Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts (SG) Duisburg vom 14. Februar 2001 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin mit einem Cochlea-Implantat (CI) zu versorgen.
Die Klägerin ist am …1970 geboren. Das Amtsgericht (AG) K … hat ihre Mutter 1995 für sämtliche Angelegenheiten zu ihrer Betreuerin bestellt. Die Klägerin leidet, vermutlich seit ihrer Geburt, beidseitig an einer an Taubheit grenzenden Hypakusis. Sie ist im Produktionsbereich der Werkstatt für Behinderte des Kreises K … "Haus F …" beschäftigt und aufgrund dieser Beschäftigung Mitglied der beklagten Kasse.
Im September 1993 wandten sich die Eltern der Klägerin unter Vorlage eines Schreibens des mittlerweile verstorbenen HNO-Arztes Prof. Dr. B … aus D … vom 27.7.1993 an die AOK Duisburg und trugen vor: sie seien 1984 aus der DDR in die Bundesrepublik übersiedelt; ihre gehörlose Tochter sei in der DDR über Jahre fälschlich in ungeeigneten Einrichtungen für Gehörgeschädigte untergebracht und behandelt worden; dadurch sei es mehr und mehr zu einem Entwicklungsrückstand gekommen; ab Mai 1984 habe ihre Tochter in E … erst die Vorschule, dann die Grundschule für Gehörlose besucht, habe diese aber 1988, weil zu alt, nach der vierten Klasse verlassen müssen; seit September 1989 sei sie in der Behindertenwerkstatt in G …; Prof. Dr. B … empfehle eine Innenohrprothese. Prof. Dr. B … hatte die Klägerin am 22.7.1973 untersucht und dazu mitgeteilt: er halte die Versorgung mit einem CI für angezeigt; er habe die Eltern aber darauf hingewiesen, daß aufgrund des geistigen Zustandes der Klägerin nur ein mittelgradiger Erfolg zu erwarten sei, d.h. Wahrnehmung der Hintergrundgeräusche und Erleichterung der Kommunikation ohne deutliche Verbesserung der Aussprache.
Die Beklagte lehnte die beantragte Versorgung nach Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) ab (formloser Bescheid vom 15.3.1994 und den Widerspruch der Klägerin in der Sache zurückweisender Widerspruchsbe scheid vom 6.2.1995). Der HNO-Arzt Dr. U … vom MDK hatte mit Datum des 2.12.1993 und des 17.11.1994 befunden: nach dem audiologischen Befund von Prof. Dr. B … lägen die physiologischen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Implantation eines CI vor; man müsse davon ausgehen, daß eine ausreichende Zahl von Hörnervenfasern intakt seien, und daß Umweltgeräusche mit einem Hörgerät nicht wahrgenommen werden könnten; es habe sich jedoch gezeigt, daß bei prälingual Ertaubten ein relevanter Rehabilitationserfolg nach CI nur bis zu einem gewissen Alter erzielt werden könne; Untersuchungen … (wird ausgeführt) hätten ergeben, daß spätestens zum Zeitpunkt der Pubertät von einer erfolgreichen Rehabilitation nicht mehr ausgegangen werden könne; signifikante Verbesserungen der Kommunikationsfähigkeit im Sinne eines Sprachverständnisses könnten nicht mehr erwartet werden; hier seien allenfalls Ergebnisse zu erzielen, daß Umweltgeräusche wie Autolärm oder Musik grob differenziert werden könnten; dafür sei der finanzielle Aufwand als zu aufwendig anzusehen; bezüglich der potentiell zu erreichenden Wahrnehmbarkeit von Umweltgeräuschen sei zu sagen, daß unter Umständen mit gezieltem Wahrnehmungstraining erreicht werden könne, daß die Klägerin diverse Geräusche wahrnehmen und unter Umständen sogar differenzieren könne; es habe sich aber gezeigt, daß das allein keinen wesentlichen Behinderungsausgleich mit sich bringe; erst wenn weitere Differenzierungsfähigkeit erzielt werden könne, die darauf abziele, prosodische Sprachmerkmale, Silbenanzahl und Klangfarbe verschiedener Vokale zu erkennen, sei eine Verbesserung der Kommunikationseigenschaften möglich.
Die Klägerin hat am 6.3.1995 Klage erhoben und durch ihren Bevollmächtigten vorgetragen, der Mangel an Kontinuität der Ausbildung und Förderung in der DDR habe zwingend zu psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin geführt und dazu, daß sie keine schulische Ausbildung besitze und als Analphabetin einzustufen sei; bei ihrer Arbeit in der Behindertenwerkstatt schlössen die übrigen Behinderten, die Sprachfähigkeit besäßen, die Klägerin mangels Kommunikationsmöglichkeit aus; es gebe aber keine Rechtsgrundlage dafür, die Versorgung davon abhängig zu machen, daß die Kommunikationsmöglichkeit hergestellt werde; ausreichend sei, daß die Lebensqualität im übrigen verbessert werde.
Die Beklagte hat entgegnet, Voraussetzung für eine erfolgversprechende Rehabilitation mit dem CI sei eine mindestens durchschnittliche Intelligenz des Patienten; anderenfalls sei eine richtige Handhabung des Sprachdecoders und des Sprachprozessors nicht gewährleistet; hier sei die Frage aufzuwerfen, ob die Klägerin über hinreichende Intelligenz verfüge.
Das SG hat Beweis erhoben:
Prof. Dr. B … hat auf Anfrage des SG mit Schreiben vom 24.5.1995 erklärt: normale Kommunikationsmöglichkeit könne durch das CI bei prälingual Ertaubten nicht mehr erzielt werden, wohl aber könne die Lebensqualität dadurch verbessert werden, daß akustischer Kontakt zur Umwelt hergestellt werde – Wahrnehmung vom Geräuschen wie Autohupen und Rhythmus der Sprache; mit Hilfe des CI könne die Klägerin herausgenommen werden aus der völligen Stille; durch Erkennung der suprasegmentalen Merkmale der Sprache könne der zwischenmenschliche Kontakt erleichtert werden; er halte die Versorgung mit einem CI nach wie vor für angezeigt, obwohl selbstverständlich nicht zu erwarten sei, daß ein Spracherwerb erzielt werden könne.
