Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts (SG) Duisburg vom 5. Januar 1999 abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 8. August 1995 und der Widerspruchsbescheid vom 14. September 1995 werden aufgehoben. Die Beklagte trägt die dem Kläger in beiden Instanzen entstandenen außergerichtlichen Kosten des Klägers. Der Beklagten werden wegen mutwilliger Prozeßführung Kosten in Höhe von 1000.- DM als Beteiligung an dem gerichtlichen Aufwand auferlegt. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte den Kläger zwingen darf, einen Rentenantrag zu stellen.
Der Kläger ist am …1936 geboren. Er war zuletzt als Gärtner im Garten- und Landschaftsbau beschäftigt. Sein Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis am 08.08. zum 01.09.1994. Ab dem 09.08.1994 war der Kläger arbeitsunfähig geschrieben. Am selben Tag stellte er einen Rentenantrag beim beigeladenen Rentenversicherungsträger. Ab dem 01.09.1994 bezog der Kläger von der beklagten Ersatzkasse Krankengeld im Auszahlscheinverfahren. Die Beigeladene meldete ihren Ersatzanspruch an. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) befand mit Gutachten vom 31.10.1994, der Kläger sei wegen einer Herzerkrankung, insulinpflichtiger Zuckererkrankung, Nierenentfernung links, hochgradigem Übergewicht und einer chronischen Lumboischalgie weiterhin arbeitsunfähig als Gärtner. Eine dauerhafte Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit in diesem Bereich sei nicht zu erwarten. Ein Heilverfahren sei begründet. Mit Schreiben vom 03.11.1994 bat die beklagte Kasse daraufhin den Kläger, ihr den beigefügten Rehabilitationsantrag des Rentenversicherungsträgers innerhalb der nächsten vier Wochen zur Weiterleitung ausgefüllt zurückzusenden. Die Beigeladene gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 15.12.1994 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 01.09.1994 in Höhe von 936,93 DM. Dagegen wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 20.12.1994 und trug vor, er halte seine Einstufung als erwerbsunfähig für überzogen; jedenfalls nach Genesung und Rehabilitation könne er durchaus körperlich leichte Arbeit verrichten. Die Beigeladene entschied mit Schreiben vom 16.01.1995, der Bescheid vom 15.12.1994 sei wegen des Widerspruchs nicht bindend geworden; die Beklagte werde von der Antragsrücknahme unterrichtet; bereits gezahlte Rente sei zu erstatten. Auf die Bitte des Klägers vom 09.01.1995, die Zahlung des Krankengeldes fortzusetzen, erwiderte die Beklagte mit Datum des 27.01.1995, der Kläger erhalte z.Zt. Krankengeld; es berechne sich wie folgt …
Bereits mit Schreiben vom 26.01.1995 hatte die Beklagte den Kläger gebeten, innerhalb von zehn Wochen einen Antrag auf medizinische Rehabilitationsmaßnahmen zu stellen; nach dem Willen des Gesetzgebers sei der weitere Anspruch auf Krankengeld an die Voraussetzung geknüpft, daß der "Antrag auf Maßnahmen zur Rehabilitation" innerhalb der gesetzten Frist gestellt werde; wenn der Kläger den Antrag nicht stelle, entfalle der Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf der Zehn-Wochen-Frist (§ 51 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches (SGB) V); zum gleichen Zeitpunkt ende dann auch die beitragsfreie Mitgliedschaft.
Am 19.03.1995 stellte der Kläger bei der Beigeladenen den Antrag auf Rehabilitation. Der beigeladene Rentenversicherungsträger lehnte den Antrag mit Bescheid vom 17.07.1995 ab, weil der Kläger erwerbsunfähig sei. Dagegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 07.08.1995, mit dem er vortrug, nach Ansicht von Arbeitsamt und MDK könne er noch körperlich leichte Arbeit verrichten.
