Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 01.03.2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob die Klägerin trotz erfolgter Beitragserstattung Anspruch auf Altersrente hat.
Die am 00.00.1931 geborene Klägerin heiratete am 23.01.1953. Ihr wurden aufgrund eines Antrags vom 25.05.1960 am 19.10.1960 die bis zum 23.10.1957 entrichteten Beiträge erstattet. Zu diesem Zeitpunkt lagen für die Klägerin im (späteren) Bundesgebiet erworbene Beitragszeiten wie folgt vor:
01.08.1947 – 31.12.1947 = 5 Monate
23.01.1948 – 23.02.1948 = 2 Monate
30.05.1948 – 30.09.1948 = 5 Monate
01.11.1948 – 31.12.1948 = 2 Moante
01.01.1949 – 31.12.1949 = 12 Monate
01.01.1950 – 15.02.1950 = 2 Monate
01.05.1950 – 30.08.1950 = 4 Monate
01.09.1950 – 31.12.1950 = 4 Monate
01.01.1951 – 31.12.1951 = 12 Monate
01.01.1952 – 15.03.1952 = 3 Monate
20.08.1957 – 23.10.1957 = 3 Monate
insgesamt: 54 Monate
Im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens gab die Klägerin in einer als eidesstattliche Versicherung überschriebenen Erklärung vom 16.03.1994 u.a. an, sie habe von Januar 1945 – Sommer 1946 in Ostpreußen im Umkreis ihres Wohnortes S auf verschiedenen landwirtschaftlichen Gütern gearbeitet und sei dort zur Zwangsarbeit unter strenger militärischer russischer Bewachung herangezogen worden. Nach Ausweisung nach Mecklenburg-Vorpommern sei sie von Sommer 1946 – August 1947 in D Kreis Franzburg zur Zwangsarbeit vorwiegend in der Landwirtschaft herangezogen worden, ebenfalls unter russischer Bewachung. Im Sommer 1947 sei sie in den Westen geflohen. Sie wisse aus der Erinnerung, dass ihr für 55 Monate Rentenversicherungsbeiträge erstattet worden seien.
Mit einem Schreiben von Mai 1994 teilte die Beklagte der Klägerin mit, Beiträge seien ihr seinerzeit nicht aus Anlass der Heirat, sondern aufgrund des Wegfalls der Versicherungspflicht nach § 1303 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) erstattet worden, ohne dass das Recht zur freiwilligen Versicherung nach § 1233 RVO a.F. bestanden habe. Die Vorschrift über die Heiratserstattung (§ 1304 RVO) sei am 01.01.1957 in Kraft getreten. Anspruch auf Erstattung hätten danach weibliche Versicherte gehabt, die u.a. nach dem 31.12.1956 geheiratet gehabt hätten. Da die Klägerin bereits am 23.01.1953 geheiratet habe, habe sie nicht zum hiernach berechtigten Personenkreis gehört.
Einen Antrag der Klägerin auf Zulassung zur Nachzahlung freiwilliger Beiträge nach § 282 SGB VI lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22.01.1996 ab, weil nach dieser Vorschrift allein für Heiratserstattungen die Nachzahlung freiwilliger Beiträge vorgesehen sei.
Bei der Klägerin ist eine Pflichtbeitragszeit wegen Erziehung ihrer Tochter C vom 01.07.1953 – 30.06.1954 im Versicherungsverlauf vermerkt. Eine Klage gegen einen Feststellungsbescheid der Beklagten i.S.v. § 149 Abs. 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) vom 14.09.1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.1995 mit dem Ziel der Anerkennung einer Pflichtbeitragszeit wegen Erziehung des am 21.08.1963 geborenen Neffen der Klägerin N N1 endete mit Rücknahme der Klage durch die Klägerin am 14.03.1996 (SG Münster S 10 J 53/95).
Unter dem 05.05.1999 beantragte die Klägerin, "einzuzahlen und ein Rentenanspruch zu haben." Sie habe damals ein Schreiben bekommen, ihre 55 Monate reichten nicht aus, und es trete Verfallswirkung ein. Sie habe also damals keine andere Möglichkeit gehabt, als dieses Angebot anzunehmen. Sie sei mit der seinerzeitigen Rechtslage nicht einverstanden, ärgere sich über diese Gesetze und fühle sich benachteiligt.
