Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 11.05.2004 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte ihren Rückzahlungsanspruch gegen den Kläger zu erlassen oder zu stunden und hilfsweise Beiträge zu erstatten hat.
Der Kläger bezog im Anschluss an Arbeitslosengeld vom 30.03.1998 bis 02.06.1998 Krankengeld (bis 31.05.1998: 6.053,98 DM entsprechend 3095,20 Euro). Der Kläger erwirkte die Verurteilung seines ehemaligen Arbeitgebers, ihm das Arbeitsentgelt bis zum 31.05.1998 nachzuzahlen. Die damalige Bundesanstalt für Arbeit forderte das Arbeitslosengeld zurück. Die Beklagte forderte, das Krankengeld i. H. v. 6.053,98 DM zurückzuzahlen (Bescheide vom 17.06. und 12.11.1999). Seine Klage zum Sozialgericht (SG) Köln S 5 KR 17/00 nahm der Kläger zurück. Die Beklagte verpflichtete sich daraufhin, über einen Verzicht auf die Rückforderung, hilfsweise über dessen Stundung oder Ratenzahlung zu entscheiden (30.05.2000). Die Beklagte lehnte es ab, auf die Forderung zu verzichten oder sie zu stunden, bot aber erfolglos an, Ratenzahlung zu vereinbaren (Bescheid vom 10.03.2003: zurückweisender Widerspruchsbescheid vom 28.11.2003).
Der Kläger hat Klage zum SG Köln erhoben und vorgetragen, die Forderung sei ihm zu erlassen oder zu stunden. Hilfsweise seien ihm Beiträge zu erstatten. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 11.05.2004).
Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, die Erstattungsforderung sei aus sozialen Gründen zurückzuweisen. Im Vollstreckungsfalle sei er gehalten, Sozialhilfe zu beantragen. Auch habe er vom 11.09.1997 bis 30.06.2000 Krankenkassen- und ab 01.04.1998 Rentenbeiträge doppelt gezahlt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Für die Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten sowie der Akten SG Köln S 5 KR 17/00 und S 9 KR 174/03 ER verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Aufgrund des entsprechenden Hinweises in der Terminsmitteilung kann der Senat ver- handeln und entscheiden, auch wenn für den Kläger niemand zum Termin erschienen ist.
Der Kläger begehrt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 11.05.2004 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 10.03. und 28.11.2003 zu verurteilen, den Anspruch auf Rückzahlung von Krankengeld zu erlassen, hilfsweise zu stunden sowie hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, die ab 11.09.1997 bis 30.06.2000 entrichteten Krankenkassen- und ab 01.04.1998 entrichteten Rentenbeiträge zu erstatten.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den bestandskräftig festgestellten Anspruch auf Rückzahlung von Krankengeld i. H. v. Euro 3.095,20 (Bescheide vom 17.06. und 12.11.1999) zu erlassen oder zu stunden (Bescheid vom 10.03. und 28.11.2003). Dem Anspruch des Klägers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) (vgl. dazu Bundessozialgericht (BSG) , Urteil vom 26.06.1990, 3 RK 31/88 mwN ) ist damit Genüge getan.
