt, dass nach den Gesetzesmaterialien die Betreuung jüngerer oder älterer behinderter Kinder als Hinderungsgrund ausreiche (SozR 3-2500 § 5 Nr. 13 S. 43).
Der Senat hält für die Bestimmung der maximalen Dauer der Hinderungszeit die Anlehnung an § 15 Abs. 1 BErzGG für sachgerecht. Hauptzweck des Bundeserziehungsgeldgesetzes ist die Förderung und Betreuung von Kleinkindern in der für die ganze spätere Entwicklung entscheidenden ersten Lebensphase. Der Mutter bzw. dem Vater soll ermöglicht oder erleichtert werden, zugunsten des Kindes im Anschluss an den Mutterschutz ganz oder teilweise auf eine Erwerbstätigkeit zu verzichten und sich ohne Belastung durch Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis der Kindesbetreuung zu widmen (vgl. Hambüchen in: Hambüchen, BKGG/BErzGG, Einführung BErzGG Anm. 5 b; Viethen in: Zmarzlik/Zipperer/Viethen, Mutterschutzgesetz, Mutterschaftsleistungen, Bundeserziehungsgeldgesetz, 8. Aufl., § 15 BErzGG Rdnr. 2). In gleicher Weise ist es gerechtfertigt, Studierenden oder Personen, die erst die Voraussetzung für die Aufnahme eines Studiums erwerben müssen, die Möglichkeit einzuräumen ohne Nachteile ihre Ausbildung zu unterbrechen bzw. zu verzögern, um sich voll der Betreuung ihrer Kinder widmen zu können. Für die Zeitgrenze von drei Jahren spricht dabei auch, dass Kinder erst nach Vollendung des dritten Lebensjahres einen Anspruch auf einen Kindergartenplatz haben (§ 24 SGB VIII in der seit 1.1.1996 geltenden Fassung; das bis zum 31.12.1995 für den Anspruch auf einen Kindergartenplatz maßgebliche Landesrecht enthielt in NRW keinen Anspruch) bzw. dann in einen Kindergarten aufgenommen werden (vgl. die Begriffsbestimmung in § 1 Nr. 1 des Ges. über Tageseinrichtungen für Kinder – GTK vom 20.9.1991 (GV NRW, S. 380)) und erst ab diesem Zeitpunkt ihre außerhäusliche Betreuung zumindest erleichert ist. Dementsprechend sollte mit der Verlängerung des Erziehungsurlaubs auf drei Jahre auch der nahtlose Übergang zum Kindergarten sichergestellt werden (vgl. BT-Drucks.12/1125, S.7; s.a. Viethen, aaO).
Der Einwand der Beklagten, das BErzGG könne kein Maßstab für die Unzumutbarkeit eines Studiums bzw. den Besuch einer Ausbildungsstätte des zweiten Bildungsweges neben der Betreuung eines Kindes bieten, überzeugt nicht. Wenn – was wie oben dargelegt dem Willen des Gesetzgebers entspricht – auch die Betreuung eines Kleinkindes eine Verlängerung der Ausbildung rechtfertigt, ist ein sonstiger sachgerechter Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Verhinderungsdauer nicht ersichtlich. Dem Argument, eine Berufstätigkeit neben der Kindererziehung stelle eine andere Belastung dar als der Besuch eines Abendgymnasiums, ist entgegenzuhalten, dass diese Belastung ohnehin nicht objektivierbar ist und von Person zu Person subjektiv unterschiedlich empfunden wird. Im übrigen kann in diesem Zusammenhang nicht nur auf die (relativ kurzen) Unterrichtszeiten abgestellt werden, sondern es müssen auch die notwendigen Vor- und Nachbereitungsarbeiten berücksichtigt werden. Im Rahmen eines Studiums können ohnehin je nach Studienfach durch die Vorgabe von Pflichtveranstaltungen (z.B. Studienfach Medizin) einer Erwerbstätigkeit vergleichbare zeitliche Verpflichtungen bestehen, die einer Kinderbetreuung entgegenstehen. Auf der anderen Seite würde es in der Praxis kaum zu leistende Ermittlungen erfordern, wenn im Einzelfall geprüft werden müsste, ob neben der Betreuung von einem oder mehreren Kindern ein Studium bzw. Schulbesuch möglich gewesen wäre. Die Anlehnung an § 15 Abs. 1 BErzGG hat demgegenüber den Vorteil einer einfach handhabbaren Regelung für sich.