Die Beklagte eröffnete dem Kläger mit Schreiben vom 08.08.1995, die Beigeladene habe ihr mit Schreiben vom 17.07.1995 mitgeteilt, daß er erwerbsunfähig und eine Besserung oder Wiederherstellung seiner Erwerbsfähigkeit nicht zu erwarten sei; sie – die Kasse – bitte ihn, innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Schreibens beim zuständigen Rentenversicherungsträger einen Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente zu stellen; sollte er den Antrag innerhalb der Frist nicht stellen, müsse sie die Krankengeldzahlung wegen fehlender Mitwirkung einstellen.
Der Kläger erwiderte mit Schreiben vom 14.08.1995, der Aufforderung vom 08.08.1995 werde er nicht nachkommen; gegen den Bescheid der LVA habe er Widerspruch eingelegt; eine Einstellung der Krankengeldzahlung halte er nicht für begründet; vorsorglich erhebe er gegen die Aufforderung Widerspruch.
Die Widerspruchsstelle der Beklagten entschied mit Bescheid vom 14.09.1995, der Widerspruch vom 14.08.1995 gegen den Bescheid vom 08.08.1995 werde zurückgewiesen; stelle ein Versicherter bei einem Träger der Rentenversicherung Anträge, ohne von der Krankenkasse aufgefordert zu sein, sei er in seinen Rechten nicht eingeschränkt, weshalb die Krankenkasse den Verzicht auf die Erwerbsunfähigkeitsrente gegen sich habe gelten lassen; nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (Urteile v. 04.06.1981, Az. 3 RK 32/80 und 50/80) sei die Dispositionsbefugnis des Versicherten aber eingeschränkt, wenn ihn die Krankenkasse nach § 51 des SGB V zur Stellung eines Reha- oder Rentenantrages aufgefordert habe; eine Disposition des Versicherten sei dann nur noch mit Zustimmung der Krankenkasse möglich; so sei ein Widerspruch gegen die Umdeutung eines Reha-Antrages in einen Rentenantrag nur mit Zustimmung der Krankenkasse möglich; eine Zustimmung zu dem Widerspruch gegen den Bescheid der LVA vom 17.07.1995 sei von der Kasse jedoch nicht erteilt; wegen der eingeschränkten Dispositionsbefugnis sei der Kläger verpflichtet, die für die Prüfung des Antrages auf eine Erwerbsunfähigkeitsrente erforderlichen Tatsachen in Form eines formellen Rentenantrages anzugeben; nach allem sei die Aufforderung vom 08.08.1995, einen formellen Rentenantrag zu stellen, rechtmäßig.
Der Kläger hatte bereits am 12.09.1995 Klage erhoben und sich auch gegen die zwischenzeitliche Versagung des Krankengeldes gewandt. Auf Anfrage des SG haben die den Kläger behandelnden Ärzte, die Drs. D. (17.02. und 12.07.1996) und D. (21.11.1995), mitgeteilt, sie hielten den Kläger nicht für erwerbsunfähig. Das SG Duisburg hat die Klage mit Urteil vom 05.01.1999 aus den von der Beklagten vorgebrachten Gründen zurückgewiesen.
Der Kläger hat gegen das Urteil am 22.01.1999 Berufung eingelegt. Er hält die Beklagte nicht für berechtigt, ihn unmittelbar zur Stellung eines Rentenantrages zu veranlassen.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt,
das Urteil des SG Duisburg vom 05. Januar 1999 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 08. August 1995 und den Widerspruchsbescheid vom 14. September 1995 aufzuheben.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Ausführungen des SG für zutreffend.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Wegen des Sachverhaltes im übrigen wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze in beiden Rechtszügen verwiesen. Außer den Streitakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen: die Verwaltungsakten der Beklagten (1 Bd.) und der Beigeladenen (2 Bde.).
Entscheidungsgründe:
Die auf die Aufhebung des Bescheides vom 08.08.1995 beschränkte Berufung des Klägers ist begründet. Für die von der beklagten Ersatzkasse mit Bescheid vom 08.08.1995 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 04.09.1995 getroffene Entscheidung, den Kläger zur Stellung eines Rentenantrags aufzufordern und ihm bei einer Weigerung, der Aufforderung nachzukommen, Krankengeld versagen zu wollen, findet sich keine Rechtsgrundlage. Die Bescheide und das ihre Rechtmäßigkeit bestätigende Urteil des SG Duisburg vom 05.01.1999 waren daher aufzuheben.
