Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 10.06.2016 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Der Streitwert wird auf EUR 5.000,00 festgesetzt.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet. Das Sozialgericht (SG) hat den Erlass einer einstweiligen Sicherungsanordnung des Inhalts, die Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Veröffentlichung des Transparenzberichtes über den ambulanten Pflegedienst der Antragstellerin aufgrund der MDK-Prüfung vom 08.12.2015 über die Internetportale der Antragsgegner – oder in sonstiger Weise – zu unterlassen, zu Recht abgelehnt.
Vorläufiger Rechtsschutz zur Abwehr der Veröffentlichung eines Transparenzberichts kann nur über den Erlass einer Sicherungsanordnung nach § 86b Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erreicht werden. Weder in der Ankündigung der Veröffentlichung noch in dem Transparenzbericht oder der Veröffentlichung selbst ist ein Verwaltungsungsakt zu sehen. Dazu fehlt es an einer verbindlichen Regelung der Rechtslage gegenüber der Antragstellerin (vgl. § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)). Die Pflicht der Pflegeeinrichtung, die Veröffentlichung zu dulden, folgt unmittelbar aus dem Gesetz (§ 115 Abs. 1a Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI)) und nicht aus der als Realakt zu qualifizierenden Veröffentlichung oder ihrer Ankündigung (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 05.10.2010, L 4 P 12/10 B ER; Sächsisches LSG, Beschluss vom 24.02.2010, L 1 P 1/10 B ER; Bayerisches LSG, Beschluss v. 30.03.2010, L 2 P 7/10 B ER, jeweils zitiert nach juris). Die Pflicht zum Handeln nach bestimmten Vorgaben ergibt sich für den Träger der Pflegeeinrichtung dagegen erst aus dem späteren Maßnahmebescheid nach § 115 Abs. 2 Sozialgesetzbuch SGB XI.
Eine Sicherungsanordnung kann nur ergehen, wenn ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sind (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)).
Nach § 86b Abs. 2 S.1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Die sogenannte Sicherungsanordnung dient der Bewahrung des Status quo. Die Veränderung eines bestehenden Zustandes soll wenigstens vorläufig verhindert werden, indem der Antragsgegner zur Unterlassung der Veränderung verpflichtet wird. Der Anordnungsanspruch bezieht sich auf das materielle Recht des Antragstellers, für das vorläufiger Rechtsschutz beantragt wird. Der Anordnungsgrund liegt bei der Sicherungsanordnung in der Gefahr einer Rechtsvereitelung oder Erschwerung der Rechtsverwirklichung durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes. Wenn die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist, ist ein Recht, das geschützt werden muss, nicht vorhanden, so dass der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abzulehnen ist. Ist die Klage offensichtlich zulässig und begründet, vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. Bei offenem Ausgang ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich. Abzuwägen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Anordnung nicht erginge, der Rechtsschutzsuchende im Hauptsacheverfahren aber obsiegen würde, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die Anordnung erlassen würde, der Rechtsschutzsuchende im Hauptsacheverfahren indes keinen Erfolg hätte. Bei der Interessenabwägung ist insbesondere eine drohende Verletzung von Grundrechten und deren Intensität zu berücksichtigen, aber auch sonstige Kriterien wie beispielsweise die wirtschaftlichen Verhältnisse (vgl. zum Ganzen: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. Aufl. 2014, SGG, § 86b Rn. 27a ff.). Daher stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht beziehungslos nebeneinander, sondern bilden auf Grund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System. Je schwerer die Belastungen des Betroffenen wiegen, die mit der Versagung des begehrten Rechtsschutzes verbunden sind, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition zurückgestellt werden. Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG verlangt jedenfalls vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG, Beschluss vom 25.10.1999, 2 BvR 745/88, BVerfGE 79, 69, 74; Urteil vom 14.05.1996, 2 BvR 1516/93, BVerfGE 94, 166, 216; sowie Kammerbeschluss vom 25.02.2009, 1 BvR 120/09, NZS 2009, 674, 675).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Wegen der Begründung nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Gründe im angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 10.06.2016, denen er sich nach eigener Prüfung anschließt.
