Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 08.04.2016 wird zurückgewiesen. Der Klägerin werden Kosten in Höhe von 500,00 EUR auferlegt. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine Versorgung mit dem Arzneimittel Blopress® 16 mg Plus 12,5 mg (Wirkstoff: Candesartan und Hydrochlorothiazid) ohne Begrenzung auf den Festbetrag.
Die am 00.00.1957 geborene Klägerin ist Mitglied der beklagten Krankenkasse. Wegen ihrer Bluthochdruckerkrankung löste sie am 17.07.2014 ein vom Internisten Dr. H verordnetes Rezept für das Medikament Blopress® 16 mg Plus 12,5 mg in einer Apotheke ein. Hinsichtlich der von ihr hierfür gezahlten 62,69 EUR beantragte sie bei der Beklagten am gleichen Tag Kostenerstattung.
Mit Schreiben vom 28.07.2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass Kosten bei der Versorgung mit einem Arzneimittel ohne Begrenzung auf einen bestehenden Festbetrag nur in einem sogenannten atypischen Ausnahmefall übernommen werden könnten. Dies sei anzunehmen, wenn bei allen zum Festbetrag erhältlichen Arzneimitteln unerwünschte Nebenwirkungen aufträten. Zur Prüfung, ob ein "atypischer Ausnahmefall" vorliege, bedürfe es einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK). Dafür würden weitere, näher aufgeführte Unterlagen benötigt. Die Klägerin erhielt eine Übersicht der zur Verfügung stehenden wirkstoffgleichen Arzneimittel sowie eine Abschrift der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 03.07.2012 – B 1 KR 22/11 R -.
Dagegen wandte sich die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 16.08.2014. Sie habe bereits einige Medikamente mit dem Wirkstoff getestet, die sie sämtlich nicht vertragen habe und die nicht wie nötig auf den Blutdruck gewirkt hätten. Ihr könne nicht zugemutet werden, sämtliche Arzneimittel zum Festbetrag zu testen, da dies binnen kurzer Zeit mit einer lebensgefährlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands verbunden wäre. Im Nachgang legte die Klägerin eine Bescheinigung des Facharztes für innere Medizin Dr. H vom 24.09.2014 vor, der zufolge lediglich das verordnete Bluthochdruck-Medikament gut von der Klägerin vertragen werde und nachhaltig ein gutes Blutdruckverhalten auch in der Langzeitmessung ergebe.
Die Beklagte holte eine sozialmedizinische Stellungnahme des MDK vom 22.10.2014 ein. Demnach gebe es mehrere Medikamente zu Preisen gleich oder unterhalb der Festbetragsgrenze mit identischer Wirkstoffkombination und Dosierung (z.B. von Ratiopharm, Heumann und Zentiva). Aus den vorliegenden Unterlagen gehe nicht hervor, dass diese formal identischen Präparate Nebenwirkungen hervorriefen, die den Schweregrad einer behandlungsbedürftigen Krankheit aufwiesen, oder den Blutdruck in nachvollziehbarer Weise relevant anders beeinflussten als das begehrte Präparat. Auf Grundlage dieser medizinischen Einschätzung lehnte die Beklagte den Kostenübernahmeantrag mit Bescheid vom 28.10.2014 ab.
Die Klägerin legte sodann eine Bescheinigung von Dr. H vom 14.01.2015 vor, in der er ausführt, dass die Behandlung mit Enalapril, und ab 2000 in Kombination mit Pilidat und Dytide nicht suffizient gewesen sei. Die Behandlung mit Generika wie Candesartan und Valsarten nach Auslaufen des Patents von Blopress® 16 mg Plus 12,5 mg habe Nebenwirkungen wie Flash, Übelkeit, Kopfschmerz und Schwindelattacken verursacht.