Der HNO-Arzt G … aus G … hat mit Schreiben vom 12.8.1995 (nebst Audiogramm vom 22.2.1990, bakteriologischem Bericht vom 8.5.1990 und Arztbrief der HNO-Klinik des Universitätsklinikums E … vom 10.4.1989) über die Behandlung der Klägerin von 1989 bis 1993 und darüber berichtet, daß er keine nennenswerte Erfahrung mit Cochlea-Implantaten habe.
Prof. Dr. St …, Direktor der HNO-Klinik der Universität M … und zuvor kommissarischer Direktor der HNO-Klinik des Universitätsklinikums in E …, hat in seinem auf Veranlassung des SG erstellten Gutachten vom 23.4.1996 – nach stationärer Untersuchung der Klägerin am 15. u 16.4.1996 – ausgeführt: obwohl nach Angaben der Mutter keine sprachliche Förderung erfolgt sei, spreche die Klägerin dennoch ca. 15 Worte (Mann, Frau, Bube, Mädchen, Mama, kauft etc.); im wesentlichen kommuniziere sie aber mit der Gebärdensprache; nach Auskunft der Mutter verfolge sie Radio und Fernsehen mit dem Kopfhörer und höre besonders gern die Musik von Michael Jackson; sie habe auch Lieblingslieder, die sie erkennen könne; die Mutter erstrebe die CI-Behandlung, weil die Tochter dann in der Werkstatt mit höher qualifizierten Arbeiten befaßt werden könne, etwa an Maschinen; die Klägerin leide an praktischer Ertaubung bds.; es sei lediglich ein geringes Resthörvermögen vorhanden, das aber funktionell nicht zum Spracherwerb ausreiche; gehe man davon aus, daß akustische Wahrnehmungen erlebt und auch erkannt werden könnten (siehe auch die Vorliebe für Musik), dann wäre der nächste Schritt, erst einmal "Superpower-Hörgeräte" einzusetzen, die idR 6 Monate ausprobiert würden; iü stimme er Prof. Dr. B … zu, daß ein wesentlicher Spracherwerb nicht zu erzielen sei, daß sich aber nicht ausschließen lasse, daß die Orientierung in der Umwelt erleichtert werde; es müsse davon ausgegangen werden, daß die Klägerin sich mit Hilfe von Kopfhörern musikalisch orientieren und erfreuen könne; dieses Phänomen reiche aus, davon auszugehen, daß eine Erleichterung in der Erkennung von Umweltgeräuschen möglich sein dürfe; es könne nicht abgestritten werden, daß das Erkennen von Umweltgeräuschen die Lebensqualität wesentlich verbessern dürfte; sofern man diese Ansicht vertrete, müsse man auch die CI befürworten; diese empfehle er für die Klägerin, falls die Superpower-Hörgeräte nicht den gewünschten Erfolg brächten.
Am 19.7.1996 ist die Klägerin zu Lasten der Beklagten mit Superpower-Hörgeräten versorgt worden. Von 1997 bis Ende 2001/Anfang 2002 hat sie logopädischen Sprachunterricht bei einer Sprachtherapeutin in K … bekommen. Im März 1997 hat ihr Bevollmächtigter Berichte über das Ergebnis der Versorgung vorgelegt (Berichte der HNO-Klinik der Städtischen-Krankenhäuser-K …-GmbH vom 28.2.1997 und einer Hörgeräteakustikerin vom 20.1.1997).
Prof. Dr. St … hat sein Gutachten auf Veranlassung des SG ergänzt und nach erneuter Untersuchung der Kläger am 13.6.1997 mit Datum des 3.7.1997 erklärt: nach dem Scheitern des Versuchs mit den Superpower-Hörgeräten bleibe er bei seiner Empfehlung, die Klägerin mit einem CI zu versorgen.
Die Beklagte hat dem mit einer Stellungnahme von Dr. U … vom 12.8.1997 entgegengehalten: im Gutachten vom 3.7.1997 führe Prof. Dr. St … aus, die Versicherte könne grobe Geräusche wie Flugzeuglärm oder Radio wahrnehmen, diese jedoch nicht differenzieren; da die Versicherte aber bereits jetzt mit den Superpower-Hörgeräten grobe Geräusche wie Flugzeuglärm oder Radio wahrnehmen (wenn auch nicht differenzieren) könne, dürfte ein zusätzlicher Behinderungsausgleich durch ein CI nur die zusätzliche Differenzierung von einigen Umweltgeräuschen im Idealfall einbringen; das sei unter Berücksichtigung des § 12 des Sozialgesetzbuches (SGB) V zu gering.
Dazu hat Prof. Dr. St … in seiner weiteren, vom SG herbeigeführten Äußerung vom 23.10.1997 vermerkt: es sei aber absolut unmöglich, nach gelungener Operation den verbesserten Lebenskomfort für die Klägerin in irgendeiner Summe aufzuwiegen; das Gericht werde entscheiden müssen, ob die realistischen Kosten in Höhe von 80.000.- DM zu rechtfertigen seien; da es sich aber offensichtlich um eine Grundssatzentscheidung handle, sei er sehr damit einverstanden, daß, wie von Dr. U … vorgeschlagen, ein weiteres GA eingeholt werde.
