Rev. d.Kläg. durch Rücknahme der Klage erledigt
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 06.12.2006 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig sind Behandlungskosten in Höhe von 9.147,88 Euro für eine im Jahr 2004 durchgeführte Krankenhausbehandlung.
Die klagende Gesellschaft betreibt das Evangelische Krankenhaus K N (im Folgenden: Krankenhaus). Es handelt sich hierbei um ein Plankrankenhaus, für das entsprechend dem Bescheid der Bezirksregierung Münster vom 25.04.2002 u.a. die Abteilungen Geriatrie und – ohne besondere Schwerpunkte – Chirurgie ausgewiesen sind.
Am 02.08.2004 wurde die bei der Beklagten versicherte, 1928 geborene K H (im Folgenden: Versicherte) zur geplanten Bypassoperation im Bereich des rechten Beines bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit im Stadium 3 nach Fontaine bei angiographisch nachgewiesenem Abgangsverschluss der rechten A. femoralis superficialis und distaler mittelgradiger Stenose der A. femoralis superficialis stationär aufgenommen. Am 05.08.2004 erfolgte die Anlage eines femoro-poplitealen P1-Dacron-Bypasses. Der postoperative Verlauf gestaltete sich komplikationslos und die Versicherte wurde am 18.08.2004 aus der stationären Behandlung entlassen.
Unter dem 24.08.2004 stellte die Klägerin der Beklagten Behandlungskosten in Höhe von insgesamt 9.147,88 Euro in Rechnung, wobei die Fallpauschale DRG F08A (große rekonstruktive Gefäßeingriffe ohne Herz-Lungen-Maschine mit äußerst schweren CC) in Ansatz gebracht wurde. Nachdem die Kosten zunächst fristgerecht seitens der Beklagten beglichen worden waren, holte diese im November 2004 ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) dazu ein, ob die Leistung der DRG F08A zum Versorgungsauftrag der Fachabteilung Allgemeinchirurgie der Klägerin gehöre. Dr. E führte in seinem Gutachten vom 09.11.2004 aus, zur Klärung der Frage, ob die bei der Versicherten erbrachte Leistung der rekonstruktiven Gefäßchirurgie zum Leistungsspektrum einer Fachabteilung für Allgemeinchirurgie gehöre, sei die Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe zu berücksichtigen. Für die Weiterbildung zum Facharzt für Chirurgie werde unter Ziff. 2.1.5 Eingriffe an Gefäß- und Nervensystem ausgeführt: "25 Eingriffe, davon 5 Thrombembolektomien, 10 Varizenoperationen und 10 weitere Operationen am Gefäß- und Nervensystem, z.B. Gefäßnähte, Varizenverödungen, Neurolysen". Für den Schwerpunkt Gefäßchirurgie werde im Leistungskatalog unter Ziff. 2.1.4 Gefäß- und Nervensystem ausgeführt: "135 Eingriffe, davon 55 rekonstruktive Operationen im femoro-poplitealen und femoro-cruralen Bereich sowie an der oberen Extremität, 15 endovaskuläre Operationen einschließlich der notwendigen Kontrollverfahren, 25 Dialyseshunts, Sympathektomien und Portimplantationen, 40 Operationen am Venensystem, z.B. venöse Rekonstruktion, Varizenexstirpation". Der im hier vorliegenden Einzelfall durchgeführte femoro-popliteale P1-Bypass sei unter Zuhilfenahme der Inhalte der Weiterbildungsordnung somit eindeutig dem Schwerpunkt Gefäßchirurgie zuzuordnen. Auch ein Zusammenhang mit der Fachabteilung für Akutgeriatrie der Klägerin lasse sich nicht erkennen. Bei der DRG F08A handele es sich vielmehr um eine typischerweise für ein älteres Patientenkollektiv definierte Fallgruppe.