Am 13.10.2003 legte die Klägerin der Beklagten in Kopie vier Schreiben vor. Ihre Schwester I C1 hatte unter dem 10.04. und dem 27.09.1994 im Rahmen des damaligen Kontenklärungsverfahrens im Wesentlichen geschildert, ihr Sohn N N1 sei von der Klägerin nach seiner Geburt etwa 2½ Jahre (vom 21.08.1963 bis März oder April 1966) tags und nachts versorgt worden, weil sie selbst für ihren Lebensunterhalt habe verdienen müssen. Eine Frau V I1 bestätigte unter dem 06.10.2003, N habe vom 21.08.1963 – 21.08.1966 bei Familie U Tag und Nacht bei vollem Familienanschluss gewohnt. I2 und F T bestätigten unter dem 08.10.2003, das Ehepaar U habe vom 21.08.1963 – 30.04.1966 N in Pflege gehabt. Die Klägerin führte hierzu aus, sie hoffe, endlich zu ihrem Recht zu kommen. Am 29.09.2003 teilte sie der Beklagten telefonisch mit, sie möchte dezidiert mitgeteilt bekommen, warum welche Zeiten abgelehnt worden seien.
Die Beklagte teilte ihr in einem Schreiben mit, sie habe um Überprüfung der Ablehnung der Kindererziehungszeit vom 01.09.1963 – 31.08.1964 und der Kinderberücksichtigungszeit vom 21.08.1963 – 30.04.1966 sowie um Überprüfung der Zeiten vom 01.01.1945 – 31.07.1947 in ihrem Versicherungsverlauf gebeten. Hinsichtlich der Ablehnung der Kindererziehungs- bzw. Kinderberücksichtigungszeit werde auf den Widerspruchsbescheid vom 28.07.1995 verwiesen. Die damalige Rechtsauffassung werde aufrecht erhalten. Die Zeit vom 01.01.1945 – 31.07.1947 sei eine Ersatzzeit. Durch eine bis zum 31.12.1991 durchgeführte Beitragserstattung seien Ersatzzeiten nicht verfallen; sie könnten demnach trotz Erstattung berücksichtigt werden.
Mit einem Schreiben vom 03.11.2003 teilte die Klägerin u.a. mit, sie stelle noch einmal ihre Bitte. Ihr seien laut ihren Unterlagen auch Beiträge für die Zeit vom 29.07.1945 – 31.12.1946 erstattet worden, obwohl sie dafür gar keine Beiträge geleistet habe. Dies sei nicht "rechtlich"; eigentlich hätte die Beklagte ihren Erstattungsantrag gar nicht annehmen dürfen. Man habe ihr vom 01.01.1945 – 01.06.1945 sowie vom 01.01.1947 – 31.12.1947 insgesamt 18 Monate Vertreibungszeit angerechnet. So seien es 79 Monate gewesen. Ihre Schwester habe damals von früh morgens bis spät abends gearbeitet und einige Kilometer entfernt von ihr gewohnt. Wenn sie abends gegen acht Uhr bei ihr eingetroffen sei, habe der Junge oft schon geschlafen.
Mit Bescheid vom 05.12.2003 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf "Rücknahme des Bescheides über die Erstattung von Beiträgen" ab. Beiträge seien damals nach § 1303 RVO erstattet worden.
Die Klägerin legte Widerspruch ein u.a. mit der Begründung, sie habe 1957 bereits 81 Monate gehabt. Eine von ihr beigefügte Aufschlüsselung enthält zu den beitragserstatteten Zeiten auch Zeiten vom 01.01. – 28.07.1945 und vom 01.01.1947 bis 31.07.1947, ferner nicht näher bezeichnete "18 Monate Vertreibung". Hinzu kämen noch 12 Monate für die Erziehung ihrer Tochter C, so dass sie auf insgesamt 93 Monate komme.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.02.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach § 210 Abs. 6 SGB VI (früher: § 1303 Abs. 7 RVO) werde mit der Beitragserstattung das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten Zeiten bestünden nicht mehr. Nach aktuellem Stand ihres Versicherungskontos habe die Klägerin eine Wartezeit von 30 Kalendermonaten zurückgelegt. Hieraus lasse sich ohne weitere Entrichtung freiwilliger Beiträge ein Rentenanspruch nicht begründen. Hinsichtlich des Kindes N N1 verbleibe es bei der früheren Entscheidung; die Klägerin habe seinerzeit die entsprechende Klage zurückgenommen.
