Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 28.2.2011 geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 10.12.2010 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 26.11.2010 wird angeordnet. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.046.750,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 26.11.2010, mit dem diese aufgrund einer Betriebsprüfung eine Beitragsnachforderung von 4.187.013,47 Euro (einschließlich Säumniszuschläge i.H.v. 1.848.015,50 Euro) für den Zeitraum vom 1.1.2003 bis zum 30.9.2005 geltend macht.
Die Antragstellerin betreibt u.a. die Schlachthöfe I und M. Ausweislich der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft (StA) E vom 17.5.2010 im Ermittlungsverfahren 130 Js 62/05, die sich auszugsweise in der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin befindet, bestanden im Streitzeitraum zwischen der Antragsgegnerin und der B Fleisch GmbH (im Folgenden: B) sowie der Q Fleisch GmbH (im Folgenden: Q) u.a. Werkverträge betreffend die Kalb- und Rindfleischzerlegung Band I und II (B) bzw. Band III (Q) sowie die Schweinefeinzerlegung (Q). Für den Schlachthof M existierte ein Werkvertrag mit B. B wie Q schlossen Werkverträge mit diversen vermeintlichen Subunternehmen, unter ihnen nach rumänischem Recht gegründete Gesellschaften, aufgrund derer die im angefochtenen Prüfbescheid näher bezeichneten, vielfach aus Rumänien stammenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (im Folgenden: rumänische Arbeitnehmer) im Bereich der Zerlegung in den Schlachthöfen der Antragstellerin eingesetzt wurden.
Die Antragsgegnerin zog die Antragstellerin nach Anhörung zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für diese Arbeitnehmer heran (Bescheid v. 26.11.2010). Sie seien aufgrund illegaler Arbeitnehmerüberlassung für die Antragstellerin tätig geworden. Nach Auswertung der vom Hauptzollamt – Finanzkontrolle Schwarzarbeit – beigebrachten Unterlagen könne man nicht von der Durchführung von Werkverträgen zwischen der B und der Antragstellerin in den Schlachthöfen M und I ausgehen. Die Weisungsbefugnis über die Arbeitnehmer habe bei den Vorarbeitern G und P1 (M) bzw. X, T und N (I) gelegen. Diese hätten die Arbeitnehmer auch vor Ort eingeteilt. Zur Qualitätssicherung und in Stoßzeiten seien Zusatzkräfte in die Kolonne integriert worden. Die rumänischen Arbeitnehmer hätten erst angelernt werden müssen. Die B habe über die Ausführung des Gewerks nicht frei entscheiden können, da ihr die Anzahl der Arbeitnehmer und die Tätigkeitsfelder vorgegeben worden seien. Sie habe nur das Personal zur Verfügung gestellt. Der Vorarbeiter P1 habe in seiner Vernehmung angegeben, dass eine Vermischung der Arbeitnehmer in der Rinderzerlegung und in der Verpackung im Schlachthof M alltäglich gewesen sei. Die Vorarbeiter X und T hätten den rumänischen Arbeitnehmern laufend die Schnittführung gezeigt. Es sei im Schlachthof I kein abgegrenztes Gewerk erbracht worden, wodurch Gewährleistungsansprüche nicht mehr zu verwirklichen seien. Die rumänischen Arbeitnehmer seien hiernach nicht in der Lage gewesen, eigenverantwortlich den Werkvertrag zu erfüllen. Die Antragstellerin habe B und Q den Einsatz von Subunternehmern gestattet. Ihr sei somit bekannt, dass es zu einem Kettenverleih gekommen sei. Vor Ort sei von den Vorarbeitern der Antragstellerin tageweise eine Verschiebung von rumänischen Mitarbeitern zwischen den Bereichen der Fein- und der Grobzerlegung veranlasst worden. Abrechnungstechnisch hätten diese "Sonderarbeiten" keinen Niederschlag gefunden. Laut einem Gesprächsvermerk habe ein Mitarbeiter der B mit dem Betriebsleiter D der Antragstellerin den Stundenlohn der in der Rinderzerlegung beschäftigten französischen und deutschen Arbeitnehmer vereinbart. Hierfür sollte jedoch eine Rechnung über "Sonderzuschnitte Nachberechnung" erstellt werden. Der Vernehmung des Hauptbeschuldigten zufolge habe ein Vorarbeiter der Antragstellerin sicherlich mitbekommen, dass eine Vermischung von Arbeitnehmern stattgefunden habe. Mit dem Zerlegemeister A sei darüber gesprochen worden. Ihm sei es nur darauf angekommen, dass "alles lief".