Mit Schreiben vom 31.01.2005 bat die Beklagte die Klägerin unter Übersendung des Gutachtens des MDK um Korrektur der Abrechnung und Stornierung der DRG F08A. Sie bezog sich dabei auch auf Abschnitt VI Nr. 16 der am 15.12.2006 geschlossenen Vergütungsvereinbarung 2004, wonach gefäßchirurgische Leistungen mit dem Krankenhaus vereinbart wurden, die nach Auffassung der Kostenträger nicht zum Versorgungsauftrag des Krankenhauses gehören und zwischen den Vertragsparteien vereinbart wird, dass die tatsächliche Abrechnung der Einzelfälle von dem Ergebnis sozialmedizinischer Gutachten durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen abhängig gemacht wird. Mit Schreiben vom 16.03.2005 lehnte die Klägerin eine Gutschrift der gezahlten Summe ab.
Am 13.04.2005 hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht (SG) Münster erhoben und die Zahlung des streitigen Betrages sowie hilfsweise die Feststellung begehrt, dass kein Rückzahlungsanspruch der Beklagten bestehe. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, es habe keine Behandlung außerhalb des Versorgungsauftrags stattgefunden. Zwar gehöre der streitige Eingriff nicht zum Pflichtenkreis der Weiterbildung für das Fachgebiet Chirurgie. Zum einen gebe die Weiterbildungsordnung jedoch nur Mindestinhalte vor; zum anderen sei es Aufgabe der Krankenhausplanung und der einzelnen Versorgungsaufträge, eine vollständige Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Der Versorgungsauftrag eines Gebietes umfasse auch die hierzu existierenden Teilgebiete/Schwerpunkte. Die Grenze des Versorgungsauftrages werde in diesem Schnittmengenbereich durch das Dominanzverbot gezogen, wie sich auch aus einem Runderlass des Ministeriums für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes Nordrhein-Westfalen vom 31.03.1999 ergebe. In ihrem Krankenhaus dominiere die Gefäßchirurgie jedoch nicht, da sie lediglich 16,8 % des Gesamtumsatzes der chirurgischen Abteilung ausmache.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 9.147,88 Euro nebst 2 % Zinsen über dem Basissatz seit dem 10.09.2004 zu zahlen, hilfsweise festzustellen, dass der Beklagten kein Rückzahlungsanspruch wegen der Vergütung der Krankenhausbehandlung der Versicherten K H in der Zeit vom 02.08. bis 18.08.2004 zusteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die Zahlungsklage sei schon deshalb unbegründet, weil der streitige Rechnungsbetrag bereits gezahlt worden sei. Die der Klägerin angedrohte Verrechnung sei bislang nicht erfolgt. Sie – die Beklagte – behalte sich jedoch die Widerklage bezüglich des streitigen Betrages vor. Es werde nämlich unverändert die Auffassung vertreten, dass die erbrachte Leistung nicht zum Versorgungsauftrag des Krankenhauses gehöre. Dies habe Dr. E in seinem Gutachten überzeugend dargelegt. Entsprechend der Weiterbildungsordnung seien Gegenstand der Weiterbildung für das Fachgebiet Chirurgie u.a. die selbständige Durchführung der operativen Eingriffe des Gebietes einschließlich der zur Grundversorgung erforderlichen gefäßchirurgischen, thoraxchirurgischen, unfallchirurgischen und vasceralchirurgischen Eingriffe. Der Eingriff nach der DRG F08A sei kein zur Grundversorgung erforderlicher chirurgischer Eingriff.
Durch Urteil vom 06.12.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Der bei der Versicherten durchgeführte Eingriff habe nicht dem Versorgungsauftrag des Krankenhauses entsprochen. Zur Bestimmung des Planauftrags sei die ärztliche Weiterbildungsordnung heranzuziehen. Der Eingriff nach DRG F08A sei nicht Pflichtbestandteil der Weiterbildung für das Fach Chirurgie.
Gegen das ihr am 08.01.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 02.02.2007 Berufung eingelegt.
