Die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30. Oktober 2001 werden zurückgewiesen. Die Feststellungsklage der Beigeladenen wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines vom Beklagten erlassenen Verpflichtungsbescheides.
Die Beigeladene, die frühere Ausführungsbehörde für Unfallversicherung (UV) des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) und jetzige Landesunfallkasse, wurde gemäß § 655 Abs. 1 der damals geltenden Reichsversicherungsordnung (RVO) i.V.m. § 653 Abs. 1 Nr. 1 RVO mit der Übernahme der Städtischen Krankenanstalten B zum 01.01.1966 in die Rheinisch-Westfälische-Technische Hochschule (RWTH) B und dem Übergang der Textilingenieurschulen L und N zum 01.07.1965 bzw. 1.08.1971 in die Trägerschaft des Landes NRW zuständiger Träger der gesetzlichen UV für die vorgenannten Einrichtungen. Bis zu diesen Zeitpunkten war der Kläger zuständiger UV-Versicherungsträger gewesen. In der Folgezeit stritten der Kläger und die Beigeladene gerichtlich darüber, wer die auf den genannten Einrichtungen ruhenden Unfallaltlasten zu übernehmen hat. Zwar hatte die Beigeladene vor Rechtshängigkeit dem Begehren auf Übernahme dieser Fälle und Erstattung der bis dahin dem Kläger entstandenen Aufwendungen entsprochen. Jedoch hatte dieser in der Annahme, doch zuständig zu sein, die Fälle anschließend wieder zurückgenommen und der Beigeladenen die erstatteten Beträge zurückgezahlt, bevor er schließlich zu der Auffassung gelangt war, dass die Beigeladene nicht berechtigt gewesen sei, die einmal übernommenen Fälle wieder zurückzugeben. Diese Ansicht hatte auch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW, die damalige gemeinsame Aufsichtsbehörde, vertreten. Die gerichtliche Auseinandersetzung hatte am 30.07.1987 begonnen, als der Kläger gegen die Beigeladene Klage beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf – S 16 U 156/87 – mit dem Antrag erhob festzustellen, dass die Beigeladene der zuständige UV-Träger für sämtliche vor der Übernahme durch das Land in den Städtischen Krankenanstalten B und der früheren Textilingenieurschule L aufgetretenen Unfälle sei. Insgesamt handelte es sich um 28 aufgelistete Entschädigungsfälle. Später wurde die Klage durch die Einbeziehung weiterer 15 Entschädigungsfälle – die Polizei betreffend – erweitert. Entsprechend der damaligen Abrede der Beteilgten, sich auf die Durchführung von 14 Präzedenzverfahren zu beschränken (s. Schriftsatz der Beigeladenen vom 13.01.1989), trennte das SG die Präzedenzfälle in der Weise vom bisherigen Streitverfahren ab, dass in ihnen unter neuen Aktenzeichen in getrennten Verfahren weiterverhandelt wurde.
Unter dem 07.12.1990 gab die Beigeladene Teilanerkenntnisse dahingehend ab, dass sie sich verpflichtete, die Erstattungsansprüche des Klägers für die Zeit nach Ablauf des Geschäftsjahres der Abgabe der Entschädigungsfälle an die Beigeladene bis zur Rücknahme der Fälle durch den Kläger gemäß § 112 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) i.V.m. § 668 RVO analog und für die Zeit ab Rücknahme der Entschädigungsfälle im Dezember 1985 gemäß § 105 SGB X zu befriedigen. Wegen Erstattung der Aufwendungen für die Zeit vor Abgabe der Entschädigungsfälle an die Beigeladene wurden die Verfahren hingegen fortge- setzt, wobei die Beigeladene mit Schriftsatz vom 30.01.1992 erklärte, den generellen Übergang der Unfalllast nicht bestreiten zu wollen.
Durch Urteile des SG vom 23.04. und 15.09.1993 wurde die Beigeladene sodann verurteilt, dem Kläger – soweit es sich um die Fallgruppe der Städtischen Krankenanstalten L handelte – die vor dem 01.01.1966 und – soweit die Fallgruppe Textilingenieurschule L betroffen war – die vor dem 01.08.1971 entstandenen Aufwendungen nach § 105 SGB X unter Berücksichtigung der Verjährungsfrist von vier Jahren zu erstatten. Während der Kläger die von ihm beim Landessozialgericht (LSG) NRW eingelegten Berufungen wieder zurücknahm, beantragte die Beigeladene in acht Fällen, die angefochtenen Urteile abzuändern und die Klagen abzuweisen, soweit über die abgegebenen Teilanerkenntnisse hinausgehende Entschädigungsansprüche geltend gemacht wurden. Andererseits bestätigte sie mit Schreiben vom 06.12.1993, dass sie "in den Fällen, in denen ein Teilanerkenntnis abgegeben wurde und ein analoger Sachverhalt vorliegt, die Bearbeitung einschließlich der Entschädigungsleistungen ab 01.03.1994 übernimmt", dem Kläger nach rechtskräftigem Abschluss der Berufungsverfahren ggf. die bisher erbrachten Leistungen erstatten würde.
