Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 06.04.2011 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf Übernahme der Kosten einer operativen beidseitigen Brustverkleinerung (Mammareduktionsplastik (MRP)) hat.
Die 1965 geborene Klägerin beantragte am 13.01.2005 erstmals die Übernahme der Kosten einer MRP, weil sich ihre Brüste erheblich vergrößert hätten und sie Beschwerden in Form von Rückenschmerzen, Einschneiden der Büstenhalterträger und Wundschwitzen unterhalb der Brust habe. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit bindend gewordenem Bescheid vom 21.06.2005 ab. Sie stützte ihre Entscheidung auf ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Nordrhein (MDK) vom 23.06.2005, in welchem empfohlen worden war, dass die Klägerin, die ein erhebliches Übergewicht mit einem BMI von 30,5 aufweise (171 cm Körpergröße bei einem Körpergewicht von 88 kg) vor einer etwaigen MRP ein Ziel-Soll-Gewicht von 72 kg erreicht sollte.
Am 04.09.2007 legte die Klägerin eine ärztliche Bescheinigung der Chefärztin des Brustzentrums der Universitätsklinik L, Dr. T, vom 17.08.2007 vor, in der für die jetzt 90 kg schwere Klägerin eine MRP empfohlen wurde. Der erneute befragte MDK blieb bei seiner Auffassung, dass zunächst eine Gewichtsnormalisierung erforderlich sei. Daraufhin trug die Klägerin vor, sie habe bereits an Gewicht verloren. Die MRP solle nicht aus kosmetischen Gründen erfolgen, sondern weil sie Schmerzen habe und täglich leide, da ihre Bewegungsfreiheit eingeschränkt sei. Zur weiteren Begründung legte sie eine ärztliche Bescheinigung des Internisten E1 vor, wonach neben Rückenschmerzen eindeutig auch psychologische Faktoren die MRP notwendig machten. Der nochmals beauftragte MDK gelangte durch Dr. N in einem weiteren Gutachten vom 01.04.2008 zu dem Ergebnis, dass ohne präoperative Gewichtsnormalisierung aus den bereits im Vorgutachten genannten Gründen die Befürwortung einer Operation nicht möglich sei. Im Übrigen seien die ambulanten Maßnahmen bezüglich einer Schmerzreduzierung durch Physiotherapie in keiner Weise ausgeschöpft. Die Klägerin habe im letzten Jahr keinerlei Maßnahmen ergriffen, die Muskulatur aufzubauen. Eine psychische/psychiatrische Indikation für eine derartige Operation gebe es nicht; hier seien die Maßnahmen der Psychotherapie/Psychiatrie zu ergreifen. Gestützt auf dieses Gutachten lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 17.04.2008 ab. Den Widerspruch der Klägerin, die eine ärztliche Bescheinigung des behandelnden Orthopäden A vom 12.06.2007 vorlegte, wonach aus orthopädischen Gründen die Durchführung einer MRP indiziert sei, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.2009 als unbegründet zurück.
Mit ihrer zum Sozialgericht Köln (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt: Bei der Entlastung der Wirbelsäule durch die Verkleinerung der Brust sei von einer Verbesserung des Beschwerdebildes auszugehen. Die Operation würde jedenfalls zu einer Linderung der seit Jahren bestehenden Beschwerden führen. Die empfohlenen krankengymnastisch-therapeutischen Maßnahmen seien bereits verordnet worden, sie führe diese Maßnahmen auch zuhause ständig fort, ohne dass dies zu einer Verbesserung des Beschwerdebildes geführt hätte. Außerdem habe sie inzwischen an Gewicht verloren.
Das SG hat Beweis erhoben und ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt von dem Orthopäden Dr. N1, L. In seinem nach ambulanter Untersuchung erstellten Gutachten vom 10.05.2010 ist der Sachverständige zu folgender Diagnosestellung gelangt:
– wiederkehrendes HWS-Syndrom mit Muskelreizzuständen ohne radiologische Veränderungen, ein wiederkehrendes BWS-Syndrom bei beginnend degenerativen Veränderungen TH 5 bis TH 9, ein wiederkehrendes LWS-Syndrom bei Hypermobilität ohne radiologische Veränderungen
– Mamma-Hypertrophie mit Ptosis beidseits.