Hiergegen hat die Klägerin am 16.02.2004 Klage erhoben.
Mit Bescheid vom 16.04.2004 hat die Beklagte einen Antrag der Klägerin vom 29.03.2004 auf Gewährung von Regelaltersrente mangels Erfüllung der Wartezeit abgelehnt. Der Bescheid werde nach § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des anhängigen sozialgerichtlichen Verfahrens.
Die Klägerin hat nach Einschaltung eines Prozessbevollmächtigten vorgetragen, ihr stehe aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch Regelaltersrente ab Vollendung ihres 65. Lebensjahres, also ab dem 01.08.1996, zu. Sie sei von der Beklagten zweimal unzutreffend beraten worden. Erstmalig sei dies 1960 geschehen, als sie die Beitragserstattung beantragt habe. Eine solche Erstattung hätte nicht erfolgen dürfen. Sie habe sich damals an das Versicherungsamt der Stadt Warendorf gewandt. Die Einzelheiten ließen sich heute nicht mehr rekonstruieren, da weder sie noch die Beklagte Unterlagen dazu besitze. Jedenfalls habe man ihr damals erklärt, sie habe nicht mindestens 60 Monate rentenrechtlich relevanter Zeiten und folglich keinen Anspruch auf Regelaltersrente. Daraufhin habe sie um Beitragserstattung gebeten. Der Erstattungsbetrag sei allerdings minimal gewesen. Sie wisse auch nicht mehr, ob die Beklagte damals einen Erstattungsbescheid erlassen habe; jedenfalls habe sie den Erstattungsbetrag eines Tages auf ihrem Konto gehabt. Tatsächlich habe sie im Zeitpunkt der Erstattung jedoch schon mehr als 60 Monate Wartezeit zurückgelegt gehabt, nämlich 62 Monate. Vom 01.01.1945 – 31.07.1947 habe sie Versicherungszeiten als Zwangsarbeiterin in Ostpreußen bzw. der damaligen DDR zurückgelegt. Als sie 1994 wegen eines Rentenantrages an die Beklagte herangetreten sei, sei ihr gesagt worden, sie habe die Mindestwartezeit nicht erfüllt; aufgrund dieser falschen Auskunft habe sie die Stellung eines Rentenantrags unterlassen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.12.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.02.2004 und unter Aufhebung des Bescheides vom 16.04.2004 zu verurteilen, ihr ab 01.08.1996 die Regelaltersrente zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, nach § 1303 RVO sei damals eine Beitragserstattung auf Antrag des Versicherten u.a. dann in Betracht gekommen, wenn nach Entfallen der Versicherungspflicht in allen Zweigen der gesetzlichen Rentenversicherung das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung nach § 1233 RVO nicht bestanden habe. Nach dieser Vorschrift habe ein Versicherter die Versicherung freiwillig fortsetzen können, wenn eine Versicherungspflicht nicht bestanden habe und innerhalb eines starren Zehnjahreszeitraums mindestens 60 Kalendermonate mit Beiträgen für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet worden seien. Diese Voraussetzungen habe die Klägerin nicht erfüllt gehabt, so dass ihrem Erstattungsantrag zu Recht entsprochen worden sei. Sozialpolitischer Grund für das Beitragserstattungsrecht nach § 1303 Abs. 1 RVO sei das Nichtbestehen des Rechts zur freiwilligen Weiterversicherung gewesen. Denn nach dem ab 01.01.1957 geltenden Recht sei es denkbar gewesen, dass ein Versicherter 59 Pflichtbeiträge entrichtet habe, ohne einen Leistungsanspruch erwerben zu können oder das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung zu haben. Ein Beitragserstattungsanspruch habe zur Vermeidung unüberlegter oder sozial ungerechtfertigter Anträge nur geltend gemacht werden können, wenn seit dem Wegfall der Versicherungspflicht zwei Jahre verstrichen gewesen seien und keine erneute Versicherungspflicht eingetreten sei. In der Zeit vom 21.06.1948 – 23.10.1957 entrichtete Beiträge seien nach § 1303 RVO