Zum Anordnungsanspruch ist ergänzend anzumerken, dass für die Veröffentlichung des Transparenzberichts mit § 115 Abs. 1a SGB XI iVm der Pflegetransparenzvereinbarung ambulant (PTVA) in der hier maßgeblichen Fassung vom 29.1.2009 (vgl. § 6 Abs. 1 der PTVA vom 7.12.2015: Prüfungen bis 31.12.2016) eine Rechtsgrundlage besteht, deren rechtliche Grenzen nicht überschritten werden.
Wie das SG zutreffend herausgearbeitet hat, entspricht der Transparenzbericht vom 08.12.2015 den formalen Anforderungen von § 2 PTVA. Nach Satz 1 dieser Bestimmung werden die in die Prüfung des jeweiligen ambulanten Pflegedienstes einzubeziehenden pflegebedürftigen Menschen mit Sachleistungsbezug entsprechend der Verteilung nach Pflegestufen und innerhalb dieser zufällig ausgewählt. Satz 2 der Bestimmung ergänzt, dass 10 von Hundert, jedoch mindestens fünf und höchstens 15 pflegebedürftige Menschen in die Prüfung einbezogen werden. Diese Anforderungen sind erfüllt. Zum Prüfungszeitpunkt erhielten von den insgesamt 87 von der Antragstellerin betreuten Pflegebedürftigen – von den 34 von vornherein nicht in die Stichprobenbildung einzubeziehen waren – 14 Leistungen nach dem SGB XI, 12 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) und 27 Leistungen nach dem SGB V und dem SGB XI. Daraus ergeben sich 41 Pflegebedürftige, die im Sachleistungsbezug standen (wie er in §§ 36 ff. SGB XI Bezug definiert ist); werden hiervon 5 Personen gefragt, ist die 10 %-Schwelle und die Mindestgrenze der Stichprobe gewahrt. Selbst wenn man die SGB V-Bezieher als erweiterte Sachleistungsbezieher hinzurechnen würde, käme man auf 53 Pflegebedürftige, für die eine Befragung von (abgerundet) 5 Personen ebenfalls ausreichen würde, um den Anforderungen von § 2 S. 2 PTVA Genüge zu tun.
Anhaltspunkte dafür, dass der MDK die 5 Personen bei der streitigen Qualitätsprüfung willkürlich oder sachwidrig und damit unter Eingriff in den Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin ausgewählt hat, liegen nicht vor und werden von der Antragstellerin auch nicht vorgetragen.
Eine über diese Einschränkung hinausgehende korrigierende (vermeintlich verfassungskonforme) Auslegung von § 2 S. 2 PTVA entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut dahingehend, dass statt 5 generell mindestens 10 Sachleistungsbezieher in die Prüfung einzubeziehen sind (so LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 08.07.2011, L 4 P 44/10 B ER; LSG NRW, Beschluss vom 02.05.2012, L 10 P 5/12 B ER unter www.sozialgerichtsbarkeit.de), hält der Senat dagegen nicht für geboten (ebenso LSG Sachsen, Beschluss vom 13.10.2015, L 1 P 39/12 B ER; vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 02.04.2015, L 15 P 60/14 B ER, vgl. Bl. 84 und 103 ff. GA). Ausgehend von der Prämisse, dass sowohl das gesetzliche System der Pflegequalitätsberichterstattung als auch die Übertragung der näheren Ausgestaltung auf die zuständigen Spitzenverbände als verfassungskonform zu erachten sind (vgl. BSG, Urteil vom 16.05.2013, B 3 P 5/12 R, juris mit ausführlicher Begründung), geht der Senat vielmehr davon aus, dass sich die Vereinbarungspartner der PTVA angesichts der praktischen Undurchführbarkeit von absoluten Kontrollen (d.h. der Erfassung aller Qualitätskriterien für alle betreuten Pflegebedürftigen) auf Stichproben, also auf sinnvoll ausgewählte Teilmengen beschränkt haben. Die hier getroffene Regelung enthält eine allgemeingültige Prozentgrenze (10 %), eine Bezugsgröße (Sachleistungebezieher), eine Mindest- und eine Obergrenze und ist damit unter Bestimmtheitsaspekten nicht zu bemängeln. Es ist auch nicht erkennbar, dass die gewählten Parameter willkürlich festgelegt oder mit offensichtlich schweren Fehlern behaftet sind.
