Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 03.03.2010 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin in der Zeit vom 01.01.1994 bis zum 30.06.2003 in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zum Inhaber der Beigeladenen zu 3) stand.
Die am 00.00.1959 geborene Klägerin hat ein Lehramtsstudium absolviert. Vom 01.01.1994 bis zum 30.06.2003 arbeitete sie bei der Firma L Garten- und Landschaftsbau, D (Beigeladene zu 3), die ihrem Ehemann gehört. Der Tätigkeit lag ein "Ehegatten-Arbeitsvertrag" vom 30.12.1993 zugrunde, in dem die Klägerin und ihr Ehemann vereinbarten, dass die als Arbeitnehmerin bezeichnete Klägerin kaufmännische Tätigkeiten mit einer Wochenarbeitszeit von 15 Stunden verrichtet und hierfür ein monatliches Arbeitsentgelt i.H.v. 1.200,00 DM erhält. Die Vertragsparteien regelten einen Urlaubsanspruch von 25 Werktagen sowie eine betriebliche Altersversorgung. Die Kündigung des Arbeitsvertrages sollte nach Maßgabe des Tarifvertrages für den Garten- und Landschaftsbau erfolgen. Am 17.12.1998 vereinbarten die Klägerin und ihr Ehemann im Rahmen einer "Ergänzung zum Ehegatten-Arbeitsvertrag" eine Gehaltserhöhung auf monatlich 2.000,00 DM aufgrund von geleisteter "Mehrarbeit". Das Entgelt der Klägerin wurde nach der Datenerfassungs- und – übermittlungsverordnung (DEÜV) regelmäßig gemeldet. Mit einem "Arbeitsvertrag geringfügig Beschäftigte" vom 26.06.2003 vereinbarten die Klägerin und ihr Ehemann, dass die Klägerin ab 01.07.2003 als kaufmännische Angestellte für eine Teilzeitbeschäftigung von 32 Stunden monatlich und ein Gehalt von 400,00 EUR eingestellt wird. Mit Bescheid vom 26.05.2006 stellte die Knappschaft Bahn-See (Minijobzentrale) fest, dass diese Tätigkeit kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sei. Seit dem 01.09.2004 ist die Klägerin ohne regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt für das Unternehmen tätig. Ab Februar 2007 war die Klägerin Lehramtsreferendarin, das zweite Staatsexamen hat sie nicht bestanden.
Am 30.05.2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten gestützt auf den Bescheid der Knappschaft Bahn-See, das Nichtvorliegen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses auch für die Zeit vom 01.01.1994 bis zum 30.06.2003 festzustellen und zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten. Sie fügte einen ausgefüllten "Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen" bei. Hierin gab sie an, sie sei ab 01.01.1994 als kaufmännische Leiterin des Betriebes an fünf bis sechs Tagen und für 45 Stunden wöchentlich tätig gewesen. Ihre Arbeitszeit habe sie nach Belieben einteilen können, bis 30.06.2003 habe sie ein regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt bis 1.100,00 EUR, ab 01.07.2003 bis 400,00 EUR erhalten. Seit 01.09.2004 erhalte sie kein Gehalt mehr. Die Tätigkeit sei nicht aufgrund einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung ausgeübt worden, sie sei in den Betrieb nicht wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert worden. Ohne ihre Mitarbeit hätte keine andere Arbeitskraft eingestellt werden müssen, sie habe nicht den Weisungen des Betriebsinhabers unterlegen und ihre Tätigkeit frei bestimmen und gestalten können. Ihre Mitarbeit sei durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt gewesen. Das Arbeitsentgelt habe unterhalb des tariflichen bzw. ortsüblichen Lohns gelegen und sei nicht regelmäßig, sondern konjunkturell bedingt ausgezahlt worden. Sie sei zwar nicht an dem Betrieb beteiligt gewesen, habe jedoch "Einlagen" i.H.v. ca. 40.000,00 EUR geleistet. Die Klägerin fügte Vereinbarungen über Darlehensgewährungen an sie bei, deren Valutierung unmittelbar auf das Konto des Ehemannes erfolgen sollte. Lohnsteuer sei von ihrem Gehalt nicht gezahlt worden, zum Beleg legte sie eine Lohnabrechnung für Mai 2000 vor.
