NZB mit Beschluss vom 10.11.08 als unzulässig verworfen
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 08.05.2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Versorgung mit einer Unterschenkelschwimmprothese.
Bei dem am 00.00.1937 geborenen und bei der Beklagten krankenversicherten Kläger liegt ein Zustand nach Unterschenkelamputation links im Jahre 2004 vor. Er ist von der beklagten Krankenkasse mit einer herkömmlichen Unterschenkelprothese versorgt worden.
Am 02.08.2005 beantragte er unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung des Prof. T T , Fachklinik für Chirurgie/Plastische Chirurgie, Handchirurgie, Berufsgenossenschaftliche Kliniken C, C, die Versorgung mit einer wasserfesten Unterschenkelprothese mit Silikonliner. Hierzu legte er einen Kostenvoranschlag des "care center bergmannsheil" vom 02.08.2005 über 2.598,22 Euro vor. Die Beklagte lehnte die Gewährung der Schwimmprothese durch den Bescheid vom 10.08.2005 mit der Begründung ab, dass eine wasserfeste Gehhilfe nicht die Ausübung des Schwimmsports selbst ermögliche, sondern lediglich eine Unterstützung beim Einstieg in das Schwimmbecken und bei den in der Badeanstalt zurückzulegenden Wegen darstelle. Da diese auch mit Hilfe von Unterarmgehstützen geleistet werden könnten, sei die wasserfeste Gehhilfe nicht erforderlich.
Dagegen legte der Kläger am 29.08.2005 Widerspruch ein, mit dem er vorbrachte, es gehe ihm in erster Linie um die Ermöglichung der täglichen Körperpflege, da die fehlende Standfestigkeit zu Problemen führe. Ferner solle durch das Schwimmen auch die Rückenmuskulatur aufgebaut werden. Die Benutzung von Unterarmgehstützen sei in Badeanstalten nicht gestattet.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch den Widerspruchsbescheid vom 18.01.2006 mit der Begründung zurück, dass der Kläger mit einem Duschhocker versorgt sei, der ihm die Durchführung der Körperpflege ermögliche. Das Schwimmen zähle nicht zu den durch die Gewährung von Hilfsmitteln zu befriedigenden Grundbedürfnissen.
Der Kläger hat am 01.02.2006 Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben.
Zur Begründung hat er vorgebracht: Die herkömmliche Unterschenkelprothese sei in Nassräumen nicht benutzbar. Er benötige die wasserfeste Unterschenkelprothese in erster Linie zur Ermöglichung der täglichen Körperpflege, in zweiter Linie aber auch zum Betreiben des Schwimmsports. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) habe bereits entschieden (Urteil vom 05.02.2004, Az.: L 16 KR 102/03), dass eine wasserfeste Schwimmprothese als Hilfsmittel von der Krankenkasse zur Verfügung zu stellen sei.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.08.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2006 zu verurteilen, die Kosten für eine wasserfeste Unterschenkelprothese zu übernehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an der Auffassung festgehalten, dass ein Anspruch auf Versorgung mit einer Schwimmprothese neben der herkömmlichen Unterschenkelprothese nicht bestehe.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 08.05.2007 abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihm am 20.06.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19.07.2007 Berufung eingelegt.
Zur Begründung bringt er vor: Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei die wasserfeste Unterschenkelprothese unmittelbar auf den Ausgleich der beeinträchtigten Körperfunktion selbst gerichtet. Sie ermögliche das Gehen auf nass-glattem, rutschigem Boden in Schwimmhallen und Freischwimmbädern sowie an Badestränden. Darüber hinaus ermögliche sie eine gewisse sportliche Grundbetätigung, die mittlerweile als Grundbedürfnis einzuordnen sei. Die Beklagte sei deshalb verpflichtet, ihn mit einer wasserfesten Unterschenkelprothese zu versorgen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 08.05.2007 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2006 zu ver- urteilen, ihn mit einer wasserfesten Unterschenkelprothese mit Silikonliner zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 10.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2006 ist rechtmäßig. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Versorgung mit einer wasserfesten Unterschenkelschwimmprothese nicht zu.
Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der Fassung des Gesetzes vom 14.11.2003 (Bundesgesetzblatt I, S. 2190) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 ausgeschlossen sind. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht erfüllt.
Die Unterschenkelschwimmprothese ist nicht erforderlich, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern. Weder ist nach dem Vorbringen des Klägers eine auf ein solches Ziel gerichtete Verwendung beabsichtigt, noch liegen objektive Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Verwendung der Schwimmprothese für diesen Zweck vor. Ebensowenig ist die Schwimmprothese zum Ausgleich einer drohenden Behinderung erforderlich, denn bei dem Kläger ist die Behinderung in Form der Auswirkungen des Verlusts des linken Unterschenkels bereits eingetreten, so dass es allein um die Kompensation einer bestehenden Behinderung gehen kann.
Die Schwimmprothese ist dem Kläger jedoch auch nicht zur Verfügung zu stellen, um die aufgrund der Unterschenkelamputation bestehende Behinderung auszugleichen. Ein Hilfsmittel ist für den Ausgleich einer Behinderung grundsätzlich erforderlich, wenn das Hilfsmittel die beeinträchtigte Körperfunktion unmittelbar ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Zu unterscheiden hiervon ist der Fall, dass das begehrte Hilfsmittel die beeinträchtigte Körperfunktion nur mittelbar ersetzt. Dann muss nämlich zusätzlich geprüft werden, in welchen Lebensbereichen sich der Ausgleich auswirkt. Festzustellen ist dabei, ob das Hilfs-mittel zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird (vgl. dazu zuletzt BSG Urteil vom 10.11.2005, Az. B 3 KR 31/04 R = Sozialgerichtsbarkeit [SGb] 2006, S. 222 mit weiteren Nachweisen [m.w.N.]). Dieser Differenzierung liegt die Erwägung zugrunde, dass der unmittelbare Funktionsausgleich sich in allen Lebensbereichen auswirkt und damit zwangsläufig auch Grundbedürfnisse betroffen sind, während dies bei nur mittelbarem Behinderungsausgleich nicht ohne weiteres angenommen werden kann (BSG Urteil vom 06.06.2002, Az. B 3 KR 68/01 R).
Zwar ersetzt die Schwimmprothese die ausgefallene Körperfunktion des Gehens und Stehens in dem Sinne unmittelbar, dass sie dem Kläger die Fortbewegung auf feuchten und nassen oder rutschigen Untergründen ermöglicht. Hieraus ergibt sich aber zugleich, dass sich die Funktion der wasserfesten Prothese nur in speziellen Lebensbereichen auswirkt, nämlich dort, wo es feucht oder nass ist (Rutschgefahr). In allen anderen Lebensbereichen ("allgemein") ermöglicht dem Kläger die herkömmliche Unterschenkelprothese die Fortbewegung. Dies verkennt das Urteil des LSG NRW vom 05.02.2004 (L 16 KR 102/03) sowie die frühere Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 10.10.1979, Az. 3 RK 30/79), auf die sich der Kläger zur Stützung seines Begehrens beruft. Mit der neueren Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 06.06.2002 und 10.11.2005 aaO) ist aber begrifflich von einem unmittelbaren Behinderungsausgleich nunmehr nur dann auszugehen, wenn sich dieser nicht nur in einem speziellen Lebensbereich, sondern vielmehr in allen Lebensbereichen auswirkt.