Sie trägt vor, der Zahlungsanspruch werde nicht aufrechterhalten. Der Feststellungsantrag sei jedoch zu Unrecht abgewiesen worden. Das Feststellungsinteresse ergebe sich aufgrund eines möglichen Rückforderungsanspruchs und einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle. Unter Vorlage eines Schreibens des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 23.01.2007 vertritt die Klägerin weiterhin die Auffassung, Leistungen der Teilgebiete gehörten grundsätzlich auch zum Versorgungsauftrag des Hauptgebietfaches, jedenfalls solange wie die entsprechenden Anteile das Leistungsgeschehen nicht dominierten. Dies ergebe sich insbesondere aus der zutreffenden Berücksichtigung der Weiterbildungsordnung und der Planungsgrundsätze des Krankenhausplanes 2001 des Landes Nordrhein-Westfalen. Allein die Gebietsdefinition entsprechend der Weiterbildungsordnung sei entscheidend. Unabhängig davon sei selbstverständlich jeder Arzt berufsrechtlich verpflichtet, nur Eingriffe vorzunehmen, die er persönlich fachgerecht durchführen könne. Die fachgerechte Durchführung rekonstruktiver Gefäßeingriffe sei bei der Klägerin dadurch gewährleistet, dass diese von einem erfahrenen Facharzt für Gefäßchirurgie erbracht würden. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass in Westfalen-Lippe entsprechend einer Auswertung der westfälischen Krankenhausverbände rund 30 % der großen rekonstruktiven Gefäßeingriffe außerhalb von gefäßchirurgischen Fachabteilungen erbracht würden und dabei rund 25 % auf (allgemeine) chirurgische Abteilungen entfielen. Soweit gerade in jüngerer Vergangenheit durch ministerielle Erlasse teilweise gravierende Einschränkungen von Versorgungsaufträgen geregelt worden seien, komme diesem Umstand, unabhängig von der Problematik der rechtlichen Relevanz von Erlassen, schon deshalb keine streitentscheidende Bedeutung zu, da allenfalls die Erlasslage des Jahres 2004 entscheidend sein könne und damals die streitgegenständliche Behandlung als Bestandteil des allgemein-chirurgischen Versorgungsauftrags anzusehen gewesen sei.
Die Entscheidung der Schiedsstelle – KHG Westfalen-Lippe vom 12.03.2008, wonach rekonstruktive Gefäßeingriffe nicht vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses erfasst werden, sei rechtswidrig, wie die fehlende Genehmigung dieser Entscheidung durch den Bescheid der Bezirksregierung Münster vom 18.06.2008 zeige. Schließlich sei die Berufung zumindest aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes begründet.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Münster vom 06.12.2006 festzustellen, dass der Beklagten kein Rückzahlungsanspruch wegen der Vergütung der Krankenhausbehandlung der Versicherten K H in der Zeit vom 02.08.2004 bis 18.08.2004 zusteht.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, bei der Beurteilung der Zugehörigkeit der großen gefäßchirurgischen Leistungen zum Versorgungsauftrag des Krankenhauses gelte der Grundsatz, dass diese Leistungen unter Zugrundelegung der Kriterien der ärztlichen Weiterbildungsordnung von den allgemein chirurgischen Leistungen abgegrenzt werden könnten und die streitigen Leistungen deshalb von der Dominanzregel auszunehmen seien. Diese Beurteilung werde auch durch die Entscheidung der Schiedsstelle vom 12.03.2008 bestätigt. Auf Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes könne die Klägerin sich nicht berufen, da ihr seit 2004 stets bekannt gewesen sei, dass die Beklagte die Abrechnung der streitigen Leistungen nicht für gerechtfertigt halte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist entsprechend dem gestellten Antrag allein das Feststellungsbegehren der Klägerin, dass der Beklagten kein Rückzahlungsanspruch wegen der geleisteten streitigen Vergütung zusteht. Den erstinstanzlich in der Hauptsache geltend gemachten Zahlungsanspruch hat die Klägerin im Berufungsverfahren zurückgenommen und damit zutreffend dem Umstand Rechnung getragen, dass die Beklagte die streitige Behandlung bereits vergütet hat.
