Der Antrag der 9. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf auf Bestimmung der gesetzlich zuständigen Fachkammer wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt als Trägerin des St. S Krankenhauses in M die Zulassung des Krankenhauses zur ambulanten Behandlung bei pulmonaler Hypertonie gemäß § 116 b Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V). Gegen den ablehnenden Bescheid der Bezirksregierung Köln hat die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Köln Klage erhoben. Die für vertragsärztliche Angelegenheiten zuständige 26. Kammer des SG Köln hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass es sich zwar um eine vertragsärztliche Angelegenheit handele, dass aber das SG Köln nicht örtlich zuständig sei. Örtlich zuständig sei nach § 57a Sozialgerichtsgesetz (SGG) vielmehr das SG Düsseldorf. Mit Beschluss vom 04.11.2009 hat das SG Köln sich sodann für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das SG Düsseldorf verwiesen.
Die für vertragsärztliche Angelegenheiten zuständige 2. Kammer des SG Düsseldorf hat Zweifel hinsichtlich ihrer Zuständigkeit geäußert und um eine Zuständigkeitsentscheidung des Präsidiums gebeten.
Das Präsidium des SG Düsseldorf hat eine Entscheidung darüber, welche Kammer des SG Düsseldorf für den Rechtsstreit zuständig ist, nicht treffen wollen. Die angesprochenen Fragen seien keine der Geschäftsverteilung, sondern des materiellen Rechts.
Nachdem das Verfahren sodann als krankenversicherungsrechtliche Angelegenheit erfasst worden ist, hat die 9. Kammer des SG Düsseldorf das Landessozialgericht (LSG) angerufen und die Bestimmung der gesetzlich zuständigen Fachkammer gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG analog beantragt. Es hat die Auffassung vertreten, es liege eine Vertragsarztangelegenheit vor.
II.
Der Antrag ist abzulehnen, weil für die Bestimmung der zuständigen Fachkammer durch das LSG keine Rechtsgrundlage besteht.
Nach § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG wird das zuständige Gericht innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit durch das gemeinsam nächsthöhere Gericht bestimmt, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben (negativer Kompetenzkonflikt). Eine unmittelbare Anwendung dieser Regelung kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil sich vorliegend ersichtlich nicht verschiedene Gerichte, sondern verschiedene Fachkammern eines Gerichtes, des SG Düsseldorf, für unzuständig erklärt haben. Auch für eine analoge Anwendung der Vorschrift sieht der Senat keinen Raum. Streitigkeiten unter verschiedenen Spruchkörpern desselben Gerichts über ihre Zuständigkeit sind grundsätzlich nicht nach Maßgabe des § 58 SGG, sondern durch das Präsidium des Gerichts zu entscheiden (vgl. Handkommentar zum SGG/Groß, § 58 Rz. 9; BSG vom 14.12.1966 – 8 RV 1049/65 – BSGE 26, 38 f.).
Eine analoge Anwendung des § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG bei Kompetenzkonflikten zwischen einzelnen Spruchkörpern eines Gerichts würde voraussetzen, dass eine planwidrige, ausfüllungsbedürftige Regelungslücke im Gesetz besteht. Daran fehlt es hier. Sinn und Zweck von § 58 Abs. 1 SGG ist es, in bestimmten Ausnahmefällen rasch in verfahrensrechtlicher Hinsicht Klarheit darüber zu schaffen, welches Gericht über einen Rechtsstreit zu entscheiden hat. Die Rechtswirkung einer Entscheidung nach § 58 Abs. 1 SGG beschränkt sich darauf, alleine im Verhältnis der beiden Gerichte zueinander festzulegen, wer den Streitfall zu bearbeiten hat. Diese enge Auslegung ist schon wegen des für prozessuale Vorschriften geltenden Grundsatzes der Rechtsmittelklarheit (vgl. BSG vom 24.05.2006 – B 3 KR 15/05 R) geboten. Mit der Entscheidung nach § 58 Abs. 1 SGG trifft das nächsthöhere Gericht ohnehin – ebensowenig wie das Präsidium eines Gerichts – keine Entscheidung darüber, ob der von ihm bestimmte Spruchkörper materiellrechtlich tatsächlich zuständig ist. Eine Überprüfung, ob die fachlich zuständige Kammer und mit ihr die zur Entscheidung berufenen ehrenamtlichen Richter – also die gesetzlichen Richter – tätig geworden sind, erfolgt ggf. alleine durch das Rechtsmittelgericht (vgl. Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, § 10 Rz. 4b; in diesem Sinne auch LSG NRW vom 09.07.2004 – L 10 B 6/04 KA ER). Umstritten ist insoweit nur, ob diese Prüfung eine Rüge erfordert oder nicht (vgl. zum Streitstand BSG vom 06.05.2009 – B 6 A 1/08 R).
Vor diesem Hintergrund besteht für eine analoge Anwendung des § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG auch gar keine Notwendigkeit. Denn dem Bedürfnis, möglichst schnell Rechtssicherheit darüber herzustellen, welcher Spruchkörper tatsächlich das Verfahren zu bearbeiten hat, wird durch eine Entscheidung des Präsidiums sogar besser Rechnung getragen. Wie der vorliegende Fall zeigt, wäre eine Entscheidung des Präsidiums schneller zu erreichen gewesen als die des nächsthöheren Gerichts.
