Die Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über den Vollzug einer Vereinbarung zwischen der Barmer Ersatzkasse (Beigeladene zu 1) und dem Deutschen Apothekerverband e.V. (DAV – Antragsgegner), dieser "handelnd für" diverse Landesapothekerverbände, zur "Intensivierung der Kooperation bei der qualitätsorientierten Versorgung der Versicherten" (im Folgenden: Kooperationsvereinbarung – KV) vom 28.10.2003.
Gemäß § 1 KV streben die Vertragspartner mit dieser Kooperationsvereinbarung eine intensive und enge Zusammenarbeit im Gesundheitswesen an. Im Mittelpunkt der Kooperation steht das spezifisch weiter entwickelte Element eines Hausapothekenmodells. Die Kooperation soll im besonderen Maße die Qualität der Versorgung der Versicherten der Beigeladenen zu 1) im Arzneimittelbereich optimieren, d.h. zu einer intensiveren Betreuung und Beratung führen sowie einen weiter verbesserten, kundenorientierten Service und eine qualifizierte Begleitung bei der Arzneimitteltherapie ermöglichen.
Gemäß § 2 KV entfaltet die Vereinbarung Rechtswirkung für die öffentlichen Apotheken, die von der nach dem Sitz der Apotheke zuständigen Mitgliedsorganisation des DAV – dem Landesapothekerverband (LAV) – eine Teilnahmeberechtigung erhalten haben. Gemäß § 2 Abs.3 KV können auch Nichtmitglieder eines LAV am Hausapothekenmodell teilnehmen. Der LAV darf die Erteilung der Teilnahmeberechtigung und die Erbringung von Leistungen der Mitgliedsorganisationen in Zusammenhang mit diesem Vertrag von der Zahlung angemessener Gebühren abhängig machen.
§ 3 KV benennt den Kreis der teilnahmeberechtigten Versicherten. Gemäß dessen Absatz 1 ist Voraussetzung für die Inanspruchnahme von spezifischen Leistungen gemäß der KV, dass Versicherte sich in einer teilnehmenden Apotheke einschreiben. Die Einschreibung setzt wiederum voraus, dass der/die Versicherte a) Mitglied der Beigeladenen zu 1) ist, b) eine nach § 2 teilnehmende Apotheke als "Barmer-Service-Apotheke" bestimmt hat, c) nicht bereits bei einer anderen Apotheke eingeschrieben ist und d) ihre/seine Einwilligung zur Verarbeitung der versichertenspezifischen Daten im Rahmen der Bestimmungen der KV gegeben hat.
Gemäß Abs. 3 ist der/die Versicherte in der Auswahl unter den teilnehmenden Apotheken frei. Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ist die Kündigung der Einschreibung bei der bisherigen "Barmer-Service-Apotheke" (im Folgenden: "BSA") ohne Einhaltung einer Frist, bei Fehlen eines wichtigen Grundes mit einer Frist von zwei Wochen zum Ende eines Kalendervierteljahres zulässig. Einen wichtigen Grund stellt danach insbesondere der Wegzug der/des Versicherten aus dem Einzugsbereich der Apotheke dar.
§ 4 Abs. 1 KV regelt ein einheitliches Marketing unter der Bezeichnung "BSA".
