Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 18.07.2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Kostenerstattung für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mittels intrazytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) in Anspruch.
Der am 00.00.1967 geborene Kläger ist bei der Beklagten versichert und mit seiner am 00.00.1966 geborenen Ehefrau seit dem 22.09.2006 verheiratet. Die Ehefrau ist als Beamtin im Schuldienst versicherungsfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung und privat gegen das Risiko Krankheit versichert. Bei dem Kläger liegt eine Asthenozoospermie, bei seiner Ehefrau eine Folikelreifestörung vor.
Am 03.08.2006 wandte sich der Kläger an die Beklagte und fragte an, ob und inwieweit Kosten für eine künstliche Befruchtung von dort aus übernommen würden. Gleichzeitig bat er die Beklagte unter Hinweis auf die bevorstehende Eheschließung, "im Wege des Vorabbescheids zu entscheiden". Beigefügt war ein Spermiogramm vom 26.01.2006, das bei dem Kläger einen grenzwertigen Befund dokumentierte.
Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit, dass sie Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nicht übernehmen werde, weil seine zukünftige Ehefrau bereits das 40. Lebensjahr vollendet habe (Schreiben vom 07.08.2006). Das Schreiben war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen.
Mit dem Widerspruch machte der Kläger im Wesentlichen geltend, dass die Altersgrenze des § 27a Abs. 3 Satz 1 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuches (SGB V) gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstoße und somit verfassungswidrig sei. Darüber hinaus handele es sich um eine Altersdiskriminierung i.S.d. Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Da die im AGG zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertungen auf höherrangigem EU-Recht beruhten, sei auch vor diesem Hintergrund von einem Anwendungsverbot des § 27 Abs. 3 Satz 1 SGB V auszugehen.
Den Widerspruch verwarf die Beklagte als unzulässig. Sie führte aus, dass das Schreiben vom 07.08.2006 nicht als Verwaltungsakt i.S.d. § 31 Satz 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuches (SGB X) zu qualifizieren sei. Denn sie habe mit dem Schreiben lediglich eine hypothetisch gehaltene Anfrage beantwortet, jedoch keine Regelung mit Rechtswirkung nach außen getroffen (Widerspruchsbescheid vom 15.08.2006).
Mit der am 18.08.2006 vor dem Sozialgericht Köln erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass die Beklagte mit dem Schreiben vom 07.08.2006 eine ablehnende Entscheidung getroffen und folglich durch Verwaltungsakt gehandelt habe. In der Sache hat er an seiner bereits im Widerspruchsverfahren vertretenen Auffassung festgehalten und ferner die Ansicht vertreten, dass § 27a Abs. 3 Satz 1 SGB V schon dem ausdrücklichen Wortlaut nach nicht zu einem Anspruchsausschluss führen könne, da seine Ehefrau versicherungsfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung sei und mithin nicht als "Versicherte" im Sinne des Abs. 3 Satz 1 qualifiziert werden könne. Außerdem habe die Beklagte mit ihrer Ablehnung sowohl gegen Art. 3 Abs. 1 GG als auch gegen §§ 1 und 10 AGG verstoßen. Die Einführung der Altersgrenze für Frauen sei darüber hinaus nicht erforderlich, da bereits gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 SGB V Voraussetzung für die Bewilligung von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung sei, dass nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht bestehe, dass hierdurch eine Schwangerschaft herbeigeführt werde. Dass vor Behandlungsbeginn kein Behandlungsplan vorgelegen habe, könne ihm nicht angelastet werden. Er sei davon ausgegangen, dass sich die Beklagte den Behandlungsplan bei den behandelnden Ärzten verschaffe. Abgesehen davon sei die Erstellung eines Behandlungsplans unmöglich gewesen, da die von den Ärzten verwendete Software die Fertigung eines Behandlungsplans verweigere, wenn die Voraussetzungen des § 27 Abs. 3 Satz 1 SGB V erfüllt seien.
