Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 30. Mai 2003 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Einstufung in eine Pflegeklasse.
Die Klägerin betreibt das Katholische Altenkrankenheim T in F-L. In dieser Einrichtung befand sich die 1911 geborene und am 22.04.2001 verstorbene C F (im Folgenden: die Versicherte), die bei der Beklagten gesetzlich pflegeversichert war. Die Versicherte erhielt von der Beklagten zunächst Leistungen der Pflegestufe I und ab Juli 1999 Leistungen der Pflegestufe II (Bescheid vom 26.10.1999). Der Einstufung in Pflegestufe II lag ein Gutachten der Pflegefachkraft L1 vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung – MDK – Nordrhein vom 14.10.1999 zugrunde, worin diese bei den Diagnosen "senile Demenz vom Alzheimer-Typ mit Angst- und Spannungszuständen, angeborene Hüftdysplasie beidseits mit Coxarthrose beidseits, Harnblasen- und Darminkontinenz" einen Hilfebedarf in der Grundpflege von 164 Minuten täglich ermittelt hatte.
Gegen den Bewilligungsbescheid vom 26.10.1999 erhob der damalige Betreuer der Versicherten Widerspruch, mit dem er einen höheren Hilfebedarf geltend machte. Die Beklagte holte ein weiteres Gutachten ein, in dem die Pflegefachkraft M vom MDK einen Hilfebedarf in der Grundpflege in Höhe von 197 Minuten täglich ermittelte. Daraufhin nahm der Betreuer der Versicherten den Widerspruch zurück. Auf einen weiteren Höherstufungsantrag des Betreuers ließ die Beklagte die Versicherte nunmehr von der Pflegefachkraft T / der Ärztin Dr. L vom MDK begutachten, die in ihrem Gutachten vom 04.10.2000 einen Hilfebedarf in der Grundpflege von 143 Minuten täglich ermittelten. Die Beklagte lehnte daraufhin den Höherstufungsantrag mit Bescheid vom 26.10.2000 ab. Hiergegen legte – neben dem Betreuer der Versicherten – auch die Klägerin mit Schreiben vom 04.12.2000 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, die Versicherte sei eine Bewohnerin mit ausgeprägtem geronto-psychiatrischem Krankheitsbild und entsprechenden pflegerelevanten Symptomen. Dies werde deutlich durch den überreichten "Fragebogen zur Begutachtung schwer psychisch veränderter älterer Menschen in Altenhilfeeinrichtungen". Bei der Erhebung der pflegerelevanten Vorgeschichte im MDK-Gutachten fehle u.a., dass die Versicherte seit Monaten ihre Ängste Tag und Nacht herausschreie. Daraus folge ein erhöhter Pflegeaufwand. Der im letzen Gutachten bei der Ganzkörperpflege aufgeführte Wert entspreche nicht dem Aufwand, der erforderlich sei, um eine psychisch veränderte Bewohnerin mit Angst und Abwehrverhalten zu pflegen. Mit ihrem Widerspruch beantragte die Klägerin auch eine Entscheidung über die Pflegeklasse.
Die Beklagte veranlasste sodann eine weitere Begutachtung der Versicherten durch die Pflegefachkraft L1 / Dr. E vom MDK, die in ihrem Gutachten vom 07.02.2001 – unter Berücksichtigung der Pflegedokumentation – einen Hilfebedarf in der Grundpflege in Höhe von 178 Minuten bestätigten. Daraufhin nahm der Betreuer der Versicherten seinen Widerspruch zurück.
Mit Schreiben vom 16. und 20.02.2001 beantragte die Klägerin bei der Beklagten noch einmal ausdrücklich die Feststellung einer Pflegeklasse.