Soweit das Sozialgericht hier allerdings für die Betreuung der Kinder insgesamt sechs Jahre Hinderungszeit angenommen hat, hat es nicht berücksichtigt, dass sich die Betreuung der Kinder überschnitt und zudem zur Zeit der Geburt des ersten Kindes nur ein Anspruch auf 18 Monate Erziehungsurlaub bestand (§ 15 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. BErzGG in der damals geltenden Fassung). Im Ergebnis bleibt es allerdings dabei, dass durchgängig in der Zeit vom 1.2.1989 bis 28.02.1995 Hinderungsgründe bestanden haben, wenn in Übertragung der Maßstäbe des BErzGG 18 Monate Hinderungszeit nach der Geburt des ersten Kindes und drei Jahre nach der Geburt des zweiten Kindes zu bejahen sind. Dabei ist auch der Kollegbesuch ab Februar 1989 bis zur Geburt des ersten Kindes Hinderungszeit, auch wenn die Ausbildung wegen Kinderbetreuung abgebrochen worden ist. Da die Kinderbetreuung die Verzögerung des Erwerbs der Zugangsvoraussetzung zum Studium rechtfertigt, macht es insoweit keinen Unterschied, ob die Klägerin wegen der Kinderbetreuung den Schulbesuch nicht aufnehmen oder eine begonnene Ausbildung nicht fortsetzen konnte. Nach dem Ende der dreijährigen Betreuungszeit für das am …1992 geborene zweite Kind hat die Klägerin im August 1995 zum frühestmöglichen Zeitpunkt mit dem Besuch des Abendgymnasiums begonnen (Semesterbeginn war jeweils der 1.2. und der 1.8. jeden Jahres), so dass auch die Überbrückungszeit von März bis Juli 1995 als Hinderungszeit zählt. Das gleiche gilt für die Zeit zwischen Abitur (Januar 1997) und Studienbeginn (September 1997), da an der Fachhochschule Dortmund das Studium erst zum Wintersemester begonnen werden konnte. Es kann daher dahinstehen, ob nicht ohnehin das von der Klägerin nach ihrer Angabe absolvierte Praktikum eine Voraussetzung für das Studium war.
Die Kausalität der Hinderungsgründe für den späten Studienbeginn ist gegeben. Soweit die Beklagte meint, die Ursächlichkeit sei zu verneinen, weil die Geburt zweier Kinder vor Erwerb der Zugangsvoraussetzung zur Hochschule zeige, dass die ursprüngliche Lebensplanung einen Verzicht auf eine akademische Ausbildung beinhaltet habe, kann ihr der Senat nicht folgen. Das Argument der "Lebensplanung" ist unbehelflich. Es ist letztlich irrelevant, ob und welche "Lebensplanung" verfolgt worden ist, so lange objektiv ein Studium bzw. Schulbesuch nicht möglich waren. Ob hier die Klägerin schon vor der Geburt ihrer Kinder eine akademische Ausbildung angestrebt hat, ist angesichts der Tatsache, dass sie wegen der Betreuung der Kinder ohnehin objektiv nicht in der Lage war, diese Ausbildung aufzunehmen bzw. fortzusetzen, irrelevant. Ohnehin ist die von der Beklagten behauptete "Lebensplanung" bloße Spekulation. Die Beklagte verkennt, dass die Klägerin bereits im Februar 1989 mit dem Besuch des Kollegs begonnen, also sehr wohl zu erkennen gegeben hatte, dass sie die Zugangsvoraussetzungen für ein Studium erwerben wollte. Ferner hat sie nach dem Ende der Betreuung ihres zweiten Kindes zum frühest möglichen Termin die Ausbildung am Abendgymnasium begonnen.
Nach Abschluss ihrer Berufsausbildung hätte die Klägerin das Kolleg frühestens ab Februar 1988, also ein Jahr früher als tatsächlich geschehen besuchen können. Es kann dahinstehen, ob deswegen von einem Jahr Nicht-Hinderungszeit auszugehen ist, da die Ausbildung am Kolleg in der Regel sechs Semester dauert (§ 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über den Bildungsgang für die Abiturprüfung am Kolleg) und es daher zweifelhaft ist, ob die Klägerin selbst bei frühest möglichem Kollegbesuch bis zur Geburt des ersten Kindes ( …1990) das Abitur erlangt hätte. Auch bei Annahme einer Nicht-Hinderungszeit von einem Jahr steht diese angesichts der Tatsache, dass ab Februar 1989 durchgehend Hinderungsgründe vorgelegen haben, der Kausalität dieser Hinderungsgründe für den verspäteten Studienbeginn nicht entgegen. Ohne die Geburt der Kinder hätte die Klägerin bei einem Abschluss des Kollegs nach sechs Semestern das Abitur im Frühjahr 1992 erworben und ihr Studium zum Wintersemester 1992/93 aufnehmen können. Die Klägerin hätte damit nicht nur ihr Studium weitgehend vor dem 30. Lebensjahr absolvieren können, wegen des Hinausschiebens der Altersgrenze um die Zahl der Semester, in der sie das Kolleg besucht hatte, hätte sie auch ihr Studium – jedenfalls was die Altersgrenze betrifft – "fristgerecht" abschließen können. Diese hypothetische Betrachtung zeigt, dass entscheidend für das Überschreiten der Altersgrenze die Unterbrechung der Ausbildung durch die Geburt und die Betreuung ihrer Kinder war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, da er der Rechtsfrage, in welchem Umfang für die Betreuung von Kindern eine Hinderungszeit anzuerkennen ist, grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Erstellt am: 18.08.2003
Zuletzt verändert am: 18.08.2003