erstattet worden. Nach § 1303 Abs. 7 RVO habe die Erstattung weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten und das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung ausgeschlossen. Die in der Zeit vom 01.08.1947 bis 20.06.1948 vor der Währungsreform entrichteten Beiträge seien durch die Beitragserstattung kraft Gesetzes verfallen, was nicht gegen die Verfassung verstoße. Im Wiederherstellungsverfahren im Jahre 1994 habe die Klägerin erstmals eine Versicherungszeit vom 01.01.1945 – 31.07.1947 als Zwangsarbeiterin in Ostpreußen bzw. in der damaligen DDR geltend gemacht. Die Feststellung dieser Zeiten als Beitragszeit sei mit dem Feststellungsbescheid vom 14.09.1994 zu Recht abgelehnt worden, weil wegen der Beitragserstattung Ansprüche aus rentenrechtlichen Zeiten nicht mehr hergeleitet werden könnten. Es sei nicht nachvollziehbar, wenn die Klägerin behaupte, der Erstattungsantrag sei ihr aufgezwungen worden. Der Erstattungsvorgang sei nach der damals üblichen Vorgehensweise am 08.09.1965 vernichtet worden. Gegen den Erstattungsbescheid habe die Klägerin damals auch weder Widerspruch noch Klage erhoben. Sämtliche Rechtsbeziehungen zwischen Versichertem und Versicherungsträger vor dem Erstattungszeitpunkt würden durch die Beitragserstattung endgültig beseitigt (BSG vom 16.01.1968 – 11 RA 290/66, vom 18.02.1981 – 1 RJ 134/79 und vom 30.01.1980 – 11 RA 62/79). Im Falle einer zu Unrecht erfolgten Beitragserstattung bleibe der Erstattungsbescheid gleichwohl wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen oder anderweitig aufgehoben oder erledigt sei. Die Rücknahme eines solchen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes sei nur unter den Voraussetzungen § 45 des Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) möglich (BSG vom 09.12.1981 – 1 RA 35/80). Dabei stehe der freien Aufhebbarkeit durch den Versicherungsträger das berechtigte rechtliche Interesse der Solidargemeinschaft der Versicherten am Fortbestand der Verfallwirkung der Leistungsansprüche entgegen. Die nachteiligen wirtschaftlichen Rechtsfolgen für den einzelnen Versicherten wegen Verfalls seiner Versicherungszeiten und damit möglicherweise eine nur unzureichende soziale Absicherung aus der gesetzlichen Rentenversicherung müssten demgegenüber zurücktreten. Solange sich der Rentenversicherungsträger aus diesen Gründen auf die Bindungswirkung des Erstattungsbescheides berufe, könne dieser selbst dann nicht zurückgenommen werden, wenn der Versicherte dies wünsche (BSG vom 07.09.1982 – 1 RA 53/81). Bei rechtswidrig begünstigenden Erstattungsbescheiden, die am 31.12.1980 bereits bestandskräftig gewesen seien und bei denen nach § 1744 RVO in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung eine neue Prüfung nicht mehr habe vorgenommen werden können, sei zu beachten, dass eine Aufhebung des Bescheides nach §§ 44 bis 49 SGB X durch Art. 2 § 40 Abs. 2 Satz 3 SGB X generell ausgeschlossen sei (BSG vom 19.05.1983 – 1 RA 35/82). Eine solche Bescheidrücknahme wäre zwar nach § 1744 Abs. 1 Nr. 6 RVO denkbar, wenn der vorgelegte Vertriebenenausweis nachträglich aufgefunden worden wäre, also nicht bereits im seinerzeitigen Antragsverfahren vorgelegen hätte. Aber selbst dann scheide eine Bescheidaufhebung letztlich aus, weil diese Urkunde nicht den Erlass eines für den Versicherten günstigeren Bescheides herbeigeführt haben würde (BSG vom 07.09.1982 – 1 RA 53/81, vom 22.03.1984 – 11 RA 9/83 und 11 RA 22/83). Mit Bescheid vom 22.01.1996 sei die Klägerin auf die Möglichkeit hingewiesen worden, nach § 198 SGB VI rückwirkend für die Zeit ab dem 01.01.1993 freiwillige Beiträge zu zahlen. Hiervon habe sie keinen Gebrauch gemacht.