Der Sachverständige hat ausgeführt: Eine MRP sei nicht in der Lage, die orthopädischen Beschwerden der Wirbelsäule mit Wahrscheinlichkeit zu heilen. Auch nach einer Reduktionsplastik sei ein Beschwerdekomplex der Wirbelsäule ohne weiteres möglich. Dabei spiele insbesondere die Hypermobilität eine Rolle. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Beschwerden der Wirbelsäule, insbesondere im Bereich Hals-/Brustwirbelsäule sich bessern oder gelindert würden. Eine Prognose sei jedoch nicht möglich. Die Größe der Mammae beidseits sei als überdurchschnittlich zu bezeichnen. Dennoch müsse festgehalten werden, dass eine abweichende Brustgröße keine Krankheit im engeren Sinne darstelle, da die Variabilität der weiblichen Brust sehr groß sei. Um das Beschwerdebild der Wirbelsäule zu reduzieren, sollte zunächst ein intensives krankengymnastisches Training der Rumpf- und Rückenmuskulatur durchgeführt werden. Diese physikalisch- therapeutischen Methoden seien derzeitig vorrangig anzuwenden. Sie leisteten zumindest auf orthopädischem Fachgebiet gleichviel wie eine MRP, so dass keine Notwendigkeit einer Reduktionsplastik aus orthopädischen Gründen bestehe. Neben von ihm vorgeschlagenen krankengymnastisch-therapeutischen Maßnahmen sei das selbstständige Weitertrainieren der Rumpf- und Rückenmuskulatur wesentlich.
Mit Urteil vom 06.04.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Voraussetzungen einer Kostenübernahme für die beantragte MRP nicht vorliegen. Das SG hat sich dabei auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. N1 gestützt. Danach liege kein orthopädisches Beschwerdebild vor, zu dessen Behebung die begehrte operative Brustverkleinerung in der Lage wäre.
Soweit die Klägerin – gestützt durch Atteste der behandelnden Ärzte- darüber hinaus vorgetragen habe, dass auch psychologische Faktoren die MRP notwendig machen könnten, resultiere daraus kein Anspruch aus der gesetzlichen Krankenversicherung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien die gesetzlichen Krankenkassen nicht verpflichtet, zur Behebung einer psychischen Störung die Kosten eines operativen Eingriff für einen im Normbereich liegenden Körperzustand zu tragen (Hinweis auf BSG, Urteile v. 10.02.1993 – 1 RK 14/92 und v. 20.06.2005 – B 1 KR 28/04 B). Das BSG habe ausgeführt, dass es zu einer mit den gesetzlichen Vorschriften unvereinbaren Ausweitung der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung führen würde, wenn der Versicherte auf Kosten der Krankenkasse operative Eingriffe vornehmen lassen könnte, um einen im Normbereich liegenden Körperzustand zu ändern, nur weil er psychisch auf die gewünschten Änderungen fixiert sei. Anderenfalls müssten die Krankenkassen – bei entsprechender psychischer Fixierung – den Versicherten auch kostspielige Schönheitsoperationen gewähren, wenn sie an ihrem – vom Durchschnitt nicht abweichenden – Aussehen litten. Eine Grenzziehung wäre kaum möglich. Außerdem hätte die Krankenversicherung – unabhängig von der Frage, ob sie zur Übernahme der Kosten für den operativen Eingriff verpflichtet ist – in jedem Falle für Folgeschäden solcher Operationen aufzukommen. Die Leistungspflicht ginge ins Uferlose. Zu Recht habe die Rechtsprechung die Krankenkassen daher bislang nur in den Fällen als leistungsverpflichtet angesehen, in denen die Krankenbehandlung unmittelbar an der eigentlichen Krankheit ansetzt. Daraus folge: Liegt eine psychische Störung vor, so sei sie mit den Mitteln der Psychiatrie und der Psychotherapie zu behandeln. Jedenfalls umfasse die Leistungspflicht der Krankenkasse nicht die Kosten für operative Eingriffe in einen regelrechten Körperzustand, um auf diesem Wege eine psychische Störung zu beheben oder zu lindern. Dies gelte selbst dann, wenn wegen der krankheitsbedingten Ablehnung der psychiatrisch/psychotherapeutischen Behandlung keine andere Möglichkeit der ärztlichen Hilfe besteht. Eine Ausnahme gelte allenfalls dann, wenn die operative Korrektur der Beseitigung einer Entstellung diene. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht ansatzweise gegeben. Die Kammer schließe sich daher der überzeugenden ständigen Rechtsprechung des BSG an.