§ 6 KV sieht bestimmte Serviceleistungen der Apotheken vor. § 6 Abs. 3 KV regelt einen sog. "Home-Service", nach Abs. 4 wird ein "Arznei-Service" zur Verfügung gestellt werden, der eine Prüfung von etwaigen kritischen Wechselwirkungen, Nebenwirkungen und Kontraindikationen sicherstellen und eine intensive Beratung der Versicherten in allen Arzneimittelfragen ermöglichen soll. Hierzu führt die Apotheke für jeden teilnehmenden Versicherten nach dessen schriftlicher Zustimmung eine laufend zu ergänzende Medikationsdatei unter Berücksichtigung der Selbstmedikation. § 6 Abs. 5 KV sieht einen "Check-up-Service" vor, wonach auf Wunsch der Versicherten die Bestimmungen des Body-Mass-Index, des systolischen und diastolischen Blutdrucks, der Blutglukose und des Gesamtcholesterols/-ins erfolgt. Gemäß dem in § 6 Abs. 6 KV geregelten "Bonus-Service" werden hinsichtlich apothekenüblicher Waren nach § 25 Apothekenbetriebsordnung, die nicht zu Lasten der Beigeladenen zu 1) abgegeben werden, den Versicherten vergünstigte Preise gewährt. Nähere Regelungen zur Durchführungen der einzelnen in § 6 KV vorgesehenen Service-Leistungen sehen die Anlagen C 1 – C 4 vor. § 7 KV enthält Bestimmungen zu spezifischen Betreuungsleistungen und zum "pharmazeutischen Management". In § 7 Abs. 4 heißt es:
"Die Vertragspartner beabsichtigen die dauerhafte Versorgung bei apothekenüblichen, von der Kasse nach dem SGB V (Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – gesetzliche Krankenversicherung) zu erstattenden Waren für Versicherte aus ökonomischen wie qualitativen Aspekten zu optimieren und bestehende Wirtschaftlichkeitsreserven zu nutzen."
§ 11 KV verweist hinsichtlich der Vergütung der Leistungen der teilnehmenden Apotheken auf Anlagen zur KV. Soweit keine Vergütung vereinbart sei, erfolgen die Leistungen für die eingeschriebenen Versicherten kostenfrei und ohne spezielle Vergütung durch die Beigeladene (Abs. 2). Bei einzelnen Serviceangeboten ist eine Kostenbeteiligung seitens der Versicherten nicht ausgeschlossen. Hierzu bestimmt die Anlage einen Höchstbetrag (Abs. 3).
§ 12 Abs. 1 KV enthält die folgende Regelungen:
"Die teilnehmenden Apotheken wirken dabei mit, Versicherte der "Barmer" für eine Einschreibung im Sinne der vorliegenden Vereinbarung zu gewinnen. Insbesondere für eine Teilnahme geeignete Versicherte – Näheres ist in den Anlagen zu den Leistungsbeschreibungen geregelt – werden dabei gezielt angesprochen."
Hinsichtlich des weiteren Inhalts wird auf die KV verwiesen.
Am 07.11.2003 hat der Antragsteller (ASt.), der die Stadt-Apotheke in Achern, Baden-Württemberg, betreibt, beim Sozialgericht Freiburg beantragt, den Antragsgegner (AG.) im Wege einer einstweiligen Anordnung unverzüglich zu verpflichten, vom Vollzug der KV bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache abzusehen. Der ASt. hat ausgeführt, die KV begründe die Gefahr eines erheblichen berufsrechtlichen und wirtschaftlichen Schadens. Für den Abschluss einer solchen Vereinbarung fehle eine Rechtsgrundlage. § 69 SGB V sei abschließend. Gemäß § 129 Abs. 2 SGB V könnten Verträge nur mit den Spitzenverbänden abgeschlossen werden. Gemäß § 129 Abs. 5 SGB V könnten die LAV lediglich mit den Landesverbänden der Krankenkassen Verträge abschließen. Die Beigeladene zu 1) sei weder ein Spitzenverband noch ein Landesverband der Krankenkassen. Im Übrigen liege ein Verstoß gegen den Arzneimittel-Liefervertrag vor. Danach dürften Krankenkassen ihre Versicherten weder unmittelbar noch mittelbar zugunsten bestimmter Apotheken beeinflussen. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb im Sinne des Art. 14 Grundgesetz (GG) sei betroffen. Es drohe ein Verlust von Kunden an sog. "BSA" schon wegen der auf apothekenübliche Waren zu gewährenden Nachlässe. Er sehe sich Wünschen von Kunden nach Gewährung von Nachlässen verstärkt ausgesetzt Die kostenlose Hauslieferung verstoße gegen § 8 Abs. 1 Heilmittelwerbegesetz.