Prof. Dr. W … und Dr. E … von der HNO-Klinik der RWTH A … sind in ihrem alsdann auf Veranlassung des SG eingeholten Gutachten vom 7.9.1999 nach Untersuchung der Klägerin am 22.7. und 3.11.1998 zu dem Ergebnis gelangt: die Klägerin beherrsche das Fingeralphabet; seit zwei Jahren trage sie wieder Hörgeräte; auf Geräuschebene und auf der Ebene der suprasegmentalen Sprachmerkmale könne die Klägerin derzeit mit Hörgeräten zu 50 % Geräusche am Computer identifizieren sowie zu 70 % Geräusche als gleich oder verschieden klingend diskriminieren; aufgrund der eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten (zB fehlender Zahlenvorstellung) sei ihr das Erkennen der Silbenzahl nur zu 25 % möglich; aufgrund der beschriebenen Ergebnisse sei von pädagogischer Seite zu einer Versorgung mit dem CI nicht zu raten; der Klägerin habe über 20 Jahre keine Hörerfahrungen gehabt und es bestehe der wissenschaftlich begründete Konsens, daß Implantationen bei prälingual Ertaubten zu einem späteren Zeitpunkt nur in begründeten Ausnahmefällen durchzuführen seien; eine medizinische Indikation sei bei der Klägerin daher jetzt nicht mehr gegeben; im Gegensatz zum Vorgutachten sei man der Meinung, daß eine CI Versorgung nicht zu einer Verbesserung der durch die beidseits getragenen Hörgeräte wahrgenommenen Umweltgeräusche führe; unter Umständen würde die Klägerin noch weniger Geräusche oder aber Geräusche unangenehm wahrnehmen.
Nach Einzahlung eines Kostenvorschusses durch die Klägerseite hat das SG gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von dem als Arzt des Vertrauens der Klägerin benannten Facharzt für physikalische Therapie Dr. Z …, Chefarzt der Abteilung für Hörgeschädigte und Tinnitus-Betroffene der B …-Klinik B … B … Dieser hat die Klägerin vom 18. bis zum 20.7.2000 untersucht und in seinem Gutachten vom 25.9.2000 ausgeführt: die Klägerin erkenne zu 60 – 70 % die ihr dargebotenen Geräusche, hauptsächlich Tierlaute; sie könne auch menschliche Sprache von Tierlauten differenzieren; es sei wahrscheinlich, daß sie mit Hilfe eines CI Umweltgeräusche besser würde differenzieren, mehr als bisher würde wahrnehmen können; der Fall sei insgesamt ungewöhnlich und berühre die Grenzbereiche der Medizin im Spannungsfeld zwischen Lebensqualität, medizinischer Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit; letztlich könne die Frage der Versorgung der Klägerin nur nach ethischen Kriterien entschieden werden; generell werde bei prälingual ertaubten Erwachsenen eine CI nicht mehr empfohlen und die meisten Zentren lehnten es auch ab, eine solche durchzuführen; trotzdem seien ihm mindestens 10 Fälle von prälingual ertaubten Jugendlichen und Erwachsenen persönlich bekannt, bei denen (von verschiedenen Zentren) ein CI auch in neuester Zeit implantiert worden sei; es habe sich in allen diesen Fällen bestätigt, daß ein CI bei prälingual ertaubten, gebärdensprachlich orientierten Erwachsenen nicht zum Sprachverstehen beitrage; dagegen könne man bei denjenigen gehörlos geborenen oder im frühesten Kindesalter Ertaubten, die nicht mit der Gebärdensprache in Berührung gekommen seien und eine lautsprachliche Förderung durchlaufen hätten, erwarten, daß das Kommunikationsvermögen mit einem CI doch noch etwas verbessert werden könne, sofern eine lautsprachliche bzw. schriftsprachliche Repräsentation in den zentralen Gehirnstrukturen vorhanden sei. Das sei der Klägerin jedoch nicht der Fall; sie sei geistig behindert; sie könne zwar Neues erfassen und nachahmen bzw. auch nachsprechen; sie könne jedoch nicht z.B. auf Fragen adäquat antworten; zusammenfassend sei er, Dr. Z …, der Meinung, daß die Frage, ob bei der Klägerin eine CI-Versorgung indiziert sei, nicht über die Kostenfrage entschieden werden solle; vielmehr sollten ethische Aspekte im Vordergrund stehen, da die Lebensqualität für geistige behinderte Menschen nicht durch Kosten-Nutzen-Abwägungen quantifiziert werden könnten.
Die Klägerin hat vor dem SG beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.3.1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.2.1995 zu verurteilen, die Kosten einer Cochlea-Implantat-Versorgung zu übernehmen.
Die Beklagte hat vor dem SG beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das SG Duisburg hat die Klage mit Urteil vom 14. Februar 2001 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Versorgung mit einem Cochlea-Implantat könne bestenfalls zu einer verbesserten Wahrnehmung von Umweltgeräuschen führen, deren Eintritt Prof. Dr. W … und Dr. E … im Gegensatz zu Dr. Z … aber nicht für wahrscheinlich hielten; fehle es also bereits an einer hinreichend gesicherten medizinischen Indikation für die begehrte Versorgung, so stelle sich umso mehr die Frage nach der Kosten-Nutzen-Relation; die Kammer habe sich im Hinblick auf die vage Erfolgsaussicht nicht davon überzeugen können, daß dieses kostenaufwendige Hilfsmittel zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse für die Klägerin erforderlich sei.
Die Klägerin hat gegen das Urteil – ihren Bevollmächtigten zugestellt am 5.3.2001 – am 29.3.2001 Berufung eingelegt. Ihr Bevollmächtigter trägt vor: folge man der Auslegung des § 33 SGB V durch das SG, könnte die Kassen jedes Hilfsmittel verweigern, das die Krankheit nicht heile oder die Behinderung nicht völlig ausgleiche; überspitzt bedeute dies, daß man dem Behinderten den Rollstuhl nicht finanzieren dürfe, weil er damit ja auch nicht gehen könne; bei der Auslegung von § 12 SGB V lege das SG Wert auf die Finanzinteressen der Krankenkassen und vernachlässige die Interessen des kranken und behinderten Menschen; was Verbesserung der Lebensqualität für die Klägerin bedeute, erhelle der Satz "Hören – Zuhören – Dazugehören"; die Bewertung von Prof. Dr. W … und Dr. E …, daß eine Verbesserung der Wahrnehmungsempfin dung nicht wahrscheinlich sei, werde scharf angegriffen; Prof. Dr. W … sei offensichtlich nicht unmittelbar beteiligt gewesen und Dr. E … habe sich im Gegensatz zu Prof. Dr. St … und Z … nicht mit der Klägerin selbst beschäftigt; die Klägerin sei geistig retardiert; hierfür seien Fehldiagnosen und Fehlbehandlung verantwortlich; die Klägerin sei nicht Schuld an ihrer mangelnden Förderung in der DDR.
Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des SG Duisburg vom 14.2.2001 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.3.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.2.1995 zu verurteilen, als Sachleistung eine Cochlea-Implantat-Versorgung bei ihr zu übernehmen bzw. zu gewähren.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie meint, aus der Vielzahl der Gutachten ergebe sich, daß eine medizinische Indikation für die begehrte Versorgung nicht gegeben sei; wie sich aus Zeitablauf und -entwicklung ergebe, komme die Klägerin auch ohne das Implantat soweit zurecht, daß sie seit dem 1.8.1989 in der Behindertenwerkstatt Haus F … in K … tätig sein könne.
Die Sachverständigen Dr. E … und Dr. Z … haben ihre Gutachten vor dem Senat erläutert und ergänzt. Insoweit wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Wegen des Sachverhalts im übrigen wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze in beiden Rechtszügen verwiesen. Außer der Streitakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen: ein Band Verwaltungsakten der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Duisburg vom 14. Februar 2001 ist nicht begründet. Sie hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Versorgung mit einem CI.
Die Versorgung mit einem solchen Hilfsmittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) scheidet für prälingual Ertaubte, wie die Klägerin, nach der Pubertät nicht schlechthin, aber grundsätzlich aus, und die Beweisaufnahme durch das SG und den Senat hat ergeben, daß eine Versorgung mit einem CI auch im besonderen Einzelfall der Klägerin nicht als zweckmäßig betrachtet werden kann, um ihre Hörbehinderung auszugleichen. Zu Ungewiß ist der Erfolg einer solchen Versorgung, und ein Fehlschlag führt zu nicht wieder gut zu machenden, gravierenden Folgen.
I.
Anspruchsgrundlage für die von den Eltern gewünschte Versorgung der Klägerin mit einem CI konnte nur § 33 SGB V sein. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um eine Behinderung auszugleichen (§ 33 Abs 1 S. 1 3. Mögl. SGB V). Die Versorgung mit Hilfsmitteln unterliegt, wie die übrigen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V (im weiteren Sinne), das u.a. die Zweckmäßigkeit der Leistung fordert (§ 12 Abs 1 S. 1 SGB V). Leistungen die (im weiteren oder engeren Sinn) unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs 1 S. 2 SGB V).
Eine Behandlung entspricht nur dann dem Zweckmäßigkeitserfordernis des § 12 Abs 1 SGB V, wenn das bestehende Krankheitsbild nach dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand die begründete Vermutung rechtfertigt, daß die vom Arzt angenommene Erkrankung vorliegt und mit der vorgeschlagenen Therapie wirksam behandelt werden kann; gibt es dafür keinen objektiven Anhaltspunkt, gebührt dem Interesse der Versichertengemeinschaft an einer Begrenzung auf die nach weisbar medizinisch notwendigen Leistungen der Vorrang vor dem Interesse des Einzelnen an einem kostenfreien Heilversuch (so das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Beschluss vom 8. März 2001 – B 1 KR 54/00 B = SozSich 2001, 435 – mit Hinweis auf das Urteil vom 6.10.1999 – B 1 KR 13/97 R = BSGE 85, 56 = SozR 3-2500 § 28 Nr 4).
Es besteht in der Wissenschaft Übereinstimmung, daß Cochlea-Implantationen bei prälingual Ertaubten zu einem späteren Zeitpunkt nur in begründeten Ausnahmefällen durchzuführen sind. Dies haben Prof. Dr. W …/Dr. E … und Dr. U … substantiiert dargelegt, das hat Dr. Z … in seinem Gutachten vom 25.9.2000 ausdrücklich bestätigt und dem hat keiner der anderen mit der Sache befaßten Ärzte widersprochen. Davon, daß hier ein solcher Ausnahmefall anzunehmen wäre, konnte sich der Senat nicht überzeugen.
II.
Was das vorhandene Hörvermögen der Klägerin anbetrifft, so ist Prof. Dr. B … (Bericht vom 24.5.1995) davon ausgegangen, daß die Klägerin – wenngleich auch nach seiner Ansicht nicht völlig taub, sondern "nur" an einer an Taubheit grenzenden Hypakusis leidend (Schreiben des Prof. Dr. B … vom 27.7.1993) – keinen akustischen Kontakt zur Umwelt habe, Geräusche wie Autohupen und den Rhythmus der Sprache nicht wahrnehmen könne und nur mit Hilfe eines Cochlea-Implantats aus der völligen Stille herausgenommen werden könne. Liest man den Bericht der HNO-Klinik der Städtischen Krankenhäuser K … GmbH vom 28.2.1997 und den der Högeräteakustikerin vom 20.1.1997, muß man den Eindruck gewinnen, an dieser völligen Stille habe auch die Nutzung der der Klägerin im Juli 1996 zur Verfügung gestellten Super-Power-Hörgeräte nichts wesentlich geändert, denn es heißt dort, die Klägerin trage die Hörgeräte regelmäßig, reagiere aber trotz intensiven Hörtrainings nicht auf Geräusche und Sprache bzw. es erfolge keine Reaktion auf Töne oder Geräusche, keine auf Signale wie Martinshorn, (am 4.11.96) keine Reaktion auf Hundegebell, Feuerwehr und Hupe. Damit übereinstimmend spricht denn auch Prof. Dr. St … in seiner ergänzenden