Das SG hat die Feststellungsklage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass der Beklagten kein Rückzahlungsanspruch wegen der Vergütung der Krankenhausbehandlung der Patientin K H in der Zeit vom 02.08. bis 18.08.2004 zusteht.
Die Feststellungsklage ist zulässig. Die Beklagte berühmt sich eines Rückzahlungsan-spruchs. Sie hat sich die gerichtliche Geltendmachung ausdrücklich vorbehalten und bestreitet damit den Zahlungsanspruch der Klägerin, so dass das Feststellungsinteresse zu bejahen ist. Die Feststellungsklage ist jedoch unbegründet.
Rechtsgrundlage des klägerischen Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) i.V.m. dem am 01.01.1997 in Kraft getretenen Vertrag nach § 112 Abs. 3 Nr. 1 SGB V vom 06. Dezember 1996 über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung (Sicherstellungsvertrag) zwischen der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen, den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen. Dabei entsteht die Zahlungsverpflichtung einer gesetzlichen Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den bei ihr versicher-ten Patienten. Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser i.S.d. § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in den §§ 16, 17 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) nach Maßgabe der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) in der Pflegesatzvereinbarung zwischen der Krankenkasse und dem Krankenhausträger festgelegt wird (vgl. BSG Urteil vom 24.01.2008 – B 3 KR 17/07 R -; BSG SozR 3-2500 § 112 Nrn. 1, 2; BSG SozR 4-2500 § 112 Nr. 2).
Dieser Vergütungsanspruch besteht indes nur für Behandlungen, die von dem Versorgungsauftrag des Krankenhauses gedeckt sind. Über dessen Rahmen hinaus ist das Krankenhaus nach § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V nicht zu einer Krankenhausbehandlung verpflichtet und können Versicherte nach § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V Leistungen in dem Krankenhaus nicht beanspruchen. Beide Vorschriften knüpfen daran an, dass die mit der Zulassung eines Krankenhauses nach § 108 SGB V erlangte Befugnis zur Teilnahme an der Versorgung gesetzlich Krankenversicherter erst durch den Versorgungsauftrag im einzelnen konkretisiert und zugleich begrenzt wird. Diese Wirkungen kommen auch in § 107 Abs. 1 Nr. 2 SGB V zum Ausdruck, wonach jedes Krankenhaus ausreichende, seinem Versorgungsauftrag entsprechende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten zur Verfügung haben muss. Ebenso wird bei der Krankenhausfinanzierung auf die durch den Versorgungsauftrag im einzelnen festgelegten Versorgungsaufgaben des Krankenhauses abgestellt. Außerhalb des Versorgungsauftrags kann ein Krankenhaus danach selbst dann keine Vergütung für eine erbrachte Leistung beanspruchen, wenn die Leistung ansonsten ordnungsgemäß gewesen ist (vgl. BSG Urteil vom 24.01.2008 a.a.O.). Solche Versorgungsaufträge bestehen einzelfallbezogen für jedes Krankenhaus und sind nicht generell festgelegt. Weder dem SGB V noch den Vorschriften über die Krankenhausfinanzierung ist ein allgemeiner und abschließender Katalog möglicher – einheitlicher – Versorgungsaufträge für die an der Versorgung der Versicherten beteiligten Krankenhäuser zu entnehmen (vgl. BSG Urteil vom 24.01.2008 a.a.O.; Wahl in: juris PK-SGB V, § 109 Rdn. 109). Die konkreten Behandlungsmöglichkeiten eines Krankenhauses werden durch den ihm erteilten Versorgungsauftrag bestimmt. Dies richtet sich nach der Art der Beteiligung an der Krankenhausversorgung. Für Plankrankenhäuser (§ 108 Nr. 2 SGB V) – wie hier das Krankenhaus der Klägerin – sind primär der Krankenhausplan i.V.m. den Bescheiden zu seiner Durchführung sowie sekundär gegebenenenfalls ergänzende Vereinbarungen nach § 109 Abs. 1 Satz 4 SGB V beachtlich (BSG Urteil vom 24.01.2008 a.a.O.; BSG SozR 4-5565 § 14 Nr. 3; Wahl a.a.O. Rdz. 113). Davon ausgehend ist hier – da eine Vereinbarung nach § 109 Abs. 1 Satz 4 SGB V nicht existiert – der Krankenhausplan i.V.m. dem Feststellungsbescheid der Bezirksregierung Münster maßgebend, wonach für das Krankenhaus der Klägerin u.a. die Disziplinen der Chirurgie und Geriatrie ausgewiesen sind.