Nach § 76 Abs. 2 Nr 3 SGB IV darf der Versicherungsträger Ansprüche nur erlassen, wenn die Einziehung von Ansprüchen nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Das hat die Beklagte zu Recht wegen der Gefährdung öffentlicher Interessen abgelehnt. Mit dem Erlass wird gegenüber dem Schuldner auf bestehende Ansprüche ganz oder teilweise verzichtet. Durch den Erlass erlischt der Anspruch; seine spätere Geltendmachung ist ausgeschlossen. Dementsprechend begünstigt der Erlass den Einzelnen zu Lasten der Versichertengemeinschaft und der Beitragspflichtigen endgültig. Deshalb ist zwischen den Interessen der Beklagten und der diesen dienenden Verpflichtung zur Rückerstattung von Krankengeld einerseits und den Individualinteressen des Klägers andererseits abzuwägen. Dabei ist grundsätzlich die Einziehung von Ansprüchen – insbesondere von solchen aufgrund gesetzlicher Zahlungspflichten – selbst dann nicht unbillig, wenn sie den Zahlungspflichtigen erheblich wirtschaftlich belastet (Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Kommentar, Stand Dezember 2004, § 76 SGB IV, RdNr 12). Ausnahmsweise kann der Erlass wegen persönlicher Unbilligkeit nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entscheidung über den Erlass oder wegen Sachunbilligkeit nach den Verhältnissen bei Entstehen des Anspruchs gerechtfertigt sein. Persönliche Unbilligkeit kann bestehen, wenn die Erfüllung des Anspruchs für den Zahlungspflichtigen unzumutbar ist. Davon vermochte sich der Senat aber nicht zu überzeugen. Der Kläger hat schon keine hinreichenden überprüfbaren Nachweise für eine derartige persönliche Unbilligkeit angeboten. Zudem ist bei der beabsichtigten Verrechnung des Rückzahlungsanspruchs mit der laufenden Rente i. H. v. 1.524,46 Euro monatlich bereits im Rahmen der Verrechnungsvoraussetzungen nach § 52 und § 51 Abs 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) berücksichtigt, dass die Einziehung nicht persönlich unbillig sein darf. Sachunbilligkeit nach § 76 Abs 2 Nr 3 SGB IV liegt vor, wenn die Einziehung der Forderung aus sachlichen, von der persönlichen Situation des Zahlungspflichtigen unabhängigen Gründen unbillig ist. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers anzunehmen ist, dass die zu entscheidende Frage, wäre sie geregelt worden, im Sinne der Billigkeitsentscheidung entschieden worden wäre. Es muss sich um formal bestehende und vom Gesetz gedeckte, sachlich aber unbegründete und vom Gesetzgeber erkennbar nicht gewollte Ansprüche handeln (Krauskopf, aaO, RdNr 15).Darum geht es hier aber nicht. Der Erstattungsanspruch der Beklagten beruht auf dem Ausschluss von Doppelleistungen, einem gesetzeskonformen Prinzip.
Rechtmäßig hat es die Beklagte auch abgelehnt, ihre Erstattungsforderung zu stunden. Nach § 76 Abs. 2 Nr. 1 SGB IV dürfen Ansprüche nur gestundet werden, wenn die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für den Anspruchsgegner verbunden wäre und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet wird. Eine Stundung findet danach nicht statt, wenn der Anspruch durch die Stundung gefährdet wird. Dies ist dann der Fall, wenn nach den Gesamtumständen erkennbar ist, dass nach Ablauf der Stundungsfrist der Anspruch voraussichtlich nicht verwirklicht werden kann. Eine Gefährdung ist anzunehmen, wenn die Zahlungsschwierigkeiten erkennbar nicht nur vorübergehender Art sind, mit einer Besserung der Situation nicht zu rechnen ist und ausreichende Sicherheitsleistung nicht gewährt werden kann (Krauskopf, aaO, RdNr 7). So aber liegt es nach den Gesamtumständen hier. Insbesondere fehlt dem Kläger nach seinem eigenen Vorbringen das Geld, um später die Forderung zu begleichen.
Soweit der Kläger die Erstattung von Beiträgen begehrt, ist die Klage unzulässig. Es fehlt an dem hierfür erforderlichen Verwaltungsverfahren (§ 26 Abs 2 SGB IV; vgl. zum Erfordernis BSG, Urteil vom 11.10.2001, B 12 KR 11/01 R, SozR 3-2400 § 26 Nr. 13).
Die insoweit gegebene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) setzt voraus, dass die in Anspruch genommene Verwaltungsbehörde die begehrte Leistung – hier den Anspruch auf Beitragserstattung – durch Verwaltungsakt abgelehnt hat (vgl. BSGE 14, 230; SozR 1500 § 54 Nr 45 mwN Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 54 Rn 38). Daran fehlt es.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 19.05.2005
Zuletzt verändert am: 19.05.2005