Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 17.02.2004 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Aufsichtsanordnung.
Die Klägerin ist eine bundesweit geöffnete Betriebskrankenkasse. Sie machte in ihrer Mitgliederzeitschrift darauf aufmerksam, dass Medikamente durch Bestellungen per Telefon, Internet oder Fax über die Apotheke 0800doc.morris in den Niederlanden zu günstigeren Preisen als in der Bundesrepublik Deutschland bezogen werden könnten. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 31.08.2001 die ihrer Aufsicht unterstehenden Krankenkassen darauf hin, dass eine Kostenerstattung für Medikamente, die aus dem Internet über den Versandhandel bezogen würden, nach der geltenden Rechtslage unzulässig sei. Im weiteren Schriftwechsel verteidigte ein Teil der Krankenkassen, darunter die Klägerin, die Zulässigkeit einer Kostenerstattung für die auf diesem Weg bezogenen Arzneimittel, da das Verbot des Versandhandels nach deutschem Recht mit EU-Recht nicht vereinbar sei. Nachdem die Klägerin auf das Beratungsschreiben vom 19.02.2002 nicht die geforderte Erklärung abgab, verpflichtete die Beklagte sie mit Bescheid vom 10.07.2002, 1. es zu unterlassen, den Bezug von apothekenpflichtigen Arzneimitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung, die im Wege des Versandhandels durch fernmündliche, schriftliche oder Bestellungen im Internet erworben werden, zu fördern sowie 2. ihren Versicherten apothekenpflichtige Arzneimittel, die über einen Versandhandel erworben wurden, weder ganz noch teilweise zu finanzieren. Ferner ordnete die Klägerin unter Ziffer 3) die sofortige Vollziehung des Bescheides an.
Die Klägerin hat am 02.08.2002 Klage in der Hauptsache erhoben und gleichzeitig die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragt. Diesen Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 02.06.2003 (L 5 B 78/02 KR ER) abgelehnt. Er ist davon ausgegangen, dass der Versandhandel mit Arzneimitteln nach deutschem Recht unzulässig sei und sich auch aus europäischem Recht nicht dessen uneingeschränkte Zulässigkeit ergebe. Vor diesem Hintergrund überwiege das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verpflichtungsanordnung.
Im Hauptsacheverfahren hat die Klägerin geltend gemacht, das Verbot des Versandhandels von Arzneimitteln verstoße gegen EG-Recht. Im Übrigen hat sie auch bezweifelt, dass das Versandhandelsverbot in der Bundesrepublik Deutschland uneingeschränkt gelte.
Während des Verfahrens ist durch das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) vom 14.11.2003 (BGBl. I, 2190) mit Wirkung vom 01.01.2004 die Rechtslage geändert worden. Das Versandhandelsverbot für Arzneimittel ist entfallen. Nunmehr ist der Versandhandel zulässig, wenn die Apotheke über die erforderliche Genehmigung verfügt. Auch der Versand von Arzneimitteln an den Endverbraucher durch eine Apotheke eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union ist zulässig, wenn die versendende Apotheke entweder nach dem deutschen Recht oder nach ihrem nationalen Recht, soweit es dem deutschen Apothekenrecht im Hinblick auf die Vorschriften zum Versandhandel entspricht, hierzu befugt ist. Die Beklagte hatte bereits mit Rundschreiben vom 18.11.2003 alle ihrer Aufsicht unterliegenden Krankenkassen auf die demnächst geltende neue Rechtslage hingewiesen und mitgeteilt, dass bei Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen die Kosten für die über den Versandhandel bezogenen Arzneimittel übernommen werden dürften.