Nach dem Krankenhausplan 2001 des Landes Nordrhein-Westfalen sind Gegenstand der Planung Krankenhäuser nach § 108 Nr. 1 und 2 SGB V sowie die dazugehörigen Ausbildungsstätten nach § 2 Nr. 1a KHG; die Einrichtungen nach § 108 Nr. 3 SGB V werden berücksichtigt (Planungsgrundsatz 2). Die der Planung zugrundeliegenden Gebiete und Schwerpunkte (Teilgebiete) orientieren sich an den Weiterbildungsordnungen für Ärzte der Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe. Sie werden gesondert festgelegt und gliedern sich in stationäre, teilstationäre und sonstige Angebotsstrukturen (Planungsgrundsatz 3). Unter Berücksichtigung der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe vom 30.01.1993 – Stand 11. April 2003 – (WBO), die somit hier bei der fachlichen Zuordnung der streitigen Operation heranzuziehen ist (vgl. auch BSG SozR 4-5565 § 14 Nr. 3), fällt die bei der Versicherten durchgeführte Operation in den Fachbereich der Gefäßchirurgie und gehört gerade nicht zum Bereich Chirurgie. Dies hat Dr. E in seinem Gutachten unter ausführlicher Bezeichnung auch der Weiterbildungsinhalte entsprechend den Richtlinien der Ärztekammer Westfalen-Lippe über den Inhalt der Weiterbildung (RL) im einzelnen zutreffend dargelegt.
Nach der Gebietsdefinition der WBO umfasst die Chirurgie die Erkennung und Behandlung von chirurgischen Erkrankungen, Verletzungen und Fehlbildungen mit den entsprechenden Untersuchungsverfahren, konservativen und operativen Behandlungsverfahren des Gebietes einschließlich gebietsbezogener Intensivmedizin, den Nachsorgeverfahren des Gebietes sowie der Rehabilitation in jedem Lebensalter sowie die allgemeine Schmerztherapie des Gebietes. Inhalt und Ziel der Weiterbildung umfassen Vermittlung, Erwerb und Nachweis eingehender Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in der allgemeinen Diagnostik und Differentialdiagnostik chirurgischer Erkrankungen, insbesondere in den instrumentellen Untersuchungsverfahren, der Indikationsstellung zur operativen und konservativen Behandlung der Erkrankungen, Verletzungen und Fehlbildungen des Gebietes, der selbständigen Durchführung der operativen Eingriffe des Gebietes einschließlich der zur Grundversorgung erforderlichen gefäßchirurgischen, thoraxchirurgischen, unfallchirurgischen und visceralchirurgischen Eingriffe (vgl. Abschnitt I Ziff. 7 WBO). Demgegenüber umfasst die Gefäßchirurgie die Erkennung und operative Behandlung der Erkrankungen des Gefäßsystems einschließlich der Verletzungen und Fehlbildungen sowie die Nachsorge nach operativer Behandlung und die Rehabilitation. Inhalt und Ziel dieser Weiterbildung sind Vermittlung, Erwerb und Nachweis besonderer Kenntnisse und Erfahrungen in diagnostischen, hyperämisierenden, resezierenden und rekonstruktiven Maßnahmen und Eingriffen am Gefäßsystem (vgl. Abschnitt I Ziff. 7.C.1 WBO).
