Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 01. September 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin (AStn) begehrt von der Antragsgegnerin (Agn) im Wege des Beweissicherungsverfahrens, diese solle ein Schriftstück aus ihren Aktenbestand beim Sozialgericht (SG) Köln vorlegen, damit seine Vernichtung durch die Agn verhindert und ein Informationsanspruch der AStn nicht vereitelt wird. In einem vor dem SG Köln anhängigen, vorrangigen Rechtsstreit geht es der AStn darum, ihr – der AStn – die Einsichtnahme in das Dokument (eine Vorstandsvorlage zu einer Verwaltungsratssitzung vom 10.12.2002) zu ermöglichen.
Die 1953 geborene AStn ist bei der Agn, einer gesetzlichen Krankenkasse, seit Ende 1979/Anfang 1980 freiwillig gegen das Risiko der Krankheit versichert, nachdem sie zuvor pflichtversichert war. Sie ist mit einem im Erwerbsleben stehenden Richter verheiratet, selber nicht erwerbstätig und Mutter von fünf Kindern. Nach den Angaben in den Akten der Agn verfügt sie offenbar auch über keine Einkünfte aus Vermögen (etwa aus Sparbüchern, Festgeldkonten, Gesellschaftsanteilen, Wertpapieren oder Grundbesitz). In der Vergangenheit hat sie des Öfteren mit der Agn über Modalitäten ihrer Versicherung, insbesondere über die Beitragshöhe, gestritten. Sie hat erreicht, dass das Einkommen des Ehemannes aus Bestandsschutzgründen – wie schon 1988 – nicht (zur Hälfte) bei der Beitragsberechnung angerechnet werden darf und dass sie deshalb – bei weiterhin fehlenden eigenen Einkünften – nicht mehr als nur den Mindestbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung bei vollem Leistungsanspruch zahlen muss (vgl. BSG, Urteil vom 23.06.1994, Aktenzeichen (Az): B 12 RK 82/92, veröffentlicht in Sozialrecht – SozR – 3-1300 § 40 Nr 2).
Zuletzt war sie mit ihrer Klage gegen einen Beitragserhöhungsbescheid der Agn vom 21.02.2003 gescheitert (klageabweisendes Urteil des SG Köln vom 05.12.2005 – Az: S 19 KR 38/03 -; Verwerfung der Berufung als unzulässig durch den erkennenden Senat mit Urteil vom 08.02.2007 – Az: L 16 KR 67/06 -; Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss des BSG vom 09.01.2008 – Az: B 12 KR 24/07 B -; die Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG, 1. Senat, 2. Kammer, Beschluss vom 08.12.2008 – Az: 1 BvR 532/08, vgl Juris-Dokument RegNr 28179). In dem genannten Gerichtsverfahren hatte sie insbesondere vergeblich gerügt, eine im Dezember 2002 vom Verwaltungsrat der Agn beschlossene Beitragserhöhung zum 01.01.2003 verstoße gegen die Regelungen des Beitragssatzsicherungsgesetzes (BSSichG) vom 23.12.2002 (Bundesgesetzblatt – BGBl. – I, S. 4637). Eine zulässige Ausnahme liege nicht vor; dies könne durch Zeugenvernehmungen, aber auch durch Einsicht in die internen Verwaltungsunterlagen der Agn, insbesondere bei Kenntnis der Vorstandsvorlage für den 10.12.2002, geprüft werden.
Nach Abschluss des genannten Verfahrens beantragte die AStn am 13.02.2008 bei der Agn, – nunmehr unter Bezugnahme auf das zum 01.01.2006 erstmals in Kraft getretene (Bundes-) Informationsfreiheitsgesetz – IFG – (vom 05.09.2005 BGBl. I S. 2722, abgedruckt in Sartorius, Loseblattsammlung, Verfassungs- und Verwaltungsgesetze, Nr 113) -, ihr Einsicht in die Vorstandsvorlage IX/148 von Dezember 2002 zu verschaffen, insbesondere ihr eine Kopie zu überlassen. Nachdem die Agn die ihr gesetzten Fristen hatte verstreichen lassen, erhob die AStn am 03.04.2008 Klage zum SG Köln (Az: S 9 KR 181/08) mit dem Antrag, die Agn zu verpflichten, den Antrag auf Vorlage der Vorstandsvorlage zu bescheiden oder aber der Agn aufzugeben, dem Antrag nachzukommen.
