Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 22.02.2002 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die freiwillige Krankenversicherung der Klägerin.
Die 1966 in Taschkent/Usbekistan geborene Klägerin ist Abkömmling eines anerkannten Spätaussiedlers. Sie reiste am 15.12.1999 in die Bundesrepublik ein. Vom 16.12.1999 bis 12.06.2000 war sie aufgrund des Bezugs von Eingliederungshilfe Mitglied der Beklagten.
Die Klägerin beantragte am 09.08.2000 bei der Beklagten unter Vorlage einer Bescheinigung der Beigeladenen mit dem Inhalt, sie sei Abkömmling eines anerkannten Spätaussiedlers, den Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung. Mit Bescheid vom 14.08.2000 und Widerspruchsbescheid vom 26.09.2000 lehnte die Beklagte den Antrag ab: Die Klägerin erfülle nicht die Vorversicherungszeit und habe auch kein Beitrittsrecht nach § 10 Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz (FARG), da sie nicht anerkannte Spätaussiedlerin i.S.d. § 4 Abs. 1 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) sei.
Im Klageverfahren hat die Klägerin geltend gemacht, entgegen der Auffassung der Beklagten greife der Ausnahmetatbestand des § 10 FARG ein, da zu dem begünstigten Personenkreis auch Abkömmlinge eines Spätaussiedlers fielen.
Mit Urteil vom 22.02.2002 hat das Sozialgericht die Beklagte antragsgemäß zur Durchführung der freiwilligen Versicherung der Klägerin verurteilt. Es hat die Auffassung vertreten, § 10 FARG verweise nur pauschal auf den in den §§ 1 bis 4 BVFG genannten Personenkreis. Zu diesen zählten sowohl die in § 4 Abs. 1 BVFG genannten Spätaussiedler als auch deren in § 4 Abs. 3 BVFG erwähnten Ehegatten und Abkömmlinge. Letztere seien zwar keine Spätaussiedler, das Beitrittsrecht werde jedoch nicht von der Spätaussiedlereigenschaft abhängig gemacht.
Die Beklagte hält im Berufungsverfahren an ihrer Auffassung fest, dass nur Spätaussiedler ein Beitrittsrecht hätten. In den gesetzlichen Bestimmungen werde systematisch immer zwischen den Spätaussiedlern und ihren Ehegatten bzw. Abkömmlingen, die diesen Status nicht erwerben würden, unterschieden. Im Übrigen habe die Klägerin die Frist zum Beitritt versäumt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 22.02.2002 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die in der mündlichen Verhandlung nicht anwesende Klägerin hat schriftlich keinen Antrag gestellt. Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie verteidigt das angefochtene Urteil und meint, § 10 FARG verweise ohne Einschränkungen auf die in § 4 BVFG genannten Personen. Somit seien die Abkömmlinge von Spätaussiedlern mit erfasst. Was die Fristversäumnis anbelange, habe während der Zeit der Eingliederungshilfe und des Bestehens einer Pflichtversicherung keine Notwendigkeit bestanden, die freiwillige Versicherung zu beantragen. Bestehe man auf der Einhaltung der Antragsfrist, laufe das Beitrittsrecht nach § 10 FARG aufgrund der regelmäßig bestehenden Eingliederungshilfe ins Leere. Zudem hätten sich noch nie Kassen auf eine Fristversäumnis berufen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, denn das Sozialgericht hat sie zu Unrecht zur Durchführung der freiwilligen Versicherung der Klägerin verurteilt.
Da die Klägerin, die nur vom 16.12.1999 bis 12.06.2000 Mitglied der Beklagten war, die für den Beitritt nach § 9 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erforderliche Vorversicherungszeit von 12 Monaten nicht erfüllt, kann sich ihr Beitrittsrecht nur aus § 10 Abs. 1 Satz 1 FARG (vom 07.08.1953 (BGBl. I, S. 848) in der Fassung des Gesetzes über die Verwaltung der Mittel der Träger der Krankenversicherung vom 15.12.1979 (BGBl. I, 2241)) ergeben. Nach dieser Vorschrift können "die in den §§ 1 bis 4 des BVFG" bezeichneten Personen, die bis zum Verlassen ihres früheren Aufenthaltsbereichs bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung versichert waren, ihre frühere Krankenversicherung auf Antrag innerhalb von sechs Monaten "nach dem in Abs. 2 bezeichneten Zeitpunkt" fortsetzen. Nach Abs. 2 beginnt die Frist von sechs Monaten bei Personen, die nach dem Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes ihren ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet nehmen, mit dem ersten Tag des Monats, der auf den Monat folgt, in dem dieser Aufenthalt genommen wird (Buchst. b a.a.O.).
Ein Beitrittsrecht der Klägerin nach dieser Vorschrift scheidet schon deshalb aus, weil sie die Frist zum Beitritt versäumt hat. Sie hat am 15.12.1999 ihren ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik genommen, so dass demgemäß die Frist zur Fortsetzung ihrer früheren Versicherung vom 01.01.2000 bis 30.06.2000 lief. Beantragt hat die Klägerin – im Übrigen ohne Nachweis, dass sie im Herkunftsgebiet freiwillig oder pflichtversichert gewesen war – die Weiterversicherung erst am 09.08.2000. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Beitrittsfrist durch die Gewährung von Eingliederungshilfe gehemmt gewesen sein soll. Auch wenn während dieses Zeitraums eine Versicherung bei der Beklagten bestand, so dass eine Notwendigkeit für die Geltendmachung eines Beitrittsanspruchs nach § 10 Abs. 1 FARG nicht gegeben war, bietet die ein deutige gesetzliche Formulierung keinen Anhalt dafür, dass die Beitrittsfrist erst nach Beendigung der Eingliederungshilfe zu laufen begonnen hat. Im Übrigen verkennt die Beigeladene, dass die Klägerin im vorliegenden Fall nach Ende der Eingliederungshilfe noch fristgemäß die Versicherung bei der Beklagten hätte beantragen können. Die Vorschrift läuft also keineswegs leer, wenn man sie entsprechend ihrem eindeutigen gesetzlichen Wortlaut anwendet. Ebensowenig kann der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (§ 27 Abs. 1 SGB X). Auch wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgeht, dass eine Wiedereinsetzung auch bei der materiell-rechtlichen Frist des § 10 Abs. 2 FARG in Betracht kommt, gibt es keinen Anhalt dafür, dass die Klägerin ohne Verschulden gehindert war, die Beitrittsfrist einzuhalten. Die Unkenntnis einer gesetzlich eindeutig geregelten Frist vermag nach dem Grundsatz der formellen Publizität von Gesetzen das fehlende Verschulden an der Nichteinhaltung der Frist grundsätzlich nicht zu begründen (vgl. BSG SozR 3-1300 § 27 Nr. 3).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Erstellt am: 18.08.2003
Zuletzt verändert am: 18.08.2003