Soweit in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BGH vom 03.05.1978 – IV ARZ 26/78 – BGHZ 71, 264) auch bei bestimmten Kompetenzkonflikten unter Spruchkörpern desselben Gerichts § 36 Abs. 1 Nr. 6 Zivilprozessordnung (ZPO) – diese Vorschrift entspricht § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG – analog angewandt worden ist, folgt der Senat dem ausdrücklich nicht. So hat der BGH im Streit eines allgemeinen Berufungssenats und eines Familiensenats innerhalb eines Oberlandesgerichts angenommen, die Zuständigkeit einer der miteinander streitenden Spruchkörper beruhe nicht allein auf dem Geschäftsverteilungsplan, sondern auf einer ausdrücklichen "gesetzlichen Zuweisungsregelung". Eine Verteilungs- und Entscheidungskompetenz des Präsidiums hat er verneint, weil es um die Anwendung ausdrücklicher gesetzlicher Zuweisungsvorschriften gehe, über die das Präsidium nicht verbindlich entscheiden könne (BGH vom 03.05.1978 – IV ARZ 26/78 – BGHZ 71, 264; dem folgend Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 58 Rz. 2c; Zeihe, SGG, § 58 Rz. 13a).
Abgesehen davon, dass – wie bereits dargelegt – nicht ersichtlich ist, woraus sich eine weitergehende Kompetenz des zur Entscheidung berufenen nächst höheren Gerichts ergeben sollte, vermag diese Auffassung eine sichere Abgrenzung der Zuständigkeit des Gerichts zu der des Präsidiums nicht vorzunehmen. So ist schon unklar, wann von einer ausdrücklichen "gesetzlichen Zuweisungsregelung" auszugehen ist. Der BGH hat etwa bei einem Streit darüber, ob das Landgericht als Berufungsgericht oder als Beschwerdegericht zuständig ist, eine solche nicht erkennen können (BGH vom 05.10.1999 – X ARZ 247/99 = NJW 2000, 80). Auch das OVG NRW hat in dem Verfahren eines Richters, der die Verletzung seiner Rechte durch die Geschäftsverteilung geltend machte, die Regelung des § 937 Abs. 1 ZPO (Zuständigkeit des Gerichts der Hauptsache für Eilverfahren) nicht als eine solche gesetzliche Zuweisungsvorschrift angesehen (OVG NRW vom 23.04.2008 – 1 A 1703/07 -). Im Zuständigkeitsbereich der Sozialgerichtsbarkeit kommt als eine solche Zuständigkeitsregelung zwar § 10 SGG in Betracht. Dieser regelt, welche Kammern für welche Streitigkeiten bei den Sozialgerichten gebildet werden. Eine solche Regelung ist allerdings nichts anderes als eine "gesetzliche Geschäftsverteilung" (vgl. Kissel/Mayer, Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), § 21e Rz. 117). Allgemeine Auslegungsfragen der Geschäftsverteilungspläne und Fragen der sachlichen Voraussetzung einer solchen "gesetzlichen Geschäftsverteilung" sind hingegen kaum klar zu trennen (vgl. dazu auch Kissel/Mayer, GVG, § 21e Rz. 118). Es drängt sich daher auf, nur das Präsidium als berechtigt und verpflichtet, anzusehen, Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen Spruchkörpern für diese verbindlich zu beenden, auch wenn dieses dabei Bestimmungen der "gesetzlichen Geschäftsverteilung" zu beachten und auszulegen hat.
Abschließend weist der Senat darauf hin, dass nach Auffassung des BSG ein Verweisungsbeschluss nach § 98 SGG i.V.m. § 17 Abs. 2 S. 1 GVG nicht nur hinsichtlich derjenigen Zuständigkeitsfrage bindend ist, derentwegen verwiesen worden ist, sondern auch hinsichtlich sonstiger Zuständigkeitsfragen, soweit das verweisende Gericht die Zuständigkeit auch in dieser Hinsicht geprüft und bejaht hat (BSG vom 07.12.2006 – B 12 SF 5/06 S -, unter Hinweis auf BGH vom 26.11.1997 – XII ARZ 34/97 -). Hier hat das SG Köln die Streitsache ausdrücklich als vertragsärztliche Angelegenheiten beurteilt, denn nur in diesem Fall kam die Verweisung auf der Grundlage der Sonderzuständigkeitsregelung des § 57a SGG in Betracht. Diese Verweisung ist nach § 98 SGG i.V.m. § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG bindend. Anhaltspunkte dafür, dass die Verweisung auf einer Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze oder einem willkürlichen Verhalten beruhen und daher ausnahmsweise nicht bindend sein könnte (vgl. dazu BSG vom 03.12.2009 – B 12 SF 18/09 S -, m.w.N.), bestehen nicht. Unter Berücksichtigung der Ausführungen des BSG im Urteil vom 06.05.2009 (B 6 A 1/08 R, insoweit Rz. 19 ff., 25) erscheint die Auffassung des SG Köln, die vorliegende Streitsache sei als vertragsärztliche Angelegenheit zu beurteilen, nicht nur vertretbar, sondern sogar richtig. Vor diesem Hintergrund wäre für das Präsidium des SG Düsseldorf die Zuweisung der Streitsache an eine Kammer mit der Zuständigkeit für vertragsärztliche Angelegenheiten naheliegend.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 06.07.2010
Zuletzt verändert am: 06.07.2010