Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 04.11.2011 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Kostenerstattung i.H.v. 289,00 Euro für einen Transport von Eigenblut in Anspruch.
Die 1941 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Sie leidet unter einer skoliotischen Erkrankung der Wirbelsäule und wurde am 27.10.2009 im Klinikum O operiert. Im Vorfeld der geplanten Operation stimmte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung der geplanten Operation zu. Das Klinikum O beauftragte unter dem 15.06.2009 das Blutspendezentrum E mit der Entnahme von Eigenblut der Klägerin und teilte ferner mit, dass die Transportkosten von dort aus nicht übernommen würden. Die Klägerin beauftragte sodann die Beigeladene mit dem Transport von vier Eigenblutkonserven von E nach O. Hierfür berechnete sie der Klägerin einen Betrag in Höhe von 289,00 Euro (Schreiben vom 12.08.2009), den die Klägerin vollständig beglich. Die Beigeladene verwies außerdem auf ein Urteil des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf vom 31.03.2009 (S 4 KR 163/07 – Klagerücknahme im Berufungsverfahren), das einen Erstattungsanspruch für den Transport von Eigenblut bejaht hatte.
Am 18.08.2009 beantragte die Klägerin im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten die Kostenübernahme für die Transportkosten. Die Beklagte lehnte diesen Antrag am 18.08.2009 mündlich ab (Vermerk vom 18.08.2009). Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und bezog sich auf die Rechtsprechung des SG Düsseldorf.
Den Widerspruch wies die Beklagte zurück und führte im Wesentlichen aus: Eine Kostenübernahme für einen Eigenbluttransport sehe das Gesetz in der hier maßgeblichen Regelung des § 60 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht vor. Diese Norm setze voraus, dass der Versicherte selbst transportiert werde. Dies habe das Bundessozialgericht (BSG) bereits bestätigt. Der Auffassung des SG Düsseldorf sei demgegenüber nicht zu folgen (Widerspruchsbescheid vom 25.11.2009).
Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen: Das Klinikum O habe ihr seinerzeit wegen des zu erwartenden hohen Blutverlustes eine präoperative Eigenblutspende empfohlen. Die Beklagte verkenne, dass § 60 SGB V auf eigene Fahrten des Versicherten abstelle, während im SGB V keine Rechtsvorschrift zur Erstattung von Transportkostgen für Eigenblutkonserven existiere, wenn diese – wie hier – vorab in einer wohnortnahen Blutbank in mehreren Sitzungen entnommen und durch ein professionelles medizinisches Transportunternehmen in einem einmaligen Sammeltransport an den Ort der Operationsklinik transportiert würden. Im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebotes sei die Beklagte verpflichtet, die Transportkosten anstelle der sonst mehrfach anfallenden Fahr- und Übernachtungskosten zu übernehmen. Nach den Transfusionsbestimmungen sei ein Patienteneigentransport nicht zulässig. Die Beklagte habe ferner gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Willkürverbot verstoßen, weil sie in anderen Fällen Fahrkosten übernommen habe. In den Fallpauschalen der Operationsklinik seien die Kosten für den Transport der Konserven an den Ort der Operation nicht enthalten. Wenn das Bundesgesundheitsministerium die Eigenblutspende vor geplanten Eingriffen propagiere, dürften die Versicherten nicht mit Kosten belastet werden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.08.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2009 zu verurteilen, ihr die Kosten des Transports ihrer Eigenblutspende in Höhe von 289,00 Euro zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat entgegnet: Für den isolierten Transport von Eigenblutspenden bestehe keine Anspruchsgrundlage. § 60 SGB V setze voraus, dass der Versicherte selber transportiert werde und der Transport einer bestimmten Hauptleistung der Krankenkasse diene. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor, da die Versicherte kein Transportmittel benutzt habe.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Sie hat vorgetragen: Die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des BSG betreffe andere Sachverhalte und sei daher auf den hier zu entscheidenden Fall nicht übertragbar. Bei einem Bluttransport werde zumindest ein Teil des Patienten transportiert; dies sei nach Auffassung des SG Düsseldorf ausreichend, um die Leistungspflicht der Krankenkasse zu begründen. Im Übrigen blieben Eigenblutkonserven nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) Eigentum des Spenders. Insoweit sei bei dem Transport von Eigenblut von einer funktionalen Einheit auszugehen, so dass die Transportkosten für das Eigenblut wie solche für den Versicherten zu bewerten seien. In der Vergangenheit habe die Beklagte die Kosten für Eigenbluttransporte regelmäßig übernommen. Wenn sie nunmehr hiervon abweiche, handele sie willkürlich.
