Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 15.08.2003 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin seit dem 01.08.2000 versicherungspflichtig in der Krankenversicherung der Arbeitslosen (KVdA) ist.
Die 1943 geborene Klägerin war bis 31.07.2000 abhängig beschäftigt. Zumindest seit Oktober 1990 war sie nicht mehr in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versichert. Mit Bescheid der AOK Rheinland vom 12.06.1995 war sie gemäß § 8 Abs. 1 Ziff. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ab 01.01.1995 von der Versicherungspflicht befreit worden. In dem Bescheid wird darauf hingewiesen, dass die Befreiung unwiderruflich, aber die Versicherungspflicht nach dem Arbeitsförderungsrecht nicht ausgeschlossen sei.
Das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin wurde am 28.11.1999 zum 31.03.2000 gekündigt. Die Klägerin kündigte daraufhin sofort ihren privaten Krankenversicherungsvertrag, der zum 30.11.1999 endete. Dabei ging sie davon aus, dass sie mit Eintritt der Arbeitslosigkeit wieder pflichtversichert sei. Gleichzeitig klagte sie gegen die Kündigung, was dazu führte, dass der Arbeitgeber die Kündigung wegen der unterlassenen Beteiligung der Hauptfürsorgestelle zurücknahm. Das Kündigungsverfahren wurde wiederholt, so dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin erst zum 31.07.2000 beendet wurde. Seit dem 01.08.2000 bezieht die Klägerin Arbeitslosengeld von der Beigeladenen. Die Beigeladene meldete die Klägerin aufgrund des Leistungsbezugs bei der Beklagten an, die auch zunächst der Klägerin sowohl eine Mitgliedschaftsbescheinigung wie eine Krankenversicherungskarte übersandte.
Mit Schreiben vom 02.01.2001 beantragte die Klägerin von der Beklagten die Aufnahme in die Krankenversicherung. Mit Bescheid vom 17.01.2001 lehnte die Beklagte diesen Antrag gemäß § 6 Abs. 3 a SGB V ab. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, zwar lägen die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 a SGB V vor, diese Vorschrift verstoße jedoch gegen das Rechtsstaatsprinzip. Es sei ihr nicht mehr möglich gewesen, sich auf Veränderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen einzustellen, da sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits das 55. Lebensjahr vollendet gehabt und eine Entscheidung über ihren Versicherungsschutz getroffen habe. Sie sei zur Zeit nicht versichert und könne auch keinen Versicherungsschutz mehr erlangen. Der Gesetzgeber habe vor diesem Hintergrund eine langfristige Übergangsregelung treffen müssen. Die Beklagte lehnte eine Versicherung erneut mit weiterem Bescheid vom 07.02.2001 ab und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2001 zurück.
Im Klageverfahren hat die Klägerin ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren ergänzt und vertieft und geltend gemacht, sie habe zum Zeitpunkt der Kündigung darauf vertrauen können, mit Eintritt der Arbeitslosigkeit wieder versicherungspflichtig zu werden. Da die gesetzliche Neuregelung erst nach ihrer Entscheidung über den Versicherungsschutz verkündet und in Kraft getreten sei, liege ein Fall der echten Rückwirkung vor. Das Gesetz sei zudem verfassungswidrig, weil es zu unerträglichen Ergebnissen führe. Sie könne keinen Versicherungsschutz gegen Krankheit mehr erlangen, denn die private Versicherung nehme sie nicht mehr auf und in der gesetzlichen Krankenversicherung bestehe kein Zugangsrecht mehr.
Mit Urteil vom 15.08.2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin für unzutreffend gehalten und darauf hingewiesen, der Umstand, dass die Klägerin jetzt ohne Versicherungsschutz sei, beruhe allein auf ihrer Entscheidung, ihre Versicherung vorzeitig zu beenden, ohne sich zuvor über die Rechtsfolgen ihres Handelns informieren zu lassen.
Im Berufungsverfahren hält die Klägerin an ihrer Auffassung fest, dass § 6 Abs. 3 a SGB V verfassungswidrig sei. Die Rechtsänderung sei mit einer Übergangsfrist von nur 6 Monaten in Kraft getreten. Diese Frist sei zu kurz, da sie hätte mit den Kündigungsfristen für Arbeitsverhältnisse koordiniert werden müssen. Jeder Versicherte sei darauf angewiesen, langfristig seinen Versicherungsschutz zu klären, so dass mindestens eine Übergangszeit von 12 Monaten notwendig gewesen sei. Ihr Vertrauen in die Aufnahme in die KVdA sei schützenswert, da sie die private Versicherung zu einem Zeitpunkt gekündigt habe, als das Gesetz noch nicht verkündet gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 15.08.2003 zu ändern und unter Aufhebung des Bescheides vom 07.02.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2001 festzustellen, dass sie ab dem 01.08.2000 pflichtversichert ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beigeladene hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet, denn das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin ist nicht ab 01.08.2000 versicherungspflichtig geworden.