Die Beklagte antwortete der Klägerin mit Schreiben vom 28.02.2001, die Spitzenverbände der Pflegekassen hätten bisher noch keine einheitlichen Grundsätze zur Einstufung in Pflegeklassen erlassen und der MDK könne daher eine Einstufung nicht vornehmen. Im Übrigen seien Leistungserbringer im Verwaltungsverfahren nicht Beteiligte im Sinne des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X). Das Heim sei weder Beteiligter im Rahmen des Feststellungsverfahrens noch könne es Vertreter der Versicherten sein. Aus diesem Grunde werde der Klägerin ein rechtsmittelfähiger Bescheid nicht erteilt.
Am 05.07.2001 hat die Klägerin "Untätigkeitsklage" erhoben, mit der sie vorträgt, der Pflegeaufwand bei der Versicherten sei durch die zuerkannte Pflegestufe nicht gedeckt. Es müsse daher – gegebenenfalls abweichend von der Pflegestufe – die Pflegeklasse III zuerkannt werden. In diesem Zusammenhang könne es nicht zu Lasten der Klägerin gehen, dass der MDK über entsprechende Richtlinien nicht verfüge. Vielmehr habe die Klägerin einen Rechtsanspruch aus § 84 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI), wonach die Beklagte verpflichte, Leistungen nach der zutreffenden Pflegeklasse zu gewähren. Bei der Zuordnung zu einer Pflegeklasse müsse, zusätzlich zu den für die Pflegestufe maßgeblichen Zeiten, die psychosoziale Betreuung Berücksichtigung finden. Insoweit werde auf den "Fragebogen zur Begutachtung schwer psychisch veränderter älterer Menschen in Altenhilfeeinrichtungen vom 05.06.2000" verwiesen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe durchaus Anspruch auf eine leistungsgerechte Vergütung gem. § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB XI. Da allerdings eine gemeinsame Beurteilung von MDK und Pflegeheimleitung nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB XI – ebenso wie entsprechende Kriterien zur Bestimmung der Pflegeklassen – nicht vorlägen, könnten zur Einstufung in Pflegeklassen nur die nach § 15 SGB XI festgelegten Kriterien herangezogen werden. Nach diesen Kriterien sei die Versicherte eindeutig der Pflegeklasse II zuzuordnen. Im Übrigen hat die Beklagte auf ein Schreiben des MDK Nordrhein vom 15.01.2002 verwiesen, wonach mangels Vorliegens einer Vereinbarung mit den Spitzenverbänden der Pflegekassen und wegen fehlender Richtlinien eine Stellungnahme nicht möglich sei.
Das Sozialgericht hat eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) eingeholt. Dieses hat mit Schreiben vom 07.03.2002 ausgeführt, der Ausnahmecharakter des § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB XI spreche gegen eine regelmäßige Anwendbarkeit dieser Regelung. Die Vorschrift habe als eine Art Übergangsregelung bis zur Vereinheitlichung der verschiedenen Pflegesatzsysteme gedient. Nach Einführung des Pflegequalitätssicherungsgesetzes und Einfügung des § 80 a SGB XI ergebe sich für § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB XI kein praktischer Anwendungsbereich mehr. Überdies hätten die Pflegeheime die Möglichkeit, einen vermehrten Pflegeaufwand in die Vergütungsverhandlungen über die Pflegesätze und die Preiskalkulation einfließen zu lassen. Insoweit sei das verfassungsrechtliche Gebot einer leistungsgerechten Vergütung gewährleistet. Es sei daher für die Zukunft zu prüfen, ob § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB XI nicht gestrichen werden sollte. Zumindest aber sollte die Vorschrift nicht mehr angewendet werden. Von daher sei auch kein Raum für die Schaffung eines Richtlinienwerkes für eine von der Pflegestufe abweichende Pflegeklasse.