Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 26.02.2010 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die beigeladene Ehefrau des Klägers nach einer Befreiung von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner – KVdR – Anspruch auf Fortsetzung der Familienversicherung mit Teilkostenerstattung (§ 14 Abs. 1, 2 S. 2 SGB V) hat.
Der Kläger war Dienstordnung-Angestellter (DO-Angestellter) bei der Beklagten. Seit September 1963 ist er bei der Beklagten freiwillig krankenversichert, seit dem 01.01.2005 befindet er sich im Ruhestand. Seit Juli 1989 hat der Kläger sich für die Teilkostenerstattung gem. § 14 SGB V entschieden (§ 14 Abs. 2 S. 1 SGB V).
Die Beigeladene war bis zum 21.03.2007 über den Kläger bei der Beklagten familienversichert und nahm gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 SGB V an der Teilkostenerstattung teil. Seit dem 22.03.2007 ist die Beigeladene als Rentnerin in der KVdR pflichtversichert. Sie bezieht eine Rente in Höhe von ca. 136 Euro monatlich, der Versicherungsbeitrag zur KVdR beträgt ca. 15 Euro monatlich.
Der Kläger bat im April 2007 um Prüfung, ob im Falle der Befreiung der Beigeladenen von der Pflichtversicherung in der KVdR die Familienversicherung mit Teilkostenerstattung fortgeführt werden könne und beantragte diese Befreiung "vorsorglich".
Mit Bescheid vom 15.08.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, für den Fall, dass eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der KVdR ausgesprochen werde, sei eine Familienversicherung für die Beigeladene gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V ausgeschlossen.
Hiergegen erhob der Kläger am 19.09.2007 Widerspruch und beantragte (nach einem Hinweis der Beklagten darauf, dass es sich bei dem Schreiben vom 15.08.2007 nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt habe) mit Schreiben vom 15.10.2007 erneut, seine Ehefrau mit Wirkung vom 22.03.2007 unter gleichzeitiger Rückführung in die Familienversicherung mit Teilkostenerstattung von der KVdR zu befreien.
Mit Bescheid vom 13.11.2007 und Widerspruchsbescheid vom 28.11.2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Sie sah für das Begehren des Klägers keine Rechtsgrundlage.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 20.12.2007 erhobene Klage, mit der der Kläger sein Begehren auf Rückführung der Beigeladenen in die Familienversicherung mit Teilkostenerstattung nach Befreiung von der KVdR weiter verfolgt. Die dem entgegenstehende Vorschrift des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V dürfe im Falle der Teilkostenerstattung nicht wortgetreu ausgelegt werden. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass nicht eine Aufnahme der Beigeladenen in die mit eigenem Anspruchsrecht und vollem Leistungsinhalt ausgestattete Familienversicherung angestrebt werde, sondern eine Rückkehr in die mit Beihilfeansprüchen des Stammversicherten verknüpfte und damit leistungsmäßig nur rudimentär ausgestattete Teilkosten-Familienversicherung. Wegen der mit der Entstehungsgeschichte zu begründenden besonderen Art dieses Versicherungsverhältnisses sei die Regelung des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V nicht nur nach dem strengen Wortsinn auszulegen. Die Rückführung in die Familienversicherung sei auch unter dem Aspekt des Bestandsschutzes geboten, denn eine Befreiung von der KVdR-Versicherungspflicht ohne Rückkehr in die Familienversicherung führe aufgrund erheblicher Einschränkungen der Beihilfeansprüche zu einer Versorgungslücke. Schließlich hat der Kläger geltend gemacht, dass die Versicherungszeit einer nach § 14 Abs. 2 S. 2 SGB V auf die Teilkostenerstattung beschränkten Familienversicherung nicht als Vorversicherungszeit zur Begründung der KVdR-Pflichtversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V gelten könne.
Das Sozialgericht ist im schriftlichen Verfahren von folgendem Klageantrag ausgegangen:
"unter Aufhebung der Bescheide der Beklagten vom 15.08.2007 sowie vom 13.11.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2007 festzustellen,
a) dass die Beigeladene nach erfolgter Befreiung von der Versicherungspflicht in der KVdR Anspruch auf Rückführung in die Familienversicherung mit Teilkostenerstattung hat und
b) dass die nach § 10 iVm § 14 SGB V zurückgelegten Versicherungszeiten der Beigeladenen nicht als Vorversicherungszeiten nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V anrechnungsfähig sind."