Die Antragstellerin hat gegen diesen Bescheid Widerspruch erhoben und einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Sie trägt vor: Sie habe mit B einen Werkvertrag abgeschlossen und hafte daher nicht für Gesamtsozialversicherungsbeiträge der dort beschäftigten Arbeitnehmer. Ein "Durchgriff" auf die Antragstellerin vergleichbar der Generalunternehmerhaftung nach § 28e Abs. 3a ff. Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) sei nur im Baugewerbe, nicht jedoch bei Schlachthöfen zulässig. Die im Bescheid bezeichneten Vorarbeiter G, X, P1 und N seien bei B bzw. Nachfolgeunternehmen beschäftigt gewesen, nicht hingegen bei der Antragstellerin. Sie bestreite, dass der bei ihr angestellte Zerlegemeister T im Sinne von Weisungen auf die rumänischen Arbeitnehmer eingewirkt habe. Aber selbst wenn es im Einzelfall zu Weisungen gekommen sein sollte, seien diese Ausdruck des Weisungsrechts des Werkauftraggebers (bzw. seines Erfüllungsgehilfen) im Rahmen der Qualitätskontrolle. Ein "Vorarbeiter H" sei für sie nicht tätig geworden. Ihr Mitarbeiter D habe im Jahr 2001 aus Anlass einer Erweiterung der übertragenen Gewerke über eine Anpassung der Werkvertragsvergütung mit der B verhandelt. Diese habe u.a. ausgeführt, sie müsse mehr Personal am Band einsetzen, was pauschal 20,- DM pro Arbeitsstunde mehr koste. Es habe sich insoweit um eine kalkulatorische Größe gehandelt. Schließlich stelle die Zahlung des geforderten Betrages für sie eine unbillige Härte dar.
Das Sozialgericht (SG) Münster hat den Antrag abgelehnt (Beschluss v. 28.2.2011). Nach summarischer Prüfung sei der Erfolg einer Klage in der Hauptsache nicht wahrscheinlicher als ein Misserfolg. Die Überprüfung der Richtigkeit des von der Antragsgegnerin zugrunde gelegten Sachverhaltes erfordere eine umfangreiche Sachverhaltsermittlung, die nicht Gegenstand eines Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz sein könne, sondern dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben müsse. Zudem habe die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass die Vollziehung des Bescheides für sie eine unbillige Härte darstelle.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 25.3.2011 erhobene Beschwerde. Die Antragstellerin vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor: Der Zerlegemeister T habe die rumänischen Arbeitnehmer allenfalls in der Einarbeitungszeit gemeinsam mit dem Vorarbeiter X der Firma B bei der Schnittführung beobachtet und kontrolliert. Zu einer Vorarbeiterstellung gegenüber den Arbeitnehmern sei es aufgrund dessen nicht gekommen. Eine eventuelle Vermischung an den Bändern könne nicht ihr, der Antragstellerin, angelastet werden. Sie habe die Arbeitnehmer der Subunternehmer auch zu keinem Zeitpunkt bezahlt. Hilfsweise erhebt die Antragstellerin die Einrede der Verjährung.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 28.2.2011 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 10.12.2010 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 26.11.2010 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde und insbesondere der Erhebung der Einrede der Verjährung entgegen.
Dem Senat haben bei Beschlussfassung die von der Antragsgegnerin überreichte Verwaltungsakte nebst kopierten Auszügen aus dem genannten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren vorgelegen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist im Sinne der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 26.11.2010 begründet.
Der dahingehende Antrag ist zulässig. Insbesondere hat die Antragstellerin das hierfür erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Zwar ist im erstinstanzlichen Verfahren mehrfach die Möglichkeit z.B. einer befristeten Niederschlagung diskutiert worden. Bislang ist ein auch nur teilweiser oder vorläufiger Verzicht der Einzugsstellen auf den Beitragseinzug indessen nicht erkennbar. Daher kann dahingestellt bleiben, unter welchen Voraussetzungen eine derartige Entscheidung der Einzugsstelle das schützenswerte Interesse an einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung entfallen lassen kann (vgl. z.B. für die verzinsliche Stundung Senat, Beschluss v. 8.10.2010, L 8 R 368/10 B ER, juris).