I.
Eine Befugnis der Beklagten, den Kläger zu einem (formellen) Rentenantrag aufzufordern, ergibt sich nicht aus § 51 SGB V. Danach kann die Kasse Versicherten, deren Erwerbsfähigkeit erheblich gefährdet oder gemindert ist, eine Frist setzen, innerhalb der sie einen Antrag zur Rehabilitation zu stellen haben (Abs. 1 Satz 1). Nach § 51 Abs. 3 S. 1 SGB V entfällt der Anspruch auf Krankengeld, wenn der Versicherte den Antrag nicht innerhalb der Frist stellt.
Diese Vorschriften sind – auch im Hinblick auf die Beendigung oder Kürzung des Anspruchs auf Krankengeld aus Anlaß des Bezuges von Leistungen (§ 50 SGB V), die auf einen Antrag nach § 51 Abs. 1 oder 2 SGB V hin gewährt werden -, in der Tat eine Schutzvorschrift zugunsten der Kassen (vgl. BSG Urt.v. 04.06.1981 – 3 RK 32/80 = USK 81 125 und 3 RK 50/80 = BSGE 52,26 = SozR 2200 § 1248 Nr 33 = USK 81 135), wie die Beklagte dies im Ansatz zu Recht betont. Jedoch tritt dieser Schutz zugunsten der Krankenkasse nur ein, sofern die Tatbestandsmerkmale der Vorschrift erfüllt sind.
Wenn die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 08.08.1995 (ohne Angabe einer Rechtsgrundlage) unter Androhung der – ab dem 07.09.1995 dann auch erfolgten – Einstellung der Zahlung des Krankengeldes aufgefordert hat, innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Schreibens einen Antrag auf die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu stellen, so entspricht dies nicht den aufgezeigten gesetzlichen Voraussetzungen. Denn schon nach dem Wortlaut der Vorschrift beschränkt sich die Befugnis der Beklagten darauf, den Versicherten allein zur Stellung einer Rehabilitationsantrags aufzufordern.
Daß die Aufforderung zum Rehabilitationsantrag nach § 51 Abs. 1 SGB V – so die Beklagte – eine Aufforderung zum Rentenantrag "impliziert" (d.h. mit einer solchen verknüpft oder in sie einbezogen ist), ist dem Gesetz gleichfalls nicht zu entnehmen. Richtig ist nur, daß der Rehabilitationsantrag (nicht die Aufforderung dazu) mit dem Rentenantrag (nicht mit der Aufforderung dazu) in der Weise vom Gesetzgeber verknüpft ist, daß der Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation nach § 116 Abs 2 SGB VI als Antrag auf Rente gilt, wenn Versicherte erwerbsunfähig, berufsunfähig oder im Bergbau vermindert berufsfähig sind und 1. eine erfolgreiche Rehabilitation nicht zu erwarten ist oder 2. Leistungen zur Rehabilitation nicht erfolgreich gewesen sind, weil … § 51 SGB V erlaubt es der Kasse indes seinem eindeutigen Wortlaut und seinem Sinn nach nicht, den Versicherten mit nachteiligen Folgen für seinen Anspruch auf Krankengeld aufzufordern, einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente zu stellen. Dies hat auch das BSG in seinem von der Widerspruchsstelle der Beklagten a.a.O. selbst angeführten Urteil vom 04.06.1981 (in: BSGE 52,26) ausgedrückt: "Die Beantragung einer solchen Rentenleistung kann von der Krankenkasse nicht unmittelbar erzwungen, wohl aber durch die Aufforderung zur Stellung eines Antrags auf Rehabilitationsmaßnahmen veranlaßt werden." Nur die Aufforderung, einen Antrag auf " Rehabilitation" zu stellen, war und ist im Gesetz insoweit vorgesehen (§§ 183 Abs. 7 RVO, 51 Abs. 1 S. 1 SGB V). Dies bestätigt auch die Systematik der Vorschrift: § 51 Abs. 1 S. 2 SGB V sieht als Ausnahmeregel nur für die Fälle des hier nicht vorliegenden Auslandsaufenthalts des Versicherten vor, daß die Kasse den Versicherten auffordern kann, entweder einen Antrag auf Maßnahmen zur Rehabilitation o d e r einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu stellen. Auch daraus ist zu schließen, daß die Krankenkasse bei Versicherten, die wie der Kläger im Inland leben, nur die Möglichkeit hat, diese zu einem Reha-Antrag zu bewegen.