Im Anschluss an einen von der Beklagten wie von dem damaligen Bevollmächtigten der Klägerin angeregten, ergebnislosen Erörterungstermin vom 12.01.2005 hat die Klägerin selbst auf die im Bescheid vom 14.09.1994 für die Zeit vom 29.07.1945 – 31.12.1946 festgestellten "18 Monate Vertreibung, Flucht" hingewiesen und vorgetragen, die Vertreibung habe schon im Januar 1945 stattgefunden; vom 29.07.1945 – Sommer 1946 habe sie Zwangsarbeit verrichtet. Sie habe das auch zutreffend in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 16.03.1994 angegeben. Wenn tatsächlich erst 1994 die Zwangsarbeitszeit geltend gemacht worden wäre, so wäre die Beklagte den Angaben aus der eidesstattlichen Versicherung gefolgt. Es sei deshalb davon auszugehen, dass die Zeiten schon 1960 erfasst worden seien. Dann aber hätte eine Beitragserstattung nie erfolgen dürfen.
Mit Gerichtsbescheid vom 01.03.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beitragserstattung, für die damalige Unterlagen nicht mehr existierten, seinerzeit nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprochen habe. Die Klägerin habe damals noch keine 60 Monate mit Beiträgen zurückgelegt. Erstmals 1994 habe sie eine Versicherungszeit vom 01.01.1945 – 31.07.1947 wegen Zwangsarbeiten in Ostpreußen bzw. der DDR geltend gemacht. Die Beklagte habe im Bescheid vom 14.09.1994 die Berücksichtigung einer entsprechenden Versicherungszeit zu Recht abgelehnt, weil wegen der durchgeführten Beitragserstattung eine Anrechnung von Zeiten vor dem 20.06.1948 nicht mehr möglich sei. Diese Beitragserstattung schließe alle weiteren Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten aus. Doch selbst wenn die damalige Beitragserstattung rechtswidrig gewesen wäre, komme eine Rücknahme des Erstattungsbescheides nicht mehr in Betracht. Der Aufhebung des begünstigenden – angeblich rechtswidrigen – Verwaltungsaktes mit Zustimmung oder gar auf Wunsch des Begünstigten stehe das öffentliche Interesse am Fortbestand der durch den Bescheid gewährten Begünstigung entgegen. Eine freie Aufhebbarkeit des bindend gewordenen Erstattungsbescheides scheitere daran, dass der durch die Beitragserstattung bewirkte Verfall von Leistungsansprüchen die von der Beklagten vertretene Solidargemeinschaft aller Rentenversicherten von Rentenanwartschaften freistelle und sie insofern begünstige. Die Solidargemeinschaft habe ein anzuerkennendes Interesse daran, dass es bei der Bindungswirkung des Erstattungsbescheides nach § 77 SGG bleibe. Der Erstattungsbescheid könne jedenfalls solange nicht aufgehoben werden, wie sich der Rentenversicherungsträger auf seine Bindungswirkung berufe (BSG vom 09.12.1981 – 1 RA 85/50 und vom 07.09.1982 – 1 RA 53/81).
Gegen den am 04.03.2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat die im Berufungsverfahren nicht mehr vertretene Klägerin am 15.03.2005 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, ein Feststellungsbescheid stelle etwas für die Beteiligten verbindlich fest, also könne er auch von den Beteiligten aufgehoben werden. Wenn die Beklagte 1960 richtig gerechnet hätte, könnte sie – die Klägerin – sich jetzt schon fast neun Jahre ihrer Rente erfreuen. Die erstinstanzliche Richterin und ihr Rechtsanwalt hätten die Unrichtigkeit der Berechnung der Beitragszeiten durch die Beklagte nicht bemerkt. Sie habe 10.000,00 DM an freiwilligen Beiträgen nachzahlen wollen. Wenn die Unterlagen aus dem Erstattungsverfahren vernichtet seien, woher komme dann die Aufstellung der Beklagten über die Zeiten, für die eine Erstattung vorgenommen worden sei? Es falle ihr schwer zu glauben, dass eine große Behörde wie die Beklagte nicht ehrlich sei. Lieber hätte sie an einen Fehler der Beklagten geglaubt. Es sei traurig, dass man ihr den Glauben an den Staat nehmen wolle. Sie betrachte die Richter als Überbringer ihrer Empörung gegenüber der Beklagten.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 01.03.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 05.12.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.02.2004 sowie des Bescheides vom 16.04.2004 zu verurteilen, ihr ab 01.08.1996 Altersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihren bisherigen Vortrag und das angefochtene Urteil, das sie für richtig hält.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Vorprozessakte S 10 J 53/95 des Sozialgerichts Münster sowie der ebenfalls beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Der Inhalt dieser Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid verletzt die Klägerin nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 SGG in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die von ihr begehrte Altersrente, weil sie die Wartezeit von 60 Kalendermonaten mit Pflichtbeiträgen zur Rentenversicherung nicht erfüllt.
