Die Klagen werden abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit einer stationär durchgeführten chirurgischen Brust- und Bauchdeckenstraffung.
Die im Dezember 1968 geborene Klägerin beantragte unter dem 05. Juli 2018 befundgestützt die Kostenübernahme für eine Krankenhausbehandlung zur chirurgischen Straffung der Brüste und der Bauchdecke nach einer massiven Gewichtsreduktion. Nach Einholung eines sozialmedizinischen Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e. V. vom 26. Juli 2018 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Verfügung vom 31. Juli 2018 ab. Den hiergegen mit Schreiben vom 22. August 2018 erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte nach Einholung eines weiteren sozialmedizinischen Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e. V. vom 23. Oktober 2018 mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2019 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, nach den schlüssigen sozialmedizinischen Feststellungen liege eine behandlungsbedürftige Erkrankung an den Brüsten oder der Haut nicht vor. Die bestehenden Hauterschlaffungen hätten unter der maßgeblichen Betrachtung in Alltagskleidung bei flüchtiger Begegnung im Vorübergehen keinen entstellenden Charakter. Im Übrigen lägen auch keine Beeinträchtigungen der Gelenkfunktionen oder andere Funktionseinschränkungen vor. Auch Hinweise auf eine therapierestente schwere Dermatose in den Hautfalten fänden sich nicht.
Mit Schriftsatz vom 21. Juni 2019 – bei dem Sozialgericht Neuruppin am gleichen Tage eingegangen – hat die Klägerin bei dem erkennenden Gericht Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren auf Versorgung mit einer Brust- und Bauchdeckenstraffung weiter verfolgt. Sie bringt im Wesentlichen vor, die sie behandelnden Ärzte sähen eine medizinische Indikation zur Durchführung eines plastisch-chirurgischen Eingriffes zur Entfernung der nach der erheblichen Gewichtsreduzierung verbliebenen überschüssigen Hautareale. Die Klägerin sei insbesondere in ihrer Lebensqualität stark eingeschränkt. Sie sei im Sommer nicht in der Lage dünne oder kürzere Kleidung zu tragen, weil beim Tragen dieser Kleidung die Entstellungen durch die herabhängende Haut sofort für alle sichtbar würden. Insgesamt ergäben sich für die Klägerin auch erhebliche psychische Einschränkungen und Belastungen. Der Klägerin würden ihre Bemühungen, wie zum Beispiel die Änderung ihrer Kleidung zur Kaschierung der Entstellungen, zum Nachteil gereichen. Sie werde hierfür bestraft, wenn ausgeführt werde, die begehrte Operation sei nicht notwendig.
Die Klägerin beantragt (nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß),
die Beklagte unter Aufhebung der mit dem Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2019 verlautbarten ablehnenden Verfügung zu verurteilen, sie mit einer stationär durchgeführten chirurgischen Brust- und Bauchdeckenstraffung zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrages verweist sie auf ihre Erwägungen im auch angegriffenen Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2019. Ergänzend meint sie, bei Vorliegen einer psychischen Störung komme nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ausschließlich eine Behandlung mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie in Betracht. Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasse dann nur diese Maßnahme, nicht jedoch die Kostenübernahme für einen chirurgischen Eingriff in einen regelgerechten Köperzustand.
Das Gericht hat ein sozialmedizinisches Sachverständigengutachten bei der Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Chirurgie Frau Dr. med. B., das diese nach am 28. Oktober 2019 erfolgter ambulanter Untersuchung der Klägerin am 05. Dezember 2019 erstattet hat, nebst einer ergänzenden Stellungnahme vom 24. Februar 2020 eingeholt. Wegen der Ergebnisse wird auf die jeweiligen Ausführungen der Sachverständigen Bezug genommen.