Es verbietet sich auch eine entsprechende Anwendung des § 51 SGB Vin dem Sinn, daß es den Kassen erlaubt wäre, die für sie günstigen und für den Versicherten nachteiligen Folgen auch durch die Aufforderung, einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente zu stellen, herbeizuführen. Es ist hier nämlich keine Lücke in den bestehenden gesetzlichen Regelungen festzustellen, die zu schließen wäre (vgl. BSGE 68,139; SozR 3-2500 § 53 Nr. 1; Rüthers, "Die unbegrenzte Auslegung", 4. Aufl., S. 189); es ist vielmehr davon auszugehen, daß sich der Gesetzgeber – dem Wortlaut der §§ 183 RVO, 51 SGB V entsprechend – aus Gründen des Zusammenhangs mit den rentenrechtlichen Vorschriften bewußt dafür entschieden hat, den Kassen die Möglichkeit nicht einzuräumen, von den Versicherten die Stellung eines Antrags auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit unmittelbar zu erzwingen. Dieser Möglichkeit bedarf es nämlich nicht, weil der Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation, wie erörtert, unter Umständen als Antrag auf Rente gilt (nicht, wie die Beklagte dies annimmt, in einen solchen Antrag umgedeutet wird), wenn der Versicherte erwerbsunfähig und eine erfolgreiche Rehabilitation nicht zu erwarten ist (§§ 116 Abs 2 Nr 1 SGB VI, 1241 d Abs 3 RVO).
Es erlaubt auch die von der Beklagten geäußerte (hier, wie noch zu erörtern ist, offensichtlich unbegründete) Besorgnis, der Versicherte könne durch völlig unbegründete Widersprüche (etwa gegen Rentenbescheide) weitere Krankengeldzahlungen erwirken, keine andere Beurteilung. Der mißbräuchlichen Erhebung eines Widerspruchs gegen die Leistungsgewährung kann mit der rückwirkenden Zubilligung der Leistung (durch den Rentenversicherungsträger) und der rückwirkenden Beendigung/Kürzung des Anspruchs auf Krankengeld (durch die Krankenkasse) begegnet werden. Im übrigen – und soweit Spitzbeträge nicht ausgeglichen werden (§ 50 Abs. 1 S. 2 SGB V) – kann einem Rechtsmißbrauch mit den für diesen Fall vorgesehenen Instituten entgegengewirkt werden (vgl. § 242 BGB).
Hinzu tritt, daß die Aufforderung der Beklagten an den Kläger, einen Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente zu stellen, auch deshalb überflüssig wäre, wenn der Kläger tatsächlich erwerbsunfähig war. Denn für diesen Fall hätte die Beigeladene ohne weiteres mit Blick auf § 116 SGB VI und die früher getroffenen Feststellungen zur Rentenbewilligung dem Kläger einen neuen EU-Bewilligungsbescheid erteilen können, ohne daß es noch eines Antrags bedurft hätte.
Da auch eine weitere Rechtsgrundlage nicht ersichtlich ist, war die Aufforderung der Kasse vom 08.08.1995, einen Rentenantrag zu stellen, mithin rechtsunwirksam. Dabei mag dahinstehen, daß selbst die zulässige Aufforderung zum Antrag auf Rehabilitation nach § 51 Abs. 1 S. 1 SGB V die Ausübung von E r m e s s e n durch die Kasse voraussetzt (vgl. BSGE 52,26 und BSG Urt.v. 07.08.1991 1/3 RK 26/90 = SozR 3-2200 § 183 Nr. 2), woran es hier zudem fehlt.
II.