Zur Begründung nimmt der Senat zunächst nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts.
Insbesondere hat das Sozialgericht zutreffend ausgeführt, dass mit der seinerzeit erfolgten Beitragserstattung das bis dahin bestehende Versicherungsverhältnis der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung erloschen war. Denn nach § 1303 Abs. 7 RVO schloss die Erstattung weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten und das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung aus. Diese rückwirkende Auflösung des Versicherungsverhältnisses umfasst dessen Gesamtheit, führt also zum Verlust der Rechte aus sämtlichen vor der Erstattung zurückgelegten Versicherungszeiten, ausgenommen Ansprüche auf Erstattung von restlichen Beiträgen (BSG vom 22.03.1984 – 11 RA 9/83). Welche rentenversicherungsrechtlichen Anwartschaften von der Klägerin deshalb auch immer bis zum Zeitpunkt der Erstattung erworben gewesen sein mögen, so waren sie jedenfalls mit der Beitragserstattung erloschen. Dies gilt auch hinsichtlich etwaiger Beitragszeiten der Klägerin, die sie vor der Beitragserstattung in Ostpreußen bzw. auf dem Gebiet der (späteren) DDR i.S. der von ihr vorgetragenen Zwangsarbeit zurückgelegt haben mag, auch wenn diese Zeiten nicht ausdrücklich Gegenstand des Erstattungsverfahrens gewesen sein sollten.
Dieses Erlöschen des vorbestandenen Versicherungsverhältnisses trat spätestens mit der Bestandskraft des damaligen Erstattungsbescheides ein. Dabei geht der Senat davon aus, dass der Klägerin ein solcher – heute mangels Vorliegens von Unterlagen sowohl bei der Klägerin als auch bei der Beklagten nicht mehr nachhaltbarer – Bescheid zugegangen ist. Zwar hat sie erstinstanzlich vorgetragen, nicht mehr zu wissen, ob sie einen Erstattungsbescheid erhalten habe, und sich nur noch an die Zahlung des Erstattungsbetrages zu erinnern. Die Auszahlung eines Erstattungsbetrages ohne entsprechenden Erstattungsbescheid erscheint dem Senat jedoch als derart fernliegend, dass er mangels aussagekräftiger gegenteiliger Anhaltspunkte von seinem damaligen Erlass ausgeht.
Sofern die Klägerin unter Verweis auf eine (nicht erwiesene, aber durchaus möglich erscheinende) damalige Fehlberatung durch einen der Beklagten zuzurechnenden Mitarbeiter etwa des Versicherungsamtes ihres Wohnortes die Erstattung rückwirkend ungeschehen machen möchte, weil der Erstattungsbescheid rechtswidrig gewesen sei, so hat das Sozialgericht eines solche Möglichkeit zu Recht ausgeschlossen. Denn ein Erstattungsbescheid ist ein begünstigender Verwaltungsakt. Ist ein begünstigender Verwaltungsakt rechtswidrig (weil z.B. wegen eines damaligen Rechts der Klägerin zur Nachversicherung oder einer – angesichts nach dem Fremdrentengesetz zu berücksichtigender weiterer Beitragszeiten – bereits damals erfüllten Wartezeit von 60 Monaten), so könnte er unter Geltung des SGB X (nur) nach näherer Maßgabe des § 45 SGB X mit Wirkung (auch) für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Das SGB X ist allerdings erst zum 01.01.1981 in Kraft getreten (Art. II § 40 Abs. 1 SGB X), also Jahrzehnte nach der Erstattung der Beiträge an die Klägerin. Nach Art. II § 40 Abs. 2 SGB X ist Art. I §§ 44 bis 49 SGB X (und damit auch § 45 SGB X) erstmals anzuwenden, wenn nach dem 31.12.1980 ein Verwaltungsakt aufgehoben wird (Satz 1). Dies gilt auch dann, wenn der aufzuhebende Verwaltungsakt vor dem 01.01.1981 erlassen worden ist (Satz 2). Ausgenommen sind jedoch solche Verwaltungsakte in der Sozialversicherung, die bereits bestandskräftig waren und bei denen auch nach § 1744 RVO in der vor dem 01.01.1981 geltenden Fassung eine neue Prüfung nicht vorgenommen werden konnte (Satz 3). Der Senat geht