Etwas anderes ergibt sich zur Überzeugung des Senates auch nicht aus der wissenschaftlichen Evaluation zur Beurteilung der Pflege-Transparenzvereinbarung für den ambulanten (PTVA) und stationären (PTVS) Bereich vom 21.07.2010 (online verfügbar unter http://www.pflegenoten.de) von Prof. Hasseler und Prof. Ostermann. Soweit die beiden pflegewissenschaftlichen Expertinnen (u.a.) eine Erhöhung des Mindeststichprobenumfangs auf 10 empfahlen, wurde dies lediglich mit der rein statistischen Erkenntnis begründet, dass stabile Schätzungen des Mittelwertes nur bei kleiner Variabilität und großem Stichprobenumfang möglich sind. Diesem Gewinn steht jedoch der sich aufdrängende Nachteil gegenüber, dass die Erhöhung einer Mindeststichprobenzahl auf 10 bei kleinen Betrieben auf eine Totalerhebung hinausliefe. Ein Wert zur Ermittlung einer absoluten bzw. zumindest uneingeschränkt verbesserten Repräsentativität lässt sich hieraus hingegen nicht ableiten.
Entscheidungserheblich ist für den Senat insoweit besonders, dass keiner der Regelungspartner die PTVA vom 29.01.2009 im Hinblick auf die Mindeststichprobenzahl gekündigt hat. Die Regelungspartner haben selbst im Zuge der Überarbeitung der PTVA vom 07.12.2015 für den Zeitraum bis zum 31.12.2016 auf Basis der bisher erfolgten Berichte nicht die Anhebung der Mindeststichprobe auf 10 vereinbart, sondern sich (erst) für die Zeit ab Januar 2017 auf eine andere Lösung geeinigt.
Es sind auch keine sonstigen Verfahrensmängel erkennbar, die die Grenzen von § 115 Abs. 1a SGB XI iVm mit der PTVA überschritten und daher zu einer Untersagung der Veröffentlichung des Transparenzberichtes führen müssten, etwa weil sie den Boden der Neutralität, der Objektivität und der Sachkunde verließen bzw. auf offensichtlich unwahren oder bewussten Fehlurteilen basierten (instruktiv hierzu: LSG NRW, Beschluss vom 05.06.2012, L 10 P 118/11 B ER unter www.sozialgerichtsbarkeit.de m.w.N.). Bereits der Tatsachenvortrag zum Prüfungsablauf ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Soweit der angegriffene Beschluss das Vorliegen von erheblichen Prüfungsmängeln verneint, hat die Antragstellerin dies im Rahmen ihrer Beschwerde nicht weiter angegriffen. Im Übrigen hat sie auch bereits den ursprünglichen Eilantrag nur mit Verweis auf das Schreiben aus dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vom 04.01.2016 begründet, dem eine dezidierte pflegefachliche Stellungnahme des MDK vom 12.2.2016 über den Prüfungsablauf im Sinne von "Aussage gegen Aussage" gegenübersteht, der die Antragstellerin nicht substantiiert entgegengetreten ist.