Mit Bescheid vom 12.10.2006 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin in der Zeit vom 01.01.1994 bis 30.06.2003 versicherungspflichtig zu allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung gewesen sei. Die Klägerin sei aufgrund eines rechtsgültigen Arbeitsvertrages beschäftigt und an der Firma ihres Ehemannes nicht beteiligt gewesen. Die Tatsache, dass sie keine Lohnsteuer entrichtet hat, habe allein an der Steuerprogression gelegen.
Im Widerspruchsverfahren trug die Klägerin vor, der Arbeitsvertrag habe keine Bedeutung gehabt und sei nicht gelebt worden. Sie habe ein Unternehmerrisiko getragen, da sie regelmäßig Privateinlagen in die Firma geleistet habe, die sich auf einen Gesamtbetrag von ca. 40.000,00 EUR summiert hätten. Schließlich habe sie gleichberechtigt mit ihrem Ehemann in familiärer Verbundenheit das Unternehmen geführt. Ihr habe die kaufmännische Leitung des Unternehmens oblegen, während ihr Ehemann für den technischen Bereich zuständig gewesen sei. Die Firmengründung sei im Einverständnis und mit voller Unterstützung der Klägerin erfolgt. Die Klägerin sei zuständig gewesen für die Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern. Auch habe sie Vertretungsbefugnis gehabt. Das gezahlte Arbeitsentgelt habe in krassem Missverhältnis zur geleisteten Arbeitszeit gestanden, was nicht arbeitnehmertypisch sei. Die Tatsache, dass das Arbeitsentgelt als Betriebsausgabe gebucht worden sei und dass grundsätzlich Lohnsteuer hätte abgeführt werden müssen, spreche nicht für ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältniss, denn nach der Rechtsprechung des BSG sei die steuerrechtliche Behandlung für die sozialversicherungsrechtliche Bewertung nicht relevant.
Mit Bescheid vom 10.01.2007 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Nach der Rechtsprechung des BSG liege auch in den Fällen, in denen nur eine geringe Weisungsgebundenheit besteht und kein Unternehmerrisiko vorhanden ist, ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vor. Dies gelte selbst dann, wenn ein Weisungsrecht des Betriebsinhabers tatsächlich nicht ausgeübt wird. Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses stehe nicht entgegen, dass die Abhängigkeit unter Familienangehörigen im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt sei. Beschäftigungsverhältnisse zwischen Familienangehörigen seien sozialversicherungsrechtlich anzuerkennen, wenn sie ernsthaft, klar und eindeutig vereinbart seien und auch tatsächlich vollzogen würden. Die Klägerin habe kein Unternehmerrisiko getragen, die geleisteten Privateinlagen änderten hieran nichts, zumal die vorgelegten Darlehensverträge erst nach Ablauf des streitbefangenen Zeitraums abgeschlossen worden seien. Die Klägerin habe ein ortsübliches Gehalt bezogen, das nach seiner Höhe und seinem Verhältnis zu Art und Umfang der Tätigkeit trotz gewisser Zugeständnisse wegen der familiären Beziehungen einen Gegenwert für die geleistete Arbeit dargestellt habe. Deshalb scheide auch eine Bewertung der Tätigkeit als familienhafte Mithilfe im Unternehmen des Ehemannes aus. Für eine Entscheidung über die Erstattung der Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung wäre im Übrigen nicht die Beklagte, sondern die Deutsche Rentenversicherung Bund bzw. die Bundesagentur für Arbeit zuständig.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 01.02.2007 erhobene Klage. Die Beteiligten haben ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 12.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2007 aufzuheben und festzustellen, dass sie in der Zeit vom 01.01.1994 bis 30.06.2003 nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis bei dem Beigeladenen zu 3) gestanden hat.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat die Aufzeichnungen der Deutschen Rentenversicherung Bund über bei der Beigeladenen zu 3) durchgeführte Betriebsprüfungen einschließlich eines Bescheides über die Nachforderung von Arbeitslosenversicherungsbeiträgen für die Klägerin für die Zeit vom 01.04.1997 bis zum 31.12.1999 i.H.v. 3.253,78 DM beigezogen.