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist auch begründet.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten einschließlich der Säumniszuschläge (vgl. zu Letzteren Senat, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, juris, m.w.N.). Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise dennoch durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier des Widerspruchs, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat, Beschlüsse v. 24.6.2009, L 8 B 4/09 R ER; v. 27.7.2009, L 8 B 5/09 R ER; v. 18.2.2010, L 8 B 13/09 R ER; v. 8.10.2010, a.a.O.; jeweils juris und sozialgerichtsbarkeit.de). Aufgrund der in diesem Sinne im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung ist der Senat der Überzeugung, dass der angefochtene Bescheid sich bei einer Kontrolle im Rechtsbehelfsverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als rechtswidrig erweisen wird.
Die Verpflichtung der Antragstellerin zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen kann sich nur aus § 28e Abs. 1 SGB IV ergeben, nachdem die Voraussetzungen der Generalunternehmerhaftung nach § 28e Abs. 3a bis 3e SGB IV ersichtlich nicht vorliegen. Nach § 28e Abs. 1 SGB IV hat "der Arbeitgeber" den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen. Die StA E ist in ihrer Anklageschrift auf der Grundlage der von ihr bzw. der Finanzkontrolle Schwarzarbeit getroffenen Feststellungen – vorbehaltlich besserer Erkenntnisse z.B. aus der Hauptverhandlung – mit nachvollziehbarer und in sich schlüssiger Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Vertragspartner der Antragstellerin, insbesondere B und Q, Arbeitgeber der rumänischen Arbeitnehmer im Sinne von § 28e Abs. 1 SGB IV gewesen seien. Die hiervon abweichende, nicht auf zusätzlichen eigenen Feststellungen beruhende rechtliche Beurteilung der Antragsgegnerin, wonach nicht B oder Q, sondern die Antragstellerin als Arbeitgeber anzusehen sei, wird demgegenüber nicht von den bislang bekannten tatsächlichen Feststellungen getragen.
Arbeitgeber im Sinne von § 28e Abs. 1 SGB IV ist zum einen derjenige, der unmittelbar mit dem Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag geschlossen hat und damit ein Beschäftigungsverhältnis i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV eingegangen ist. Im Falle der Arbeitnehmerüberlassung ist in arbeitsrechtlicher Hinsicht zudem der Entleiher Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers, wenn der Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr. 1 AÜG, d.h. wegen Fehlens der erforderlichen Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 1 AÜG, unwirksam ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG). Mit dem Zustandekommen des Arbeitsvertrages zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer entsteht – jedenfalls in aller Regel – auch ein Beschäftigungsverhältnis i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV, sodass den Entleiher neben den arbeitsrechtlichen Arbeitgeberpflichten auch die Verpflichtung zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages trifft (vgl. BSG, Urteil v. 27.7.1987, 2 RU 41/85, NZA 1988, 263; BSG, Urteil v. 18.3.1987, 9b RU 16/85, SozR 7815 Art 1 § 10 Nr 3; Senat, Beschluss v. 27.7.2009, a.a.O.; jeweils m.w.N.).
Arbeitnehmerüberlassung liegt vor, wenn der Verleiher dem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung stellt, die voll in den Betrieb des Entleihers eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach dessen Weisungen ausführen. Im Gegensatz dazu wird beim Werk- und Dienstvertrag ein Unternehmer für einen anderen tätig. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolges notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen. Die zur Ausführung der vertraglich geschuldeten Leistungen eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen als Erfüllungsgehilfen des Werkunternehmers dessen Weisungsbefugnis. Der Werkbesteller kann dem Werkunternehmer lediglich solche Anweisungen geben, die sich auf die Ausführung des Werkes beziehen (vgl. § 645 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]). Maßgeblich für die rechtliche Einordnung der jeweiligen Verträge ist der wirkliche Geschäftsinhalt, der sich aus ausdrücklichen Vereinbarungen wie aus der praktischen Durchführung des Vertrags ergeben kann (BAG, Urteil v. 8.11.1978, 5 AZR 261/77,AP Nr. 2 zu § 1 AÜG; BAG, Urteil v. 9.11.1994, 7 AZR 217/94, AP Nr. 18 zu § 1 AÜG; BAG, Urteil v. 6.8.2003, 7 AZR 180/03, AP Nr. 6 zu § 9 AÜG; BSG, Urteil v. 11.2.1988, 7 RAr 5/86, AP Nr. 10 zu § 1 AÜG).