Die Beklagte kann auch nichts daraus herleiten, daß sich der Kläger gegen den Bescheid der Beigeladenen vom 17.07.1995, mit dem dieser eine Rehabilitation wegen angeblicher Erwerbsunfähigkeit abgelehnt hatte, zur Wehr gesetzt hat.
Der dem Ansinnen vom 08.08.1995 vorangegangenen Aufforderung der Kasse vom 26.01.1995 folgend, hatte der Kläger am 19.03.1995 – innerhalb der ihm bis zum 10.04.1995 gesetzten 10-Wochen-Frist – einen Antrag auf Rehabilitation durch den beigeladenen Rentenversicherungsträger gestellt. Zwar hatte die LVA den Antrag mit der Begründung abgelehnt, der Kläger sei (nach den dort vorliegenden Unterlagen) erwerbsunfähig, ein Wegfall der Erwerbsunfähigkeit durch Rehabilitation sei nicht zu erwarten; ob beim Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Bewilligung einer Rente erfüllt seien, könne erst bei Eingang des formellen Rentenantrages geprüft werden.
Die Kasse und das SG lasten dem Kläger insoweit jedoch zu Unrecht an, daß er gegen diesen Bescheid des beigeladenen Rentenversicherungsträgers vom 17.07.1995 mit Schreiben vom 07.08.1995 Widerspruch eingelegt und geltend gemacht hat, nach Ansicht des Arbeitsamtes und nach dem Gutachten des MDK könne er körperlich leichte Arbeiten verrichten. Allerdings ist die Dispositionsfreiheit des Versicherten in der Tat eingeschränkt, wenn eine Aufforderung nach § 51 Abs 1 S. 1 SGB V bindend geworden oder berechtigter Weise ergangen ist (vgl. BSG Urt.v. 09.08.1995 13 RJ 43/94 = BSGE 76,218 = SozR 3-2500 § 50 Nr. 3); jedoch ist die Einschränkung der Dispositionsfreiheit nicht allumfassend: das BSG befaßt sich damit in dem von der Beklagten für ihren Standpunkt in Anspruch genommenen Urteil vom 09.08.1995 a.a.O. nur unter dem Gesichtspunkt der Rücknahme des Rentenantrages und des Verzichts auf Sozialleistungsansprüche (§ 46 SGB I). In keinem Falle aber kann eine Einschränkung der Dispositionsfreiheit dahingehend angenommen werden, daß es dem Versicherten verwehrt sein sollte, von seinem verfassungsrechtlich verbrieften Recht (vgl. Art 19 Abs 4 und 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG)) Gebrauch zu machen, die Rechtmäßigkeit einer Verwaltungsentscheidung gerichtlich und außergerichtlich überprüfen zu lassen. Allein darin kann weder eine Rücknahme des ihr vorangegangenen Antrags gesehen werden, noch ein Verzicht auf ein Recht, von dem noch nicht einmal feststeht, ob es existiert. Darüber hinaus hat der Kläger auch keinerlei unzulässigen Einfluß auf den Ablauf des Verfahrens genommen, insbesondere auch nicht darauf, daß der beigeladene Rentenversicherungsträger den Antrag des Klägers auf Rehabilitation vom 19.03.1995 nicht – automatisch der Begründung des die Rehabilitation ablehnenden Bescheides vom 17.07.1995 folgend – als Rentenantrag nach § 116 Abs. 2 SGB VI hat gelten lassen, er vielmehr der Auffassung des Klägers gefolgt ist, daß dieser noch rehabilitationsfähig sei (siehe dazu auch die anschließende Bewilligung von Heilmaßnahmen durch die Beigeladene).
III.