Der AG. als Zentralverband der deutschen Apotheken hat ausgeführt, der ASt. könne wie jeder andere Apothekenbetreiber an dem Kooperationsmodell teilhaben und eine "BSA" werden. Rechtsgrundlage sei § 129 Abs. 5 SGB V. Im Übrigen gelte der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Dieser werde auch durch die §§ 129, 69 SGB V nicht eingeschränkt. Die Umsetzung der KV erfolge durch die LAV, so dass es sich bei dem DAV nicht um den richtigen Anordnungsgegner handele. Für einen Anordnungsanspruch fehle es auch an einer Beeinträchtigung eines subjektiven Rechts des ASt … Ein Anordnungsgrund liege nicht vor, da Eilbedürftigkeit nicht gegeben sei. Eine massive Schädigung des ASt. sei nicht zu befürchten.
Die Beigeladene zu 1) – die Barmer Ersatzkasse – hat die Auffassung vertreten, es liege keine Rahmenvereinbarung im Sinne des § 129 SGB V vor, da keine Regelungen über die Abgabe von Arzneimitteln ergangen seien, sondern nur über die Beratung, das Nebensortiment und die Prävention. Sie hat sich auf Vertragsfreiheit gemäß § 69 Abs. 3 SGB V berufen. Dem ASt. entstehe kein Wettbewerbsnachteil, da (gegen Gebühr) eine Teilnahmemöglichkeit bestehe. Der ASt. könne im Übrigen keine Rechte aus § 129 SGB V ableiten, der im Zusammenhang mit den §§ 12, 70, 31 Abs. 3, 34, 35 SGB V zu sehen sei und der (lediglich) der Kostendämpfung diene.
Mit Beschluss vom 19.12.2003 hat das – durch Verweisung nach § 57a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zuständig gewordene – Sozialgericht (SG) Köln den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, es fehle an einem erforderlichen Anordnungsanspruch. Rechtsgrundlage des Vertrages sei nicht § 129 SGB V, da es sich bei der KV nicht um eine Rahmenvereinbarung im Sinne dieser Vorschrift handele. Vereinbarungen über die Abgabe von Arzneimitteln, die Kostendämpfung oder die Preisbildung, wie sie in den Ziffern 1 bis 4 des § 129 Abs. 1 SGB V genannt würden, seien nicht getroffen worden. Der Grundsatz der Vertragsfreiheit ergebe sich aus § 69 Abs. 3 SGB V. Das Vierte Kapitel des SGB V regele die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und der Leistungserbringer abschließend. Für diese Rechtsbeziehungen seien im Übrigen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) maßgebend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar seien. Der ASt. sei auch nicht wettbewerbsrechtlich benachteiligt, da ihm eine Teilnahme gegen Gebühr offen stehe.