Gegen das am 13.04.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13.05.2011 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus: Sie treibe regelmäßig Sport, ihr Trainingszustand sei gut. Die gegenteilige Behauptung des Sachverständigen Dr. N1 entbehre einer nachvollziehbaren medizinischen Begründung. Dr. N1 habe ihre Rückenmuskulatur nicht überprüft. Der Sachverständige habe auch Röntgenaufnahmen getätigt. Sie bestreite, dass der Sachverständige dafür über die erforderliche Qualifikation verfüge. Der Sachverständige habe auch zu Unrecht eine Hypermobilität als Hauptursache ihrer Beschwerden angenommen. Diese Diagnose habe keiner ihrer behandelnden Ärzte gestellt. Selbst wenn die Annahme einer Hypermobilität zutreffe würde es durch die Verkleinerung der Brust zu einer statischen Entlastung der Wirbelsohle und damit zwangsläufig auch zu einer Verbesserung des Beschwerdebildes kommen. In der Frage der Kausalität zwischen Mammahypertrophie und Wirbelsäulenbeschwerden könne sie sich auf die Entscheidung des LSG Hamburg vom 10.5.2006 stützen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteiles des Sozialgerichts Köln vom 06.11.2011, unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 17.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2009 zu verurteilen, die Kosten einer beidseitigen Mamma-Reduktionsplastik zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für zutreffend und sieht sich durch die gerichtlichen Sachverständigengutachten bestätigt.
Der Senat hat zur weiteren Sachaufklärung zunächst Befund- und Behandlungsberichte des Orthopäden A und des Internisten E1 eingeholt. Sodann ist weiterer Beweis erhoben wurden durch Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens der Frau Dr. E, Fachärztin für Chirurgie, C. In ihrem unter dem 28.09.2012 erstatten Gutachten ist die Sachverständige im Wesentlichen zu dem Ergebnis gelangt: Im Zuge der bestehenden Übergewichtigkeit (aktueller BMI 31,48 kg/m²) sei es bei der Klägerin zu einer Mammahypertrophie gekommen. Eine Erkrankung der Brüste im engeren Sinne bestehe nicht. Die medizinische Indikation für eine MRP könne nicht bestätigt werden. Eine MRP sei nicht geeignet, die bei der Klägerin bestehenden Beschwerden nachhaltig zu beeinflussen. Mit dem Gutachten des Dr. N1 bestehe im Wesentlichen Übereinstimmung.
Die Klägerin hat dazu eingewandt: Eine Gewichtsreduktion führe nicht zwangsläufig zu einer Reduzierung der Brustgröße. Das sei auch im Fall der zitierten Entscheidung des LSG Hamburg so gewesen. Bei ihr sei durch die frühere Gewichtsreduktion um 30 kg die Brust in Relation zum gesamten Körper noch deutlich größer geworden. Es erstaune vor diesem Hintergrund, dass im Gutachten das Gewicht der Brust nicht angegeben sei. Das sei aber der entscheidende Punkt. Es gehe nicht um eine Schönheitsoperation, sondern um das Übergewicht einer Brust, das zu Rückenbeschwerden führe. Die Zugkräfte, die eine übergewichtige Brust auf den Rücken ausübe, führten zu Schmerzempfindungen in der Wirbelsäule. Da sei auch für das Hamburger LSG so unmittelbar einleuchtend gewesen, dass es insoweit keines weiteren Beweises bedurft habe. In dem dort entschiedenen Falle habe das LSG darüber hinaus festgestellt, dass allein der Hinweis auf das Fehlen wissenschaftlicher Studien zur Auswirkung der Brustgröße auf den Halteapparat dem Senat vor dem Hintergrund der bisher festgestellten Tatsachen keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen gebe. Im Hinblick auf die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Plastische Chirurgie, zu der sich die Sachverständige Dr. E nicht geäußert habe, habe sie auch Zweifel an der Äußerung der Sachverständigen, dass es keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse zum Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Brustgröße und Wirbelsäulenerkrankungen gebe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig. Die Beklagte hat mit ihnen vielmehr treffend abgelehnt, die Kosten für die von der Klägerin beanspruchte beidseitige MRP zu übernehmen.