Zudem hat das Gericht die Beteiligten mit Verfügung vom 27. Februar 2020 und mit Verfügung vom 21. September 2020 zu der beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Prozessakte sowie auf die die Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klagen, über die die Kammer gemäß § 105 Abs 1 S 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) – entgegen der Auffassung der Klägerin – durch Gerichtsbescheid entscheiden konnte, weil die Sache keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist, der Sachverhalt geklärt ist, die Beteiligten gemäß § 105 Abs 1 S 2 SGG zuvor mit gerichtlicher Verfügung vom 27. Februar 2020 und mit gerichtlicher Verfügung vom 21. September 2020 zu dieser beabsichtigten Entscheidungsform ordnungsgemäß angehört worden sind, eine ausdrückliche Zustimmung der Beteiligten hierzu nicht erforderlich ist und weil das Gericht – ebenso wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung – weder zur vorherigen Darstellung seiner Rechtsansicht (vgl Bundessozialgericht, Beschluss vom 03. April 2014 – B 2 U 308/13 B, RdNr 8 mwN) noch zu einem vorherigen umfassenden Rechtsgespräch verpflichtet ist (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 30. Oktober 2014 – B 5 R 8/14 R, RdNr 23), haben keinen Erfolg.
1. Das – auf Aufhebung der mit dem Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2019 verlautbarten ablehnenden Verfügung und auf Verurteilung der Beklagten zur Versorgung der Klägerin mit einer stationär durchgeführten chirurgischen Brust- und Bauchdeckenstraffung gerichtete – Begehren ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft (vgl § 54 Abs 1 S 1 Regelung 1 SGG sowie § 54 Abs 4 SGG) und auch im Übrigen zulässig.
2. Die zulässigen Klagen sind jedoch unbegründet.
a) Die Anfechtungsklage im Sinne des § 54 Abs 1 S 1 Regelung 1 SGG ist unbegründet, weil die angegriffene Verfügung rechtmäßig ist und die Klägerin durch sie nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten beschwert ist (vgl § 54 Abs 2 S 1 SGG).
aa) Rechtsgrundlage für die von der Klägerin beanspruchte Sachleistung ist § 11 Abs 1 Nr 4 SGB V iVm § 27 Abs 1 S 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst ua die Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs 1 S 2 Nr 5 SGB V). Nach § 39 Abs 1 SGB V wird die Krankenhausbehandlung vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär (§ 115a SGB V) sowie ambulant (§ 115b SGB V) erbracht.
bb) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11 Abs 1 Nr 4 SGB V iVm § 27 Abs 1 S 1 SGB V liegen nicht vor. Die Kammer sieht gemäß § 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 136 Abs 3 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und folgt der zutreffenden Begründung auf Seite 2 (dort unter "Begründung" bis zu dem drittletzten Absatz) des – auch – angegriffenen Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 14. Mai 2018, der die Klägerin auch im Klageverfahren nach Auffassung der Kammer nichts Entscheidungserhebliches entgegen gesetzt hat. Insoweit hat die Beklagte zu Recht hervorgehoben, dass ein Anspruch auf die begehrte Versorgung nur dann bestehen kann, wenn eine behandlungsbedürftige Krankheit der Brüste oder der Haut vorliegt, dass eine Krankheit nur vorliegt, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt und dass diese Voraussetzungen nach seinen sozialmedizinischen Feststellungen nicht erfüllt sind.
cc) Dies hat auch die weitere medizinische Sachverhaltsaufklärung durch das Gericht ergeben. So hat insbesondere die gerichtliche Sachverständige Frau Dr. med. B. in ihrem Sachverständigengutachten vom 05. Dezember 2019 sowie in deren ergänzender gutachterlicher Stellungnahme vom 24. Februar 2020 ausführlich dargelegt, an welchen gesundheitlichen Einschränkungen die Klägerin im Einzelnen leidet und inwieweit dies für die Beantwortung der Beweisfragen maßgeblich ist. Die Sachverständige hat die Klägerin in Kenntnis aller erreichbaren Vorbefunde eingehend untersucht und die von ihr erhobenen Befunde sowie die erreichbaren Vorbefunde gründlich und vollständig gewürdigt und für die Kammer schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass bei der Klägerin weder eine behandlungsbedürftige Krankheit der Brüste oder der Haut vorliegt, noch dass der Hautüberschuss entstellend wirkt, weil er ausreichend mit Alltagskleidung kaschiert werden kann. Die Kammer erachtet das Sachverständigengutachten für überzeugend, weil es anerkannten Bewertungsgrundsätzen entspricht und in sich schlüssig und nachvollziehbar begründet ist und im Übrigen auch in den wesentlichen Punkten im Einklang mit den erhobenen Vorbefunden steht.