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die bei ihr versicherte Frau C F rückwirkend zum 01.10.2000 gemäß § 84 Abs 2 Satz 3 2. Halbsatz SGB XI in die Pflegeklasse III einzustufen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 30.05.2003 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei möglicherweise unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Richtige Klageart sei die Leistungsklage. Es sei fraglich, ob die Klägerin klagebefugt sei, da die für die Einstufung der Pflegekassen maßgeblichen Rechtsnormen der §§ 14 und 15 SGB XI in Verbindung mit 43 SGB XI allein dem Individualinteresse des Versicherten dienten. Auch sei nicht geklärt, wem gegenüber das Vorliegen einer höheren Pflegeklasse geltend zu machen sei. Schließlich sei nicht ersichtlich, ob aus einer höheren Pflegeklasseneinstufung eine erhöhte Pauschale nach § 43 Absatz 2 SGB XI folge. Auch habe die Abweichung der Pflegeklasse von der Pflegestufe in der Regel keine Auswirkungen auf die Leistungspflicht der Pflegekasse, sondern lediglich Geltung im Verhältnis des Pflegeheimes zum Versicherten. Jedenfalls sei die Klage aber unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Einstufung der Versicherten in eine höhere Pflegeklasse nach § 84 Absatz 2 Satz 3 2. Halbsatz SGB XI. Die vorgenannte Vorschrift habe Ausnahmecharakter und könne nicht regelmäßig angewandt werden. Die Heime könnten Pflegesatzvereinbarungen unter Berücksichtigung der in ihrem Bereich durchschnittlich anfallenden Kosten verlangen. Durch den Umstand, dass im Einzelfall die Pflegekosten von der Erstattung – auf Basis von Pflegestufen – erheblich abweichen könnten, sei die Klägerin noch nicht in ihrem Schutzbereich aus Artikel 12 oder Artikel 14 des Grundgesetzes verletzt.
Gegen das am 16. Juni 2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15. Juli 2003 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, der Gesetzgeber habe das Prinzip leistungsgerechter Pflegesätze im SGB XI festgelegt. Zu diesem Grundsatz gehöre auch § 84 Absatz 2 Satz 3, 2. Halbsatz SGB XI. Das Sozialgericht hätte daher klären müssen, ob vorliegend ein Abweichen der Pflegeklasse von der Pflegestufe notwendig sei. Der Gesetzgeber habe in § 87 a SGB XI vergessen, dem Heimträger die Möglichkeit einzuräumen, nach erfolgloser Aufforderung zur Einreichung von Widerspruch oder Klage nach der nächsthöheren Pflegeklasse abzurechnen. Da der Gesetzgeber in § 87 a SGB XI lediglich die Situation nach Ablehnung eines Höherstufungsantrages durch den Versicherten habe regeln wollen, bleibe § 84 SGB XI weiterhin für Fälle aktuell, in denen der Versicherte sich weigere, eine Klage auf Höherstufung zu erheben. Im Übrigen sei die Argumentation des Sozialgerichts und des Bundesgesundheitsministeriums, § 84 SGB XI sei eine Auslaufnorm, nicht nachzuvollziehen, da die gesetzliche Vorschrift weiterhin in Kraft sei. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass sie einen Anspruch nicht aus § 84 Abs. 2 Satz 3, 1. Halbsatz SGB XI herleitet, also nicht mehr behauptet, die Heimbewohnerin habe Anspruch auf Zuerkennung der Pflegestufe III gehabt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 30.05.2003 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und weist darauf hin, dass die Vorschrift des § 87 a SGB XI erst zum 01.01.2002 in Kraft getreten ist, die Versicherte jedoch bereits am 22.04.2001 verstorben ist. Außerdem hätten die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Höherstufung in die Pflegeklasse III nicht vorgelegen. Dies belegten die Gutachten des MDK.
Entscheidungsgründe:
Die fristgerechte eingelegte Berufung ist zulässig.