Versicherte haben nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für eine Heilbehandlung, wie sie die Klägerin hier fordert, setzt nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V also eine "Krankheit" voraus. Damit wird in der Rechtsprechung ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand umschrieben, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (st. Rspr. vgl. BSGE 85,36; BSGE 72.96 jeweils m.w.N.; zuletzt Urteil v. 11.09.2012- B 1 KR 11/12 R). Dabei kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert im Rechtssinne zu; die Rechtsprechung des BSG hat diese Grundvoraussetzung für die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht vielmehr dahingehend präzisiert, dass eine Krankheit nur gegeben ist, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellen wirkt (st. Rspr., vgl. z.B. BSGE 100,119; BSGE 95,26; BSGE 85,158).
Eine Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne lässt sich hier unter dem Gesichtspunkt einer Beeinträchtigung der körperlichen Funktion der Brüste selbst nicht feststellen, wie die Sachverständige Dr. E noch einmal bestätigt hat. Eine Mammahyperplasie und eine Ptosis sind zwar unverkennbar, bei den sehr großen und herabhängenden Brüsten der Klägerin handelt es sich jedoch zweifelfrei nicht um Krankheiten im vorbezeichneten von § 27 SGB V geforderten Sinne, weil die Körperfunktion insoweit nicht beeinträchtigt ist. Auch liegt hier keine Entstellung durch Form und Größe der Brüste vor. Um eine krankheitswertige Entstellung annehmen zu können, muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeiten handeln, die nahe liegende Reaktion der Menschen wie Neugier oder Betroffenheit erzeugen und damit zugleich erwarten lassen, dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besondere Beachtung Anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen oder zu vereinsamten droht, so dass die Teilhabe am Leben der Gesellschaft gefährdet ist (vgl. BSGE 100,119; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 45). Von einer Entstellung in diesem Sinne kann hier nicht die Rede sein. Frau Dr. E konnte im Gegenteil zutreffend darauf hinweisen, dass sich die Brustgröße bei der Klägerin zwanglos in das Gesamtkörperbild einfügt.
Ein Anspruch auf die von der Klägerin beanspruchte MRP lässt sich auch nicht unter dem vom behandelnden Internisten bemühten Gesichtspunkt psychischer Beeinträchtigungen in Zusammenhang mit der Brustgröße begründen. Abgesehen davon, dass bei der Untersuchung durch die gerichtliche Sachverständige keinerlei Hinweise auf eine höherwertige psychische Beeinträchtigung zu Tage getreten sind, verneint die Rechtsprechung grundsätzlich eine Behandlungsbedürftigkeit psychischer Krankheiten mittels angestrebter körperliche Eingriffe, wenn diese Maßnahme nicht durch körperliche Fehlfunktion oder durch Entstellung, also nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand veranlasst werden (vgl. zuletzt BSGE 100,119 m.w.N). Das hat i.Ü. bereits das SG zutreffend und mit eingehender Begründung näher dargelegt, so dass auf die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug genommen wird.
Eine Krankheit im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB V liegt unstreitig hinsichtlich der Beschwerden der Klägerin in den verschiedenen Wirbelsäulenabschnitte vor. Auch diese begründen jedoch nicht eine Krankenbehandlung in Gestalt der von der Klägerin geforderten MRP.
Die die von der Klägerin konkrete geforderte Krankenbehandlung setzt nicht bei der von der erkranken Wirbelsäule an, sondern soll mittelbar bei den krankenversicherungsrechtlich gesunden Brüsten (s.o.) erfolgen. Eine mittelbare Therapie ist nicht grundsätzlich aus dem Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen (vgl. BSGE 85,56; BSGE 90,289). Neben den allgemeinen Voraussetzungen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 , § 12 Abs. 1 SGB V), nämlich dass die Maßnahme ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht, ist bei Fällen wie diesem, in dem die mittelbare Therapie in einem Eingriff in ein funktionell intaktes Organ besteht, nach der Rechtsprechung des BSG, der auch die Krankenversicherungssenate des LSG NRW folgen (vgl. etwa Senat, Urteil v. 30.09.2010 – L 16(5) KR 142/08; Urteil v. 26.04.2006 – L 11 KR 24/05; Urteil v. 10.05.2007 – L 5 KR 118/04; Beschluss v. 30.04.2012 – L 1 KR 224/11 B) strenge Anforderungen zu stellen. Denn ein Eingriff wie die MRP in ein gesundes Organ bedarf einer besonderen Rechtfertigung, wobei die Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, die Risiken und der zu erwartende Nutzen der Therapie sowie etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung gegeneinander abzuwägen sind (vgl. BSGE 90,289). Diese Voraussetzungen für eine Operation der Brüste zur Behandlung der Wirbelsäulenbeschwerden sind hier nicht erfüllt.