Die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V als Bezieherin von Arbeitslosengeld greift nicht ein, denn die Klägerin ist nach § 6 Abs. 3 a SGB V versicherungsfrei. Diese Vorschrift ist zum 01.07.2000 in Kraft getreten (Art. 22 Abs. 1 des GKV-Gesundheitsreformgesetzes vom 22.12.1999, BGBl. I, 2626). Die Voraussetzungen der Versicherungsfreiheit nach dieser Norm liegen vor, denn die 1943 geborene Klägerin hatte am 01.08.2000 bereits das 55. Lebensjahr vollendet und war mindestens seit 01.01.1995 privat versichert und von der Versicherungspflicht befreit. Dass die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 a SGB V vorliegen, stellt auch die Klägerin nicht in Abrede.
Ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 6 Abs. 3 a SGB V teilt der Senat nicht. Der Gesetzgeber durfte den Kreis der versicherungspflichtigen Personen insoweit beschränken, die Gründe hierfür sind sachgerecht. Die Vorschrift setzt die seit dem Inkrafttreten des SGB V verfolgte einschränkende Tendenz hinsichtlich einer Einbeziehung weiterer Personen in die GKV und die Abgrenzung zwischen GKV und privater Krankenversicherung (PKV) fort (s. auch Kass.Komm.-Peters, § 5 SGB V Rdn. 7). In der Gesetzesbegründung wird auf den schon in § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V und § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zum Ausdruck kommenden Grundsatz verwiesen, dass versicherungsfreie Personen, die sich frühzeitig für eine Absicherung in der PKV entschieden haben, diesem System auch im Alter angehören sollen (BT-Drucks. 14/1245, Seite 59). Die Regelung soll verhindern, dass durch eine Veränderung in der Höhe des Arbeitsentgeltes, durch Übergang von Voll- in Teilzeitbeschäftigung oder von selbständiger Tätigkeit in eine abhängige Beschäftigung oder durch den Bezug einer Leistung der Arbeitslosenversicherung Personen in vorgerücktem Alter Mitglied der GKV werden, obwohl sie in der Zeit zuvor keinen Beitrag zu dieser Solidargemeinschaft geleistet haben. Da die Leistungsausgaben für ältere Versicherte ihren Beitrag im Regelfall erheblich überstiegen, würden die Beitragszahler durch den Wechsel (im Zeitraum von 1992 bis 1997 sind 943.000 Personen im Alter von der privaten in die GKV gewechselt) unzumutbar belastet (a.a.O.). Zu Recht wird in der Begründung auch eine sozialpolitische Notwendigkeit für einen Wechsel zwischen den Systemen verneint, dass wegen des seit langem bestehenden privaten Krankenversicherungsschutzes ein soziales Schutzbedürfnis nicht gegeben sei und die Prämienkalkulation der privaten Krankenversicherungsunternehmen Altersrückstellungen, die den privat Versicherten im Alter zugute kommen, berücksichtigten (a.a.O., Seite 60).
Flankierend hat der Gesetzgeber mit dem Ausschluss der Versicherungspflicht in § 257 Abs. 2 Satz 1 SGB V den betroffenen Versicherten einen Anspruch auf einen Beitragszuschuss des Arbeitgebers eingeräumt, ferner haben die Bezieher von Arbeitslosengeld, die nach § 6 Abs. 3 a SGB V versicherungsfrei sind, Anspruch auf Übernahme der Beiträge an das private Krankenversicherungsunternehmen in Höhe der Beiträge zur GKV (§ 207 a Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III)). Darüber hinaus ist die Altersgrenze für den Zugang zum Standardtarif (§ 257 Abs. 2 a Nr. 2 SGB V) auf 55 Jahre gesenkt worden. Schließlich kann nach § 5 Abs. 10 SGB V die Rückkehr zur privaten Versicherung beansprucht werden, wenn nach Kündigung des privaten Versicherungsvertrages die Versicherung nach § 5 SGB V nicht zustande kommt oder eine Versicherung vor Erfüllung der Vorversicherungszeit des § 9 SGB V endet, sofern der private Krankenversicherungsvertrag mindestens 5 Jahre vor dem Wechsel bestanden hat. Mit diesen Regelungen hat der Gesetzgeber zum einen Vorsorge getroffen, dass ein kontinuierlicher Versicherungsschutz gewährleistet sein kann und dass zum anderen die Prämienbelastung sich für den betroffenen Personenkreis in Grenzen hält. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass nach § 6 Abs. 3 a Satz 2 SGB V nur solche Personen von der Versicherungspflicht ausgeschlossen werden, die innerhalb der Rahmenfrist von 5 Jahren für mindestens die Hälfte der Zeit kraft ausdrücklicher Regelung oder Entscheidung nicht zu dem in der GKV versicherten Personenkreis gehörten, die also – wie Selbständige (§ 5 Abs. 5 SGB V) – nicht zum schutzbedürftigen Personenkreis der GKV gerechnet werden oder sich durch einen Befreiungsantrag bewusst für das Sicherungssystem der PKV entschieden haben. Diese Systemabgrenzung ist sachgerecht. Die Klägerin kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, bei Erteilung der Befreiung von der Versicherungspflicht darauf vertraut zu haben, später einmal als Arbeitslose in die GKV zurückkehren zu können. Die Erwartung, in jungen Jahren niedrige PKV- Beiträge zahlen und dann im Alter in die – in der Regel dann beitragsgünstigere – GKV wechseln zu können, ist nicht schutzwürdig.