Am 31.12.2003 hat der ASt. gegen den ihm am 29.12.2003 zugestellten Beschluss Beschwerde eingelegt und an seinem ursprünglichen Begehren festgehalten. Er ist der Auffassung, die Annahme einer absoluten Vertragsfreiheit verstoße gegen den Auftrag des SGB V. "Beratung" und "Abgabe von Arzneimitteln" seien untrennbar miteinander verbunden. Die Apotheken seien bereits gemäß § 1 Apothekergesetz und § 20 Apothekenbetriebsordnung zur Beratung verpflichtet. Außerdem ergebe sich aus der ab dem 01.01.2004 geltenden Fassung des § 129 Abs. 5b SGB V, dass grundsätzlich auch Regelungen der durch die KV getroffenen Art von § 129 SGB V erfasst sein sollten. Ansonsten hätte es dieser Neufassung des Gesetzes nicht bedurft. Im Übrigen liege ein Verstoß gegen § 31 Abs. 1 Satz 5 SGB V und die darin verankerte Wahlfreiheit vor. Ebenso gegen § 30 Abs. 1 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) verstoße der vorliegende Vertrag. Es liege eine offenkundige Verdrängungsabsicht vor. Auch sei zu berücksichtigen, dass § 7 Abs. 3 der KV der Mobilisierung "Disease-Management-Programm (DMP)-fähiger Versicherter" dienen solle, um der Beigeladenen zu 1) zusätzliche Mittel aus dem Risikostrukturausgleich zu sichern. Der Gesamtumsatz mit Versicherten der Beigeladenen zu 1) liege bei etwa 160.000,- Euro. Mit dem Auftreten der ersten "BSA" mit entsprechendem Logo und Werbemaßnahmen sei ein Abwandern von Kunden (insbesondere DMP-Kunden) zu befürchten. Die Mehrzahl der Apotheken in Baden-Württemberg sei der KV beigetreten oder werde beitreten. Sofern der AG. nicht passivlegitimiert sei, komme eine Verpflichtung der Beigeladenen zu 1) gemäß § 75 Abs. 5 SGG in Betracht. Die Passivlegitimation ergebe sich aber aus der Satzung des AG. sowie den Vorgaben des BGB zum Vereins- und Vertretungsrecht. Die Mitgliederversammlung des AG. habe der KV vor deren Abschluss zugestimmt. Der ihm – dem ASt. – zustehende Unterlassungsanspruch ergebe sich aus Art. 3, 12, 14 GG, §§ 1004, 823 BGB analog.
Der ASt. beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 19.12.2003 aufzuheben und den AG. im Wege der einstweiligen Anordnung unverzüglich zu verpflichten, vom Vollzug des zwischen dem AG. und der Beigeladenen 1) geschlossenen Vertrages bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache abzusehen.
Der AG. beantragt,
die Beschwerde des ASt. zurückzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, den Versicherten stehe es weiterhin frei, auch andere Apotheken aufzusuchen. Es gehe dem ASt. offenbar um eine Verhinderung des gesamten Modells. Wenn überhaupt, könne er eine örtliche Regelung beanspruchen. Eine Ermächtigungsnorm für den Abschluss des vorliegenden Vertrages sei nicht erforderlich gewesen. Ein Verstoß gegen § 129 SGB V liege nicht vor. Jedenfalls sei die KV als öffentlich-rechtlicher Vertrag ohne Ermächtigungsgrundlage zulässig. Dem ASt. stehe es weiterhin offen, gegen eine Gebühr an der KV teilzunehmen. Ein Anordnungsgrund sei weiterhin nicht glaubhaft gemacht worden. Hinsichtlich der Passivlegitimation des AG. sei darauf hinzuweisen, dass der AG. die KV ausdrücklich für die LAV handelnd abgeschlossen habe. Dem stehe nicht entgegen, dass die Bevollmächtigung anlässlich einer Mitgliederversammlung des AG. erfolgt sei, bei der sämtliche LAV anwesend gewesen seien. Die LAV setzten diesen Vertrag um. Im Übrigen seien auch die Interessen der an der KV teilnehmenden Apotheken zu beachten. Selbst der Gesetzgeber setze "Hausapotheken" ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 129 Abs. 5b SGB V voraus. Schließlich könne ein Unterlassungsanspruch, der auf Art. 3, 12 GG gestützt werde, anders als im Wettbewerbsrecht erst dann gegeben sein, wenn eine Existenzgefährdung zu erwarten sei.
Die Beigeladene zu 1) vertritt in Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrages die Auffassung, § 129 Abs.5b SGB V erfasse lediglich den Bereich der integrierten Versorgung, die von der KV nicht erfasst werde. Verträge über Betreuungsleistungen stünden nicht unter dem Gesetzesvorbehalt. Die Wahlfreiheit der Versicherten sei nicht betroffen, weil diese weiterhin Apotheken ihrer Wahl aufsuchen könnten. § 129 SGB V sei keine Verbotsnorm im Sinne des § 134 BGB, der zur Nichtigkeit der KV als öffentlich-rechtlichen Vertrag führe. In der Startphase des Modells hätten sich lediglich 16 Versicherte in ganz Baden-Württemberg eingeschrieben. Der Umsatz des ASt. mit Versicherten der Beigeladenen zu 1) habe lediglich 140.000 Euro betragen, wobei dies einem Umsatzanteil von 10% entsprechen solle. Eine Existenzgefährdung könne angesichts dieser Zahlen nicht gesehen werden.