Stellungnahme vom Scheitern des Versuchs mit den Super-Power-Hörgeräten. Allerdings wußte Prof. Dr. St … bereits in seinem Gutachten vom 23.4.1996 – also schon vor Versorgung der Klägerin mit den Supra-Power-Hörgeräten im Juli 1996 – zu berichten, die Klägerin verfolge Musik im Radio und Fernsehen mit Hilfe von Kopfhörern; sie könne ihre Lieblingslieder, insbesondere von Michael Jackson, erkennen und etwa 15 Worte sprechen (Mann, Frau, Bube, Mädchen, Mama, kauft usw.). Dies hat die Mutter der Klägerin vor dem Senat noch einmal verdeutlicht und erklärt, die Geräusche oder Umweltgeräusche könne ihre Tochter – wie dies bereits in den Gutachten beschrieben sei – auch mit einem Hörgerät nicht hören; sie könne allerdings, wenn sie einen Kopfhörer auf den Ohren – ohne Hörgerät – trage, bei größter Lautstärkeeinstellung Musik hören oder am Computer arbeiten oder aus dem Fernsehen Musik wahrnehmen; das sei ihr durchaus differenziert möglich; sie könne nicht nur einen Sänger wie Michael Jackson von anderen Sängern unterscheiden, sie sei auch in der Lage, einzelne Stücke von Michael Jackson zu unterscheiden; jedoch höre sie beispielsweise Rufen, selbst Brüllen, nicht; auch eine Autohupe könne sie nicht hören; wenn es möglich wäre, einen entsprechenden Kopfhörer zu tragen, und ein Mikrofon dabei zu haben, der genau auf die Schallquelle gerichtet wäre, z.B. auf eine Hupe oder ein Martinshorn, dann könnte sie das natürlich mitkriegen, so vermute sie, die Mutter; ihre Tochter habe im Laufe ihres Lebens trotz ihrer Behinderung kontinuierlich Entwicklungsfortschritte gemacht; sie sei beispielsweise in der Lage, Tiere zu unterscheiden, sie sei in der Lage, Zeitschriften zu betrachten und ihr bekannte Worte wiederzufinden; sie könne Comics, wie beispielsweise "Mickymaus", verfolgen; dabei sei allerdings zu betonen, daß sie die Masse der Worte nicht lesen könne, weil sie in ihrer Jugend nur vier Jahre auf die Schule gegangen sei; sie könne aber Fernsehen und sich dort an Musikdarbietungen erfreuen; an ihrem Personalcomputer könne sie ebenfalls mit Kopfhörern, ihrem Bildungsstand angepaßt, arbeiten; die ihr bekannten Worte könne sie mit Hilfe des Fingeralphabetes, also der ihr eigenen Gebärdensprache, durchaus nachvollziehen.
Das Vorhandensein eines so beschaffenen Hörvermögens haben die Sachverständigen Dr. E … und Dr. Z … durchaus bestätigt. Beide waren sich vor dem Senat durchaus einig, daß die Klägerin bei Einsatz von Superpower-Hörgeräten ihre Hörreste noch in Teilbereichen, insbesondere im Bereich der tieferen Töne verwerten kann – bis in den Bereich von 125 bis 250 Hertz, also in den Bereich der Fühlwerte hinab. Dabei kann die Klägerin – so Dr. E … vor dem Senat – bei Verstärkung durch Kopfhörer oder Hörgeräte, die ähnliche Effekte haben, bestimmte Geräusche wahrnehmen; sie ist allerdings so hochgradig hörgestört, daß selbst mit Superpower-Hörgeräten lautest gesprochen bzw. die Hörstärke auf den höchsten Bereich eingestellt werden müßte, was nach den Erfahrungen der Mutter, bestätigt von Dr. Z …, seine Grenze darin findet, daß Hörgeräte nicht beliebig verstärkbar sind, und daß die höhere Stufe ihrer Einstellung zu Pfeiftönen führt, sodaß dann selbst die ansonsten hörbaren tiefen Töne nicht mehr wahrgenommen werden können.
Einig waren sich die Sachverständigen vor dem Senat auch in der Richtigkeit der Feststellung von Dr. Z …, daß die Klägerin nicht unterscheiden kann nach Klangfarbe, Melodie, Akzent oder etwa Silbenzahl oder auch Intonation, daß sie vielmehr – etwa Hundegebell von Sprache – nach Geräuschmustern unterscheidet, wobei die Sprache unabhängig von der jeweiligen Landessprache ein bestimmtes Geräuschmuster darstellt, und wobei Dr. Z … bestätigen konnte, daß die Klägerin durchaus in der Lage ist, einzelne Musikstücke zu unterscheiden.
III.
1. Was den durch eine CI-Versorgung möglicherweise erreichbaren Zustand der Klägerin anbetrifft, so sind sich zunächst alle mit der Sache befaßten Ärzte darin einig, daß der Klägerin ein Spracherwerb nicht möglich sein kann. Mit insbesondere den Ausführungen von Dr. Z … in seinem schriftlich erstatte ten Gutachten geht der Senat ferner davon aus, daß auch eine Verbesserung der Kommunikation im übrigen im besonderen Fall der Klägerin nach einer CI-Versorgung nicht eintreten kann. Dr. E … und Dr. Z … haben sich vor dem Senat einig auch darin erklärt, daß eine verbesserte Wahrnehmungsfähigkeit bezüglich prosodischer Elemente Klangfarbe, Melodie und Akzent nicht zu erzielen ist. Soweit Dr. Z … dabei betont hat, daß im Hinblick auf die Silbenzahl durchaus ein Fortschritt erzielt werden könnte, und soweit Dr. E … dem entgegenhält, daß bei der dortigen Untersuchung bereits ein Silbenverständnis von 25 % getestet worden sei, kann dieser Umstand hier vernachlässigt werden, denn es ist nicht ersichtlich und es konnte auch nicht aufgezeigt werden, daß dies einhergehen könnte mit einer nennenswerten Verbesserung der Lebensqualität.