Die Agn erließ am 12.08.2008 einen Bescheid, mit dem sie den Antrag auf Herausgabe der Vorstandsvorlage ablehnte; wettbewerbsrechtlich bedeutsame Daten brauche sie nicht offenzulegen. Die AStn hat dagegen Widerspruch eingelegt, betreibt aber im Übrigen das Klageverfahren weiter.
Mit Schriftsatz vom 14.07.2008 hat die AStn beim SG ein Beweissicherungsverfahren eingeleitet. Es sei angesichts des Verhaltens der Agn zu befürchten, dass die im Klageverfahren begehrte Auskunft über den Inhalt der Vorstandsvorlage zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr gegeben werden könne. Es bestehe die Gefahr, dass bei Abschluss des Klageverfahren die Unterlage nicht mehr vorhanden sei. Denn die gesetzliche Aufbewahrungsfrist dürfte bis dahin abgelaufen sein.
Sie hat beantragt, der Antragsgegnerin gemäß § 76 des Sozialgerichtsgesetzes (ggf. analog) aufzugeben, ihre Vorstandsvorlage IX/148 unverzüglich im Original beim angerufenen Gericht, hilfsweise bei einem Notar am Sitz des Gerichts, zu hinterlegen und dies dem Gericht nachzuweisen.
Die Agn hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
Der Antrag sei unzulässig, da ihm von vornherein das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Es bestehe nicht die Gefahr einer Vernichtung des strittigen Dokuments. Vorstandsvorlagen würden ohne zeitliche Begrenzung archiviert.
Durch Beschluss vom 01.09.2008 hat das SG den Antrag auf Durchführung eines Beweissicherungsverfahrens abgelehnt. Es sei nicht zu befürchten, dass die streitbefangene Vorstandsvorlage bis zur rechtskräftigen Beendigung des Hauptsacheverfahrens (S 9 KR 181/08) vernichtet werde. Im Übrigen bestünden Zweifel am berechtigten Interesse der AStn an der begehrten Feststellung. Denn das IFG könne nicht auf Sachverhalte aus der Vergangenheit angewandt werden.
Auf den ihr am 15.09.2008 zugestellten Beschluss hat die AStn am 08.10.2008 Beschwerde eingelegt, mit der sie ihr Beweissicherungsbegehren weiterverfolgt. Ihr Informationsanspruch sei unbegrenzt und beziehe sich auch auf Vorgänge aus der Zeit vor Inkrafttreten des IFG. Aus der rechtswidrigen, bewussten Verzögerung der Agn, über den Informationsanspruch entgegen § 7 IFG erst nach sechs Monaten (statt innerhalb eines Monats) zu entscheiden, sei zu folgern, dass sich die Agn überhaupt bewusst ihrer Auskunftspflicht entziehen wolle. Dies rechtfertige die Besorgnis, dass dann auch das strittige Dokument bei der Agn verloren gehen könne. Wenn die Agn behaupte, sie verwahre die Vorstandsvorlagen zeitlich unbegrenzt auf, so sei sie doch nicht gehindert, jederzeit ihre Verwaltungspraxis zu ändern. Wer sich über eindeutige gesetzliche Vorschriften hinwegsetze, werde auch eine Verwaltungsübung ändern, um einer an sich gebotenen Auskunftspflicht zu entgehen. Auf die gerichtliche Frage, wozu die Auskunft über die Vorstandsvorlage dienen solle, hat die AStn geantwortet, die Verfahrensvorschriften und das IFG sähen nicht vor, dass ein Betroffener dem Gericht Auskunft zu geben habe, wozu er u.a. die Einsichtnahme in bestimmte Unterlagen benötige.
Dem Sinne nach beantragt die AStn, den Beschluss des SG Köln vom 01.09.2008 zu ändern und nach ihren erstinstanzlichen Anträgen zu entscheiden.