Schließlich vermag der Senat auch keinen "atypischen Prüfungsverlauf" zu erkennen, der einer Veröffentlichung entgegenstehen könnte. Das SG hat dies zutreffend damit begründet, dass die Geschäftsleitung der Antragstellerin zu keinem Zeitpunkt von der Prüfung ausgeschlossen war, dass eine ständige Anwesenheit derselben weder üblich noch vorgeschrieben ist, der Ablauf im Übrigen vorbesprochen war und die zum damaligen Zeitpunkt erst zwei Wochen bei der Antragstellerin beschäftigte Mitarbeiterin der Prüfung auf eigenes Betreiben der Antragstellerin beigewohnt habe. Dem ist die Antragstellerin im Zuge ihrer Beschwerde auch nicht weiter entgegengetreten.
Die Antragstellerin hat auch keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die Besorgnis einer Rechtsvereitelung besteht nicht. Zwar hat die Antragstellerin im Zuge ihrer Beschwerde ergänzend vorgetragen und dokumentiert, einen Unternehmensvermittler zum Zwecke des Verkaufes ihres Pflegedienstes eingeschaltet zu haben sowie einen auf den 30.03.2016 datierenden "Letter of intent" vorgelegt, bei dem sich allerdings zum einen der Kaufinteressent nicht entnehmen lässt und zum anderen die Exklusivität der Verhandlung lediglich bis zu dem bereits abgelaufenen Datum des 31.05.2016 andauerte, so dass sich eine unmittelbar bevorstehende Veräußerung nicht ergibt. Es ist auch nicht vorgetragen, warum eine Veräußerung zum aktuellen Zeitpunkt wirtschaftlich zwingend und nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens ausgeschlossen sein soll. Der Senat kann in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt lassen, dass der Antragstellerin bereits im Rahmen der vorausgegangenen Qualitätsprüfung Mängel (unter anderem solche bei der Umsetzung der Medikamentengabe aufgrund ärztlicher Verordnung wie sie auch im hiesigen Prüfverfahren moniert wurden) aufgezeigt worden waren und zufolge der Aktennotizen der Beklagten von der Verhängung einer Vertragsstrafe in Höhe von EUR 15.000,00 nur deshalb abgesehen worden war, weil die Antragstellerin auch damals vorgetragen hatte, ihren Pflegedienst aufzugeben. Unabhängig davon ist dieses Interesse der Antragstellerin auch nicht schutzwürdig. Denn die Interessen eines potentiellen Käufers (vgl. Punkt viii des letter of intent: "Aus den vorliegenden Berichten des MDK ergeben sich keine wesentlichen Mängel") an dem Erwerb eines rentablen und qualitativ hochwertigen Pflegedienstes sind zum Teil mit denen der Pflegebedürftigen und Angehörigen identisch. Deren Interessen hat der Gesetzgeber jedoch mit der Schaffung von § 115 Abs.1a SGB XI klar über das Interesse von Einrichtungen an einem von staatlicher Bewertung freien Auftreten am Markt gestellt, da Pflegeleistungen zur öffentlichen Daseinsvorsorge rechnen und wesentlich über Beiträge und aus öffentlichen Haushalten finanziert werden; das verleiht den Leistungen eine besondere Qualifikation, die schon für sich eine gesteigerte öffentliche Beobachtung und Bewertung rechtfertigen kann. Zudem sind Pflegebedürftige wegen ihrer angegriffenen Gesundheit und des in der Regel hohen Alters – häufig ist die Grenze von 80 Jahren weit überschritten – in außergewöhnlich hohem Maß auf die Güte der Leistungserbringung angewiesen und haben deshalb besonderen Orientierungsbedarf bei der Wahl (BSG, Urteil vom 16.05.2013, a.a.O., Rn. 18).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1, 52 Abs. 2 und 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz (GKG). Da der Antrag der Antragstellerin keine zeitliche Begrenzung hinsichtlich der begehrten Untersagung der Veröffentlichung des Transparenzberichtes enthielt, war der volle Auffangstreitwert in Höhe von EUR 5.000,00 anzusetzen.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 13.12.2016
Zuletzt verändert am: 13.12.2016