Da sich Klägerin und Beklagte in einem Gleichordnungsverhältnis befinden, kommt eine Regelung durch Verwaltungsakt und damit eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage nicht in Betracht (BSG – Urteil vom 12.11.2003 – Az.: B 3 KR 1/03 R; Udsching, SGB XI, 2. Aufl. München 2000, § 84 Anmerkung 12 und jetzt auch Vogel-Schmäing in Klie/ Krahmer, Lehr- und Praxiskommentar zur Sozialen Pflegeversicherung (LPK-SGB XI) – 2. Aufl. Baden- Baden 2003, § 84 Randnummer 14). Da also kein Verwaltungsakt begehrt werden kann, ist die Klage auf die Vornahme einer sonstigen Amtshandlung, nämlich hier die Einstufung in die Pflegeklasse III, gerichtet und damit als allgemeine Leistungsklage zulässig (vgl. BSG Urteil vom 12.11.2003 – Az.: B 3 KR 1/03 R; Udsching, a.a.O., § 84 Anm. 12).
Die Klägerin ist auch klagebefugt, denn wegen der Nichtvornahme der begehrten Amtshandlung kommt eine Verletzung eigener Rechte der Klägerin in Betracht. Die diesbezüglich in der Literatur zum Teil vorgetragenen Bedenken greifen nicht durch. Zwar werden Leistungen der Pflegeversicherung gemäß § 33 Abs.1 SGB XI nur auf Antrag des Versicherten, nicht aber auf Antrag des Leistungserbringers erbracht (BSG Urteil vom 24.09.2002, Az.: B 3 KR 2/02 R). Auch erscheint es wegen der einerseits zivilrechtlichen Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses zwischen Heimbewohner und Pflegeheim und andererseits öffentlich rechtlichen Regelung des Verhältnisses zwischen Heimbewohner und Pflegekasse, im Einzelfall – je nach vertraglicher Ausgestaltung – denkbar, dass das Heim gegenüber seinem Bewohner auf der Grundlage einer von den Feststellungen der Pflegekasse abweichenden Pflegestufe/Pflegeklasse abrechnet (vgl. Vogel- Schmäing, a.a.O.,§ 84 Anmerkung 14; LSG NRW Urteil vom 18.12.2003 Az.: L 2 KN 69/03 P). Damit besteht grundsätzlich die Möglichkeit des Pflegeheimes, zusätzliche Aufwendungen vergütet zu erhalten. Gleichwohl dient die Norm des § 84 Abs 2 Satz 2 SGB XI aber den Individualinteresssen der Klägerin (Udsching a.a.O. § 84 Anm. 12 ; Meyer – Ladewig SGG, 7. Aufl. 2002, § 54 Rdnr. 12 b, der sogar die Normen der §§ 14,15 SGB XI im Individualinteresse des Heimes sieht und dem Heim schon bei der Pflegestufeneinstufung ein eigenes Klagerecht einräumen will; Spellbrink in Hauck/Noftz, SGB XI, Stand Januar 2004, § 84 Rdnr. 20). Wie das Bundessozialgericht festgestellt hat ( BSG Urteil vom 10.02.2000 – Az.: B 3 P 12/99 R), ist ein Auseinanderfallen von Pflegestufe und Pflegeklasse grundsätzlich möglich (so auch Udsching a.a. O. § 84 Anm. 15; Spellbrink a.a.O.). Begründet wird dies damit, dass die Heimbewohner einerseits gegenüber dem Pflegeheim einen Anspruch auf Aufwand für soziale Betreuung und medizinische Behandlungspflege haben, andererseits aber dieser Aufwand keine Berücksichtigung bei der Pflegestufe findet. Das Heim ist also in der misslichen Situation, einerseits Leistungen erbringen zu müssen, die bei der Ermittlung der Pflegestufe nicht berücksichtigt werden, andererseits aber nur eine Vergütung beanspruchen zu können, die an die Höhe der festgestellten Pflegestufe gekoppelt ist (so auch LSG Schleswig Holst., Urteil vom 4.09.1998, Az.: L 3 P 16/97). Das Bundessozialgericht hat hierzu ausgeführt, die Heime seien daher in ihrem "verfassungsrechtlich zugestandenen Gebot einer leistungsgerechten Vergütung" beeinträchtigt. Wegen der Vorschrift des § 84 Absatz 4 SGB XI könne das Heim die Kosten des zusätzlichen Bedarfs