2. Zur Überzeugung des Senats steht es aber fest, daß die der Klägerin danach bislang gegebene geringe Fähigkeit akustischer Wahrnehmung durch die Versorgung mit einem Cochlea-Implantat durchaus gesteigert werden könnte. Sicherlich in Anbetracht von Lautstärke und Frequenz. Insoweit hat Dr. Z … vor dem Senat erklärt, bei der Klägerin sei die Umwandlungsfähigkeit im Innenohr nahezu erloschen; solange sie kein Cochlea-Implantat habe, werde sie ohne Hörgerät nur Geräusche in einer Größenordnung von 90 bis 110 dB wahrnehmen können, das bedeute: Geräusche, die an der absoluten Hörschwelle lägen; mit einem Hörgerät ohne Cochlea-Implantat würde sie bereits Geräusche von 60 bis 80 dB hören können; mit einem Cochlea-Implantat werde sie Geräusche von 20 bis 30 dB wahrnehmen können. Diesen beträchtlichen möglichen Zugewinn an Wahrnehmung der Lautstärke hat Dr. E … bestätigt und erklärt, diese Überlegungen von Dr. Z … seien sicherlich zutreffend; das Cochlea-Implantat sei jedem Hörgerät, auch dem Super-Power-Hörgerät, als Verstärker überlegen. Die Frequenz betreffend hat Dr. Z … vor dem Senat ausgeführt, wenn die Klägerin im derzeitigen Stadium ein Hörgerät oder einen Kopfhörer nutze, dann sei sie technisch in der Lage, maximal 1000 bis 1500 Hertz wahrzunehmen. Dr. E … hat zwar eingewandt, nach den dortigen Messungen sei es sogar möglich, daß sie 4000 Hertz noch hören könne, beide Sachverständigen waren sich dann aber wiederum darin einig, daß Hörgeräte an Grenzen kommen und daß es sicherlich möglich sei, mit dem Cochlea-Implantat Frequenzen von bis zu 5000 Hertz an das Ohr der Klägerin besser heranzubringen, weil das CI – so Dr. E … – jedem Hörgerät, auch dem Superpower-Hörgerät, als Verstärker überlegen ist.
IV.
Könnte es danach gelingen, wie Dr. Z … dies ausdrückt, verstärkt Hörreize an das Ohr heranzubringen, so kommt es nicht darauf an, ob diese Veränderung, wie das SG dies fordert, zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse erforderlich ist. Liegt eine körperliche Behinderung vor und kann diese durch ein Hilfsmittel ausgeglichen werden, so ist grundsätzlich die Behinderung selbst ein ausreichender medizinischer Grund für die Bereitstellung des Hilfsmittels (so BSG Urt.v. 22.7.81 3 RK 56/80 = SozR 2200 § 182 Nr 73 – "Sportbrille"). So besehen sind Hilfsmittel, die in dem Sinne unmittelbar gegen die Behinderung gerichtet sind, daß sie die gestörte Körperfunktion bessern, wie zB Prothesen, Brillen pp und auch das hier streitige Cochlea-Implantat, grds unabhängig von der Frage der Befriedigung allgemeiner Grundbedürfnisse und auch unabhängig vom Ausmaß der Besserung von der Krankenkasse zu stellen. Demgegenüber verlangt die Rechtsprechung bei Hilfsmitteln, die die ausgefallene Funktion nur ersetzen (zB Blindenhund, Rollstuhlboy pp). – um die Belastung der Kassen nicht ausufern zu lassen – über den Gesetzestext hinaus, daß diese zur Befriedigung von der Rechtsprechung entwickelter Grund- oder Elementarbedürfnisse (Bewegungsfreiheit, selbständige Körperpflege, Informationsbedürfnis pp) erforderlich sein müssen (vgl. BSG Urt.v. 8.3.90 3 RK 13/89; SozR 3-2500 § 33 Nr 7 "Rollstuhlboy" u. Nr 15 "antiallergene Kissen- und Matratzenbezüge"; Urt.v. 3.11.99 B 3 KR 3/99 R – "Mikroportanlage" – wobei man neuerlicher Rechtsprechung des 3. Senats des BSG jedoch entnehmen könnte, daß dieser nun für alle Hilfsmittel verlangt, daß diese im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt werden – vgl. Urt. v. 16.9.99 B 3 KR 13/98 R und 2/99 R sowie v. 10.10.00 B 3 KR 29/99 R = USK 2000-62; während wohl auch der 5. Senats des LSG NW – eine Schwimmprothese den ersetzenden Hilfsmitteln zuordnend – an der herkömmlichen Unterscheidung noch festzuhalten scheint).
V.
Freilich findet die Versorgung mit Hilfsmitteln durch die GKV auch bei die gestörte Funktion bessernden Mitteln ihre Grenze darin, daß dies im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Relation, weil einen "nur unwesentlichen Ausgleich" bietend, von der Versorgung ausgenommen sind (vgl. BSG aaO und in SozR 2200 § 182 b Nr 25 "Kopfschreiber für sprachbehinderte Gelähmte" u. Nr 33 "Klingelleuchte für Schwerhörige"; SozR 3-2500 § 33 Nr 4 "Bildschirmlesegerät für Blinde"; SozR 3-2500 § 33 Nr 16 "Lese-Sprechgerät für Blinde"). Insoweit hat der 3. Senat des BSG jüngst ausgeführt (Urt.v. 6.6.02 B 3 KR 68/01 R "technisch verbesserte Oberschenkelprothese"), die Kasse könne sich zur Abwendung ihrer Leistungspflicht auch nicht auf die erheblichen Mehrkosten dieser Versorgung berufen; soweit der Senat in anderem Zusammenhang ausgeführt habe, zwischen den Kosten und dem Gebrauchsvorteil des Hilfsmittels müsse eine "begründbare Relation" bestehen, werde damit keine weitere Kosten-Nutzen-Erwägung gemeint, die immer zusätzlich zum Erfordernis der umfassenden Einsetzbarkeit des Hilfsmittels bzw. (bei einer Innovation) des Gebrauchsvorteils bei einem Grundbedürfnis anzustellen wäre; sie könne allenfalls dann geboten sein, wenn der zusätzliche Gebrauchsvorteil des Hilfsmittels im Alltagsleben eher gering, die dafür anfallenden Kosten im Vergleich zu einem bisher als ausreichend angesehenen Versorgungsstandard als unverhältnismäßig hoch einzuschätzen seien.
Wären einer Versorgung der Klägerin mit einem Cochlea-Implantat die von Dr. Z … prognostizierten Erfolge beschieden, so wäre dies keinesfalls als "nur unwesentlicher Ausgleich" oder als "eher geringer Gebrauchsvorteil" des Hilfsmittels zu betrachten. Für die Klägerin, die ja nur über ein äußerst geringes Resthörvermögen verfügt, wäre eine solche objektiv geringe Verbesserung des Hörvermögens vielmehr ein ganz bedeutsamer Fortschritt, demgegenüber die Kasse die Leistung unter Hinweis auf die Kosten des Eingriffs schwerlich versagen dürfte.