Die Klägerin vertrat nach Inkrafttreten des GMG die Auffassung, die Verpflichtungsanordnung habe sich noch nicht erledigt, da es sich um einen Bescheid mit Dauerwirkung handele. Sie meinte insbesondere, unverändert sei eine Vollstreckung und insbesondere die Verhängung von Ordnungsmitteln für die Vergangenheit möglich, so dass der Verwaltungsakt und die Anordnung seiner sofortigen Vollziehung auch für die Vergangenheit Rechtswirkungen erzeugten. Hilfsweise hat sie die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verpflichtungsanordnung vom 10.07.2002 beantragt und das Feststellungsinteresse insbesondere mit einem möglichen Schadensersatzanspruch begründet.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 17.02.2004 die Klage als unzulässig abgewiesen. Für den Aufhebungsantrag fehle das Rechtsschutzinteresse, da sich der Verpflichtungsbescheid erledigt habe und keine Wirkung mehr entfalte. Für den Fortsetzungsfeststellungsantrag bestehe kein Feststellungsinteresse, da weder eine Wiederholungsgefahr bestehe noch ein Rehabilitationsinteresse anzuerkennen sei.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 17.04.2004 zugestellte Urteil am 22.04.2004 Berufung eingelegt. Sie hat zunächst die Auffassung vertreten, dass sich der Verpflichtungsbescheid vom 10.07.2002 nicht auf sonstige Weise erledigt habe. Es handele sich um einen Bescheid mit Dauerwirkung. Bei solchen Bescheiden führe die Änderung der Rechtslage nur in seltenen Fällen zum Wegfall des Regelungsinhaltes eines Verwaltungsaktes. Insbesondere führe allein der Wegfall der Norm, auf den sich der Verwaltungsakt stütze, nicht zur Erledigung. Nach der neuen Rechtslage sei lediglich das absolute Verbot des Versandhandels entfallen, es bestehe jetzt ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Es sei somit weiterhin möglich, dass sie über den (nicht genehmigten) Versandhandel bezogene Medikamente erstatten könne, so dass die Verpflichtungsanordnung weiterhin von Bedeutung sei. Diese habe durch die Gesetzesänderung damit nicht ihren Sinn verloren. Sie biete auch nach wie vor im Rahmen des Aufsichtsverfahrens eine Rechtsgrundlage für ihre zwangsweise Durchsetzung. Allein die Erklärung der Beklagten, aufgrund der geänderten Gesetzeslage ab dem 01.01.2004 nicht mehr an der Verfügung festzuhalten, biete wegen ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit keine Rechtssicherheit. Der Verpflichtungsbescheid sei rechtswidrig gewesen, wie sich aus dem zwischenzeitlich ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 11.12.2003 (C-322/01 "0800doc.morris") ergebe. Jedenfalls sei der Hilfsantrag zulässig. Das Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, dass in Zukunft Vollstreckungsmaßnahmen drohten, ferner beabsichtige sie, Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Insoweit meint sie, ihr sei ein Schaden dadurch entstanden, dass sie mit der Apotheke 0800doc.morris nicht auch für die Jahre 2002 und 2003 einen Arzneimittelliefervertrag habe schließen können, der ihr zusätzlich zu den gesetzlichen Rabatten eine Jahresrückvergütung in Höhe eines Teils des Jahresumsatzes eingeräumt haben würde. Ferner fordert die Klägerin die Erstattung der ihr für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstandenen Kosten und meint, es sei ein "allgemeiner Rechtsgrundsatz", dass derjenige, der vollstreckt, ohne dass sein Titel endgültigen Bestand habe, das Risiko der Vollziehung trage. Es sei nicht gerechtfertigt, dass sie die Kosten des Eilverfahrens tragen müsse, wenn ihr Anspruch letztlich in der Hauptsache begründet sei.
Nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt hatte, dass sie weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft aus dem Verpflichtungsbescheid vom 10.07.2002 vollstrecken werde, hat die Klägerin den Hauptantrag zu 1) "für erledigt" erklärt und insoweit nur noch die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verpflichtungsanordnung vom 10.07.2002 beantragt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 17.02.2004 teilweise zu ändern und festzustellen, 1. dass die Verpflichtungsanordnung vom 10.07.2002 rechtswidrig war, 2. die Beklagte zu verpflichten, die Kosten des Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat durchgängig die Auffassung vertreten, dass sich der Verpflichtungsbescheid vom 10.07.2002 mit Inkrafttreten des GMG erledigt habe. Aufgrund des Rundschreibens vom 18.11.2003 sei erkennbar gewesen, dass sie davon ausgehe, dass der Verpflichtungsbescheid ab dem 01.01.2004 obsolet werde. Sie habe den Verpflichtungsbescheid mit der bis zum 31.12.2003 geltenden Rechtslage verknüpft und diese Situation habe sich mit Inkrafttreten des GMG dergestalt geändert, dass an Bescheiden nicht mehr festgehalten werde. Von daher drohten auch keinerlei Vollstreckungsmaßnahmen mehr, da sich der Bescheid auch hinsichtlich der Anordnung des Sofortvollzugs erledigt habe und somit weder eine rechtliche Grundlage für eine Vollstreckung bestehe noch von ihrer Seite beabsichtigt sei, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Das Sozialgericht habe auch zutreffend das Fortsetzungsfeststellungsinteresse verneint. Insbesondere bestünden keine Schadensersatzansprüche, da die Voraussetzung eines Amtshaftungsanspruchs zu verneinen sei. Es fehle schon am haftungsbegründenden Tatbestand, denn eine erhebliche Anzahl von Gerichten habe die von ihr – der Beklagten – vertretene Rechtsauffassung bestätigt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen, soweit sich die Klägerin gegen den Verpflichtungsbescheid wendet (Antrag zu 1.). Soweit die Klägerin die Erstattung der ihr für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstandenen Kosten fordert (Antrag zu 2.) ist die Klage unbegründet.