Behandlungsmaßnahmen wurden am 28.09.2006, am 08.01.2007 und am 15.07.2007 durchgeführt. Der dritte Behandlungsversuch hat zu einer Schwangerschaft der Ehefrau des Klägers geführt. Insgesamt sind dem Kläger Kosten in Höhe von 4.394,84 Euro in Rechnung gestellt worden (Rechnung vom 16.10.2006: 1.642,92 Euro; Rechnung vom 11.01.2007: 824,71 Euro; Rechnung vom 26.07.2007: 1.927,21 Euro). Seiner Ehefrau sind ebenfalls Behandlungsmaßnahmen in Rechnung gestellt worden.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.08.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.08.2006 zu verurteilen, die Hälfte der Kosten der künstlichen Befruchtungsmaßnahmen zu erstatten/zu übernehmen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat Bezug genommen auf die einschlägigen gesetzlichen Regelungen.
Mit Gerichtsbescheid vom 18.07.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte die geltend gemachte Kostenübernahme zu Recht abgelehnt habe, da die Ehefrau des Klägers die gesetzlich festgelegte Altersgrenze von 40 Jahren bereits am 07.06.2006 überschritten habe. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht gegeben. Denn § 27a SGB V regele nicht den Kernbereich der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern begründe einen eigenständigen Versicherungsfall, bei dem der Gesetzgeber grundsätzlich die Freiheit habe, selbst die Voraussetzungen der Leistungsgewährung näher zu bestimmen. Vor diesem Hintergrund habe der Gesetzgeber daran anknüpfen dürfen, dass bereits jenseits des 30. Lebensjahres das natürliche Konzeptionsoptimum überschritten und die Konzeptionswahrscheinlichkeit nach dem 40. Lebensjahr sehr gering sei.
Gegen den ihm am 25.07.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 25.07.2007 Berufung erhoben. Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und macht ferner geltend, dass § 27a Abs. 3 Satz 1 SGB V auch deshalb verfassungsrechtlich zu beanstanden sei, weil der Gesetzgeber nicht berücksichtigt habe, dass die Konzeptionswahrscheinlichkeit von Frauen in Einzelfällen auch nach Vollendung des 40. Lebensjahres unter Berücksichtigung individueller Faktoren nicht so stark abnehme, wie es der Durchschnitt nahelege. Im Übrigen seien die ihn und seine Ehefrau behandelnden Ärzte beizuladen, weil ihnen gegenüber wegen der Weigerung, einen Behandlungsplan zu erstellen, möglicherweise Schadensersatzansprüche in Betracht kommen könnten.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 18.07.2007 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.08.2006 zu verurteilen, ihm Kosten in Höhe von 2.197,42 EUR zu erstatten.
Die Beklagte, die den angefochtenen Gerichtsbescheid verteidigt, beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Weiterer Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Kosten in Höhe von 2.197,42 Euro für die selbstbeschafften Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft.
Die vom Kläger schriftsätzlich angeregte notwendige Beiladung seiner behandelnden Ärzte kam nicht in Betracht, weil diese nicht derart an dem hier streitigen Rechtsverhältnis beteiligt sind, dass auch ihnen gegenüber die Entscheidung nur einheitlich ergehen kann (§ 75 Abs. 2 1. Alt. SGG). Rechte der behandelnden Ärzte werden nämlich durch die Entscheidung nicht gestaltet. Auch ihre berechtigten Interessen werden nicht berührt, so dass dem Senat auch eine sog. einfache Beiladung nach § 75 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht angezeigt erschien.
Entgegen der Ansicht der Beklagten hat es sich bei dem Schreiben des Klägers vom 02.08.2006 um einen Antrag auf Übernahme der Kosten für Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft bei seiner Ehefrau i.S.d. § 27a SGB V gehandelt. Bei objektiver Betrachtung ist nämlich davon auszugehen, dass der Kläger von der Beklagten eine bindende Kostenübernahmeerklärung erlangen wollte. Das – ablehnende – Schreiben der Beklagten vom 07.08.2006 ist nicht nur als formlose Mitteilung über Leistungsvoraussetzungen zu verstehen. Denn die Beklagte hat ausdrücklich eine Kostenübernahme abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass die Ehefrau des Klägers bereits das 40. Lebensjahr vollendet habe. Damit hat sie einen konkreten Einzelfall auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts geregelt und mithin durch Verwaltungsakt i.S.d. § 31 Satz 1 SGB X gehandelt. Hierfür spricht auch die von der Beklagten erteilte Rechtsbehelfsbelehrung (sog. "Formverwaltungsakt" – vgl. BSG, Urteil vom 20.10.2005 – Az.: B 7a AL 18/05 R, sozialgerichtsbarkeit.de).
