Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 22.10.2010 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) für seine Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 8.7.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2009 sowie gegen die Verfügung der Beklagten vom 24.8.2009.
Der vor seiner Inhaftierung unter der Privatanschrift H 00, X wohnhafte Kläger war Inhaber der in U (Polen) ansässigen Firma Q. Nach Anhörung des Klägers aufgrund eines an seine Privatanschrift gerichteten Schreibens setzte die Beklagte im Anschluss an eine das Unternehmen betreffende Betriebsprüfung eine Nachforderung von 1.075.296,12 Euro fest (Bescheid v. 8.7.2009, ebenfalls an die Privatanschrift des Klägers gerichtet). Mit Telefax vom 19.8.2009 bat der seinerzeitige Verfahrensbevollmächtigte des Klägers im Hinblick auf eine entsprechende Mitteilung der AOK um Auskunft, ob ein Bescheid ergangen sei. Dieser hätte gegebenenfalls an die Geschäftsadresse des Unternehmens oder an ihn adressiert werden müssen. Seinen Informationen zufolge sei er dem Kläger nicht zugegangen. Vorsorglich erhebe er Widerspruch. Mit Schreiben vom 24.8.2009 übersandte die Beklagte dem Verfahrensbevollmächtigten des Klägers daraufhin "eine Durchschrift des Bescheides". Diese – mit dem Bescheid vom 8.7.2009 im Übrigen identische – Durchschrift trug ebenfalls das Datum vom 24.8.2009. Außerdem holte die Beklagte einen Sendebericht betreffend das "DHL Pakets 000" ein, aus der sich ergibt, dass am 13.7.2009 ein an den Kläger gerichtete Paket am 14.7.2009 an diesen ausgeliefert worden ist. Der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers erhob daraufhin am 24.9.2009 auch gegen "den Bescheid vom 24.8.2009" Widerspruch. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2009 beide Widersprüche als unzulässig zurück: denjenigen gegen den Bescheid vom 8.7.2009 als verfristet und denjenigen gegen den "Bescheid vom 24.8.2009", weil es sich hierbei nicht um einen Bescheid, sondern nur um die "Kopie eines Bescheides" gehandelt habe. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren.
Mit der Klage und dem Antrag auf PKH trägt der Kläger vor: Die Beklagte habe den ihr obliegenden Nachweis des Zugangs des Bescheides vom 8.7.2009 bei ihm nicht geführt, da sich dem Sendebericht nichts über den Inhalt des Pakets entnehmen lasse. Bei dem "Bescheid vom 24.8.2009" handele es sich zudem schon im Hinblick auf das veränderte Datum nicht um eine "Kopie". Vielmehr liege ein erneuter Bescheid vor, zumal die Beklagte ihn wiederum unterschrieben und ihm eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt habe. Zudem sei der Bescheid auch inhaltlich fehlerhaft.
Die Beklagte tritt der Klage entgegen und verteidigt den angefochtenen Widerspruchsbescheid.
Das Sozialgericht (SG) hat den Antrag auf PKH abgelehnt (Beschluss v. 22.10.2010). Es hat die hinreichenden Erfolgsaussichten der Klage verneint und die Widersprüche des Klägers ebenfalls als unzulässig angesehen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde, mit der der Kläger sein Begehren weiterverfolgt.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Wie das SG zutreffend entschieden hat, hat der Kläger keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Hinreichende Erfolgsaussichten bestehen dabei zum einen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt, zum anderen, wenn eine entscheidungserhebliche Tatsache zwischen den Beteiligten strittig ist und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Beweisaufnahme mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Lasten des Antragstellers ausgehen würde (statt aller: BVerfG, Beschluss v. 8.12.2009, 1 BvR 2733/06, NJW 2009, 1129 m.w.N.).
Die Beurteilung der Frage, ob die Beklagte die Widersprüche des Klägers als unzulässig ansehen durfte, hängt nicht von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungelösten Rechtsfrage ab. Es bedarf nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand hierzu auch keiner weiteren Beweisaufnahme.