Die Beklagte holte ein Widerspruchsgutachten des MDK vom 03.02.2015 ein. Dieser konnte nicht nachvollziehen, dass alle zur Verfügung stehenden Arzneimitteloptionen auf Festbetragsniveau nicht in Betracht kämen. Kopien von ärztlichen Meldungen über Nebenwirkungen oder unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) an die für die Pharmakovigilanz in Deutschland zuständigen Stellen (BfArM, AkdÄ) seien in den Unterlagen nicht enthalten. Auch sei nicht mitgeteilt worden, bei welchen Generika die angegebenen Nebenwirkungen aufgetreten seien. Die Angaben ließen den Schluss zu, dass nicht sämtliche zum Festbetrag zur Verfügung stehenden Arzneimittel zum Einsatz gekommen seien. Auch fehlten Angaben, ob ärztlicherseits der Versuch unternommen worden sei, bei Wirkstoffgleichheit für die UAW am ehesten ursächlichen pharmazeutischen Hilfsstoffe herauszufinden und bei der Medikamentenauswahl zu berücksichtigen. Es sei keine Behandlungssituation zu erkennen, in der die Versorgung mit einem im Preis über das Festbetragsniveau hinausgehenden Medikament medizinisch zwingend erforderlich erscheine. Auf Grundlage dessen wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.2015 als unbegründet zurück.
Mit ihrer Klage vom 11.06.2015 hat die Klägerin sowohl die Kostenerstattung für das Arzneimittel Blopress® 16 mg Plus 12,5 mg für die Vergangenheit (57,69 EUR) als auch die Versorgung für die Zukunft durch Sachleistung oder Kostenerstattung beansprucht. Nachdem bei mehreren Medikamenten Gesundheitsschäden aufgetreten seien, sei der Test aller möglichen Alternativen am lebenden "Versuchsmenschen" nicht mit dem Gesetz vereinbar. Die finanziellen Interessen der Gesetzlichen Krankenversicherung über die körperliche Unversehrtheit und die Menschenwürde zu stellen, sei nicht verfassungsgemäß. Sie habe Behandlungen mit den Alternativpräparaten Moxonidin, Cynt, Nifedipin sowie diversen Satanen versucht. Dabei sei es zu erheblichen Unverträglichkeiten, insbesondere zu Flushs, Erbrechen und Diarrhoen sowie intermittierend auftretenden Tachykardien gekommen. Hierzu hat sie eine weitere ärztliche Bescheinigung von Dr. H vom 20.08.2015 vorgelegt. Um eine hypertensive Krise, die zu Lebensgefahr führen könne, zu vermeiden, sei eine Behandlung mit dem Originalpräparat Blopress® 16 mg Plus 12,5 mg plus erforderlich. Es sei nicht Sinn einer Krankenversicherung, dass die Klägerin 45 Medikamente (und damit ca. 90 Wochen) testen müsse und dabei das Risiko von Nebenwirkungen und Unwirksamkeit gegen Bluthochdruck eingehen solle.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung der Bescheide vom 28.07.2014 und 28.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2015, der Klägerin die Kosten für das Arzneimittel Blopress® 16 mg Plus (12,5 Tabletten, N3 Packung, 98 Stück) in Höhe von 57,69 EUR zu erstatten und auch in Zukunft die Versorgung für dieses Arzneimittel durch Erstattung oder in Naturalleistung sicherzustellen, wenn dieses Medikament durch einen behandelnden Arzt verschrieben wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid und das Urteil des BSG vom 03.07.2012 – B 1 KR 22/11 R – verwiesen. Ergänzend hat sie vorgetragen, dass die Festbetragsgruppe 3, in der Blopress® 16 mg Plus 12,5 mg gelistet sei, 45 Arzneimittel umfasse, von denen 16 den Festbetrag nicht überschritten. Sämtliche Arzneimittel hätten die gleichen Wirkstoffe Candesartan cilexetil 16 mg und Hydrochlorothiazid 12,5 mg. Daneben enthielten sie verschiedene Hilfsstoffe ohne pharmazeutische Wirkung. Eine Unzumutbarkeit im Hinblick auf eine Alternativversorgung sei nicht gegeben, da jedenfalls das Generikum Candecor comp. 16 mg/12,5 mg zum Festbetrag erhältlich und auch bezüglich der Hilfsstoffe mit dem Arzneimittel Blopress® 16 mg Plus 12,5 mg nahezu identisch sei.