Mit Urteil vom 03.03.2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe zutreffend festgestellt, dass die Klägerin in der Zeit vom 01.01.1994 bis 30.06.2003 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Aus dem Arbeitsvertrag ergebe sich, dass die Klägerin im Betrieb ihres Ehemannes als Beschäftigte habe tätig sein sollen. Nach den Entgeltmeldungen aufgrund der DEÜV habe sie ein regelmäßiges Festgehalt erhalten, das unabhängig von der Ertragslage des Unternehmens gewesen sei. Sie habe kein unverhältnismäßig geringes Arbeitsentgelt erhalten und sei an dem Betrieb nicht finanziell beteiligt gewesen. Die Klägerin habe auch keine berufliche Qualifikation besessen, aufgrund derer sie eine so starke Stellung in dem Unternehmen ihres Ehemannes gehabt habe, dass sie habe schalten und walten können, wie sie wollte. Die berufliche Qualifikation für die Führung eines Gartenbauunternehmens habe allein der Ehemann der Klägerin besessen, der ein Gartenbaustudium durchlaufen habe.
Gegen diese am 10.03.2010 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 16.03.2010 erhobene Berufung der Klägerin. Die Klägerin meint, aus dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse ergebe sich, dass sie nicht abhängig beschäftigt gewesen sei. Der Arbeitsvertrag sei nicht umgesetzt worden. Sie habe angesichts ihrer geleisteten Stundenzahl kein angemessenes Gehalt erhalten. Weil es sich um ein Familienunternehmen gehandelt habe und sie das Unternehmen finanziell gestützt habe, habe sie ein Unternehmerrisiko getragen.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 03.03.2010 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2007 zu verurteilen festzustellen, dass sie in der Zeit vom 01.01.1994 bis 30.06.2003 nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis bei der Beigeladenen zu 3) gestanden hat.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist ergänzend auf das Urteil des Bayrischen Landessozialgerichts vom 23.04.2009 – L 4 KR 118/07, in dem ausgeführt werde, dass ein jahrelang mit Billigung der Beteiligten bestehendes Versicherungsverhältnis grundsätzlich nicht rückwirkend geändert werden solle.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt, die Beigeladene zu 3) hat sich den Ausführungen der Klägerin angeschlossen.
Der Senat hat den Ehemann der Klägerin, Herrn G L, als Zeugen vernommen. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Terminsprotokoll vom 18.02.2011 verwiesen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte hat zutreffend abgelehnt, die Feststellung zu treffen, dass die Klägerin in der Zeit vom 01.01.1994 bis 30.06.2003 nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand. Die Klägerin hat keinen entsprechenden Feststellungsanspruch.
Die Beklagte ist – obwohl es der Klägerin letztlich um die Erstattung der Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung geht – für die begehrte Feststellung zuständig, denn gem. § 28 h Abs. 2 Satz 1 SGB IV entscheidet die Beklagte als Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung; sie erlässt auch den Widerspruchsbescheid. Die Einzugsstelle wird damit als öffentlich-rechtliche Treuhänderin tätig, die im Außenverhältnis für Entscheidungen betreffend die Versicherungspflicht primär zuständig ist (vgl. nur LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.04.2011 – L 11 KR 3422/10; Seewald in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 28 h, SGB IV, Rdn. 2, 8).