auch nicht dem Pflegebedürftigen auferlegen. Der Grundrechtsschutz der Leistungserbringer lasse deshalb bei verfassungskonformer Anwendung der Öffnungsklausel in § 84 Absatz 2 Satz 3 SGB XI nur die Auslegung zu, dass die Zuordnung eines Pflegebedürftigen zu einer Pflegeklasse letztlich von dem vom Pflegeheim abzudeckenden Versorgungsaufwand im Einzelfall und nicht von der Pflegestufe abhänge, der der Pflegebedürftige zugeordnet ist (BSG a.a.O.). Dieser Rechtsprechung folgend sieht der Senat in der Vorschrift des § 84Abs 2 Satz 2 SGB XI eine (mindestens auch) im Individualinteresse der Klägerin erlassene Vorschrift, nach der grundsätzlich die Möglichkeit besteht, den nach §§ 14 und 15 SGB XI maßgeblichen Leistungen der Pflegeversicherung weitere Leistungen des Heimes z. B. für soziale Betreuung zuzurechnen (Udsching, a.a.O., § 84 Anm 9 ff). Unerheblich ist insoweit die Auffassung des BMG, das eine Nichtanwendung des § 84 Abs 2 Satz 3 2. Halbsatz SGB XI für gegeben erachtet. Denn der Senat muss Rechtsnormen, die geltendes Recht sind, anwenden. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, sondern gerade Aufgabe des BMG zu überprüfen, ob Normen noch dem gesetzgeberischen Willen entsprechen. Gegebenenfalls hat das BMG auf eine Gesetzesänderung hinzuwirken. Der Anspruch der Klägerin auf Feststellung einer Pflegeklasse kann sich sinnvollerweise nur gegen die Pflegekasse richten (Vogel – Schmäing a.a.O.; Spellbrink a.a.O.; Udsching a.a.O). Die Pflegeklassenzuordnung bestimmt daher die vergütungsrechtliche Beziehung des Pflegeheimes zur Pflegekasse und bei Überschreiten der Leistungsgrenzen des § 43 Abs. 5 SGB XI zum Pflegebedürftigen bzw. Sozialhilfeträger. Die Pflegestufenzuordnung nach § 15 SGB XI beschreibt den Leistungsanspruch des Pflegebedürftigen gegenüber der Pflegekasse ( Spellbrink, a.a.O., Anm 18). Die weitere Erwägung der Beklagten, die Klägerin sei nicht klagebefugt, weil sie nicht Beteiligte am Verwaltungsverfahren sein könne, ist nicht überzeugend. Die Beteiligtenfähigkeit ist nicht Voraussetzung für die Geltendmachung von Ansprüchen.
Die Klage ist allerdings unbegründet. Die Klägerin leitet ihren Anspruch nicht mehr aus der Behauptung ab, die Versicherte habe Anspruch auf Zuerkennung der Pflegestufe III gehabt. Daher richtet sich die Begründetheit der Klage nur noch danach, ob die Klägerin Anspruch auf Feststellung der Pflegeklasse III hat.
Insoweit ist die Klage nicht begründet. Zwar besteht nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 10.02 2000, a.a.O.) bei verfassungskonformer Anwendung der Öffnungsklausel in § 84 Absatz 2 Satz 3 SGB XI die grundsätzliche Möglichkeit, dass die Zuordnung eines Pflegebedürftigen zu einer Pflegeklasse letztlich von dem vom Pflegeheim abzudeckenden Versorgungsaufwand im Einzelfall und nicht von der Pflegestufe abhängt, der der Pflegebedürftige zugeordnet ist.
Allerdings ist die Abweichung von Pflegeklasse zu Pflegestufe – im Einzelfall – nach § 84 Absatz 2 Satz 3 2. Halbsatz SGB XI, von einer übereinstimmenden Beurteilung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) und der Pflegeleitung des Heimes abhängig. Dieses zwingend im Gesetz vorgesehene Verfahren wurde hier nicht durchgeführt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Abweichen von Pflegestufe und Pflegeklasse liegen damit nicht vor (so auch LSG NRW Urteil vom 18.12.2003, Az.: L 2 KN 69/03 P), so dass die Klage schon unter diesem Gesichtspunkt unbegründet ist.