Zu entscheiden ist hinsichtlich des Antrags zu 1) nur noch über die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verpflichtungsanordnung vom 10.07.2002, nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung den ursprünglich gestellten (Aufhebung des Bescheides) fallen gelassen hat. Diese Umstellung des Klageantrags ist keine Klageänderung (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 131 Rdn. 8a).
Der Feststellungsantrag zu 1) ist unzulässig. Gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts beantragt werden, wenn dieser vor der Entscheidung sich entweder durch Rücknahme oder auf sonstige Weise erledigt hat und der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Eine Erledigung i.S. dieser Vorschrift ist zwar eingetreten. Dabei kann dahinstehen, ob die Erklärung der Beklagten im Termin, aus der Verpflichtungsanordnung weder für die Vergangenheit noch die Zukunft vollstrecken zu wollen, entsprechend der Ansicht der Klägerin als Rücknahme des Bescheides (§§ 44, 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)) bzw. Aufhebung mit Wirkung vom 01.01.2004 (§ 48 Abs. 1 SGB X) zu werten ist, oder ob sich der Bescheid vom 10.07.2002 ohnehin (wofür mehr spricht) durch die zum 01.01.2004 eingetretene Rechtsänderung auf sonstige Weise (§ 39 Abs. 2 letzte Alternative SGB X) erledigt hatte. Jedenfalls entfaltete der Bescheid vom 10.07.2002 keine Rechtswirkung mehr, so dass seine Aufhebung ausschied.
Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist aber nur zulässig, wenn ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des ursprünglich angefochtenen Bescheides vorliegt. Dieses fehlt hier.
Für das Feststellungsinteresse genügt jedes durch die Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigte Interesse, das rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein kann (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 131 Rdn. 10a m.w.N.). Da die Verpflichtungsanordnung offenkundig keine diskriminierende Wirkung hatte, ergibt sich das Feststellungsinteresse nicht aus einem Rehabilitationsinteresse; allein der Umstand, dass die Klägerin ihre Rechtsauffassung bestätigt sehen möchte, genügt insoweit nicht (BVerwGE 61, 164, 166).
Ebensowenig ergibt sich das Feststellungsinteresse aus einer Wiederholungsgefahr. Diese setzt voraus, dass bei im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen in absehbarer Zeit eine gleichartige Entscheidung ergehen wird (BSGE 42, 212, 217; BVerwG NVwZ 1990, 360; NVwZ-RR 1994, 234; Meyer-Ladewig, a.a.O., Rdn. 10b). Das ist nicht der Fall, denn die Rechtslage hat sich grundlegend geändert. Nach den der Verpflichtungsanordnung zu Grunde liegenden §§ 43 Abs. 1, 73 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung war der Versandhandel mit Arzneimitteln nach deutschem Recht uneingeschränkt unzulässig und ergab sich auch nicht aus § 73 Abs. 2 Nr. 6a AMG a. F. (s. KG, Urteil vom 29.05.2001 – 5 U 10150/00; OLG Frankfurt, Urteil vom 31.05.2001 – 6 U 240/00; LG Frankfurt, Beschluss vom 10.08.2001 – 3/11 O 64/01). Umstritten war primär die Frage, ob dieses uneingeschränkte Verbot mit EG-Recht, insbesondere Art. 28 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ((EGV) in der Fassung des Vertrages von Amsterdam vom 02.10.1997) vereinbar war. Das ab 01.01.2004 geltende Recht erlaubt nun den Versandhandel mit Arzneimitteln, sofern die Apotheke über eine Genehmigung verfügt (§ 43 Abs. 1 AMG n.F. i.V.m. § 11a Apothekengesetz); der grenzüberschreitende Versandhandel aus dem EG-Ausland ist nach § 73 Abs. 1 Nr. 1a AMG n.F. zulässig, wenn die versendende Apotheke entweder nach dem deutschen Apothekengesetz oder nach ihrem nationalen Recht, soweit es dem deutschen Apothekenrecht im Hinblick auf die Vorschriften zum Versandhandel entspricht, dazu befugt ist. Nach der derzeitigen Rechtslage kann sich somit nur die Frage stellen, ob die versendende Apotheke über die erforderliche Genehmigung verfügt. Ob eine Erlaubnis nach §§ 2, 11a Apotheken-gesetz vorliegt, ist unschwer festzustellen; allenfalls beim grenzüberschreitenden Versandhandel aus dem EG-Ausland und einer Befugnis nach dem jeweiligen nationalen Recht können sich im Hinblick auf die Forderung, dass im deutschen Recht vergleichbare Sicherheitsstandards bestehen müssen, Zweifelsfragen ergeben (s. insoweit zum niederländischen Recht KG, Urteil vom 09.11.2004 – 5 U 300/01). Eine etwaige neue Verpflichtungsanordnung würde aber in jedem Fall auf einer völlig anderen tatsächlichen und rechtlichen Grundlage beruhen, so dass unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr das Feststellungsinteresse ausscheidet.