Voraussetzung für die Bejahung der Versicherungspflicht ist in allen Zweigen der Sozialversicherung das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses (§ 24 Abs. 1, 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III, § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI). Beschäftigung ist nach der Legaldefinition des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Danach ist Arbeitnehmer, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Die persönliche Abhängigkeit stellt das wesentliche Merkmal des Beschäftigungsverhältnisses dar. Persönliche Abhängigkeit bedeutet Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV), insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung. Kennzeichnend für eine selbständige Tätigkeit sind demgegenüber das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die Möglichkeit, frei über Arbeitsort und Arbeitszeit zu bestimmen. In Zweifelsfällen kommt es darauf an, welche Merkmale überwiegen. Dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, wobei die vertragliche Ausgestaltung im Vordergrund steht, die allerdings zurücktritt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend davon abweichen (vgl. nur BSG, Urteil vom 14.12.1999 – B 2 U 48/98 R m.w.N.). Deshalb kann eine an sich bestehende rechtliche Abhängigkeit durch die tatsächlichen Verhältnisse so überlagert sein, dass eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ausscheidet (BSG, Urteil vom 17.05.2001 – B 12 KR 34/00 R), andererseits ist die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich, solange die Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist, die Rechtsmacht also noch besteht, selbst wenn von dieser tatsächlich kein Gebrauch gemacht wird (BSG, Urteil vom 08.08.1990 – 11 RAr 77/89). Bei der rückwirkenden Betrachtung eines Versicherungsverhältnisses ist zudem zu berücksichtigen, dass eine in die Vergangenheit zielende Umwandlung eines jahrelang mit Billigung der Beteiligten bestehenden Versicherungsverhältnisses grundsätzlich nur unter engen Voraussetzungen und bei eindeutiger Fehleinschätzung vorzunehmen ist (so zutreffend bereits Bayerisches LSG, Urteil vom 23.04.2009 – L 4 KR 118/07).
Nach diesen Kriterien richtet sich auch, ob die Tätigkeit im Unternehmen eines Ehegatten oder engen Verwandten ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis darstellt. Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht dabei grundsätzlich nicht entgegen, dass die Abhängigkeit unter engen Verwandten oder Eheleuten im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt ist und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise nur mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (BSG, Urteil vom 21.04.1993 – SozR 3-4100, § 168 Nr. 11). Auch die Ausübung leitender Tätigkeiten in einem Familienunternehmen steht der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses nicht entgegen. Selbst wer Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt, kann als leitender Angestellter bei einem Dritten persönlich abhängig beschäftigt sein (BSG, Urteil vom 06.03.2003 – B 11 AL 25/02 R).
Auch die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nicht versicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu ziehen. Es ist eine Würdigung erforderlich, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den Angehörigen ernsthaft und eindeutig gewollt, entsprechend vereinbart und in der Wirklichkeit auch vollzogen wurde (BSG, Urteil vom 17.12.2002 – B 7 AL 34/02 R).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat es bei der Bejahung der Versicherungspflicht der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum zu verbleiben. Die Parteien des Arbeitsvertrages haben vor Beginn der Tätigkeit der Klägerin in rechtlich eindeutiger und einer anderweitigen Auslegung nicht zugänglicher Weise vereinbart, dass die Klägerin als Arbeitnehmerin ihres Ehemannes in einem regulären Arbeitsverhältnis tätig werden soll. Der "Ehegatten-Arbeitsvertrag" enthält mit der Vereinbarung einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit, eines monatlichen Arbeitsentgeltes – das, wie die DEÜV-Meldungen zeigen, auch regelmäßig gezahlt wurde -, der Vereinbarung eines Urlaubsanspruchs und der Regelung von Kündigungsmöglichkeiten im Rahmen des fachlich geltenden Tarifvertrages in jeder Hinsicht arbeitnehmertypische Vereinbarungen. Die Beteiligten haben diese Rechtsstellung gewollt und mit der Vertragsergänzung vom 17.12.1998, durch die der Bruttolohn aufgrund von Mehrarbeit erhöht wurde, noch einmal bestätigt. Der übereinstimmende Wille der Beteiligten, die Tätigkeit der Klägerin als Arbeitnehmertätigkeit zu behandeln, wird auch dadurch besonders deutlich, dass der Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund, mit dem ausdrücklich aufgrund der Bejahung eines Beschäftigungsverhältnisses für die Klägerin Beiträge zur Arbeitslosenversicherung nachgefordert wurden, nicht angefochten wurde, sondern von der Klägerin und ihrem Ehemann offensichtlich als rechtmäßig betrachtet wurde.