VI.
Dieser Fortschritt ist aber gänzlich davon abhängig, daß die Klägerin die neuen Signale nicht nur wahrnimmt, sondern auch gewinnbringend für sich verwerten kann. D.h. es wäre zB nicht als Fortschritt zu betrachten, könnte sie zwar weitere Geräusche differenzieren, aber nicht sinnbringend verwerten – und sei es auch nur im Sinne gesteigerter Lebensfreude, eines gesteigerten Musikgenusses pp. oder auch im Sinne der Annahme von Dr. Z …, daß die Klägerin nach CI-Versorgung Freundlichkeit oder Aggressivität womöglich nicht mehr allein aufgrund der Mimik des Sprechenden werde unterscheiden müssen.
Mit Dr. Z … geht der Senat dabei durchaus davon aus, daß die nach CI-Versorgung hinzugewonnenen Signale durchaus auch die Verarbeitungszentren der Klägerin erreichen könnten und dort auch verarbeitet würden. Dr. E … hat jedoch mit Recht eingewandt, daß man bislang schon nicht weiß, was das Ergebnis solcher Verarbeitung ist, und daß sich demgemäß auch kaum beurteilen läßt, ob und welchen Zugewinn oder auch Nachteil die Klägerin durch eine CI-Versorgung erfahren würde. Zudem ist auch zwischen Dr. Z … und Dr. E … unstreitig, daß es eine längere Zeit der Anpassung und Eingewöhnung bedürfte, ehe die Klägerin überhaupt einen möglichen Nutzen würde erfahren können. Dr. E … hat insoweit vor dem Senat ausgeführt: man wisse letztlich auch gar nicht, was die Klägerin wahrnimmt, und zwar wegen ihrer geistigen Retardierung und ihrer geringen Bildung; er, der Sachverständige, sei sich nicht sicher, ob die Klägerin Hörempfindungen von 3000, 4000 oder 5000 Hertz umsetzen kann, weil sie mit diesen Geräuschen in der Vergangenheit überhaupt gar keine Erfahrungen habe machen können; für ihn sei fraglich, ob die Klägerin, die rein technisch ein Signal von 5000 Hertz werde wahrnehmen können, wenn ein Cochlea-Implantat eingesetzt sei, ob sie dieses eingehende Signal im Gehirn werde verarbeiten können; er bleibe bei seiner Auffassung, daß er zunächst bezweifle, ob die Klägerin überhaupt in Frequenzbereichen von beispielsweise 3000, 4000 oder 5000 Hertz eine zuordnenbare Geräuschwahrnehmung habe; das bedeute eine Prognoseentscheidung, ob man ein solches Gerät angesichts der eingeschränkten Erkenntnisfähigkeit der Klägerin anwenden könne und dürfe; darüber hinaus könne es auch sein, daß die Klägerin die bis lang nicht bekannten Empfindungen als Mißempfindungen wahrnehme; dies wäre entsprechend kontraproduktiv und kein sinnvoller Einsatz eines solchen Cochlea-Implantats; das Gerät könne dann zwar auf eine geringere Hörstärke oder einen geringeren Hörbereich begrenzt werden; dann werde man aber das Gerät normalerweise abschalten und überhaupt in voller Gänze nicht mehr verwenden; es sei natürlich auch möglich, das Cochlea-Implantat in seiner Funktion auf einen geringeren Frequenzbereich zu beschränken; dann aber gerate man wieder in den Bereich, der mit einem Super-Hörgerät noch erfaßt werden könnte; das bedeute eine Prognoseentscheidung, ob man ein solches Gerät angesichts der eingeschränkten Erkenntnisfähigkeit der Klägerin anwenden könne und dürfe; man habe dann nicht den Nutzen, den man an sich haben möchte; die Überlegungen von Dr. Z … seien zwar prinzipiell richtig, daß die Klägerin ein CI durch Erweiterung des Frequenzbereichs schon nutzen könne zu ihrer weiteren Freude, etwa bei der Musik, und daß darüber hinaus ihre akustische Ankopplung an die Umwelt verbessert werden können, sodaß sie auf der Straße Hundegebell auf größere Entfernung und einen herannahenden LKW nicht erst in einer Entfernung von 2 m durch sein Geräusch hören, sondern vielleicht schon in einer Entfernung von 20 m hören werde; er, Dr. E …, gebe aber zu bedenken, daß es höchst fraglich sei, ob die Klägerin mit einem diese Fähigkeit mit einem CI werde erreichen können, denn bei einer Implantation werde das Resthörvermögen, auch das heute noch vorhandene Rest-Richtungshörvermögen wegfallen; dies einfach deshalb, weil ein Eingriff am Innenohr vorgenommen wird, der das Restleistungsvermögen beseitige und es durch die Fähigkeiten des neuen Gerätes ersetzt; um aber dieses Gerät, nämlich das CI nutzen zu können, sei intensives Training nötig; wie auch bei einem spät Ertaubten müßte die Klägerin das Hören mit diesem Gerät dann völlig neu lernen und man wisse einfach nicht, ob sie sich darauf einstellen könne; es bestehe die Gefahr, daß sie, wenn sie diese Hörfähigkeit nicht erlerne, am Ende schlechter dran sei als heute.