Die Klage ist aber selbst dann unbegründet, wenn man vorliegend berücksichtigt, dass das Fehlen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 84 Abs 2 Satz 3 2 … Halbsatz SGB XI hier deswegen nicht von der Klägerin zu vertreten ist, weil sich der MDK grundsätzlich geweigert hat, das vorgeschriebene Verfahren durchzuführen. Dies gilt selbst dann, wenn man nicht berücksichtigt, dass der MDK nach §§ 278 Abs. 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, damit eine eigene Rechtspersönlichkeit ist. Denn selbst wenn man den MDK dem "Lager" der Beklagten zuordnete, so führt eine inhaltliche Überprüfung der Frage, ob vorliegend die Heimbewohnerin in Pflegeklasse III einzustufen ist, zu keinem für die Klägerin günstigeren Ergebnis.
Eine gerichtliche Überprüfung der Pflegeklasseneinstufung ist mangels gesetzlicher Festlegung von Kriterien und Verfahren (nebst Konfliktregelung) hierzu nicht möglich. Der Gesetzgeber hat zwar in §§ 14 f SGB XI dargelegt, was die Voraussetzungen der einzelnen Pflegestufe sind. Gleichzeitig stellt er in § 84 Abs 2 SGB XI fest, dass Pflegestufe und Pflegeklasse nicht übereinstimmen müssen. Unter welchen Voraussetzungen eine bestimmte Pflegeklasse gegeben sein soll, ist im Gesetz aber nicht geregelt. Es wird lediglich festgestellt, dass die Pflegeklassen – in Verbindung mit den zugehörigen Pflegesätzen – dem Heim eine angemessene Vergütung seiner Leistungen ermöglichen müssen. Demnach ist die Höhe der Pflegeklasse inhaltlich von dem Aufwand abhängig, den das Heim im Einzelfall für eine angemessene Pflegeleistung erbringen muss (so wohl auch BSG vom 10.02.2000 a.a.O.). Es handelt sich also bei dem Begriff "Pflegeklasse" um einen "unbestimmten Rechtsbegriff" und zwar hier in der Form des unbestimmten "normativen Begriffs", d.h., der Begriffsinhalt erschließt sich dem Interpreten erst durch eine wertende Auslegung. Die Beurteilung, ob die Zuordnung zu einer anderen Pflegeklasse notwendig oder ausreichend ist, hat der Gesetzgeber in § 84 Abs 2 Satz 3 2. Halbsatz SGB XI dem MDK und der Heimleitung gemeinsam aufgegeben. Den Gerichten ist es – mangels Kompetenz und in Ermangelung von Auslegungskriterien – nicht möglich, im Einzelfall eine bestimmte Pflegeklasse festzustellen (so auch LSG NRW Urteil vom 18.12.2003 Az.: L 2 KN 69/03 P). Insbesondere kann eine solche Einstufung nicht – wie von der Klägerin gewünscht – auf der Grundlage des "Fragebogens zur Begutachtung schwer psychisch veränderter älterer Menschen" durchgeführt werden, allzumal auch dieser Fragebogen keinen nachvollziehbaren Bezug zur Pflegeklasseneinteilung hat und eine Regelung zur Festlegung der Pflegeklassen nicht ersetzen kann. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Gesetzgeber dem MDK und der jeweiligen Heimleitung durch die in § 84 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz SGB XI vorgesehene "gemeinsame Beurteilung" den Status eines Expertengremiums zukommen lassen wollte, dessen Entscheidungen nach der Rechtsprechung nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegen würden (vgl. etwa zur Kontrolldichte im Streit um die Höhe der durch Schiedsspruch festgelegten Vergütungen stationärer Pflegeleistungen – BSG Urteil vom 14.12.2000 – B 3 P 18/00 R; im Streit um die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung – BSG Urteil vom 10.05.2000 – B 6 KA 9/99 R und vom 12.12.2001 – B 6 KA 7/01 R; zur Entscheidungsprärogative im Rahmen der unbestimmten Rechtsbegriffe des § 93 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz – Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 01.12.1998 – BVerwGE 108,47,55 ff.). Nach diesem Maßstab hätte der Senat hier nur zu prüfen, ob die Ermittlung des Sachverhalts in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs erfolgt ist, der bestehende Beurteilungsspielraum eingehalten und zwingendes Gesetzesrecht beachtet worden ist. Da aber vorliegend eine Entscheidung gar nicht ergangen ist, bleibt allein zu prüfen, ob die Beklagten – im Sinne einer Reduzierung des Tatbestandlichsermessens auf Null – als einzig mögliche Entscheidung die Pflegeklasse III zuerkennen musste.