Es kommt deshalb hier auf die Frage an, ob die Schwimmprothese zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird. Zu diesen Grundbedürfnissen gehören zum einen die körperlichen Grundfunktionen (Gehen, Stehen und Treppensteigen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung), darüber hinaus die elementare Körperpflege und das selbständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, der auch die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen zur Vermeidung der Vereinsamung sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens (Schulwissens) umfasst (vgl. dazu BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 32 m.w.N.). Dabei geht es nur um ein Basisbedürfnis und damit lediglich um einen Basisausgleich, also nicht um ein vollständiges Gleichziehen mit den Möglichkeiten eines Gesunden (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 29 m.w.N.). Eine über die Befriedigung eines solchen Grundbedürfnisses hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist Aufgabe anderer Sozialleistungsträger (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 29). Die sportliche Betätigung im Freizeitbereich wird vom Begriff des vitalen Lebensbedürfnisses bzw. des allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens nicht erfasst (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 5 und 27; BSG SozR 3-2500 § 182b Nr. 12, 30, 34 und 37; BSG Urteil vom 16.09.1999, Az.: B 3 KR 8/98 R SozR 3-2500 § 33 Nr. 31). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom 22.06.2006, Az.: L 5 KR 16/06).
Das Grundbedürfnis des Klägers auf Gewährleistung der elementaren Körperpflege erfolgt (u.a.) durch die Versorgung mit dem Duschstuhl; der Kläger hat nicht im einzelnen dargetan, warum ihm trotz Versorgung mit einem Duschstuhl das selbständige Duschen nicht möglich ist. Der Senat ist deshalb davon ausgegangen, dass der Kläger die Notwendigkeit der wasserfesten Prothese für die Körperpflege nicht (mehr) geltend macht.
Das weitere Grundbedürfnis des Klägers, sich fortzubewegen und sich einen gewissen körperlichen Freiraum zu erschließen, wird durch die herkömmliche Unterschenkelprothese befriedigt, die ihm die Beklagte bereits zur Verfügung gestellt hat. Bei dem beantragten Hilfsmittel der Schwimmprothese handelt es sich um einen Gegenstand, den der Kläger im Rahmen des Schwimmsports einsetzen will. Die sportliche Betätigung allgemein und die Ausübung des Schwimmsports im Besonderen stellen jedoch keine von der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Gewährung von Hilfsmitteln zu befriedigenden Grundbedürfnisse dar. Es ist bekannt, dass eine Vielzahl von Menschen überhaupt keinen Sport treibt. Hinzu kommt, dass es bei der Ausübung von Sport grundsätzlich um eine gesteigerte, den menschlichen Körper besonders beanspruchende Betätigung körperlicher Grundfunktionen geht. So sind etwa Gehen und Stehen die Grundform einer Vielzahl von Sportarten wie z.B. Laufen, Fuß-/Handball/Tennisspielen usw. Schon von daher wird deutlich, dass es beim Sporttreiben nicht um ein allgemeines Grundbedürfnis, sondern um die Befriedigung eines von diesen Basisformen abgeleiteten speziellen Bedürfnisses geht.
Selbst wenn man die Ermöglichung einer sportlichen Betätigung zu den Grundbedürfnissen zählen würde, so begründete dies nicht den Anspruch des Klägers auf eine Schwimmprothese. Denn auch ohne diese wäre es dem Kläger nicht generell unmöglich, Sport zu treiben. Auch ohne Schwimmprothese ist der Kläger – wenn auch nur in beschränktem Maße – zu sportlichen Aktivitäten etwa in Form von Gymnastik oder Hanteltraining in der Lage. Auch das Radfahren und Laufen ist für einen Unterschenkelamputierten, der mit einer Unterschenkelprothese versorgt ist, nicht von vornherein ausgeschlossen.
Anhaltspunkte dafür, dass die Schwimmprothese erforderlich sein könnte, um ein Grundbedürfnis des Klägers auf Kommunikation mit anderen zu ermöglichen oder zu befriedigen oder seine soziale Integration sicherzustellen, sind in keinster Weise ersichtlich.
Im Hinblick auf die Entscheidungen des BSG vom 10.10.1979 (aaO) und des 16. Senats des LSG NRW vom 05.02.2004 (Az. L 16 KR 102/03) hat der Senat die Revision zugelassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Erstellt am: 24.11.2008
Zuletzt verändert am: 24.11.2008