Das Sozialgericht (SG) Duisburg hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 08.04.2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es unter Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 03.07.2012 – B 1 KR 22/11 R – im Wesentlichen ausgeführt, dass im Fall der Klägerin kein atypischer Ausnahmefall vorliege, in dem – trotz Gewährleistung einer ausreichenden Arzneimittelversorgung durch die Festbetragsfestsetzung im Allgemeinen – aufgrund der ungewöhnlichen Individualverhältnisse keine ausreichende Versorgung zum Festbetrag möglich sei. Das wäre nur der Fall, wenn die zum Festbetrag erhältlichen Arzneimittel unerwünschte Nebenwirkungen verursachten, die über bloße Unannehmlichkeiten oder Befindlichkeitsstörungen hinausgingen und damit die Qualität einer behandlungsbedürftigen Krankheit erreichten. Die Klägerin habe nach den Ausführungen des MDK auf eine Vielzahl in Dosis und Zusammensetzung nahezu identischer Generika ausweichen können. Jedenfalls bei dem Generikum Candecor comp. 16 mg/12,5 mg, welches auch bezüglich der Hilfestoffe mit dem Arzneimittel Blopress® 16 mg Plus 12,5 mg nahezu identisch sei, sei von einem zumutbaren Alternativpräparat zum Festbetrag auszugehen. Die Klägerin habe diese Behandlungsalternative nach eigenen Angaben nicht ausgetestet. Etwaige Nebenwirkungen, welche die Klägerin früher mit anderen Alternativpräparaten erfahren haben wolle, seien mangels Austestung des Medikaments Candecor ohne Belang. Wenn Dosis, Wirkstoffe und auch – jedenfalls für das Generikum Candecor – Hilfsstoffe identisch seien wie bei Blopress® 16 mg Plus 12,5 mg, seien signifikante Nebenwirkungen nicht zu erwarten. Jedenfalls eine Austestung unter fachärztlicher Begleitung sei möglich und zumutbar. Das BSG habe im Übrigen bereits entschieden, dass "alle zum Festbetrag in Betracht kommenden Arzneimittelalternativen ( …) erfolglos ausgeschöpft" werden müssten.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 18.04.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 13.05.2016 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt sie ihr Vorbringen aus erster Instanz. Ergänzend legt sie eine weitere ärztliche Bescheinigung von Dr. H vom 12.12.2016 vor. Demnach seien bei Nichteinnahme von Blopress® 16 mg Plus 12,5 mg Sekundärschäden wie Apoplexie, Niereninfarkt und Myokardinfarkt nicht auszuschließen, weil andere Präparate mit blutdrucksenkender Komponente nach sehr langer Prüfung keinen Effekt gezeigt hätten.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 08.04.2016 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.05.2015 zu verurteilen, sie zukünftig abzüglich der gesetzlichen Zuzahlung mit dem Arzneimittel Blopress® 16 mg Plus ohne Beschränkung auf den Festbetrag zu versorgen, wenn dieses Medikament ihr durch einen behandelnden Vertragsarzt verschrieben wird, sowie ihr 57,69 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Die Übersicht über die für die Klägerin abgerechneten Medikamente in der Zeit 01.01.2015 bis 29.08.2016 ergebe, dass Blopress® 16 mg Plus 12,5 mg weiterhin nur einmal im Halbjahr ärztlich verordnet werde (1 Packung, 98 Tabletten – ½ Tablette pro Tag).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte sie mit dem Arzneimittel Blopress® 16 mg Plus 12,5 mg ohne Mehrkosten versorgt.
1. Rechtsgrundlage des Anspruchs gegen die Beklagte auf zukünftige festbetragsfreie Arzneimittelversorgung mit Blopress® 16 mg Plus 12,5 mg als Naturalleistung ist § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 31 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).
Die gesetzliche Krankenkasse trägt in den Fällen, in denen – wie hier – für ein Arzneimittel wirksamen ein Festbetrag festgesetzt worden ist, grundsätzlich – abgesehen von der Zuzahlung (§ 31 Abs. 3 SGB V) – die Kosten bis zur Höhe dieses Betrages (§ 31 Abs. 2 Satz 1-5 SGB V). Mit der Zahlung des Festbetrages erfüllt die Krankenkasse in diesen Fällen ihre gesetzliche Leistungspflicht gegenüber den Versicherten (§ 12 Abs. 2 SGB V). Zutreffend hat das Sozialgericht unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 03.07.2012 – B 1 KR 22/11 R -) ausgeführt, dass die Voraussetzungen, unter denen in atypischen Ausnahmefällen die Leistungsbeschränkung auf den Festbetrag nicht greifen, hier nicht erfüllt sind, weil nicht feststeht, dass die Erkrankung der Klägerin ausschließlich mit dem Arzneimittel Blopress® 16 mg Plus 12,5 mg medikamentös behandelt werden kann.