Unschädlich ist, dass sich der Kläger nach Ablehnung der Kostenübernahme durch die Beklagte die ihn betreffenden Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung selbst beschafft hat und nunmehr ein Erstattungsbegehren verfolgt. Da der Kläger statt der ursprünglich geforderten Leistung (Kostenübernahme) wegen einer später eingetretenen Veränderung – Beschaffung der begehrten Maßnahmen der künstlichen Befruchtung auf eigene Kosten – nunmehr eine andere Leistung (Kostenerstattung) begehrt, handelt es sich hierbei gemäß § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG nicht um eine Klageänderung (vgl. Eschner in Jansen, SGG, 2. Auflage 2005, § 99, Rn. 13, m.w.N.).
Da sich der Kläger die Leistungen nach Ablehnung durch die Beklagte selbst beschafft hat, bestimmt sich der geltend gemachte Anspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V. Hat danach die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Kostenerstattungsanspruch setzt voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Abzustellen ist somit darauf, ob die Voraussetzungen des § 27a SGB V erfüllt sind.
Nach § 27 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung u.a. durch ärztliche Behandlung. Hiervon werden nach § 27a SGB V auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft umfasst. Jedoch besteht nach § 27a Abs. 3 SGB V in der seit dem 01.01.2004 geltenden Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG, BGBl. I 2003, S. 2190) ein solcher Anspruch nur für Versicherte, die das 25. Lebensjahr bereits vollendet haben. Er besteht nicht für weibliche Versicherte, die das 40. sowie für männliche Versicherte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben. Der Anspruch ist nach § 27a Abs. 3 Satz 3 SGB V auf 50% der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten begrenzt.
Der Anspruch scheitert hier daran, dass die Ehefrau des Klägers sowohl im Zeitpunkt des Antrages als auch zu Beginn der Behandlung bereits das 40. Lebensjahr vollendet hatte (vgl. § 27a Abs. 3 Satz 1 SGB V).
Entgegen der vom Kläger vertretenen Ansicht kommt es nicht darauf an, ob seine Ehefrau als Beamtin im Schuldienst in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungsfrei ist. Der Gesetzgeber wollte vielmehr ersichtlich zum Ausdruck bringen, dass ein Anspruch auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nicht geltend gemacht werden kann, wenn sich bereits einer der Ehepartner außerhalb der in § 27a Abs. 3 Satz 1 SGB V genannten Altersgrenzen bewegt. Auch wenn der Ausschlusstatbestand insoweit unpräzise formuliert sein mag, findet der gesetzgeberische Wille in der Norm noch hinreichend Ausdruck.
Soweit der Kläger die Ansicht vertritt, dass die von ihm beanstandete Altersgrenze für Frauen in § 27a Abs. 3 Satz 1 SGB V nicht erforderlich sei, weil bereits gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 SGB V Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nur dann zu gewähren seien, wenn eine hinreichende Aussicht auf Herbeiführung einer Schwangerschaft bestehe, vermag dies nicht zu überzeugen. Nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 SGB V setzt die Annahme einer hinreichenden Erfolgsaussicht voraus, dass eine reale Chance auf Herbeiführung einer Schwangerschaft besteht. Hierbei ist u.a. auch das Alter der Ehegatten zu berücksichtigen (vgl. Sommer in Jahn/Freudenberg, SGB V, § 27a, Rn. 8; Höfler in Kasseler-Kommentar, § 27a SGB V, Rn. 14). Eine hinreichende Erfolgsaussicht kann jedoch nicht ausschließlich auf das Alter bezogen geprüft werden. Wie sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt, ist insbesondere die Frage von entscheidender Bedeutung, wie viele erfolglose Versuche bereits unternommen worden sind. Dem gegenüber verfolgt § 27 Abs. 3 Satz 1 SGB V insoweit eine wichtige Funktion, als für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung generell ausschließende Altersgrenzen (Sommer, a.a.O.) festgelegt werden. Die Frage, ob im konkreten Fall ggf. eine hinreichende Aussicht auf Herbeiführung einer Schwangerschaft bestehen mag, ist nach dem Willen des Gesetzgebers insoweit unbeachtlich.