Bei Abwägung der für und gegen eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände ist weiterhin zu berücksichtigen, dass die Klägerin ein regelmäßiges Gehalt erhalten hat. Der Höhe des Entgelts kommt lediglich Indizwirkung zu. Es gilt nicht der Rechtssatz, dass eine untertarifliche oder eine erheblich untertarifliche Bezahlung des Ehegatten die Annahme eines beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausschließt (BSG, Urteil vom 12.09.1996 – 7 RAR 120/95; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 01.07.2010 – L 5 KR 50/09).
Für die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses spricht, dass allein der Ehemann der Klägerin als Ingenieur Träger des eigentlichen für das Unternehmen erforderlichen Fachwissens war. Der Umstand, dass der Ehemann vorgetragen hat, seine Frau habe kaufmännische Kenntnisse, die seine Kenntnisse in diesem Bereich erheblich überstiegen und er ohne das kaufmännische Wissen seiner Ehefrau sich nicht in der Lage gesehen habe, das Unternehmen erfolgreich zu führen, ändert an der Bewertung nichts: Es ist keinesfalls untypisch, dass kaufmännische Spezialisten als – ggf. leitende – Angestellte in einem Unternehmen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind.
Der Umstand, dass die Klägerin möglicherweise länger gearbeitet hat, als vertraglich vereinbart und sie den kaufmännischen Bereich eigenverantwortlich ohne Weisungen ihres Ehemannes geleitet hat, ist nicht geeignet, eine andere Entscheidung herbeizuführen. Besonderes Engagement und überobligatorischer Arbeitseinsatz sowie zurückhaltende Weisungen sind unter Familienangehörigen typisch und stehen als typische Begleiterscheinungen der Bejahung eines Beschäftigungsverhältnisses zum Ehepartner nicht entgegen. Ansonsten würde die Entscheidung des Gesetzgebers, Ehegatten-Arbeitsverhältnisse zuzulassen, faktisch unterlaufen. Derartige Umstände bei Ehepartnern und engen Verwandten sind nämlich so gut wie immer anzutreffen (in diesem Sinne auch Bayerisches LSG, Urteil vom 23.04.2009 – L 4 KR 118/07; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 01.07.2010 – L 5 KR 50/09).
Gegen die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses spricht nicht, dass verschiedene Verwandte der Klägerin – wie sie behauptet – Geldbeträge als Darlehen überlassen haben und diese in die Firma investiert worden sind. Abgesehen davon, dass alle zum Beleg dieser Behauptung vorgelegten Vereinbarungen außerhalb des streitbefangenen Zeitraums datieren, führt der Umstand, dass ein Familienangehöriger, der naturgemäß am wirtschaftlichen Bestand des Unternehmens stark interessiert ist, sich in besonderem Maße finanziell für das Unternehmen engagiert, nicht dazu, dass die Arbeitnehmereigenschaft entfällt (so auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 07.07.2009 – L 5 KR 184/08; SG Neuruppin, Urteil vom 06.10.2010 – S 25 KR 73/06). Wenn eine selbständige Stellung der Klägerin gewollt gewesen wäre, hätte eine Beteiligung am Anlage- oder Umlaufvermögen des Unternehmens nahegelegen. Ihre rechtliche Position glich demgegenüber eher der eines externen Geldgebers, der keinen weiteren Einfluss auf die Firmengeschicke nehmen kann (ebenso Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 01.07.2010 – L 5 KR 50/09).
Die für die rückwirkende Änderung eines jahrelang mit Billigung der Beteiligten bestehenden Versicherungsverhältnisses erforderlichen engen und eindeutigen Voraussetzungen liegen damit nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Erstellt am: 30.08.2011
Zuletzt verändert am: 30.08.2011