Die Agn beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält sie für unzulässig. Ihr fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Sie sichere erneut zu, dass die in Rede stehende Vorstandsvorlage zeitlich unbegrenzt aufbewahrt werde. Hintergrund für das Auskunftsbegehren sei wohl das Verfahren der Verfassungsbeschwerde gegen das BSG-Beschluss vom 09.01.2008. Es bleibe bei der Weigerung, die Unterlage an die AStn herauszugeben. Denn die Unterlage enthalte vertrauliches Zahlenmaterial.
Der Senat hat die Streitakten des SG Köln, Az.: S 19 KR 38/03 = L 16 KR 67/06 LSG NRW = BSG B 12 KR 24/07 B sowie die Gerichtsakten SG Köln S 9 KR 181/08 und die Verwaltungsakten der Agn ausgewertet, auf deren Inhalt – wie auf den der beiderseitigen Schriftsätze der Beteiligten – ergänzend Bezug genommen wird.
II.
1.
Die Beschwerde der AStn ist zulässig; insbesondere fehlt ihr nicht das Rechtsschutzdürfnis, denn die AStn wendet sich gegen einen belastenden erstinstanzlichen Gerichtsbeschluss. Ob die sachlichen Voraussetzungen für ein Beweissicherungsverfahren vorliegen, ist für die Zulässigkeit der Beschwerde ohne Bedeutung.
2.
Die Beschwerde ist indes aus den Gründen der sozialgerichtlichen Entscheidung unbegründet, § 153 Abs 2 Satz1 SGG entsprechend. Nichts desto weniger erlaubt sich der Senat weitere, ergänzende Bemerkungen:
a.
Der hier vorliegende Beweissicherungsantrag kann – ungeachtet § 17a Abs. 1 und 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes – GVG – vor den Sozialgerichten geltend gemacht. Zwar mögen § 9 Abs. 4 Satz 1 IFG mit seinem Hinweis auf die vorrangig in der Verwaltungsgerichtsbarkeit übliche Verpflichtungsklage sowie § 9 Abs 4 Satz 2 IFG mit der Nennung allein der Verwalungsgerichtsordnung nahe legen, dass Streitigkeiten über das IFG (und Folgeverfahren wie vorliegend) allein vor den Verwaltungsgerichten ausgetragen werden sollen. Dies berücksichtigt jedoch nicht ausreichend die Zuständigkeiten der verwaltungsrechtlichen Spezialgerichtsbarkeiten. Der vorliegende Streit wird von der Spezialnorm des § 51 SGG erfasst, weil es sachlich inhaltlich um eine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung geht (§ 51 Abs. 1 Nr 2 SGG). Dass dies nicht klar aus § 9 IFG hervorgeht, dürfte allein auf die Hektik des Gesetzgebungsprozesses zurückzuführen sein (vgl. dazu nur Berger/Roth/ Scheel, IFG, Kommentar, 2006, Vorwort (S. V), aber auch die Hinweise bei § 2 IFG, Randnummern (RNr) 141 f., wonach der Gesetzgeber zunächst nicht im Blick hatte, dass auch Sozialversicherungsträger vom IFG erfasst sein können; siehe auch a.a.O. die Kommentierung zum Behördenbegriff bei § 1 RNr 41). Der Antrag auf Beweissicherung nach § 76 SGG war auch nicht unzulässig, wie dem Vorbringen der Agn entnommen werden könnte. Denn ob ein Einsichts- und Auskunftsrecht der AStn nach dem IFG besteht, ist eine offene, vom SG zu klärende Sachfrage, die eine Klage- und Antragsbefugnis sowie ein Rechtsschutzbedürfnis, auch für ein Beweissicherungsverfahren im Sinne von § 76 SGG, durchaus rechtfertigt. Auch dürfte dem Antrag nicht entgegenstehen, dass die AStn Auskünfte über Sachverhalte und deren Sicherung begehrt, die vor dem Inkrafttreten des IFG entstanden sind. Insoweit neigt der Senat eher der von der AStn in Übereinstimmung mit Rossi, Handkommentar zum IFG, 2006, § 1 Randnummer – RNr – 27, vertretenen Auffassung zu, dass der Auskunftsanspruch eines betroffenen Bürgers umfassend ist (vgl. dazu auch Berger u.a., a.a.O., § 1 IFG, RNr 4).