Die Altersgrenze für Frauen in § 27a Abs. 3 Satz 1 SGB V verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Verletzt wird das Grundrecht nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen (vgl. nur Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 28.02.2007 – Az.: 1 BvL 5/03 -, NJW 2007, 1343, m.w.N.).
Die Altersgrenze führt zwar zu einer Ungleichbehandlung. Denn Ehepaare, bei denen die Ehefrau bereits das 40. Lebensjahr vollendet hat, werden im Verhältnis zu Ehepaaren, bei denen die Ehefrau die Altersgrenze noch nicht erreicht hat, dadurch benachteiligt, dass sie von medizinischen Maßnahmen der künstlichen Befruchtung ausgeschlossen werden.
Für diese unterschiedliche Behandlung findet sich jedoch eine sachliche Rechtfertigung. § 27a SGB V regelt keinen Kernbereich der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern begründet vielmehr einen eigenständigen Versicherungsfall, bei dem Maßnahmen der Krankenbehandlung Vorrang haben. Der Anspruch aus § 27a SGB V knüpft nicht an einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand, sondern an die Unfruchtbarkeit des Ehepaares an. Welche Umstände die Infertilität verursachen und ob ihr insbesondere eine Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne zugrunde liegt, ist nicht erheblich (BSG, Urteil vom 24.05.2007 – Az.: B 1 KR 10/06 R, sozialgerichtsbarkeit.de, m.w.N.).
Vor dem Hintergrund, dass der Kernbereich der gesetzlichen Krankenversicherung nicht betroffen ist, kam dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des § 27a SGB V ein nicht unerheblicher Einschätzungsspielraum zu. Der Gesetzgeber durfte dem Gesichtspunkt Rechnung tragen, dass jenseits des 30. Lebensjahres das natürliche Konzeptionsoptimum überschritten und die Konzeptionswahrscheinlichkeit nach dem 40. Lebensjahr sehr gering ist. Er konnte sich bei seinen Überlegungen ferner auf die Feststellungen stützen, die bereits die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (jetzt: Gemeinsamer Bundesausschuss) über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung vom 14.08.1990 (BArbBl. 12/1990, S. 21) berücksichtigten (vgl. BT-Drs. 15/1525, S. 83 zu § 27a). In den Richtlinien war bereits geregelt, dass Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung bei Frauen, die das 40. Lebensjahr vollendet hatten, nicht durchgeführt werden sollten; Ausnahmen sind nach gutachterlicher Beurteilung der Erfolgsaussichten nur bei Frauen zulässig gewesen, die das 45. Lebensjahr nicht vollendet hatten. Diesen Regelungen lag die Erkenntnis zugrunde, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit der künstlichen Befruchtung insbesondere ab dem 40. Lebensjahr abnimmt (vgl. auch Deutsches IVF-Register, Jahresbericht 2003, Seite 12, deutsches-ivf-register.de/jahresberichte.htm). Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es nicht darauf an, dass die Konzeptionswahrscheinlichkeit nach dem 40. Lebensjahr in Einzelfällen nicht so stark herabgesetzt sein mag, wie es statistisch begründete Erwartungen nahelegen mögen. Denn der Gesetzgeber ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht gezwungen, die individuelle Empfängnisfähigkeit zur Grundlage der gesetzlichen Regelung zu machen (LSG Hamburg, Urteil vom 12.12.2007 – Az.: L 1 KR 3/07; Hessisches LSG, Urteil vom 29.06.2006 – L 8 KR 87/05, sozialgerichtsbarkeit.de). Vielmehr darf er bei der Ausgestaltung der Ansprüche aus der gesetzlichen Krankenversicherung Sachverhalte typisieren oder pauschalieren, ohne dabei für jeden Einzelfall Ausnahmen schaffen zu müssen. Das gilt auch dann, wenn er die Grenzen von Ansprüchen – wie hier durch das GMG – neu gestaltet (BSG, Urteil vom 24.05.2007, a.a.O.).