Danach bestehen zunächst keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin allein oder auch nur maßgeblich den Arbeitseinsatz der rumänischen Arbeitnehmer gesteuert hätte. Die Antragsgegnerin trägt im Anschluss an die Feststellungen im Ermittlungsverfahren selbst vor, dass die Weisungsbefugnis bei den Vorarbeitern , P1, X und N gelegen habe. Hierbei hat es sich indessen nicht um Mitarbeiter der Antragstellerin, sondern um Vorarbeiter von B bzw. Q gehandelt. Diese haben nach allen vorliegenden Zeugenaussagen die Einteilung der Arbeitnehmer vorgenommen und ihnen auch fachliche Weisungen erteilt.
Zwar gibt es in den dem Senat vorliegenden Ermittlungsunterlagen Hinweise darauf, dass auch Mitarbeiter der Antragsgegnerin den rumänischen Arbeitskräften gegenüber Weisungen erteilt haben. So wird in Auszügen die Vernehmung des rumänischen Arbeitnehmers H1 v. 26.6.2007 wiedergegeben, wonach die Einweisung neuer Arbeitskräfte im Schlachthof I/Rinderzerlegung durch den bei der Antragstellerin beschäftigten Zerlegemeister T und den Vorarbeiter X erfolgt sei. Zudem hat der Zeuge N bekundet, Herr T habe den Rumänen "gelegentlich" gezeigt, "wie die Schnitte auszusehen hatten". Im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung ist vor diesem Hintergrund jedoch allenfalls die Annahme einer Mitsteuerung einzelner Arbeitsphasen durch Mitarbeiter der Antragstellerin erfolgt. Eine solche rechtfertigt indessen noch nicht die Annahme einer Arbeitnehmerüberlassung, da sie das hierfür notwendige Merkmal der vollen Eingliederung in den Betrieb des Entleihers und der alleinigen Weisungsunterworfenheit ihm gegenüber nicht erfüllen (vgl. Hamann in Schüren/Hamann, AÜG, 4. Aufl. 2010, § 1 Rdnr. 172 ff. m.w.N.). Diese Beurteilung deckt sich mit derjenigen der StA E, die in ihrer Anklageschrift ausgeführt hat, in I habe der Vorarbeiter G "den kompletten Bereich der Rinderzerlegung" organisiert. Für die Einteilung der Arbeitskräfte sei der Vorarbeiter N maßgeblich verantwortlich gewesen. Ebenso hat – bezogen auf den Schlachthof M – der Zeuge C angegeben, der dortige Zerlegeleiter A habe zwar den Zerlegungsplan mit den deutschen Vorarbeitern der Vertragspartner der Antragstellerin besprochen. Diese hätten jedoch sodann die Weisungen an die rumänischen Arbeitnehmer weitergegeben.
Für eine alleinige Ausübung des Weisungsrechts durch die Mitarbeiter der Antragstellerin ist nach alledem nichts ersichtlich. Das gilt auch eingedenk des Umstandes, dass die Antragstellerin den Feststellungen der StA zufolge offenbar "tageweise" eine Verschiebung von Mitarbeitern zwischen den Bereichen der Fein- und Grobzerlegung veranlasst hat. Denn auch dies belegt allenfalls eine partielle Einflussnahme, nicht hingegen ein alleiniges Weisungsrechts der Antragstellerin oder eine volle Eingliederung der rumänischen Arbeitnehmer in deren Betrieb.