Durch Urteil vom 04.11.2011 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt: Zwar sei trotz Bedenken noch davon auszugehen, dass die Klägerin den Beschaffungsweg eingehalten habe. Für die Übernahme von Transportkosten für Eigenblutkonserven fehle jedoch eine gesetzliche Grundlage. Veranlasse ein Krankenhaus eine Eigenblutspende, handele es sich sowohl bei der Spende als auch bei dem Transport um eine vom Krankenhaus veranlasste Leistung eines Dritten, die gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG als allgemeine Krankenhausleistung mit dem Pflegesatz abgegolten sei. Abgesehen davon lege § 60 SGB V die Voraussetzungen für eine Übernahme von Fahrkosten abschließend fest. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, weil nicht die Klägerin, sondern lediglich die in ihrem Eigentum stehenden Eigenblutkonserven befördert worden seien. Schließlich ergebe sich weder unter dem Gesichtspunkt einer "Selbstbindung der Verwaltung" noch aus Art. 3 Grundgesetz (GG) der begehrte Erstattungsanspruch.
Gegen das ihr am 30.11.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27.12.2011 Berufung eingelegt.
Sie hält an ihrer erstinstanzlich vertretenen Rechtsauffassung fest und macht geltend: Das SG hätte auch die operierende Klinik, also das Klinikum O notwendig zum Rechtsstreit beiladen müssen. Zu Unrecht sei das SG zudem davon ausgegangen, dass auch der Transport von Eigenblut mit den vereinbarten Pflegesätzen abgegolten sei. Aus einer Stellungnahme des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) ergebe sich vielmehr das Gegenteil. Das bedeute, dass zwischen Entnahme, Aufbereitung und Einlagerung auf der einen und dem Transport auf der anderen Seite zu differenzieren sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 04.11.2011 zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag, tritt jedoch im Wesentlichen dem Vorbringen der Klägerin bei.
Weiterer Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 18.08.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2009 ist rechtmäßig, weil die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung des mit der Klage geltend gemachten Betrages von 289,00 Euro für den Transport ihrer Eigenblutspenden in das Klinikum O hat.
Bei den streitigen Eigenbluttransporten hat es sich um Fahrten gehandelt, bei denen der (unterstellte) Anspruch nicht von vornherein – wie bei selbst organisierten Fahrten der Versicherten (z.B. Pkw, Bus & Bahn) – aus § 60 SGB V auf "die Kosten" gerichtet ist (BSG SozR 4-2500 § 60 Nr. 5 sowie Senat, Urteil v. 22.09.2011 – L 5 KR 387/11). Daher bestimmt sich der geltend gemachte Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Konnte danach die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen (Alt. 1) oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt (Alt. 2) und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Erstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender – primärer – Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. z.B. BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr. 2 = SozR 4-2500 § 33 Nr. 28, juris Rdn. 10 m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Ungeachtet der Frage, ob bei sog. privilegierten Krankentransporten nach § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB V überhaupt eine vorherige Antragstellung bei den Krankenkassen erforderlich ist, ist ein Erstattungsanspruch der Klägerin nicht gegeben, weil es sich bei Transporten von Eigenblut nicht um Leistungen handelt, die die Krankenkassen den Versicherten als Dienstleistung zu erbringen haben.
§ 60 SGB V setzt im Allgemeinen dafür, dass Krankenkassen Fahrten Versicherter übernehmen, durch die bewusst abschließende Regelung voraus, dass der Versicherte transportiert wird und der Transport einer bestimmten Hauptleistung seiner Krankenkasse dient. § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V verlangt für die Fälle des § 60 Abs. 1 bis 3 SGB V zusätzlich, dass der Transport aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig ist. Die Norm regelt die allgemeinen Voraussetzungen für die Übernahme der Fahrkosten und dabei die notwendige Abhängigkeit der Fahrt von einer Hauptleistung. Danach übernimmt die Krankenkasse nach den Abs. 2 und 3 die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 SGB V (Fahrkosten), wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind. Welches Fahrzeug benutzt werden kann, richtet sich nach der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall (§ 60 Abs. 1 Satz 2 SGB V). § 60 SGB V benennt abschließend die Hauptleistungen, für die eine Fahrt des Versicherten aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sein muss. Die Regelung über die Höhe der zu übernehmenden Fahrkosten in § 60 Abs. 3 SGB V knüpft an die "Benutzung" des jeweiligen Transportmittels an. Wer ein Fahrzeug nicht benutzt, mithin von ihm gar nicht selbst in Person gefahren wird, kann keine Erstattung von Fahrkosten verlangen (vgl. BSG SozR 4-2500 § 60 Nr. 2).
Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen kommt hier ein Erstattungsanspruch nicht in Betracht, weil es sich bei den für die Entstehung der Kosten ursächlichen Transportfahrten nicht um Leistungen handelt, die die Krankenkassen den Versicherten als Dienstleistung zu erbringen haben. Insofern hat das SG zutreffend darauf verwiesen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 SGB V hier nicht erfüllt sind. § 60 Abs. 5 SGB V bleibt als Anspruchsgrundlage von vornherein außer Betracht, weil die Beigeladene den streitigen Eigenbluttransport nicht im Zusammenhang mit einer Leistung der medizinischen Rehabilitation durchgeführt hat.
Eine entsprechende Anwendung des § 60 Abs. 2 Nr. 4 SGB V muss schon deshalb ausscheiden, weil die hierfür erforderliche Regelungslücke nicht besteht. Der Gesetzgeber hat sich mit der Einführung des SGB V durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung (GRG) vom 20.12.1988 (BGBl. I S. 2477) ganz bewusst für eine Reduzierung von Krankenfahrten entschieden. Begründet hat er dies im Wesentlichen mit der finanziell nicht mehr vertretbaren Höhe der Ausgaben der Krankenkassen (vgl. FraktEntw-GRG, BT-Drucks 11/2237, S. 186; Baier in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung-Pflegeversicherung, § 60 Rdn. 2). Dementsprechend benennt § 60 SGB V, wie bereits dargelegt, abschließend die Hauptleistungen, für die eine Fahrt des Versicherten aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sein muss (BSG SozR 4-2500 § 60 Nr. 2, juris Rdn. 13). Angesichts dessen kann ein Anspruch auf Transportkostenerstattung für im Eigentum des Versicherten stehende Körperbestandteile nach Überzeugung des Senats auch nicht im Wege des "Erst-Recht-Schlusses" abgeleitet werden, weil hierdurch letztlich die Grenzen zulässiger Auslegung überschritten würden und es entgegen dem ausdrücklichen gesetzlichen Regelungskonzept zu einer Anwendung des § 60 SGB V auf Sachverhalte käme, die der Gesetzgeber gerade ausschließen wollte.
Die gesetzlich angeordnete Beschränkung von Fahrkosten ausschließlich auf die in § 60 SGB V geregelten Tatbestände verstößt nicht gegen Verfassungsrecht, weil die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) den Versicherten Leistungen nur nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskatalogs unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes zur Verfügung stellen muss (vgl. BSG SozR 4 – 2500 § 60 Nr. 1 Rdn. 12 ff.). Bereits deshalb ist es unerheblich, ob andere Krankenkassen aktuell ihren Versicherten Eigenbluttransporte gewähren oder in der Vergangenheit gewährt haben. Ebenso wenig kann eine Krankenkasse mit der Ablehnung von Eigenbluttransporten gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die in dem angefochtenen Urteil angestellten Erwägungen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Entgegen der Auffassung der Klägerin und der Beigeladenen war das Klinikum O nicht notwendig gemäß § 75 Abs. 2 Alt. 1 SGG zum Rechtsstreit beizuladen. Eine Beiladung ist danach erforderlich, wenn an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Dies ist der Fall, wenn die gerichtliche Entscheidung unmittelbar in die Rechtssphäre des Dritten eingreift und eine Entscheidung nicht getroffen werden kann, ohne dass dadurch Rechte Dritter unmittelbar gestaltet werden. Das bedeutet, dass sich die Rechtskraft einer Entscheidung unmittelbar und nicht nur hinsichtlich einer Vorfrage auf einen Dritten auswirken muss (vgl. Frehse in: Jansen, SGG, 4. Aufl. 2012, § 75, Rdn. 7, m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, weil Streitgegenstand lediglich der von der Klägerin gegenüber der Beklagten geltend gemachte Erstattungsanspruch ist und sich, wie dargelegt, diese Frage abschließend ohne die Prüfung weiterer Rechtsverhältnisse beantworten lässt. Selbst wenn der Senat allerdings zu der Auffassung gelangt wäre, dass auch die Kosten für den Transport von Eigenblut als allgemeine Krankenhausleistung von der betreffenden Fallpauschale abgedeckt (§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG) und die Klägerin damit ggf. keiner wirksamen Forderung der Beigeladenen ausgesetzt gewesen wäre (vgl. § 32 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – SGB I), hätte es sich im Hinblick auf das Klinikum O lediglich um eine nicht zur notwendigen Beiladung zwingende Vorfrage gehandelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Erstellt am: 08.07.2013
Zuletzt verändert am: 08.07.2013