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat insbesondere auf § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V verwiesen. Auch wenn lediglich eine Teilkostenerstattung nach § 14 SGB V begehrt werde, sei eine einschränkende Auslegung dieser Vorschrift nicht geboten. Die Befreiung von der Versicherungspflicht und die Inanspruchnahme des Schutzes durch die Familienversicherung seien miteinander unvereinbar.
Das Sozialgericht Duisburg hat mit Urteil vom 26.02.2010 – mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung – die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.
Gegen diese dem Kläger am 09.03.2010 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 31.03.2010 erhobene Berufung des Klägers.
Die Beteiligten wiederholen und vertiefen ihre bisherigen Ausführungen. Der Kläger meint ergänzend, der Umstand, dass die Familienversicherung der Beigeladenen auf seiner freiwilligen Versicherung beruht und er als Pensionär nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 SGB V versicherungsfrei ist, begründe den Hilfsantrag.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 26.02.2010 abzuändern und unter Aufhebung der Bescheide vom 15.08.2007 und 13.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2007 festzustellen, dass die Beigeladene nach erfolgter Befreiung von der Versicherungspflicht in der KVdR in die Familienversicherung mit Teilkostenerstattung zurückzuführen ist,
hilfsweise
festzustellen, dass die nach §§ 10, 14 SGB V zurückgelegten Versicherungszeiten der Beigeladenen nicht als Vorversicherungszeiten nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V anrechnungsfähig sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.
Die Klage ist als Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig. Mit der Feststellung, dass die Beigeladene nach erfolgter Befreiung von der Versicherungspflicht in der KVdR ihre auf Teilkostenerstattung reduzierte Familienversicherung fortsetzen kann, hilfsweise dass die auf Teilkostenerstattung reduzierte Familienversicherung nicht als Vorversicherungszeit für eine KVdR-Versicherungspflicht anzurechnen ist, begehrt der Kläger neben der Aufhebung der Ablehnungsbescheide (§ 54 Abs. 1 SGG) zugleich mit berechtigtem Interesse die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines (im Falle des Hauptantrages zukünftigen) Rechtsverhältnisses im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG (zur Zulässigkeit der Feststellungsklage bei Feststellung der Familienversicherung vergl. BSG, Urteil vom 29.6.1993 – 12 RK 48/91; zur Feststellung künftiger Rechtsverhältnisse im Rahmen der Feststellungsklage näher Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 55 Rnr. 8 b).
Der Kläger ist befugt, Rechte aus einer Familienversicherung im eigenen Namen geltend zu machen (vgl. hierzu nur BSG, Urteil vom 23.10.1996 – 4 RK 1/96). Da der hilfsweise geltend gemachte Feststellungsanspruch unmittelbar auf eine Wiederherstellung des bis zum 21.03.2007 bestehenden Versicherungsverhältnisses nach § 10 SGB V abzielt, ist der Kläger auch insoweit befugt, diesen Anspruch im eigenen Namen geltend zu machen.
Die Beklagte hat zu Recht abgelehnt, die Feststellung zu treffen, dass die Beigeladene nach Befreiung von der Versicherungspflicht (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 SGB V) in der Familienversicherung in Form der Teilkostenerstattung gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 SGB V versichert werden kann. Dem steht § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V entgegen. Hiernach ist der Ehegatte nur dann als Familienangehöriger versichert, wenn er nicht versicherungsfrei oder nicht von der Versicherungspflicht befreit ist. Würde die Beigeladene gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 4 SGB V von der Versicherungspflicht befreit, wäre dieses negative Tatbestandsmerkmal erfüllt.