Der vom Kläger gerügte Verstoß gegen das AGG ist ebenfalls nicht gegeben. Denn gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 AGG gelten für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch § 33c SGB I und § 19a SGB IV. Die Vorschriften wurden durch Art. 3 Abs. 7 und 9 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung zeitgleich mit Inkrafttreten des AGG in das SGB I und das SGB IV eingefügt und enthalten spezielle Ausformungen des Benachteiligungsverbots nach § 7 Abs. 1 und § 19 Abs. 1 (vgl. Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, 1. Aufl. 2007, § 2, Rdn. 45). § 33c Satz 1 SGB I enthält kein Verbot, bei der Gewährung von Leistungen an das Alter anzuknüpfen, wobei zu berücksichtigen ist, dass Diskriminierungen – auch wegen des Alters – bereits gemäß Art. 3 Abs. 1 GG unzulässig sein dürften. § 19a SGB IV ist ersichtlich nicht einschlägig, da diese Vorschrift Leistungen auf der Ebene der Berufsberatung, der Berufsbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung regelt.
Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass eine Verpflichtung, das Verbot der Altersdiskriminierung für die einzelnen Teile des Sozialgesetzbuches zu regeln, nicht existiert. Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Amtsblatt EG L 303 vom 27.11.2000, S. 16) stellt vielmehr ausdrücklich klar, dass diese Richtlinie nicht für Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme und der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit und des sozialen Schutzes gilt (vgl. auch Weselski in juris-PK-SGB I, § 33c, Rn. 14). Der Kläger kann sich damit nicht auf eine fehlerhafte Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG durch den bundesdeutschen Gesetzgeber berufen.
Auch mit Blick auf die Gleichbehandlungsrichtlinien 2002/73/EG vom 23.09.2002 (zur Änderung der Richtlinie Nr. 78/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen), 2000/43/EG vom 26.09.2000 (zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft), 2004/113/EG vom 13.12.2004 (zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen) sowie 2006/54/EG vom 05.07.2006 (zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen) lassen sich fehlerhafte Umsetzungsakte durch den deutschen Gesetzgeber nicht feststellen.
Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz von Ehe und Familie) scheidet ersichtlich aus. Dieser Vorschrift lässt sich nämlich nicht die Verpflichtung des Gesetzgebers entnehmen, die Entstehung einer Familie durch Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mit den Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung zu fördern (BSG, Urteil vom 24.05.2007, a.a.O.). Eine derartige Förderung steht vielmehr in seinem Ermessen (BVerfG, Urteil vom 28.02.2007, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Zwar hat das BSG bereits in dem Urteil vom 24.05.2007 – Az.:B 1 KR 10/06 R- ausgeführt, dass es nicht dem Grundgesetz widerspreche, dass Eheleute nur bis zur Vollendung des 50. Lebensjahres des Mannes Anspruch auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung gegen ihre Krankenkasse haben. Jedoch hat es die Zulässigkeit dieser typisierenden Betrachtungsweise mit Erwägungen begründet, die die Festlegung der Altersgrenze für die Frau nicht tragen. Mit der 50-Jahres-Grenze bei dem Mann hat der Gesetzgeber Belange des Kindeswohls berücksichtigt; bei der Altersgrenze bei der Frau werden mit dem Hinweis auf die sinkende Konzeptionswahrscheinlichkeit medizinische Belange als ausschlaggebend angesehen.
Erstellt am: 23.10.2009
Zuletzt verändert am: 23.10.2009