Diese Zusammenhänge bestreitet auch Dr. Z … im Grundsatz nicht, es ist nur seine Prognose, die anders ausfällt. Schon in seinem Gutachten vom 25.9.2000 stellt Dr. Z … klar, ob diese neu gehörten Geräusche von der Klägerin auch angenommen und als angenehm empfunden würden, könne natürlich nicht vorausgesagt werden. Vor dem Senat hat er ergänzt:
Man wisse auch nicht, was die Klägerin wahrnehme, weil sie nie eine ausreichende Sprachkompetenz erlernt habe und mitteilen könne, was sie jetzt im Einzelnen höre oder nicht höre; er, Dr. Z …, meine, daß aus den Erfahrungen der Vergangenheit geschlossen werden könne, daß die Klägerin das CI auch nutzen werde und über den augenblicklichen Hörbereich hinaus auch in den neuen Hörbereichen nutzen werde; er sei nicht generell geneigt, ein Cochlea-Implantat für alle prälingual Ertaubten einzusetzen und zu empfehlen, aber bei dieser Patientin meine er, besteht eine hohe Chance, daß sie ein CI nutzen könne; sie sei, wie die Vergangenheit gezeigt habe, sehr motiviert, sehr neugierig, spielerisch veranlagt; sie habe die Hörgerätversorgung Mitte der 90-er Jahre sehr positiv aufgenommen; er, Dr. Z …, meine, daß ihr seitdem das Musikhören viel mehr Spaß mache; sie hat jedenfalls, so sei sein Eindruck, schon daran einen Gewinn gehabt und er sehe für die Zukunft bei ihr einen solchen weiteren Gewinn.
Dr. Z … schließt mithin im wesentlichen allein aus den Tatsachen, daß ihm mindestens 10 Fälle erfolgreicher CI-Versorgung prälingual Ertaubter bekannt sind, wie daraus, daß die Klägerin bisher schon etwa Musikgenuß mit Hilfe der Super-Power-Hörgeräte hat erfahren können, daß ihr auch die erneute Anpassung mutmaßlich gelingen würde. Diese These steht indes auf unsicherem Grund schon deshalb, weil die Klägerin, was Dr. Z … zunächst verkannt hat, Musikgenuß – in welcher Form auch immer – auch schon ohne die Super-Power-Hörgeräte hat erfahren können. Erst auf diesen Einwand hin hat Dr. Z … seine Aussage, wie aufgezeigt, dahingehend korrigiert, daß durch die Super-Power-Hörgeräte eben ein verbesserter Musikgenuß eingetreten sei, und was die Dr. Z … bekannten Fälle gelungener CI-Versorgung anbetrifft, so hat er nicht dargelegt, inwieweit die Voraussetzungen in der einzelnen Fällen mit den Voraussetzungen im Fall der Klägerin übereingestimmt haben, sodaß offen bleiben kann, inwieweit die Unterschiedlichkeit der einzelnen Schicksale über die Gemeinsamkeit des prälingual Ertaubtsein hinaus, überhaupt Schlüsse vom Gelingen der Versorgung in einem auf das mutmaßliche Gelingen im anderen Fall zuläßt.
Der Annahme, die bisher schon erfolgte Anpassung lasse darauf schließen, daß auch eine weitere gelinge, steht hier aber vor allem die von Dr. E … hervorgehobene Tatsache entgegen, daß die Klägerin seit Jahrzehnten schon keinerlei Hörerfahrung gehabt hat und auch nicht entsprechend gefördert worden ist, was es seiner Ansicht nach ungeachtet der Frage der intellektuellen Fähigkeiten und ihrer geistigen Retardierung wenig wahrscheinlich macht, daß ihr die Anpassung an ein Implantat gelingen könnte. Daß dieser Mangel an Hörerfahrung und Förderung ganz wesentlich der Anpassung entgegensteht, bestreitet aber auch Dr. Z … ebensowenig wie, daß die Klägerin, wäre sie auf einem Ohr erfolglos mit einem CI versorgt, der Nutzung des Resthörvermögens auf diesem Ohr – mit oder ohne Hörgerät und/oder Kopfhörer – unwiederbringlich verlustig gehen würde. Dr. Z … hat schließlich auch den Einwand von Dr. E … nicht entkräften können, auch der mit der Einfügung des Implantats notwendig verbundene Verlust des Rest-Richtungshörvermögen mache die Möglichkeit der Nutzung des Zugewinns neuer Signale fraglich.
Bei Abwägung der möglichen Vor- und Nachteile eines solchen Eingriffs kann dieser im Fall der Klägerin danach nicht mehr als zweckmäßig iS des Rechts des GKV betrachtet werden, mögen auch die Eltern geneigt sei, das Risiko eines solchen Eingriffs bei ihrer Tochter einzugehen. Mit Recht weist schließlich Dr. E … daraufhin, daß die Klägerin im Zustand ihrer Versorgung mit den Hörgeräten ja durchaus einen fröhlichen und zufriedenen Eindruck vermittelt. Davon konnte sich auch der Senat während seiner mehrstündigen Beweisaufnahme überzeugen, während der die Klägerin unablässig in Kommunikation mit ihrer Mutter stand, anscheinend ohne sich von den Vorgängen um sie herum negativ beeinflussen zu lassen. Davon hat sich auch Dr. Z … überzeugt, der schon in seinem Gutachten vom 25.9.2000 berichtet hatte, es müsse berücksichtigt werden, daß der Wunsch nach einem CI nicht von der Klägerin selbst, sondern von den Eltern komme; die Klägerin selbst habe keine Vorstellung von den Dingen; sie sei zwar an allem Neuen interessiert, es müsse jedoch klar gesagt werden, daß sie ein CI nicht vermisse und mit ihrer jetzigen Wahrnehmungswelt zufrieden sei. Der Fortbestand dieser Zufriedenheit sollte nach Ansicht des Senats bei doch großen Zweifeln am Eintritt des erwünschten Nutzens jedenfalls zu Lasten der GKV nicht aufs Spiel gesetzt werden, zumal der möglicherweise eintretende Schaden unvergleichlich durchschlagender ausfällt als der Nutzen, der bei regelmäßig nur auf einer Seite erfolgenden CI-Versorgung erhofft werden könnte. Die Ausführungen aller anderen mit der Sache befaßten Ärzte konnten demgegenüber, weil kürzer greifend als die der Drs. E … und Z …, nicht zu einem anderen Ergebnis führen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Es bestand kein Anlaß, die Revision zuzulassen, denn weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) noch weicht das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG ab und beruht auf dieser Abweichung (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
Erstellt am: 26.11.2003
Zuletzt verändert am: 26.11.2003