Es lässt sich bereits nicht die Wirksamkeit bzw. der therapeutische Nutzen der von der Klägerin gewünschten Maßnahme feststellen.
Das ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere den Gutachten der beiden gerichtlichen Sachverständigen. Diese Gutachten sind nach eingehenden Befund- und Diagnoseerhebungen auf der Grundlage ambulanter Untersuchung der Klägerin und eingehender Auswertung des Akteninhalts erstellt worden. Sie stimmen im Wesentlichen überein und lassen falsche Schlussfolgerungen nicht erkennen. Medizinisch-wissenschaftlich fundierte Einwendungen hat die Klägerin ihnen nicht entgegen setzen können. Die eher aus der Luft gegriffen erscheinenden Einwendungen der Klägerin, wie etwa das Bestreiten der Fähigkeit des Sachverständigen Dr. N1, eine Röntgenaufnahme zu fertigen oder der Sachkunde der Sachverständigen Dr. E oder dass in deren Gutachten nicht das Gewicht der Brüste genannt worden sei, sind unsubstantiiert oder berühren den Kern der Sache nicht und können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Klägerin an einer medizinisch-laienhaften Auffassung festhält, der durch zwei ärztliche Sachverständigengutachten die Grundlage entzogen ist. So ist das Gewicht von Organen Lebender kaum zuverlässig messbar und lässt auch bei der Klägerin entgegen deren Argumentation keinen sicheren Schluss auf das Wirken der von der Klägerin angesprochenen Zugkräfte zu, zumal die Brüste der Klägerin wegen der Ptosis und der Adipositas aufliegen und im Übrigen der Zustand des vor allem muskulär beeinflussten Halteapparates insoweit ausschlaggebend erscheint.
Schon der vom SG beauftragte Sachverständige Dr. N1 hatte ausgeführt, dass eine MRP nicht in der Lage ist, die orthopädischen Beschwerden der Wirbelsäule mit Wahrscheinlichkeit zu heilen. Das hat die Sachverständige Dr. E im Berufungsverfahren bestätigt. Auch sie ist zu dem Schluss gekommen, dass eine MRP nicht geeignet ist, bei der Klägerin bestehende Beschwerden nachhaltig zu beeinflussen. Sie hat darüber hinaus deutlich gemacht, dass es bislang nach wie vor keine wissenschaftlich anerkannte, valide und evidenzbasierte Studie gibt, die einen Zusammenhang einer definierten Brustgröße und ebenso definierten morphologischen Veränderungen von Seiten der Wirbelsäule aufzeigen könnte, was i.Ü. den Erfahrungen des Senats aus anderen Fällen und etwa auch Feststellungen des LSG Baden-Württemberg entspricht (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 10.12.2008 – L 5 KR 2638/07; Senat, Urteil v. 30.09.2010 L 16(5) KR 142/08). Soweit die Klägerseite diese Ausführungen der Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in Frage gestellt hat und sich dazu auf Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Plastische Chirurgie bezogen hat, wonach eine Indikation ab einem Brustvolumen von 500 ccm anzunehmen sei, mag ihr Hinweis bereits dadurch erklärt sein, dass sie diese Leitlinie, die in dem Tatbestand des Urteils des LSG Hamburg vom 10.05.2006 Erwähnung findet, nicht kennt, wie sie in der Verhandlung eingeräumt hat. Sonst wäre deutlich geworden, dass es sich nicht um eine wissenschaftlich fundierte und evidenzbasierte Leitlinie handeln kann, denn eine evidenzbasierte Leitlinie der genannten Fachgesellschaft existiert nicht (vgl. etwa die Internetauftritte der Deutschen Gesellschaft für Plastische Chirurgie und der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)). Wenn in der im Urteil des LSG Hamburg aus dem sozialgerichtlichen Gutachten zitierten Leitlinie angenommen worden ist, dass eine Indikation ab einem Brustvolumen von 500 ccm anzunehmen sei, besagt dies mithin nichts über den (damaligen) Stand der Wissenschaft über den ursächlichen Zusammenhang von Brustgröße und Wirbelsäulenbeschwerden und ist deshalb auch nicht geeignet, die Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen in Frage zu stellen.