Dass bei dem hier streitigen Eingriff eine operative Behandlung einer Erkrankung des Gefäßsystems erfolgte, wird auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen. Entgegen der klägerischen Darlegung handelte es sich jedoch nicht um einen zur Grundversorgung erforderlichen gefäßchirurgischen Eingriff i.S.d. Weiterbildung zum Chirurgen. Denn unter Berücksichtigung der RL und der dort vorgenommenen Zuordnung bestimmter ärztlicher Eingriffe zu einzelnen ärztlichen Disziplinen, aus denen zumindest Indizien für die Gebietszuordnung der jeweiligen Behandlungen abgeleitet werden können (vgl. BSG SozR 4-5565 § 14 Nr. 3), ergibt sich, dass die Chirurgie die streitige rekonstruktive Leistung gerade nicht umfasst. Nach den RL wird nämlich bei den Bestimmungen des Leistungskatalogs für die Gefäßchirurgie (unter Nr. 2.1.4) das Erfordernis von 135 Eingriffen am Gefäß- und Nervensystem, davon 55 rekonstruktive Operationen im femoro-poplitealen und femoro-cruralen Bereich sowie an der oberen Extremität, 15 endovasculäre Operationen einschließlich der notwendigen Kontroll-verfahren, 25 Dialyseshunts, Sympathektomien und Portimplantationen und 40 Operationen am Venensystem, z.B. venöse Rekonstruktion, Varizenexstirpation genannt. Demgegenüber fehlen entsprechende Hinweise bei den Bestimmungen für Chirurgen. Hier werden für das Gefäß- und Nervensystem (unter Nr. 2.1.5) lediglich 25 Eingriffe, davon 5 Thrombembolektomien, 10 Varizenoperationen und 10 weitere Operationen am Gefäß- und Nervensystem, z.B. Gefäßnähte, Varizenverödungen, Neurolysen genannt. Dies verdeutlicht, wie auch Dr. E dargelegt hat, dass die hier durchgeführte Maßnahme mit Anlage eines femoro-poplitealen P1-Bypasses allein der Gefäßchirurgie zuzuordnen ist. Im Einklang hiermit steht, dass die Ärztekammer Westfalen-Lippe in ihrer von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme vom 26.10.2006 eine Zugehörigkeit der streitigen Leistung zum Weiterbildungsinhalt des Gebietes Chirurgie grundsätzlich verneint hat. Auch die Klägerin räumt ein, dass der hier streitige Eingriff nicht von einem Chirurgen, sondern nur von einem Facharzt für Gefäßchirurgie durchgeführt werden darf. Die von der Klägerin aufgestellte Behauptung, ein Versorgungs-auftrag für das Gebiet Chirurgie umfasse stets auch sämtliche Teilbereiche/Schwerpunkte in vollem Umfang, so dass der streitige Eingriff erbracht werden könne, findet somit in der WBO i.V.m. den RL keine Stütze.
Auch der Umstand, dass nach dem o.g. Planungsgrundsatz 3 des Krankenhausplanes 2001 des Landes Nordrhein-Westfalen Gebiete und Schwerpunkte (Teilgebiete) gesondert festgelegt werden, spricht dagegen, dass Teilgebiete, die – wie hier die Gefäßchirurgie – im Krankenhausplan eigens berücksichtigt worden sind, weiterhin dem Versorgungsauftrag des Gebietes unterfallen. Soweit die Klägerin sich in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24.07.2003 (- B 3 KR 8/02 R -, SozR 4-5565 § 14 Nr. 3) beruft, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Zwar geht das BSG in diesem Urteil davon aus, dass durch eine Pflegesatzvereinbarung der Versorgungsauftrag eines Plankrankenhauses nicht eingeschränkt werden kann, dieses ist hier jedoch gerade nicht im Streit. Die Auffassung, dass die WBO grundsätzlich für die Beurteilung maßgebend ist, ob eine streitige Operation in einer bestimmten Abteilung durchgeführt werden kann, wird vielmehr auch in diesem Urteil vorausgesetzt und vom Senat – wie dargelegt – auch nicht in Zweifel gezogen.
