Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.10.2007 geändert. Der Bescheid vom 06.03.2006 und der Widerspruchsbescheid vom 20.10.2006 sowie der Bescheid vom 07.12.2007 werden aufgehoben. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Umstritten ist, ob Auszahlungen aus einem Versicherungsvertrag der Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung unterliegen.
Der am 00.00.1946 geborene Kläger war bis Ende 2005 bei den in Deutschland stationierten C Streitkräften beschäftigt. Anschließend bezog er Leistungen der Bundesagentur für Arbeit. Für ihn bestand ab 01.01.1969 eine Gruppenversicherung bei der W Lebensversicherungs Aktiengesellschaft (WL-AG), deren Beiträge der C Staat als Arbeitgeber des Klägers trug. Die Versicherungssumme bei Vollendung des 65. Lebensjahres sowie im Todesfall betrug 76.414,- Euro. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Vollendung des 65. Lebensjahres bestand die Möglichkeit, entweder die Versicherung auf eigene Kosten als Einzelversicherung fortzuführen oder die Versicherung nicht fortzusetzen und eine Ablösungsvergütung in bar zu erhalten. Aufgrund der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zum 31.12.2005 erhielt der Kläger, der sich für die Möglichkeit entschieden hatte die Versicherung nicht fortzusetzen, einen Gesamtbetrag in Höhe von 57.161,40 Euro von der WL-AG ausgezahlt. Aufgrund einer entsprechenden Meldung der WL-AG stellte die Beklagte (auch für die Beigeladene handelnd), bei denen der Kläger kranken- und pflegeversichert ist, durch Bescheid vom 06.03.2006 fest, dass die Kapitalzahlung der WL-AG der Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung unterliege. Ab 01.03.2006 habe der Kläger monatlich zur gesetzlichen Krankenversicherung zusätzlich 66,21 Euro und zur Pflegeversicherung 8,10 Euro zu zahlen.
Den dagegen am 16.03.2006 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch den Widerspruchsbescheid vom 20.10.2006 mit der Begründung zurück, dass es sich bei der Kapitalzahlung der WL-AG um beitragspflichtige Versorgungsbezüge i.S.d. § 229 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) handele.
Dagegen hat der Kläger am 14.11.2006 Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die Kapitalzahlung der WL-AG nicht beitragspflichtig sei. Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 06.03.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2006 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, der bei der WL-AG bestehende Gruppenversicherungsvertrag stelle eine Form der betrieblichen Altersversorgung (§ 229 Abs.1 Satz 1 Nr.5 SGB V) dar, so dass die Kapitalzahlungen als Versorgungsbezüge beitragspflichtig seien.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 16.10.2007 abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihm am 29.10.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.11.2007 Berufung eingelegt.
Während des laufenden Berufungsverfahrens hat der Kläger von der WL-AG aus dem Gruppenversicherungsvertrag der Stationierungsstreitkräfte eine weitere Kapitalzahlung in Höhe von 16.796,32 Euro zum 31.08.2007 erhalten. Diese hat die Beklagte (wiederum auch für die Beigeladene handelnd) durch den Bescheid vom 07.12.2007 der Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung unterworfen.
Der Kläger bringt zur Begründung der Berufung vor, dass weder der zunächst an ihn ausgezahlte Betrag in Höhe von 54.172,90 Euro noch der weitere, im Jahre 2007 an ihn ausgezahlte Betrag in Höhe von 16.796,32 Euro als Versorgungsbezug i.S.d. § 229 SGB V qualifiziert werden könne. Er verweist auf die Besonderheiten des für ihn seinerzeit geltenden Tarifvertrages der alliierten Stationierungsstreitkräfte sowie darauf, dass er bei der Auszahlung der ersten Summe gerade erst das 59. Lebensjahr vollendet habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.10.2007 zu ändern und den Bescheid vom 06.03.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2006 sowie den Bescheid vom 07.12.2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 07.12.2007 abzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Darüber hinaus vertritt sie die Ansicht, dass auch der weitere, im Jahre 2007 an den Kläger ausgezahlte Betrag in Höhe von 16.796,32 Euro als beitragspflichtiger Versorgungsbezug zu qualifizieren sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Das Sozialgericht hat die Klage, die sich auf die Aufhebung des Bescheides vom 06.03.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2006 richtete, zu Unrecht abgewiesen. Die gegen den Bescheid vom 07.12.2007 gerichtete Klage – dieser Bescheid ist gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens geworden – ist ebenfalls begründet. Die Beklagte hat auch die weitere Kapitalzahlung in Höhe von 16.796,32 Euro zu Unrecht der Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung unterworfen.
Die Festsetzung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in den angefochtenen Bescheiden ist rechtswidrig. Die Beklagte war nicht berechtigt, gemäß § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und Satz 3, 248 Satz 1 SGB V in der seit dem 01.01.2004 geltenden Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG – Bundesgesetzblatt I 2003, 2190 -) Beiträge auch aus den einmaligen Kapitalleistungen, die die WL-AG an den Kläger gezahlt hat, zu verlangen. Denn diese Zahlungen stellten keine betriebliche Altersversorgung, sondern Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes dar.