Versicherte können Vollversorgung mit Arzneimitteln ohne Begrenzung auf den hierfür festgesetzten Festbetrag nur beanspruchen, wenn aufgrund ungewöhnlicher Individualverhältnisse keine ausreichende Versorgung zum Festbetrag möglich ist. Das ist der Fall, wenn bei ihnen die zu einem Preis bis zur Höhe des Festbetrags erhältlichen Arzneimittel mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Nebenwirkungen im Ausmaß einer behandlungsbedürftigen Krankheit verursachen. Ob Arzneimittel mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Nebenwirkungen verursachen, beurteilt sich nach der im Sozialrecht maßgeblichen Theorie der wesentlichen Bedingung. Dabei ist das objektivierbar gesicherte Hinzutreten einer neuen Krankheit oder die Verschlimmerung einer bestehenden Krankheit nach der Verabreichung eines Festbetragsarzneimittels in einem Behandlungsbedürftigkeit begründenden Ausmaß erste Voraussetzung dafür, dass überhaupt ein Anspruch auf Vollkostenübernahme eines anderen, in die Festbetragsgruppe einbezogenen, den Festbetrag überschreitenden Arzneimittels in Betracht kommt. Diese Umstände müssen im Sinne des Vollbeweises nach den Regeln der ärztlichen Kunst gesichert sein. Der erforderliche kausale Zusammenhang zwischen Arzneimittelanwendung und unerwünschter Nebenwirkung im Ausmaß einer behandlungsbedürftigen Krankheit oder einer Verschlimmerung muss auch hinsichtlich aller anderen Festbetragsarzneimittel mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bestehen. Notwendige Bedingung dafür, dass die Festbetragsgrenze im Einzelfall infolge der inneren Begrenzung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs. 1 SGB V) entfällt, ist nämlich grundsätzlich, dass der Arzt unter Beachtung der allgemein anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst dem Versicherten die in Betracht kommenden, zum Festbetrag erhältlichen und nach ihrer Wirkungsweise therapeutisch geeigneten Arzneimittel verordnet und der Versicherte die verordneten Arzneimittel über einen therapeutisch relevanten Zeitraum hinweg auch tatsächlich in vorgeschriebener Weise anwendet (BSG, Urteil vom 03.07.2012 – B 1 KR 22/11 R -; Beschluss vom 25.01.2017 – B 1 KR 8/16 BH -).
Als Alternative zu Blopress® 16 mg Plus 12,5 mg existieren zugelassene Arzneimittel auf dem Markt, mit denen die Bluthochdruckerkrankung der Klägerin behandelt werden kann und bei deren Einsatz für die Klägerin keine Mehrkosten anfallen würden. So sind in der Festbetragsliste (vgl. http://www.dimdi.de/static/de/amg/festbetraege-zuzahlung/festbetraege/index.htm) mehrere Medikamente mit identischen Wirkstoffen in gleicher Dosierung wie in Blopress® 16 mg Plus 12,5 mg gelistet. Bereits im Verwaltungsverfahren (Schreiben der Beklagten vom 28.07.2014) wurde die Klägerin darauf hingewiesen, welche Arzneimittel mit gleicher Wirkstoffkombination zum Festbetrag erhältlich sind. Zudem hat die Beklagte während des erstinstanzlichen Verfahrens darauf hingewiesen, dass das zum Festbetrag erhältliche Generikum Candecor comp. 16 mg/12,5 mg zum Festbetrag erhältlich und nicht nur bezüglich der Wirkstoffe gleich, sondern auch hinsichtlich der Hilfsstoffe nahezu identisch mit dem von der Klägerin eingenommenen Medikament ist.
Die somit zur Verfügung stehenden Therapiealternativen hat die Klägerin nicht ausprobiert, so dass nicht durch Heilversuche bewiesen ist, dass die zum Festbetrag erhältlichen Alternativen unerwünschte Nebenwirkungen verursachen, die über bloße Unannehmlichkeiten oder Befindlichkeitsstörungen hinausgehen und damit die Qualität einer behandlungsbedürftigen Krankheit im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V erreichen.