dd) Soweit in dem Vortrag der Klägerin angeklungen ist, sie leide zunehmend auch an psychischen Problemen, kann ihr auch dies nicht zum Erfolg verhelfen, worauf auch die Beklagte zu Recht hingewiesen hat. Operationen am – krankenversicherungsrechtlich gesehen – gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, sind nicht als "Krankenbehandlung" iSv § 27 Abs 1 S 1 SGB V zu werten, sondern sind vielmehr der Eigenverantwortung der Versicherten zugewiesen (Bundessozialgericht, Urteil vom 28. Februar 2008 – B 1 KR 19/07 R, RdNr 18). Von daher rechtfertigt die von der Klägerin dargestellte psychische Belastung keinen Eingriff am krankenversicherungsrechtlich gesehen gesunden Körper (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 08. März 2016 – B 1 KR 35/15 R, RdNr 16, Urteil vom 11. September 2012 – B 1 KR 3/12 R, RdNr 16 sowie Urteil vom 28. Februar 2008 – B 1 KR 19/07 R, RdNr 16ff). Das psychische Leiden kann nur mit Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie behandelt werden, nicht aber mittelbar mit der von der Klägerin begehrten Brust- und Bauchdeckenstraffungsoperation.
ee) Entgegen der Auffassung der Klägerin wird sie im Übrigen auch nicht etwa dafür "bestraft", dass sie sich bemüht, die Hautüberschüsse zu kaschieren. Denn ein Anspruch auf die begehrte Versorgung bestünde auch dann nicht, wenn sie die Hautüberschüsse nicht kaschierte. Denn insoweit kommt es allein darauf an, ob eine Person in der Situation der Klägerin die Hautüberschüsse mit Alltagskleidung kaschieren könnte. Dies aber ist hier nach der Beurteilung durch die im Sozialverwaltungsverfahren von der Beklagten hinzugezogenen Sachverständigen, denen eine Fotodokumentation über das Erscheinungsbild der Klägerin vorlag, und insbesondere auch nach der aufgrund einer ambulanten Untersuchung der Klägerin getroffenen Beurteilung durch die gerichtliche Sachverständige, an deren Objektivität keinerlei Zweifel bestehen, gerade der Fall, zumal der im Sozialverwaltungsverfahren von der Beklagten hinzugezogene Sachverständige in seinem Sachverständigengutachten vom 23. Oktober 2018 zu dem Einwand der Klägerin, sie sei auch bei hochsommerlichen Temperaturen immer gezwungen, lange und weite Kleidung zu tragen, für die Kammer plausibel hervorgehoben hat, dass gerade bei derartigen Temperaturen lange und weite Kleidung genau die Kleidung ist, die man bei diesen Temperaturen tragen sollte, um – unabhängig vom Kaschieren allfälliger Probleme – nicht oder zumindest weniger zu schwitzen. Im Ergebnis lässt die von der Klägerin begehrte gerichtliche Inaugenscheinnahme angesichts der bereits erfolgten medizinischen Inaugenscheinnahmen keine weiteren Erkenntnisse erwarten, so dass die Kammer sich nicht gedrängt sehen musste, dem klägerischen Ansinnen zu entsprechen.
b) Wenn danach die Anfechtungsklage unbegründet ist, gilt Gleiches auch für die mit ihr kombinierte Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs 4 SGG iVm § 56 SGG. Die Leistungsklage ist unbegründet, weil deren Erfolg aufgrund des der Kombination immanenten Stufenverhältnisses eine zulässige und begründete Anfechtungsklage voraussetzt und weil die Klägerin – wie aufgezeigt – keinen Anspruch auf Versorgung mit einer stationär durchgeführten chirurguischen Brust- und Bauchdeckenstraffung hat.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 193 Abs 1 S 1 SGG. Es entsprach dabei der Billigkeit, dass die Beteiligten insgesamt einander keine Kosten zu erstatten haben, weil die Klägerin mit ihrem Begehren im Klageverfahren vollumfänglich unterlag.
4. Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben (§ 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 183 S 1 SGG).
Rechtsmittelbelehrung:
( …)
A.
Richter am Sozialgericht
Erstellt am: 25.01.2021
Zuletzt verändert am: 23.12.2024