Ist also der Nutzen der von der Klägerin beanspruchten MRP für die Behandlung der Wirbelsäulenbeschwerden nicht nachweisbar, kann die geforderte Abwägung nicht zugunsten dieser Therapie ausfallen.
Im Übrigen verkennt die Klägerin, dass selbst dann, wenn wissenschaftliche Nachweise für die Wirksamkeit einer MRP zur mittelbaren Behandlung von Wirbelsäulenbeschwerden existierten und die Wirksamkeit im Einzelfall angenommen werden könnte, die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme gleichwohl noch nicht erfüllt wären.
Wie oben bereits ausgeführt, bedarf der Eingriff in ein gesundes Organ einer besonderen Rechtfertigung, wobei die Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, die Risiken und der zu erwartende Nutzen der Therapie sowie etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung gegeneinander abzuwägen sind. Der chirurgische Eingriff in das gesunde Organ zur mittelbaren Behandlung der Wirbelsäulenbeschwerden kommt danach nur in Betracht, wenn alle konservativen Behandlungsmethoden erfolglos ausgeschöpft sind (vgl. LSG NRW, Urteil v. 10.05.2007 – L 5 KR 118/04; LSG NRW, Urteil v. 21.09.2011 – L 11 KR 33/09; LSG Schleswig-Holstein, Urteil v. 25.03.2010 – L 5 KR 118/08). Insoweit ist aber nicht nur zu sehen, dass die Einschränkungen der Klägerin durch die Wirbelsäulenbeschwerden ausweislich der im Gutachten der Frau Dr. E wiedergegeben Befunde eher leicht sind, sondern dass vor allem die konservativen Behandlungsmethoden längst nicht ausgeschöpft sind. Auch dies ergibt sich aus den Gutachten der ärztlichen Sachverständigen, die ausgeführt haben, dass Krankengymnastik und vor allem ein intensives Übungsprogramm zum Auftrainieren der Rückenmuskulatur anzuempfehlen ist. Dies entspricht der Einschätzung in den Gutachten des MDK. Daneben, das hat die Sachverständige E betont, besteht bei einem Übergewicht von 22 kg (gemäß WHO-Definition) erhebliches Potenzial zur Entlastung des Stütz- und Bewegungsapparates durch Gewichtsabnahme.
Soweit die Klägerin sich wiederholt auf Passagen im Urteil des LSG Hamburg vom 10.05.2006 – L 1 KR 47/05 – beruft, verkennt oder blendet sie aus, dass jenes Urteil wesentlich darauf beruht, dass im dortigen Fall durch gerichtliche Sachverständige u.a. festgestellt worden sei, dass sich die Wirbelsäulenbeschwerden der dortigen idealgewichtigen Klägerin nicht anders als durch die fragliche Operation behandeln ließen und dem die dortige Beklagte nicht substantiiert entgegen getreten sei. Ob das LSG Hamburg zu Recht im dortigen Fall in der Mammahyperplasie eine behandlungsbedürftige Krankheit gesehen hat, kann der Senat dahin gestellt sein lassen, denn das LSG Hamburg argumentiert ersichtlich im Sinne einer mittelbaren Behandlung der Wirbelsäulenbeschwerden, auch wenn es nicht im Einzelnen die dafür in der Rechtsprechung des BSG aufgestellten Voraussetzungen (s.o. Abwägung etc.) prüft.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Anlass, gemäß § 160 SGG Revision zuzulassen, hat nicht bestanden (§ 160 SGG). Der Senat folgt insbesondere ausdrücklich der Rechtsprechung des BSG zur mittelbaren Therapie durch einen Eingriff in gesunde Organe.
Erstellt am: 22.03.2013
Zuletzt verändert am: 22.03.2013