Das Feststellungsinteresse ergibt sich schließlich auch nicht aus der von der Klägerin beabsichtigten Amtshaftungsklage (§ 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), Art 34 Grundgesetz). Mit einer beabsichtigten Amtshaftungsklage kann das Feststellungsinteresse nicht begründet werden, wenn die Feststellung die Rechtsstellung des Klägers nicht verbessern kann, weil eine Amtshaftungsklage offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat (Meyer-Ladewig, a.a.O., Rdn. 10d m.w.N.). So liegt es hier. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin einen ihr durch den Bescheid entstandenen Schaden ausreichend dargetan hat. Soweit sie in diesem Zusammenhang darauf abstellt, sie habe mit der niederländischen Versandapotheke keine Rückvergütungs-vereinbarung für die Jahre 2002 und 2003 schließen können, wie sie es für das Jahr 2004 getan habe, ist darauf hinzuweisen, dass die für die Jahre 2002 und 2003 mitgeteilten Umsätze keine Aufschlüsselung zwischen nicht verschreibungspflichtigen und verschreibungspflichtigen Arzneimitteln enthalten. Das Versandhandelsverbot hinsichtlich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel hat aber der EuGH (a.a.O.) nicht beanstandet. Die Behauptung der Klägerin, da die diesbezüglichen Ausführungen des EuGH im Konjunktiv stünden, müsse jeweils geprüft werden, ob die genannten Gründe tatsächlich das Verbot rechtfertigten, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen; der EuGH hat insoweit den nationalen Gerichten keine Prüfung aufgegeben (ebenso KG, a.a.O.). Von daher war die Verpflichtungsanordnung vom 10.07.2002 zumindest hinsichtlich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel rechtmäßig, so dass der Klägerin ein Schaden nur wegen des Verbots der Abrechnung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel entstanden sein kann. Diesbezüglich erlaubt ihr Vortrag aber keine Beurteilung eines etwaigen Schadens. Nur zur Abrundung sei in diesem Zusammenhang angemerkt, dass ohnehin die mit der niederländischen Apotheke abgerechneten Gesamtumsätze deutlich machen, welche untergeordnete Bedeutung der Bezug von Arzneimitteln im Versandhandel hatte. Selbst im Jahre 2004, als die Klägerin unbehelligt diesen Bezugsweg fördern konnte, ist nur ein Gesamtumsatz in Höhe von rund 73.000 Euro erzielt worden, was im Vergleich zu den Gesamtausgaben der Klägerin für Arzneimittel ein verschwindend geringer Betrag gewesen sein dürfte. Von daher erscheint zweifelhaft, ob die von der Klägerin erzielten oder erzielbaren Einsparungen in einem angemessenen Verhältnis zu dem für die Durchsetzung dieses Bezugswegs betriebenen Aufwand stehen.
Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob überhaupt ein durch den Bescheid vom 10.07.2002 eingetretener Schaden der Klägerin nachvollziehbar ist, weil ein Amtshaftungsanspruch schon wegen fehlenden Verschuldens eines Amtsträgers der Beklagten ausscheidet. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist eine objektiv unrichtige Gesetzesauslegung oder Rechtsanwendung dann nicht vorwerfbar, wenn der Inhaber eines öffentlichen Amtes die Gesetzes- und Rechtslage unter Hinzuziehung der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft geprüft und sich danach aufgrund vernünftiger Überlegung eine Rechtsmeinung gebildet hat. Wenn die nach sorgfältiger Prüfung gewonnene Rechtsansicht des Amtsträgers als rechtlich vertretbar angesehen werden kann, kann aus einer späteren Missbilligung dieser Rechtsauffassung durch die Gerichte kein Schuldvorwurf hergeleitet werden (BGH NJW 1994, 3158, 3159; NJW 1997, 3432, 3433; NJW 2005, 748; s. auch Palandt/ Sprau, BGB, 64. Auflage, § 839 Rdn. 53). Nach diesen Grundsätzen scheidet ein Verschulden eines Amtsträgers der Beklagten aus.