Auf Antrag des ASt. ist der Beigeladene zu 2) als örtlich betroffener Landesverband der Apotheker am Verfahren beteiligt worden (Beschluss des Senats vom 26.04.2004). Er ist der Auffassung, die KV könne einerseits nicht auf § 129 SGB V gestützt werden, werde aber auch inhaltlich nicht von dieser Vorschrift erfasst, da etwa die preisrelevanten Abgabemodalitäten im Sinne des § 129 Abs. 1 SGB V nicht Gegenstand der KV seien. Die von der KV erfassten Leistungen seien sämtlich freiwilliger Natur und Ausdruck, Ergebnis und Bestandteil des Leistungswettbewerbes. Der ASt. könne am Vertrag teilnehmen oder seinen Kunden ohne Teilnahme am Vertrag besondere Leistungen anbieten. Ein Eingriff in subjektive Rechte des ASt. sei nicht ersichtlich. Auch der Beigeladene zu 2) ist der Auffassung, es gelte der Grundsatz der Vertragsfreiheit.
Die Beigeladene zu 1) hat am 06.07.2004 auf Veranlassung des Senats mitgeteilt, in Baden-Württemberg nähmen 802, in Achern und Umgebung 19 Apotheken an der KV teil. Die Zahl der eingeschriebenen Versicherten betrage in Baden-Württemberg 135; in Achern und Umgebung hätte sich bis zu diesem Zeitpunkt kein Versicherter eingeschrieben.
Vor dem SG Köln hat der ASt. zwischenzeitlich Klage gegen die Beigeladene zu 1) erhoben, gerichtet auf Unterlassung der KV im Umkreis von 25 km um den Betrieb des ASt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes – insbesondere des Inhalts der KV – wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.
II.
Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat (Nichtabhilfebeschluss vom 05.01.2004), ist zulässig (§§ 172, 173, 173 SGG). Die Beschwerde des ASt. ist aber unbegründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des ASt. vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich erscheint (Regelungsanordnung).
Dem ASt. kommt es nunmehr darauf an, die (weitere) Umsetzung der KV zu verhindern. Das Unterlassungsbegehren des ASt. ist dabei nicht lediglich auf die Bewahrung des bestehenden Zustands gerichtet, da bereits Apotheken am Markt als "BSA" auftreten und Versicherte sich zwecks Inanspruchnahme der spezifischen Leistungen der KV bei einer teilnehmenden Apotheke eingeschrieben haben.
Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen (Regelungs-) Anordnung ist schon abzulehnen, weil es – nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung – sich – ausgehend vom Antrag des ASt. – bei dem DAV nicht um den richtigen AG. handelt. Der AG. ist in Bezug auf das Unterlassensbegehren nicht passivlegitimiert. Nur die Beigeladene zu 1) und die LAV und damit auch der Beigeladene zu 2) sind Vertragspartner der KV. Dies ergibt sich aus der Vertragsgestaltung, wonach der AG. ausdrücklich als Vertreter für die einzelnen LAV handelte. Insoweit ist in dem – dem Abschluss der KV vorangehenden – Beschluss der Mitgliederversammlung – eine Vollmachterteilung im Sinne des § 167 BGB zu sehen. Dieser Auslegung steht nicht entgegen, dass auch die Beteiligten letztlich in der öffentlichen Darstellung den AG. (wobei deren Mitglieder gemäß § 3 der Satzung wiederum eigenständige Rechtspersönlichkeiten sein müssen) und die Beigeladene zu 1) als Partner der KV benennen. Zu Recht weist der ASt. darauf hin, dass gemäß § 2 Satz 2 Nr. 2 der Satzung des AG. insbesondere auch die Vertretung der wirtschaftlichen Interessen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen und sonstigen Kostenträgern, insbesondere der Abschluss bundeseinheitlicher Arzneimittelverträge und sonstiger Vereinbarungen, zu den satzungsgemäßen Aufgaben gehört. Gemäß § 9 Abs. 3 d) der Satzung ist der Mitgliederversammlung die Beschlussfassung über den Abschluss von Arzneilieferungsverträgen mit den gesetzlichen Krankenkassen sowie anderer Verträge zur Sicherung der Arzneimittelversorgung vorbehalten. Der Satzung ist damit aber – entgegen der Auffassung des ASt. – keinesfalls zu entnehmen, ein Handeln des AG. als Vertreter der LAV verstoße gegen die Satzung. Diese erlaubt gerade nicht ausschließlich die Beschlussfassung, wie der ASt. meint; vielmehr ist der Mitgliederversammlung insbesondere die Beschlussfassung vorbehalten. Sonstige Verträge im Sinne des § 2 Satz 2 Nr. 2 der Satzung sind dabei nicht zwangsläufig Arzneilieferungsverträge sowie andere Verträge zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung im Sinne des § 9 Abs. 3 d) der Satzung. Wegen der satzungsgemäßen Aufgaben des AG. und der Tatsache, dass die LAV als rechtlich selbständige Verbände wiederum Mitglieder des AG. sind, kommt auch dem vertraglichen und außervertraglichen Gebrauch der Verbandsbezeichnungen gegenüber der Bezeichnung der Vertragspartner in der KV keine durchgreifende Bedeutung zu.
Der ASt. begehrt im Übrigen ausdrücklich und nachvollziehbar die Unterlassung des Vollzugs der KV. Den Vollzug der KV, d.h. deren Umsetzung, weist der KV im Wesentlichen aber den LAV und somit – das Land Baden-Württemberg betreffend – der Beigeladenen zu 2) zu. Insbesondere die Teilnahmeberechtigung wird etwa gemäß § 2 Abs. 2 der KV vom zuständigen LAV erteilt und unter den Voraussetzungen des Abs. 6 zu entzogen. Wesentliche Aufgaben kommen auch den teilnehmenden Apothekern und dem Beigeladenen zu 1) zu.
Der ASt. hat den vorgenannten Bedenken auch Rechnung getragen, indem er die Klage im Hauptsacheverfahren nunmehr gegen die Beigeladene zu 1) gerichtet hat.
Dem ASt. kommt hinsichtlich der fehlenden Passivlegitimation auch nicht § 75 Abs. 5 SGG zugute, wonach bestimmte Beigeladene verurteilt werden können. Zunächst handelt es sich bei dem Beigeladenen zu 2) nicht um einen Versicherungsträger (vgl. auch Meyer-Ladewig, SGG, § 75 RdNr. 18). Im Übrigen ist § 75 Abs. 5 SGG auf Konstellationen der vorliegenden Art nicht zugeschnitten, wie sich aus dem Zusammenhang mit § 75 Abs. 2 zweite Alternative SGG ergibt; die Vorschriften wollen alleine bewirken, dass die Verurteilung eines anderen als des ursprünglich angegangenen Versicherungsträgers ermöglicht wird. Der Anwendung des § 75 Abs. 5 SGG steht somit schon der Umstand entgegen, dass der AG. kein Versicherungsträger ist.
Dem Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung steht darüber hinaus entgegen, dass ein Anordnungsgrund nicht hinreichend glaubhaft (§ 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -) gemacht ist. Es liegen keine hinreichenden Gründe für den Erlass einer Eilentscheidung vor. Dies kann zwar nach Auffassung des Senats nicht damit begründet werden, dass der ASt. nach dem Inhalt der KV grundsätzlich den Status einer "BSA" erlangen könnte. Es erscheint auch fernliegend, auf diesem Wege eine – ggf. auch nur temporäre – Zwangsbeteiligung des ASt. an der KV vorschreiben zu wollen.