Im Ansatz zutreffend weist die Antragsgegnerin zwar darauf hin, dass zwischen den Arbeitnehmern der verschiedenen in den Schlachthöfen der Antragstellerin tätigen Unternehmen Vermischungen stattgefunden hätten. Dies deutet als Indiz jedoch lediglich darauf hin, dass – wie auch von der StA angenommen – zwischen diesen Unternehmen (also B bzw. Q und ihren "Subunternehmern") eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung stattgefunden hat. Der weitergehende Schluss auf eine Arbeitnehmerüberlassung auch an die Antragstellerin wäre dagegen nur dann gerechtfertigt, wenn es Anhaltspunkte für eine Vermischung mit den bei DIESER angestellten Arbeitnehmern gäbe. Hierzu haben die Ermittlungsbehörden jedoch keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Entgegen der Beurteilung der Antragsgegnerin ergibt sich nichts anderes aus der Aussage des Vorarbeiters P, wonach im Schlachthof M eine Vermischung der Arbeitnehmer in der Rinderzerlegung und der Verpackung alltäglich gewesen sei. Wie nämlich die in der Anklageschrift wiedergegebene Aussage des Zeugen Q1 zeigt, waren in M die Arbeiten an allen drei Bändern und der Verpackung B zugewiesen, ohne dass dort erkennbar eigene Arbeitnehmer der Antragstellerin tätig geworden wären.
Im Ergebnis ohne Erfolg trägt die Antragsgegnerin weiter vor, B habe über die Ausführung des Gewerks nicht frei entscheiden können und im Schlachthof I seien keine abgrenzbaren Gewerke erbracht worden. Zwar setzt die Einordnung von Weisungen des Hauptunternehmers an Mitarbeiter des Nachunternehmers als Anweisungen im Sinne von § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB voraus, dass im Rahmen des Nachunternehmervertrages ein hinreichend bestimmtes abnahmefähiges Werk beschrieben wird (vgl. BAG, Urteil v. 9.11.1994, a.a.O.), woran es fehlt, wenn der wesentliche Inhalt des Leistungsgegenstandes erst durch Anweisungen des Hauptunternehmers konkretisiert wird. Hierzu hat die Antragsgegnerin hingegen bislang keine ausreichend tragfähigen Feststellungen getroffen. Den Ermittlungsergebnissen der StA zufolge sind vielmehr zwischen der Antragstellerin und B bzw. Q Werkverträge (nicht etwa nur Werkrahmenverträge oder ähnliches) geschlossen worden, die auch bestimmte Gewerke (z.B. die Kalb- und Rindfleischzerlegung oder die Schweinefeinzerlegung) zum Gegenstand hatten. Hiervon abweichende vertragliche Vereinbarungen oder tatsächliche Ausgestaltungen der Vertragsbeziehungen sind demgegenüber von der Antragsgegnerin bislang nicht konkret dargelegt worden und auch aus den von ihr vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich.
Die übrigen Argumente der Antragsgegnerin sind ohne Einfluss auf die Beurteilung des Vorliegens von Arbeitnehmerüberlassung im Streitzeitraum.
Soweit sie sich auf einen Gesprächsvermerk mit dem Mitarbeiter D der Antragstellerin bezieht, datiert dieser vom 12.6.2001 und damit deutlich vor dem Streitzeitraum. Auf die Frage, ob dieser Vermerk in dem von der Antragstellerin dargelegten Sinn lediglich der Niederlegung einer für die Kalkulation der Werkvertragsvergütung bedeutsamen Größe zu deuten ist, kommt es daher nicht an.
Soweit die Antragsgegnerin schließlich – dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen nach zutreffend – darauf hinweist, dass jedenfalls einzelne Mitarbeiter der Antragsteller die Vermischung der Arbeitnehmer gekannt und möglicherweise sogar gebilligt hätten, folgt hieraus weder die Ausübung eines Weisungsrechts gegenüber diesen Arbeitnehmern noch deren Eingliederung in den Betrieb der Antragstellerin im Übrigen.
Nach allem bestehen gegenwärtig keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin als Arbeitgeber der im angefochtenen Bescheid aufgeführten Arbeitnehmer im Sinne von § 28e Abs. 1 SGB IV anzusehen ist und demzufolge zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für diese Arbeitnehmer herangezogen werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Festsetzung des Streitwerts entspricht der ständigen Senatspraxis, im einstweiligen Rechtsschutz von (etwa) einem Viertel des Hauptsachestreitwerts einschließlich der Säumniszuschläge auszugehen (Senat, Beschluss v. 8.10.2010, L 8 R 368/10 B ER m.w.N., juris und sozialgerichtsbarkeit.de).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Erstellt am: 14.09.2011
Zuletzt verändert am: 14.09.2011