Ob allerdings zur Zulässigkeit des Antrags im Einzelfall auch gehört, dass der betroffene Bürger auch offen legt, wozu er den Auskunftsanspruch benötigt, mag vorliegend offen bleiben. Richtig ist zwar, dass ein Informationszugangsanspruch unabhängig von dem Zweck besteht, zu dem er wahrgenommen wird. Indes dürfte ein solcher Vortrag aber schon eher im Bereich der Zulässigkeit eines Auskunftsbegehrens zu verlangen sein, wenn es um den Schutz von Geschäftsgeheimnissen der Sozialversicherungsträger geht (vgl. dazu nur Berger, a.a.O., § 3 IFG, RNr 142; siehe auch Rossi, a.a.O., § 1 IFG RNr 3, am Ende). Dies mag im Vorfeld des Beweissicherungsverfahrens aber dahinstehen, weil es hier nicht um die abschließende Bewertung rechtlicher Positionen geht, sondern um vorläufige Sicherungsrechte.
Fraglich mag allerdings noch sein, ob der AStn ein Recht auf Beweissicherung schon deshalb nicht zusteht, weil die erhobene Klage S 9 KR 181/08 unzulässig (geworden) sein dürfte. Denn sie ist als Leistungsklage unzulässig, weil über das Auskunftsbegehren durch Verwaltungsakt zu entscheiden ist (vgl. dazu auch die überwiegende Meinung in der Literatur, Berger u.a., a.a.O. § 9 IFG, RNr 5). Als Anfechtungsklage wäre die Klage unzulässig, weil noch kein Verwaltungsakt zur Zeit der Klageerhebung vorgelegen hatte. Im Übrigen dürfte das Rechtsschutzbegehren für eine Untätigkeitsklage, so man eine solche bei dem offenen Klageantrag der AStn annehmen möchte, entfallen sein, nachdem die Agn mit ihrem Bescheid vom 12.08.2008 die von der AStn wohl auch geforderte förmliche Entscheidung getroffen hat; damit könnte der Ursprungsantrag hinfällig geworden sein. Indes ist zu beachten, dass die AStn gegen diesen Bescheid Widerspruch eingelegt hat, dieser nach den vorliegenden Erkenntnissen wohl noch nicht beschieden ist und daher ein Beweisschutzbedürfnis bezogen auf den konkreten, bestehenden Ausgangsstreit der Beteiligten bestehen dürfte.
b.
Indes ist das Beweissicherungsbegehren nicht begründet, wie das SG kurz, aber prägnant ausgeführt hat. Dem ist wenig hinzuzufügen. Es ist davon auszugehen, dass keine Besorgnis im Sinne von § 76 Abs. 1 SGG besteht, dass ein Beweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwert wird. Denn die strittige Vorstandsvorlage wird von einem Träger öffentlicher Verwaltung nach dessen überzeugender Einlassung sicher verwahrt. Wie der Senat schon im Beschluss vom 27.04.2009 über das (unbegründete) Befangenheitsgesuch gegen den Vorsitzenden des Senats ausgeführt hat, kann bei einem öffentlichen Verwaltungsträger davon ausgegangen werden, dass er sich an Gesetz und Verfassung hält (vgl. dazu die bereits zitierten Ausführungen von Literatur und höchstrichterlicher Rechtsprechung zur ähnlichen Problematik bei Leistungs- und Feststellungsklagen gegen öffentliche Träger: BSG in SozR 3-3300 § 38 Nr 2, BSGE10, 24; 12, 46; 36, 71 sowie Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 9. Aufl., 2008, § 55 RNr 19b mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Die Vermutungen der AStn, die Agn zeige mit ihrem Verwaltungshandeln, dass sie gegen Recht und Gesetz verstoßen wolle, teilt der Senat nicht einmal im Ansatz. Vielmehr zeigt das Verwaltungshandeln der Agn, dass sie sich in der Vergangenheit gegenüber der AStn wiederholt um eine ausgewogene Lösung der aufgeworfenen Fachprobleme bemüht hat. Schon ihr Entgegenkommen zur Vollstreckbarkeit ihrer Forderungen während des letzten Prozesses signalisiert ihre Bereitschaft zur sachlichen, deeskalierenden Zusammenarbeit gegenüber der AStn.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von §§ 183, 193 SGG.
Erstellt am: 15.05.2009
Zuletzt verändert am: 15.05.2009