von der Erteilung eines bereits im Jahre 1960 bestandskräftig gewordenen Erstattungsbescheids an die Klägerin aus (s.o.). Nach Art. II § 40 Abs. 2 Satz 3 SGB X käme für die Klägerin deshalb allenfalls eine erneute Prüfung des Erstattungsvorganges nach § 1744 a.F. RVO in Betracht. Ein Grund für Anfechtung eines entgültigen Bescheides mit der Eröffnung der Möglichkeit einer erneuten Prüfung nach dieser Vorschrift liegt jedoch erkennbar nicht vor. Selbst wann man § 1744 Nr. 6 RVO a.F. (nachträgliches Auffinden einer Urkunde, die einen günstigeren Verwaltungsakt herbeigeführt haben würde, oder nachträgliches Imstandesein, eine solche Urkunde zu benutzten) für einen (einzig) denkbaren Ansatzpunkt im Sinne der Klägerin hielte, würde ihr dies nicht weiterhelfen. Denn im Falle einer Beitragserstattung kann ein dem Versicherten in diesem Sinne "günstigerer" Verwaltungsakt allenfalls in einer noch weitergehenden Beitragserstattung, nicht jedoch in der Rückgängigmachung der – per se günstigen – Beitragserstattung bestehen (BSG vom 22.03.1984 – 11 RA 9/83 und 11 RA 22/83).
Ein von der Klägerin mit Blick auf eine mögliche damalige Fehlberatung gesehener sozialrechtlicher Herstellungsanpruch scheidet von Vornherein aus. Falls man – was der Senat dahinstehen lassen kann – dieses Institut trotz Art. II § 40 Abs. 2 Satz 3 SGB X überhaupt in dieserart "Altfällen" für heranziehbar hält, lassen sich jedenfalls etwaige Fehlberatungen der Klägerin im Jahre 1960 nicht mehr nachhalten. Es ist mangels Vorhandenseins jeglicher Unterlagen aus dem Erstattungsverfahren bei beiden Beteiligten nicht mehr feststellbar, ob die Klägerin im Beitragserstattungsverfahren Beschäftigungszeiten in Ostpreußen und auf dem Gebiet der (späteren) DDR überhaupt angegeben hat. Die Beklagte beruft sich darauf, dass dies erst später geschehen sei. Der Senat kann insofern auch dahinstehen lassen, ob eine Beitragszeit der Klägerin (möglicherweise zugunsten einer Ersatzzeit) für Arbeiten in Ostpreußen und Ostdeutschland deshalb ausscheiden würde, weil es sich nicht um freiwillig aufgenommene versicherungspflichtige Beschäftigungen, sondern – entsprechend der von der Klägerin gewählten Bezeichnung – um Zwangsarbeiten (im sozialversicherungsrechtlichen Sinne) gehandelt hat.
Bleiben für einen denkbaren Rentenanspruch der Klägerin deshalb nur Beitragszeiten berücksichtigungsfähig, die sie zeitlich nach der Beitragserstattung im Jahre 1960 zurückgelegt hat, so erreicht sie selbst bei günstigster Unterstellung sämtlicher überhaupt in Betracht kommender Zeiten nicht die für einen Altersrentenanspruch (nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 51 Abs. 1 und Abs. 4 SGB VI) notwendige Mindestwartezeit von 60 Monaten. Denn denkbar sind allenfalls folgende Beitragszeiträume:
12 Monate Beitragszeit wegen Kindererziehung Tochter C (07. 1953 – 06.1954).
25 Monate maximal denkbare (trotz Erstattung im Jahre 1960 nach dem SGB VI anrechenbare) Ersatzzeiten von Juli 1945 (Vollendung des 14. Lebensjahres; vgl. § 250 Abs. 1 SGB VI) bis Juli 1947 (erster Beitrag auf dem Gebiet der späteren BRD im August 1947).
12 Monate Beitragszeit wegen Kindererziehung des Neffen N N1, wenn man bei der Klägerin – was der Senat dahinstehen lässt – trotz des entgegenstehenden Ausgangs des Vorprozesses SG Münster S 10 J 53/95 diese Kindererziehungszeit zuerkennt.
49 Monate (Summe).
Diese maximal denkbaren 49 Monate Beitragszeiten reichen nicht aus, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Altersrente zu erfüllen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Anlass zur Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG besteht nicht.
Erstellt am: 09.08.2005
Zuletzt verändert am: 09.08.2005