Die Frage, ob das bis zum 31.12.2003 geltende Versandhandelsverbot nach § 43 Abs. 1 AMG a.F. mit EG-Recht vereinbar war, war umstritten. Die Klägerin hatte im Verwaltungsverfahren insoweit zwar ein von Prof. Dr. L für die niederländische Apotheke erstattetes Gutachten vorgelegt, in dem die Unvereinbarkeit des Verbotes mit Art. 28 EGV dargetan wurde. Auf der anderen Seite wurde aber sowohl in der Literatur (Rehmann, AMG, 2. Auflage 2003, § 43 Rdn. 1; Kloesel/Cyran, AMG, § 43 Anm. 13) als auch in der Rechtsprechung (KG, Urteil vom 29.05.2001, a.a.O.) die Auffassung vertreten, das deutsche Recht sei mit dem EG-Recht vereinbar. Eine Klärung der Rechtslage erfolgte erst durch die Entscheidung des EuGH vom 11.12.2003 (a.a.O.), wobei hinsichtlich des Versandhandelsverbots für verschreibungspflichtige Arzneimittel das deutsche Recht nicht beanstandet wurde. Die der Verpflichtungsanordnung zugrunde liegende Rechtsauffassung der Beklagten ist also jedenfalls hinsichtlich des Versandhandelsverbots für verschreibungspflichtige Arzneimittel zutreffend gewesen. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgeht, dass die Verpflichtungsanordnung vom 10.07.2002 rechtswidrig war, soweit sie auch nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel betraf, war es doch mit Blick auf die damals ungeklärte Rechtslage vertretbar, wenn die Beklagte von einem Verbot des Versandhandels ausging und mit der Verpflichtungsanordnung die Beachtung dieses Verbots durchsetzen wollte. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund des genannten Urteils des KG. Zwar kann diese Entscheidung nicht unmittelbar im Sinne der sog. "Kollegialgerichts-Richtlinie" die Beklagte entlasten. Diese besagt, dass einen Beamten in der Regel kein Verschulden trifft, wenn ein mit mehreren Berufsrichtern besetztes Kollegialgericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat (vgl. Palandt/Sprau, a.a.O.); sie gilt nur, wenn das Verhalten derjenigen Amtsträger, die die zu beurteilende Amtspflichtverletzung begangen haben, Gegenstand der kollegialgerichtlichen Billigung gewesen ist (BGH VersR 2003, 1274). Wenn aber das Versandhandelsverbot für apothekenpflichtige Arzneimittel durch ein Obergericht bestätigt und der Versand apothekenpflichtiger Arzneimittel als mit § 43 Abs. 1 AMG a.F. unvereinbar bezeichnet worden ist, kann der Beklagten kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie sich in dieser Situation dieser Rechtsauffassung angeschlossen und sie ihrer Aufsichtspraxis zugrunde gelegt hat. Von daher hat eine Amtshaftungsklage mangels Verschuldens eines Amtsträgers der Beklagten offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt ein Feststellungsinteresse zu verneinen ist.
Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten des Verfahrens nach § 86b Abs. 1 SGG besteht nicht. Die Behauptung der Klägerin, es sei ein "allgemeiner Rechtsgrundsatz", dass derjenige das Risiko der Vollziehung trage, der vollstrecke, ohne dass sein Titel endgültigen Bestand habe, trifft nicht zu. Eine gesetzliche Anspruchsgrundlage für einen solchen Erstattungsanspruch gibt es nicht. § 945 Zivilprozessordnung (ZPO) ist nur im Bereich des § 86b Abs. 2 SGG anwendbar. Auch im Verwaltungsprozessrecht ist es einhellige Meinung, dass § 945 ZPO im Rahmen des § 80 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht (analog) anwendbar ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Auflage, § 80 Rdn. 208; Schoch in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 Rdn. 409). Die Argumentation der Klägerin verkennt, dass – anders als im Zivilrecht – kraft gesetzlicher Anordnung die Behörden die Möglichkeit haben, Verfügungen auch schon vor ihrer Unanfechtbarkeit durchzusetzen. Die vorläufige Vollziehung kann im Rahmen eines rechtsförmlichen Verfahrens (§ 86b Abs. 1 SGG) überprüft werden. Wird in diesem Verfahren festgestellt, dass das öffentliche Interesse an der Vollziehung überwiegt, muss der Betreffende das hinnehmen – einschließlich der kostenrechtlichen Folgen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, insbesondere wirft der Rechtsstreit keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.
Erstellt am: 07.02.2006
Zuletzt verändert am: 07.02.2006