Der Planungsgrundsatz 6 des Krankenhausplanes 2001 des Landes Nordrhein-Westfalen spricht ebenfalls gegen die Ansicht der Klägerin. Zwar werden danach die Kapazitäten für die Teilgebiete als Anteile des jeweiligen Gebietes bestimmt. Andererseits wird aber bei der Errechnung des Bettenbedarfs von einem Bettenanteil für das Teilgebiet Gefäßchirurgie von nur 7 % ausgegangen. Dies spricht dagegen, dass – wie die Klägerin meint – im Gebiet Chirurgie stets auch gefäßchirurgische Leistungen bis zur Dominanzgrenze, die von der Klägerin bei 49 % bzw. 20 % gesehen wurde, erbracht werden können. Im Übrigen ist die weitergehende klägerische Argumentation, die sich auf die Dominanzregelung stützt und unter Hinweis auf den Erlass des Ministeriums für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes Nordrhein-Westfalen vom 31.03.1999 darlegt, Krankenhäuser dürften sich im Bereich der Schnittmengen von Disziplinen spezialisieren – wobei die Überschneidungen in den Leistungsbereichen verschiedener Fachgebiete/Schwerpunkte das jeweilige Leistungsgeschehen lediglich nicht dominieren dürften -, hier nicht zielführend. Denn es ist ja gerade problematisch, ob bezüglich des hier streitigen operativen Eingriffs überhaupt eine Überschneidung zwischen Chirurgie und Gefäßchirurgie vorliegt; wie oben dargelegt, ist unter Berücksichtigung der WBO i.V.m. den RL gerade keine Überschnei-dung gegeben. Die streitige Operation kann vielmehr nur dem Fachbereich Gefäß-chirurgie, nicht aber außerdem auch noch dem Fachbereich Chirurgie zugeordnet werden. Liegt aber im eigentlichen Sinne gar keine Überschneidung vor, so kann auch die Dominanzregelung keine Wirkung entfalten.
Auch der von der Klägerin übersandte Erlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 27.11.2007, mit dem der Erlass vom 31.03.1999 konkretisiert und aktualisiert wurde, verdeutlicht – unabhängig von der hier nicht entscheidungserheblichen und deshalb offen gelassenen Problematik, ob und inwieweit ministeriellen Erlassen überhaupt rechtliche Bedeutung innerhalb des anhängigen Rechtsstreits zukommen kann -, dass Dominanzüberlegungen erst anzustellen sind, wenn mangels möglicher Abgrenzung eine Überschneidung angenommen werden kann.
§ 22 WBO, wonach ein Facharzt grundsätzlich nur in diesem Gebiet tätig werden darf und Ärzte, die eine Schwerpunktbezeichnung führen, auch im Schwerpunkt tätig sein müssen, spricht auch nicht entscheidend für die Auffassung der Klägerin. Zwar schließt die Weiterbildungsordnung die Tätigkeit eines Gebietsarztes in den Schwerpunkten nicht schlechthin aus, andererseits wurde durch die Diversifizierung des Gebietes Chirurgie gerade dem medizinisch-wissenschaftlichen Fortschritt und einer den Anforderungen der dem sich entwickelnden Standard gerecht werdenden Patientenversorgung Rechnung getragen. Dies berücksichtigend geht auch die Klägerin davon aus, dass der hier streitige Eingriff von einem Gefäßchirurgen durchzuführen ist. Die von der Klägerin vorgelegte Auskunft der Ärztekammer vom 26.10.2006 macht ebenfalls deutlich, dass der hier streitige Eingriff regelmäßig Gefäßchirurgen vorenthalten ist.