Dass die Beklagte die Beiträge auch für die Beigeladene festgesetzt hat, unterliegt keinen durchgreifenden Bedenken. Die Beklagte hat nämlich in den angefochtenen Bescheiden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie auch die Aufgaben der Beigeladenen wahrnehme. Insofern begegnet die Zurechenbarkeit in Konstellationen der vorliegenden Art keinem Zweifel (vgl. BSG Urteil vom 26.01.2005 Az.: B 12 P 9/03 R, juris). Ob die Beklagte aufgrund eines von der Beigeladenen erteilten Auftrages (§§ 88 ff. des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches [SGB X]) tätig geworden ist, kann dahinstehen.
Nach den §§ 232a Abs. 3, 226 Abs. 1 Nr. 3 SGB V wird bei Beziehern von Arbeitslosengeld der Beitragsbemessung der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen zugrunde gelegt. Gemäß § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V gelten als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) Renten der betrieblichen Altersversorgung einschließlich der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst und der hüttenknappschaftlichen Zusatzversorgung. Hierzu gehören auch Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, die aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen Direktversicherung i.S.d. § 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) gezahlt werden (vgl. BSG Urteile vom 12.12.2007 – Az.: B 12 KR 2/07 R -, juris, vom 25.04.2007 – Az.: B 12 KR 25/05 R -, juris und vom 13.09.2006 – Az.: B 12 KR 5/06 R – SozR 4-2500 § 229 Nr. 4). Eine solche Direktversicherung liegt vor, wenn für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen wird und der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistung der Versicherten ganz oder teilweise bezugsberechtigt sind. Eine Zurechnung zur betrieblichen Altersversorgung hat zu erfolgen, wenn die Lebensversicherung die Versorgung des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen im Alter, bei Invalidität oder Tod bezweckt und somit die Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben im Vordergrund steht. Ihren Charakter als Versorgungsbezug verlieren Leistungen einer Lebensversicherung weder dadurch, dass sie ganz oder zum Teil auf Leistungen des Arbeitnehmers beruhen noch dadurch, dass die Beiträge nach Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses allein vom Arbeitnehmer getragen werden.
Diese Voraussetzungen sind hier allerdings nicht erfüllt. Zwar beinhaltete der vom früheren Arbeitgeber des Klägers abgeschlossene Gruppenversicherungsvertrag (ursprünglich auch) die Regelung, dass der Kläger im Falle seines Ausscheidens aus dem Erwerbsleben mit 65 Jahren oder aber im Falle des Todes seine Hinterbliebenen die Versicherungssumme erhalten sollten. Er bezweckte damit die Versorgung des Klägers im Alter bzw. seiner Hinterbliebenen im Falle des Todes des Klägers. Die Zahlungen, die der Kläger von der WL-AG im Jahre 2006 und 2007 erhalten hat, erfolgten aber nicht aufgrund dieser Voraussetzungen sowie zu diesem Zwecke und beruhten auch nicht auf diesen vertraglichen Abreden, sondern vielmehr auf den vertraglichen Vereinbarungen, die allein den Fall des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis und die Folgen für den Versicherungsvertrag regelten. Diese waren anzuwenden, weil das Arbeitsverhältnis des Klägers – wegen des Abzugs der alliierten Streitkräfte – zum 31.12.2005 endete. Deshalb hat der Kläger nämlich auch nicht die Versicherungssumme in Höhe von 76.414 Euro, sondern nur einen niedrigeren Betrag, die sog. Deckungsrückstellung in Höhe von 54.172,90 Euro erhalten. Da somit Rechtsgrund dieser Zahlung aus dem Versicherungsvertrag nicht das altersbedingte Ausscheiden aus dem Erwerbsleben, auch nicht eine Erwerbsminderung oder der Eintritt des Todesfalls gewesen ist, gewinnt diese Zahlung damit allein den Charakter einer Abfindung wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes aufgrund der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses. Es ist eben keiner der von dem Versicherungsvertrag erfassten Versicherungsfälle eingetreten, sondern es ist eine Fallgestaltung (Verlust des Arbeitsplatzes) eingetreten, der nach dem Willen des Arbeitgebers mit einer Zahlung in Höhe der Deckungsrückstellung abgegolten werden sollte. Die Zahlung einer Abfindung wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes stellt aber keinen Versorgungsbezug i.S.d. § 229 SGB V dar.
Nichts anderes gilt im Ergebnis für die dem Kläger im Jahre 2007 ausgezahlte weitere Leistung in Höhe von 17.596,32 Euro. Diese Zahlung wurde nicht aufgrund einer sich aus dem Gruppenversicherungsvertrag ergebenden vertraglichen Verpflichtung der WL-AG gegenüber dem Kläger erbracht, sondern beruhte ausschließlich auf der Entscheidung des belgischen Staats, die an sich ihm zustehende Ausgleichsrückstellung auf die ehemaligen Beschäftigten aufzuteilen. Anknüpfungspunkt hierfür war – wie das Schreiben der WL-AG an die Beklagte vom 28.01.2008 verdeutlicht – wiederum der Verlust des Arbeitsplatzes, so dass sich auch diese Zahlung als eine Abfindung darstellt. Das gleiche würde gelten, wenn man die zweite Zahlung im Jahre 2007 als Annex zu der im Jahre 2006 erbrachten ersten Zahlung begreift, die dann aber auch ihren Rechtscharakter teilt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
Erstellt am: 01.06.2010
Zuletzt verändert am: 01.06.2010