Die Klägerin hat nach den Bescheinigungen von Dr. H nur Moxonidin, Cynt, Nifedipin sowie "diverse Satane" (näher bezeichnet wurden nur zwei) ausprobiert. Ob die Klägerin objektiv unerwünschte Nebenwirkungen unter der Behandlung mit diesen Mitteln erlitten hat, kann dahinstehen. Der behandelnde Arzt hat insofern in seiner Bescheinigung vom 20.08.2015 nur angegeben, dass bereits die "Präparate Moxonidin, Cynt sowie diverse Satane versucht und für nicht verträglich empfunden" wurden. Damit hat er keine nach objektiven Kriterien festgestellten UAW bestätigt. Das subjektive Empfinden ist jedoch nicht ausreichend. Auch aus den anderen Bescheinigungen ergibt sich nicht, dass der behandelnde Arzt die Nebenwirkungen selbst festgestellt (oder gar an die zuständigen Stellen gemeldet) hätte. Vielmehr sind die ärztlichen Bescheinigungen widersprüchlich. So hat Dr. H am 14.01.2015 angegeben, die Klägerin habe bis 2008 Cynt zusätzlich zu Blopress® 16 mg Plus 12,5 mg genommen, Cynt habe dann weggelassen werden können. Demgegenüber heißt es in der Bescheinigung vom 20.08.2015, u.a. Cynt sei für nicht verträglich empfunden worden. Entweder hat Dr. H der Klägerin über Jahre ein als nicht verträglich empfundenes Medikament verschrieben oder eine der beiden Bescheinigungen ist unzutreffend. In der Bescheinigung vom 14.01.2015 hat Dr. H außerdem angegeben, die Klägerin habe Candesartan und Valsartan ausprobiert und nicht vertragen. Vor dem Hintergrund, dass Candesartan Bestandteil vom Blopress® 16 mg Plus 12,5 mg ist, ist diese Angabe jedenfalls ohne weitere Erläuterung unverständlich. In der Bescheinigung vom 12.12.2016 heißt es dann schließlich, andere Präparate mit blutdrucksenkender Komponente hätten nach sehr langer Prüfung keinen Effekt gezeigt. Von Unverträglichkeiten ist hier gar nicht mehr die Rede. Jedenfalls gehören die nach den Angaben von Dr. H von der Klägerin getesteten Medikamente nicht zur gleichen Festbetragsgruppe wie Blopress® 16 mg Plus 12,5 mg: Cynt ist gar nicht in der Festbetragsliste enthalten, Moxonidin und Nifedipin gehören zu anderen Festbetragsgruppen. Auch Candesartan und Valsartan sind nicht vergleichbar. Bei den Festbetragsgruppen gibt es verschiedene Stufen: Arzneimittel mit denselben Wirkstoffen (Stufe 1), Arzneimittel mit pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen, insbesondere mit chemisch verwandten Stoffen (Stufe 2) und Arzneimittel mit therapeutisch vergleichbarer Wirkung, insbesondere Arzneimittelkombinationen (Stufe 3). Candesartan und Valsartan gehören zur Stufe 2 und nicht – wie Blopress® 16 mg Plus 12,5 mg – zur Stufe 3. Es ist somit nicht einmal vorgetragen, dass die Klägerin auch nur ein vergleichbares Arzneimittel aus der Festbetragsgruppe getestet habe. Dies wäre ihr durchaus zumutbar. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass ein Arzneimittel mit gleichen Wirkstoffen in gleicher Dosierung bei der Klägerin – wie in der Bescheinigung vom 12.12.2016 von Dr. H für "andere Präparate" behauptet – keinen Effekt zeigen würden. Vor allem hat die Beklagte ein zum Festbetrag erhältliches Medikament mit den gleichen Wirkstoffen und nahezu identischen Hilfsstoffen benannt. Ein Versuch mit diesem Medikament für einen therapeutisch relevanten Zeitraum ist der Klägerin durchaus zuzumuten.
Auch mit ihren weiteren Einwendungen kann die Klägerin nicht durchdringen. Die Festbetragsregelung des § 31 SGB V ist verfassungsgemäß (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 17.12.2002 – 1 BvL 28/95 -) und der Festbetrag für Blopress® 16 mg Plus 12,5 mg ist wirksam festgesetzt worden (§ 31 Abs. 2, 35 Abs. 3 SGB V, § 39 SGB X). Die Klägerin hat die einzelnen Festbetragsfestsetzungen nicht unmittelbar angefochten (§ 35 Abs. 7 SGB V; s. dazu BSG, Urteil vom 01.03.2011 – B 1 KR 10/10 R -), eine Inzidenterkontrolle der Festbetragsfestsetzung in diesem Verfahren findet nicht statt.