1. Zurzeit ist davon auszugehen, dass der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 8.7.2009 unzulässig ist. Denn der Kläger hat die in § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG geregelte Frist von einem Monat, nachdem dieser Bescheid ihm bekannt gegeben worden ist, versäumt.
a) Die Bekanntgabe des Bescheides vom 8.7.2009 gegenüber dem Kläger ist am 14.7.2009 erfolgt.
aa) Der Zugang des Bescheides vom 8.7.2009 an diesem Datum beim Kläger kann gegenwärtig aufgrund des von der Beklagten eingeholten Sendeberichts ohne weitere Feststellungen als bewiesen angesehen werden. Der Sendebericht belegt, dass eine an den Kläger gerichtete Paketsendung am 14.7.2009 an ihn ausgeliefert worden ist. Es unterliegt keinen Bedenken, dass die Sendung an die richtige Anschrift abgesandt worden ist, nachdem die Beklagte auch das Anhörungsschreiben an die Privatadresse des Klägers adressiert hat und dieses dort angekommen ist. Anhaltspunkte, dass irgendein anderes Schriftstück als der Bescheid vom 8.7.2009 Gegenstand des Pakets gewesen sein könnte, bestehen nicht. Insbesondere hat der Kläger nicht vorgetragen, welche anderweitige Sendung der Beklagten ihm am 14.7.2009 zugegangen sein soll.
bb) Die Bekanntgabe ist wirksam erfolgt.
(1) Die Beklagte brauchte den Bescheid nicht dem Verfahrensbevollmächtigten des Klägers bekannt zu geben. Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Zwar kann die Bekanntgabe auch gegenüber einem Bevollmächtigten erfolgen (§ 37 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Der Behörde ist insoweit jedoch abweichend von § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB X Ermessen eingeräumt. Sie kann daher den Bescheid auch wirksam gegenüber dem Adressaten bekannt geben (vgl. Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 37 Rdnr. 10 m.w.N.).
(2) Die Bekanntgabe durfte zudem an den Kläger, einen Einzelkaufmann, als Inhaber des Unternehmens Q erfolgen. Ob die zusätzliche Angabe dieser Firma erforderlich war, kann dahinstehen, da diese erfolgt ist.
b) Damit ist von einer Bekanntgabe des Bescheides im Rechtssinne spätestens am 16.7.2009 auszugehen. Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Da sich der Bescheid dem Sendebericht entsprechend am 13.7.2009 im Zustell-Paketzentrum befunden hat, daher spätestens an diesem Tag zur Post gegeben worden sein muss und seine Bekanntgabe feststeht, ist davon auszugehen, dass diese am 16.7.2009 erfolgt ist.
c) Der Widerspruch hätte daher spätestens am Montag, dem 17.8.2009, erhoben werden müssen (§§ 84 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 3 SGG). Tatsächlich hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers ihn aber erst mit Telefax vom 19.8.2009 und damit verspätete erhoben. Wiedereinsetzungsgründe (§ 67 SGG) liegen nicht vor.
2. Der Widerspruch gegen das Schreiben der Beklagten vom 24.8.2009 ist voraussichtlich gleichfalls unzulässig. Widersprüche sind statthaft nur gegen Verwaltungsakte (§§ 78 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 1 Satz 1 SGG), d.h. einer hoheitlichen Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (§ 31 Satz 1 SGB X). Eine Regelung in diesem Sinne, d.h. das Setzen einer Rechtsfolge, ist dem Schreiben vom 24.8.2009 vom maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont des Klägers (vgl. § 133 Bürgerliches Gesetzbuch) jedoch nicht zu entnehmen.
a) Entgegen der Auffassung des Klägers ist dem Schreiben vom 24.8.2009 nicht der Wille der Beklagten zu entnehmen, einen Zweitbescheid zu erlassen. Es liegt nicht einmal eine wiederholende Verfügung vor, die bereits ihrerseits keine neue Widerspruchsfrist in Gang setzen würde. Bei der Auslegung des Schreibens vom 24.8.2009 ist nämlich unbeschadet der Frage, ob der Bescheid vom 8.7.2009 zugegangen ist, zu berücksichtigen, dass der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers sich mit Schreiben vom 19.8.2009 nach dem Inhalt dieses Bescheides erkundigt hatte. Indem die Beklagte ihm daraufhin ausdrücklich eine "Durchschrift" übersandt hat, hat sie ihn erkennbar lediglich von dessen Inhalt in Kenntnis setzen wollen, ohne damit eine (erneute) Regelung zu treffen. Dass die Durchschrift des Bescheides ein anderes Datum trägt, rechtfertigt angesichts dieses klaren Sachverhalts keine andere Beurteilung, zumal dieser Umstand z.B. auch auf der Verwendung eines Textfeldes mit sich bei erneutem Aufruf automatisch aktualisierendem Datum beruhen kann.
b) Aus den genannten Gründen kann dem Schreiben der Beklagten vom 24.8.2009 auch nicht der Wille entnommen werden, eine Entscheidung im Wege des Überprüfungsverfahrens (§ 44 Abs. 1 SGB X) zu treffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Erstellt am: 31.03.2011
Zuletzt verändert am: 31.03.2011