Soweit die Klägerin sich für ihre Ansicht auf das Urteil des BSG vom 02.04.2003 (- B 6 KA 30/02 R -, SozR 4-2500 § 95 Nr. 5) bezieht, wonach Überschneidungen zwischen Mutterfach und sich daraus entwickelndem Tochterfach für eine Übergangszeit unvermeidlich und im Hinblick auf die Berufsausübungsfreiheit hinzunehmen seien, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Denn Grundlage der Entscheidung des BSG war vor allem der Umstand, dass der dort streitige Eingriff unter Berücksichtigung der WBO und der RL einen deutlichen Bezug zu beiden dort in Betracht kommenden Gebieten hatte. Demgegenüber ist die streitige Operation hier unter Berücksichtigung der WBO und der RL – wie oben ausführlich dargestellt – ausschließlich der Gefäßchirurgie zuzuordnen.
Die Befugnis zur Abrechnung der streitigen Leistung lässt sich entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht aus Vertrauensschutzgesichtspunkten herleiten. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang vorgetragen, die zuständige Bezirksregierung habe vor dem Jahre 2004 über Jahre hinweg die Ansicht vertreten, dass bei allen Krankenhäusern mit dem Versorgungsauftrag Chirurgie auch die großen rekonstruktiven Gefäßeingriffe abrechenbar seien. Fraglich ist schon, ob das Verhalten der Bezirksregierung überhaupt Rechtswirkungen im Verhältnis zur Beklagten entfalten kann. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, denn entscheidend ist, dass die Klägerin bis zum Jahr 2004 gar keine großen rekonstruktiven Gefäßeingriffe erbracht hat. Solche Eingriffe sind vielmehr erstmals im Jahr 2004 erfolgt. Die Beklagte hat dann jedoch von Anfang an deutlich gemacht, dass die Abrechnung dieser Eingriffe angesichts des Versorgungsauftrags der Klägerin nicht befürwortet werden kann. Diese Haltung ist in den Budgetverhandlungen, die im Jahr 2004 im Juli/August stattfanden, stets vertreten worden. Auch die daraus resultierende Vergütungsvereinbarung 2004 vom 15.12.2004, dessen Entgelte ab dem 01.01.2005 für alle Patienten abzurechnen sind, die von diesem Zeitpunkt an in das Krankenhaus aufgenommen werden (Ziff. III Nr. 1 der Vereinbarung), macht letztlich deutlich, dass hinsichtlich der Abrechnung gefäßchirurgischer Leistungen keine Einigkeit zwischen der Klägerin und den Sozialleistungsträgern erzielt werden konnte. Denn entsprechend Ziff. VI Nr. 16 der Vereinbarung wurden gefäßchirurgische Leistungen mit dem Krankenhaus vereinbart, die nach Auffassung der Kostenträger nicht zum Versorgungsauftrag des Krankenhauses gehören und es wurde weiter vereinbart, dass die tatsächliche Abrechnung der Einzelfälle von dem Ergebnis sozialmedizinischer Gutachten durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen abhängig gemacht wird. Im Gerichtsverfahren hat die Klägerin überdies auch stets auf die andauernde streitige Beurteilung des Umfangs des Versorgungsauftrags hingewiesen und dies durch den Hinweis auf diverse Schiedsgerichtsverfahren untermauert. Bei dieser Sachlage scheidet die Geltendmachung eines Vertrauensschutzes aus.
Nach alledem wird der bei der Versicherten erbrachte gefäßchirurgische Eingriff nicht vom Versorgungsauftrag der Klägerin erfasst, so dass der Beklagten ein Rückzahlungsan-
spruch wegen der gezahlten Vergütung zusteht und die Berufung demzufolge unbegründet ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Erstellt am: 26.11.2009
Zuletzt verändert am: 26.11.2009