Der Erlass einer Regelungsanordnung erfordert aber, dass eine solche zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich erscheint (auch die Sicherungsanordnung erfordert zumindest eine wesentliche Beeinträchtigung). Zwar kann nach dem Wortlaut des § 86b Abs. 2 SGG für die Bejahung eines wesentlichen Nachteils allein eine Existenzgefährdung eines Antragstellers nicht verlangt werden. Andererseits rechtfertigt nicht jeder zu erwartende Nachteil den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Insoweit steht fest, dass – der ASt. hat dem nicht widersprochen – bis Ende Juni 2004 in Achern und Umgebung keine Versicherten in das streitige "Service-Programm" eingeschrieben waren. Auch angesichts der Zahl der teilnehmenden Apotheken im räumlichen Umfeld des ASt. sowie der geschilderten Umsatz- bzw. Gewinnzahlen in Bezug auf Versicherte der Beigeladenen zu 1) besteht derzeit – und angesichts der bisherigen Laufzeit – wohl auch bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nur die vage Möglichkeit spürbarer und damit wesentlicher – wirtschaftlicher – Konsequenzen. Hierfür spricht der dürftige Zuspruch der Versicherten einerseits im Gegensatz zu der andererseits hohen Zahl teilnehmender Apotheken. Im Übrigen kann nach Auffassung des Senats nicht unberücksichtigt bleiben, dass es dem ASt., der auch ansonsten im Wettbewerb mit anderen Apotheken steht, unbenommen ist, der – wie befürchtet steigenden Erwartungshaltung seiner Kunden – auch ohne Teilnahme an der KV seinerseits durch freiwillige Leistungen Rechnung zu tragen. Dies gilt insbesondere etwa auch für Preisnachlässe.
Das Fehlen eines Anordnungsgrundes ist auch nicht – ausnahmsweise – unerheblich, etwa weil der Anordnungsanspruch offensichtlich gegeben wäre. Auf die Ausführungen zur Passivlegitimation ist insoweit zunächst zu verweisen. Die abschließende Bewertung, ob dem ASt. ein Unterlassungsanspruch zusteht, muss somit dem Hauptsacheverfahren (gegen die aus der KV passivlegitimierten Beteiligten) vorbehalten bleiben. Der ASt. als Leistungserbringer kann etwaige Unterlassungsansprüche zwar seit dem 01.01.2000 nicht mehr auf nationales Wettbewerbsrecht stützen, stattdessen vermag er sich aber auf Art. 12 und 3 GG zu berufen (vgl. BSG, Urteil vom 25.09.2001 Az: B 3 KR 3/01 R = BSGE 89, 24 – 34). Läge ein Verstoß der KV bzw. deren Regelungen gegen § 129 SGB V vor, erscheint eine Verletzung der durch das GG geschützten Rechte des ASt. denkbar. Die Nichtigkeit der KV dürfte dafür nicht erforderlich sein. § 129 SGB V begründet nämlich eine Monopolstellung zum Abschluss von Verträgen für die Spitzenorganisationen der Apotheker und der Spitzenverbände der Krankenkassen bei der Arzneimittelversorgung (vgl. BSG a.a.O.). § 129 Abs. 1 SGB V enthält aber primär Vorgaben für die wirtschaftliche Arzneimittelversorgung durch die Apotheker. Die Vorgaben des Abs. 1 sind durch Rahmenverträge, die "das Nähere" regeln, zu konkretisieren und zwar durch die o.g. Verbände. Daneben können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen mit der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisation der Apotheker auf Landesebene ergänzende Verträge abschließen. Um einen Rahmenvertrag im Sinne des § 129 Abs. 2 SGB V handelt es sich ersichtlich nicht. Da die Beigeladene zu 1) nicht durch ihren Verband handelte, läge ein für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch relevanter Verstoß gegen § 129 Abs. 4 SGB V nur vor, soweit der KV ein ergänzender Vertrag im Sinne dieser Vorschrift wäre oder wenn den Krankenkassen nicht unter § 129 SGB V zu fassende Verträge mit den LAV mangels Ermächtigungsgrundlage verwehrt wären.