Der Wortlaut von § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V ist eindeutig und insoweit einer sich im Rahmen der Textinterpretation bewegenden Auslegung nicht zugänglich. Das vom Kläger erstrebte Ergebnis – Nichtanwendung von § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V, wenn "lediglich" Teilkostenerstattung gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 SGB V begehrt wird – lässt sich methodisch nicht begründen. Eine entsprechende Auslegung bzw. Rechtsfortbildung wäre allenfalls im Wege der teleologischen Reduktion möglich. Hiermit wird – ausgehend von Sinn und Zweck einer Rechtsnorm – die Rechtsfolge einer Norm nicht angewendet, obwohl der Wortsinn der Norm den Sachverhalt unzweifelhaft erfasst. Die Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Norm muss hierbei ergeben, dass ein Gesetzestext planwidrig zu weit geraten ist (näher Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Auflage, S. 377).
Im vorliegenden Fall müsste damit angenommen werden können, dass Sinn und Zweck von § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V gebieten, den Zugang zur Familienversicherung auch bei Befreiung von der Versicherungspflicht zu ermöglichen, wenn lediglich Teilkostenerstattung begehrt wird. Für eine derartige Auslegung gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Sinn und Zweck von § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V ist, dass derjenige, der in einer bestimmten Beschäftigung oder Tätigkeit versicherungsfrei ist oder sich durch eine Befreiung von der gesetzlichen Krankenversicherung gelöst hat, des Krankenversicherungsschutzes als Angehöriger nicht bedarf bzw. diesen Schutz nicht mehr verdient (Peters, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 10 SGB V Rnr. 12). Dieser Normzweck greift auch dann, wenn eine Person eine Befreiung von der KVdR-Pflichtversicherung vornimmt, um allein dadurch in den Schutz der Familienversicherung in Form der Teilkostenerstattung zu gelangen. Mit der Gewährung einer Rentenleistung aus eigener Versicherung ist die Schutzbedürftigkeit eines Versicherungspflichtigen im Hinblick auf das Bestehen von Krankenversicherungsschutz entfallen, so dass es der Einbeziehung in den Schutz der Familienversicherung nicht mehr bedarf.
Auch die Entstehungsgeschichte sowie der Normzweck von § 14 SGB V gebieten kein anderes Ergebnis. Mit der Einführung dieser Vorschrift ist den Krankenkassen die Möglichkeit eingeräumt worden, den bei ihnen versicherten Beschäftigten Versicherungsschutz zu bieten, der berücksichtigt, dass sie zugleich beihilfeberechtigt sind. Grund für die Einführung dieser Vorschrift war, dass die Krankenversicherungsträger ein beachtenswertes Interesse daran haben, dass ihre DO-Angestellten und Beamten zur Erhaltung der Betriebsverbundenheit und Vermeidung von Loyalitätskonflikten bei ihnen versichert sind (LSG Berlin, Urteil vom 15.10.2003 – L 15 KR 492/01; Höfler, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungrecht, § 14 SGB V Rnr. 2). Auch eine auf dieser Basis beruhende Familienversicherung – wie sie bei der Beigeladenen bis zum 21.03.2007 bestand – ist nicht vorrangig gegenüber der KVdR-Pflichtversicherung. Vielmehr entsteht gerade dann kein Loyalitätskonflikt, wenn für die Familienangehörigen eines DO-Angestellten eine anderweitige gesetzliche Krankenversicherungspflicht eintritt.
Auch der Hilfsantrag ist nicht begründet. Auch insoweit gilt, dass der Wortlaut von § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V eindeutig ist; wer die dort genannten Vorversicherungszeiten im Rahmen der Familienversicherung erfüllt hat, ist in der KVdR pflichtversichert. Gründe dafür, den Anwendungsbereich dieser Norm im Rahmen der teleologischen Reduktion zu beschränken, sind auch für den Fall, dass die Familienversicherung lediglich eine Teilkostenerstattung nach § 14 SGB V beinhaltet hat, nicht ersichtlich.
Auch der Umstand, dass die Familienversicherung der Beigeladenen auf der freiwilligen Versicherung des Klägers beruht und dieser als Pensionär nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 SGB V versicherungsfrei ist, begründet den Hilfsantrag in Ermangelung einer entsprechenden Rechtsgrundlage nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Erstellt am: 25.05.2011
Zuletzt verändert am: 25.05.2011