Entgegen der Ansicht der Klägerin liegt kein Fall einer rückwirkenden Gesetzesänderung vor. Das GKV-Gesundheitsreformgesetz ist am 22.12.1999 verkündet worden, während § 6 Abs. 3 a SGB V erst ab 01.07.2000 in Kraft getreten ist.
Die Vorschrift gilt nur für Versicherungstatbestände, die nach diesem Zeitpunkt eintreten. Die Klägerin nimmt nur deswegen eine Rückwirkung an, weil sie auf den Zeitpunkt ihrer Kündigung des privaten Krankenversicherungsvertrages abstellt und meint, sie habe zu diesem Zeitpunkt darauf vertrauen können, mit Eintritt der Arbeitslosigkeit versicherungspflichtig in der GKV zu werden. Diese Argumentation geht fehl, weil die Klägerin zu diesem Zeitpunkt keine Rechtsposition inne hatte, die nachträglich entwertet worden ist. Der Bezug von Arbeitslosengeld, an den die Versicherungspflicht geknüpft ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V), stand zu diesem Zeitpunkt keineswegs fest. Der Bezug von Arbeitslosengeld setzt die Verfügbarkeit des Arbeitslosen auf dem Arbeitsmarkt voraus (§§ 117 Abs. 1 Nr. 1, 118 Abs. 1 Nr. 2, 119 Abs. 1 Nr. 2 SGB III), so dass kein Arbeitslosengeld erhält, wer gesundheitsbedingt nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. Hätte die Klägerin beispielsweise im Zeitraum bis zum Ende der Beschäftigung einen Unfall erlitten und deswegen nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden, wäre eine Versicherung auch nach altem Recht nicht zustande gekommen. Auch bei Eintritt von Erwerbsunfähigkeit wäre sie als Rentenbezieherin nicht versichert gewesen, da sie die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V nicht erfüllte und eine freiwillige Versicherung (§ 9 SGB V) offenkundig nicht in Betracht kam.
Davon abgesehen, dass ohnehin die sofortige Kündigung des privaten Krankenversicherungsvertrages im Hinblick auf den bis zur erwarteten Versicherung in der GKV fehlenden Krankenversicherungsschutz nicht nachvollziehbar ist, war diese Kündigung wegen des Fehlens einer gesicherten Position hinsichtlich der künftigen Erlangung von Versicherungsschutz völlig unverständlich. Da sie sich vor der Kündigung weder von der Beklagten noch der Beigeladenen noch einem anderen Krankenversicherungsträger hat beraten lassen, hat sie die Folgen ihrer Entscheidung selbst zu verantworten. Wenn nunmehr infolge der Kündigung der privaten Versicherung noch im Jahre 1999 und dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses nach dem 01.07.2000 (allerdings nicht wegen der Kündigungsfristen, sondern wegen der von der Klägerin erzwungenen Wiederholung des Kündigungsverfahrens) einerseits § 6 Abs. 3 a SGB V eingreift, andererseits aber das Rückkehrrecht nach § 5 Abs. 10 SGB V nicht gilt (Art. 21 § 2 des GKV-Gesundheitsreformgesetzes), so dass in der Tat die Klägerin jetzt ohne Krankenversicherungsschutz bleibt, ist doch nicht zu erkennen, inwiefern dieser Umstand die Verfassungswidrigkeit des § 6 Abs. 3 a SGB V begründen soll. Diese Folge hätte, wie dargelegt, auch nach altem Recht eintreten können, wenn die Klägerin wider ihre Erwartungen hätte kein Arbeitslosengeld beziehen können. Vor allem ist der fehlende Versicherungsschutz Folge eines unverständlichen Handelns der Klägerin, das vom Gesetzgeber bei der Neuregelung nicht in seine Erwägungen einbezogen werden brauchte.
Die Klägerin ist auch nicht durch die Übersendung einer Mitgliedsbescheinigung bzw. einer Krankenversicherungskarte Mitglied der Beklagten geworden. In der Übersendung einer Mitgliedsbescheinigung nach der Anmeldung ist kein die Versicherungspflicht bestätigender Verwaltungsakt der Kasse zu sehen (BSG SozR 3-2200 § 306 Nr. 2). Das gleiche gilt für die Zusendung der Krankenversicherungskarte, insoweit kommt allenfalls Vertrauensschutz hinsichtlich der in Anspruch genommenen Leistungen in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Der Senat hält die Rechtslage für eindeutig und hat daher keinen Anlass für die Zulassung der Revision gesehen.
Erstellt am: 01.07.2004
Zuletzt verändert am: 01.07.2004