Daß die Beigeladene den Reha-Antrag nicht als Rentenantrag weiterverfolgt hat (§ 116 Abs. 2 SGB VI), mag seine Ursache in dem haben, worauf ein Vermerk ungeklärter Herkunft auf dem Bescheid vom 17.07.1995 hinweist: "Mit Schreiben vom 20.12.1994 und 09.01.1995 haben Sie auf die Gewährung der Erwerbsunfähigkeitsrente verzichtet." Daß die Beigeladene § 116 Abs. 2 SGB VI nicht hat greifen lassen, hat also nichts mit dem von der Kasse hier beanstandeten Verhalten des Klägers zu tun, sondern ist ggf. Folge einer möglicherweise fehlerhaften Wertung durch den Rentenversicherungsträger. Zu Unrecht spricht auch die Widerspruchstelle der Beklagten insoweit von einem Verzicht des Klägers (aus dem sie freilich Rechte gegenüber dem Kläger nicht ableiten will, weil er nicht zu vor von der Kasse aufgefordert worden sei, einen Antrag zu stellen). Der Kläger hatte hier nicht auf Rechte verzichtet, sondern lediglich die verfassungsrechtlich verbriefte Überprüfung verlangt, ob das von der Beigeladenen und der Beklagten angenommene Rentenrecht tatsächlich besteht, ob in seinem Fall nicht vielmehr zunächst dem Grundsatz des RehaAnglG vom 7.8.1974 (BGBl I S. 1881) "Rehabilitation vor Rente" Rechnung zu tragen ist. Im übrigen konnte auch das damalige Verhalten rechtliche Nachteile für den Kläger nicht mit sich bringen, weil ihn die Kasse mit Schreiben vom 03.11.1994 zwar wohl zur Stellung eines Rehabilitationsantrages aufgefordert hatte, aber auch hier ohne die Ausübung von Ermessen und zudem ohne Hinweis auf Rechtsfolgen. Dementsprechend konnte es offen bleiben, ob mögliche Rechtsfolgen aus dem "Rentenverzicht" schon deshalb nicht mehr eintreten konnten, weil die Beigeladene den Rente bewilligenden Bescheid vom 15.12.1994 mit bindendem Bescheid vom 16.01.1995 aufgehoben hatte.
IV.
Der Senat hat Anlaß gesehen, der Beklagten einen Teil der Kosten der Gerichtshaltung nach § 192 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) aufzuerlegen. Der Senat hat die Beklagte auf diese Möglichkeit mit Schreiben vom 18.10.1999 und erneut in der mündlichen Verhandlung hingewiesen. Der Senat hat die Beklagte auf die offensichtliche Unrichtigkeit ihres Rechtsstandpunktes mit dem dem Kläger Prozeßkostenhilfe gewährendem Beschluss vom 03.03.1999 aufmerksam gemacht. Dies hat der Senat mit Schreiben vom 18.10.1999 und erneut in der mündlichen Verhandlung vom 11.11.1999 wiederholt. Wenn die Terminsvertreterin der Beklagten es unter Hinweis auf Weisungen ihrer Vorgesetzten dennoch ablehnt, die offensichtliche Fehlentscheidung der Kasse aufzuheben, so betrachtet der Senat dies als mutwillig. Denn die Beklagte hat u.a. den Kläger zuvor unter Hinweis auf Rechtsprechung des BSG, die gerade dies verbietet, unmittelbar zur Stellung eines Rentenantrages zu nötigen versucht. Hinzu kommt, daß nach den eigenen Ermittlungen der Beklagten (etwa Gutachten des MDK vom 27.4.1995) deutlich mehr für als gegen die Richtigkeit der Behauptung des Klägers sprach, er sei nicht erwerbsunfähig und noch rehabilitationsfähig. Schließlich muß von einem Träger der Sozialen Sicherheit erwartet werden, daß er nach mehrfacher Belehrung durch ein Gericht zweiter Instanz die nötigen Folgerungen aus seiner offenkundigen Fehlentscheidung zieht und dem Gericht dadurch weitere Gerichtshaltungskosten erspart – so man nicht von einem solchen Träger verlangen muß, daß er von sich aus zu unterscheiden weiß zwischen einem Verzicht oder sonstiger unzulässiger Verfügung über Rechte einerseits und dem legitimen Verlangen nach Prüfung der Rechtmäßigkeit andererseits.
Die Entscheidung über die Kosten folgt im übrigen aus § 193 Abs. 1 SGG.
Es bestand kein Anlaß, die Revision zuzulassen, denn weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG), noch beruht das Urteil auf einer Abweichung von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes- oder des Bundesverfassungsgerichts (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
Erstellt am: 20.08.2003
Zuletzt verändert am: 20.08.2003