Die Ziele der KV, wie sie insbesondere in dessen § 1 zum Ausdruck kommen, deuten darauf hin, dass die von § 129 SGB V in erster Linie wegen des Wirtschaftlichkeitsgebotes (vgl. § 70 SGB V) erfasste Arzneimittelversorgung zumindest zum Teil auch durch die KV berührt wird. Denn die Qualität der Versorgung der Versicherten im Arzneimittelbereich soll danach optimiert werden und besondere Leistungen für die Versicherten der Beigeladenen zu 1) sollen potentielle Wirtschaftlichkeitsreserven erschließen helfen. Ob aber § 129 Abs. 4 SGB V auch solche Regelungen erfassen soll, erscheint allerdings fraglich. Zwar betrifft die Bindung an eine "Hausapotheke" nicht lediglich die Qualität der Beratung, da sie etwa auch Über- und Fehlversorgungen zu verhindern helfen und damit wirtschaftlichen Zwecken dienen wird.
"Ergänzende Verträge" bedeutet aber dem Kontext des Gesetzes entsprechend, dass diese von ihrer Zielsetzung her dem Bundesrahmenvertrag entsprechen, mithin ebenfalls der Sicherstellung der Arzneimittelversorgung dienen. Die bisher in den Ländern geschlossenen Arzneilieferungsverträge, die im Wesentlichen die Arzneimittelabgabe, die Berechnung der Preise, den Einzug der Zuzahlung des Versicherten, die Rechnungslegung und -begleichung sowie das Verfahren der Datenübermittlung und bei Rechnungsbeanstandungen regeln, sind in diesem Sinne als ergänzende Verträge anzusehen (vgl. etwa Jahn, SGB V, § 129 RdNr. 11.). Gleichwohl lässt der Hinweis auf die Regelung des § 129 Abs. 5b SGB V, die hinsichtlich der Beteiligung von Apotheken an vertraglich vereinbarten Versorgungsformen in Satz 2 auch die Vereinbarung von Maßnahmen zur qualitätsgesicherten Beratung des Versicherten durch die Apotheken vorsieht, ggf. auch den Schluss zu, dass der Gesetzgeber auch die Qualität der Beratung im Kontext des § 129 SGB V gesehen haben könnte. Jedenfalls dürfte die KV damit nicht zwingend als Vertrag im Sinne des § 129 Abs. 4 SGB V zu qualifizieren sein.
Darüber hinaus bestehen auch Bedenken gegen die Annahme, soweit der durch § 129 SGB V vorgegebene Inhalt der danach abzuschließenden Rahmenverträge nicht berührt ist, gelte der im Privatrecht geltende Grundsatz der Vertragsfreiheit. Nach § 69 SGB V regeln das Vierte Kapitel des SGB V sowie §§ 63, 63 SGB V die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände auch zu Apotheken und ihren Verbänden abschließend (Satz 1). Im Übrigen gelten die Vorschriften des BGB entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind (Satz 3). Der Grundsatz der völligen Vertragsfreiheit ist mit der durch die Neufassung des § 69 SGB V zum 1.01.2000 erfolgten Zuweisung sämtlicher Beziehungen der Leistungserbringer zu den Krankenkassen zum öffentlichen Recht kaum in Einklang zu bringen. Gleichwohl ist ein Rechtsverstoß – auch mangels höchstrichterlicher Rechtsprechung – nicht so offensichtlich, dass auf das Erfordernis eines Anordnungsgrundes verzichtet werden könnte.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 23.09.2004
Zuletzt verändert am: 23.09.2004