Zur Überzeugung des Senats kann die Beklagte – in Ermangelung von Richtlinien zur Ermittlung der Pflegeklasse – die Entscheidung über die Höhe der Pflegeklasse allein nach der Vorschrift des § 84 Abs 2 Satz 3, 1. Halbsatz treffen. Denn § 84 Abs 2 Satz 3 2. Halbsatz SGB XI stellt nur einen Ausnahmefall dar. Liegen Beurteilungskriterien zur Anwendung eines Ausnahmefalls nicht vor, erscheint es fehlerfrei, keinen Ausnahmefall anzunehmen. Erst Recht ist der Beurteilungsspielraum der Behörde nicht dahingehend (auf Null) reduziert, dass zwingend ein Ausnahmefall anzunehmen wäre. Wie das BMG in seiner schriftlichen Stellungnahme zutreffend feststellt, kann ein Ausnahmefall insbesondere nicht aus der – über die reine Pflegetätigkeit hinausgehende – Übernahme der sozialen Betreuung durch die Klägerin hergeleitet werden. Denn dann würde, weil bei stationärer Pflege zusätzliche soziale Betreuung die Regel ist, der Ausnahmefall des § 84 Abs 2 Satz 3 2. Halbsatz SGB XI zum Regelfall werden. Durch diese Auffassung wird die Klägerin auch nicht unangemessen benachteiligt. Denn durch die ausschließliche Anwendung des Regelfalles ist auch gewährleistet, dass auch eine nach § 84 Abs 2 Satz 3 2. Halbsatz SGB XI ebenso mögliche Abweichung der Pflegeklasse von der Pflegestufe zu Ungunsten der Klägerin nicht herbeigeführt werden kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der bis zum In-Kraft-Treten des 6. SGG-Änderungsgesetzes (6. SGG-ÄndG) vom 17.08.2001 (BGBl. 2144) am 02.01.2002 geltenden Fassung. Denn der durch das 6. SGG-ÄndG. eingefügte § 197a SGG – der die Anwendung der Kostenvorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung vorsieht, wenn, wie hier, keiner der Beteiligten zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört – ist erst auf nach dem 01.01.2002 rechtshängig gewordene Verfahren anzuwenden. Dies ist aus der Übergangsvorschrift des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 des 6. SGG ÄndG abzuleiten (s. hierzu BSG Urteil vom 11.04.2002 – B 3 KR 25/01 R – SozR 3 – 2500 § 115b Nr. 2 und BSG Urteil vom 30.01.2002 – B 6 KA 12/01 R – SozR 3 – 2500 § 116 Nr. 24). Wenngleich die Übergangsregelung ausdrücklich nur die Frage der Gerichtsgebühren betrifft, muss sie aus Gründen des verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzes auch auf die außergerichtliche Kostenerstattung angewendet werden.
Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Ziff. 1 SGG zugelassen, weil die streitentscheidenden Rechtsfragen höchstrichterlich noch nicht entschieden sind.
Erstellt am: 10.08.2006
Zuletzt verändert am: 10.08.2006