Soweit die Klägerin im Zusammenhang mit dem ihr zugemuteten Ausprobieren eines alternativen Medikaments von mit dem Grundgesetz unvereinbaren "Menschenversuchen" spricht, ist dies nicht nachvollziehbar. Die fraglichen von ihr auszuprobierenden Arzneimittel sind nach dem Arzneimittelgesetz zugelassen und entsprechend auch klinisch erprobt. Die Wirksamkeit und Verträglichkeit eines Arzneimittels beim einzelnen betroffenen Patienten muss sich selbstverständlich im konkreten Einsatz erweisen.
2. Daran anknüpfend hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Erstattung der ihr entstandenen Kosten für die Vergangenheit nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V. Denn der Anspruch auf Kostenerstattung für die Vergangenheit reicht nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte und zukünftig zu beschaffende Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr; BSG, Urteil vom 24.09.1996 – 1 RK 33/95 -, Urteil vom 03.07.2012 – B 1 KR 22/11 R – m.w.N.).
3. Die Entscheidung, der Klägerin Verschuldenskosten aufzuerlegen, beruht auf § 192 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Nach dieser Vorschrift kann das Gericht im Urteil einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden in einem Termin die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Ein Missbrauch liegt vor, wenn die Rechtsverfolgung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss. Diese Auslegung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur in § 34 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) geregelten Missbrauchsgebühr (BVerfG, Beschluss vom 06.11.1995 – 2 BvR 1806/95 -). Die Rechtsprechung des BVerfG ist auch zur Auslegung des § 192 SGG heranzuziehen, denn der Gesetzgeber hat die Konzeption des § 34 Abs. 2 BVerfGG auf § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG übertragen (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.01.2010 – L 11 KR 80/07 -).
Die Voraussetzungen des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG liegen vor. Die Klägerin ist im Termin zur mündlichen Verhandlung unter Erörterung der Rechtsprechung des BSG darauf hingewiesen worden, dass wegen Aussichtslosigkeit der Berufung die weitere Rechtsverfolgung als missbräuchlich angesehen wird. Der Vorsitzende hat der Klägerin dargelegt, dass die Voraussetzungen dafür, einen "atypischen Ausnahmefall" im Sinne des – im Einzelnen erörterten – Urteils des BSG vom 03.07.2012 – B 1 KR 22/11 R – annehmen zu können, nicht vorlägen. Insbesondere habe die Klägerin kein (einziges) Blopress® 16 mg Plus 12,5 mg vergleichbares Medikament (zum Festbetrag) mit gleicher Wirkstoffkombination getestet. Schon aus diesem Grunde könne die Berufung keine Aussicht auf Erfolg haben. Im Übrigen scheitere die Berufung an anderen, näher dargelegten Gründen. Insoweit erachte der Senat die Fortführung des Verfahrens als missbräuchlich. Der Senat erwäge deshalb, bei Weiterverfolgung der Berufung Verschuldenskosten gegen die Klägerin zu verhängen. Die Klägerin hat bekundet, ungeachtet der Hinweise auf ein Urteil zu bestehen. Dieses Verlangen stellt eine rechtsmissbräuchliche Rechtsverfolgung dar. Darauf und auf die Auferlegung von Verschuldenskosten bei Fortführen des Verfahrens ist die Klägerin hingewiesen worden. Die Verhängung von Verschuldenskosten war geboten, um die Gemeinschaft der Steuerzahler vor einer missbräuchlichen Ausnutzung der grundsätzlichen Kostenfreiheit des sozialgerichtlichen Verfahrens zu schützen.
Der Höhe nach hat der Senat einen Betrag von 500,00 EUR für angemessen gehalten (§ 202 SGG i.V.m. § 287 Zivilprozessordnung). Dieser Betrag liegt zwar über dem festzusetzenden Mindestbetrag von 225,00 EUR (§ 192 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 184 Abs. 2 SGG), aber noch weit unter den Kosten, die der Landeskasse durch das Verhalten der Klägerin tatsächlich entstanden sind (vgl. u.v.a. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.01.2010 – L 5 KR 144/09 -).
Die weitere Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 25.09.2017
Zuletzt verändert am: 25.09.2017