Bis auf den Rechtsstreit in Sachen "Dr. D", in dem die Beigeladene ein mit der Revision angefochtenes Urteil des Berufungsgerichts erwirkte, wurden alle anderen Verfahren in den Jahren 1994 und 1995 wie folgt abgeschlossen: Soweit Erstattungsansprüche nach § 105 SGB X betroffen waren, erfolgte eine Abwicklung unter Berücksichtigung der vom LSG NRW vertretenen Rechtsauffassung, dass die Anmeldung dieser Erstattungsansprüche jeweils innerhalb der Jahresfrist des § 111 SGB X erfolgt, allerdings die Verjährung nach § 113 SGB X erst durch die Klageerhebung im Jahre 1987 unterbrochen worden war (s. Vergleiche vom 20.04.1994 zu Az. L 17 U 161/93, 162/93 und 163/93; Vergleich vom 14.03.1995 zu Az. L 15 (5) U 126/93; Urteil vom 19.10.1994 – L 17 U 160/93 -). Soweit Rückerstattungsansprüche nach § 112 SGB X Gegenstand der Rechtsstreite waren, wurden diese Ansprüche im Hinblick auf das von der Beigeladenen beim Bundessozialgericht (BSG) angestrengte Revisionsverfahren – L 15 (5) U 127/93 LSG NRW/2 RU 40/94 BSG – zurückgestellt, die Rechtsstreite jedoch für erledigt erklärt (Vergleich vom 21.11.1994 zum Az. L 15 U 101/93 und Vergleich vom 14.02.1995 zum Az. L 15 (5) U 128/93). In dem mit der Revision angefochtenen Urteil i.Sa. "Dr. D" entschied das BSG mit Urteil vom 14.12.1995 – 2 RU 40/94 -, dass der Kläger seine Zuständigkeit als Träger der gesetzlichen UV zwar verloren habe, dass damit jedoch kein Übergang der Altlasten auf den neuen UV-Träger verbunden sei.
Im Hinblick auf dieses Urteil forderte die Beigeladene den Kläger mit Schreiben vom 26.02.1996 und 22.08.1996 auf, ihr die bisher erstatteten Leistungen zurückzuerstatten. Der Kläger lehnte dies ab. Daraufhin erhob die Beigeladene in vier Fällen Klage vor dem SG Düsseldorf (S 6 U 181/96; S 6 U 182/96; S 18 U 144/96 und S 16 U 202/96), während der Beklagte unter dem 20.06.1997 einen Verpflichtungsbescheid gegen den Kläger erließ. Danach sollte dieser in 12 Alt-Entschädigungsfällen betreffend die Städtischen Krankenanstalten B und die Textilingenieurschule L – die Gegenstand des unter dem Az. S 16 U 156/87 beim SG Düsseldorf geführten Verfahrens waren, jedoch nicht zu den damaligen Präzedenzfällen zählten – spätestens ab 01.09.1997 von der Beigeladenen die Leistungsgewährung an die Versicherten übernehmen, ferner der Beigeladenen die für diese Versicherten in der Zeit vom 01.04.1994 bis 31.05.1997 erbrachten Leistungen in einer Höhe von 308.943,90 Deutsche Mark (DM) sowie die für die anschließende Zeit zu erbringenden Leistungen erstatten, außerdem in drei weiteren Entschädigungsfällen betreffend die Städtischen Krankenanstalten B die im Mai 1995 in einer Gesamthöhe von 1.036.336,39 DM erstatteten Leistungen zurückerstatten und die bezifferten Forderungen bis zum 31.07.1997 erfüllen sowie den noch für die Zeit ab dem 01.06.1997 zu beziffernden Forderungen innerhalb eines Monats nach Eingang der Bezifferung beim Kläger nachkommen. Außerdem ordnete der Beklagte die sofortige Vollziehung des Verpflichtungsbescheides an, da diese im öffentlichen Interesse liege. Wegen der Eindeutigkeit der Rechtslage und der Höhe der bereits entstandenen Gesamtforderung könne eine weitere Verzögerung der Erfüllung der Forderung der Beigeladenen nämlich nicht mehr hingenommen werden.
Gegen den Verpflichtungsbescheid hat der Kläger am 11.07.1997 beim SG Düsseldorf Klage erhoben und ferner beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Verpflichtungsbescheid wiederherzustellen. Diesem Antrag gab das SG durch Beschluss vom 29.08.1997 – S 6 U 152/97 – statt. Die dagegen vom Kläger eingelegte Beschwerde wies der erkennende Senat mit Beschluss vom 14.07.1999 – L 17 B 33/97 U – zurück.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er müsse dem o.a. Urteil des BSG vom 14.12.1995 nur insoweit Rechnung tragen, als nunmehr kein Raum mehr sei für noch nicht abgerechnete Rückerstattungsansprüche nach § 112 SGB X. Ebensowenig aber habe die Beigeladene Anspruch auf Rückerstattung von Leistungen nach § 112 SGB X bzw. Erstattung von Leistungen nach § 105 SGB X. Dies folge aus der seinerzeit getroffenen Präzedenzfallabrede, deren genauer Inhalt zwar nicht mehr nachvollziehbar sei, mit der aber grundsätzlich bezweckt worden sei, künftig Fälle gleicher Art nach dem Vorbild der gerichtlichen Entscheidung im Präzedenzfall bzw. seiner Beurteilung zu regeln. Dass die Bildung von Präzedenzfällen durch die Beteiligten diesem Ziel gedient habe, machten die Übernahme der Abwicklungsarbeiten durch die Beigeladene einschließlich der ab dem 01.04.1994 gezahlten Entschädigungen, das Schreiben vom 06.12.1993 sowie die Erstattung von Leistungen in Höhe von 1.571.228,65 DM an ihn – den Kläger – im Oktober 1995 im Anschluss an die Urteile des LSG NRW bzw. die vor ihm geschlossenen Vergleiche deutlich. Bei der hier zu beurteilenden Präzedenzfallabrede handele es sich um eine vertragliche Übereinkunft in Form eines Prozessvertrages bzw. eines koordinationsrechtlichen Vertrages i.S. der §§ 53 ff. SGB X, mit dem beabsichtigt worden sei, auf den Geltungsumfang der gerichtlichen Entscheidungen einzuwirken, wobei erwähnenswert sei, dass selbst nicht eingeklagte Ansprüche vergleichsweise in eine solche vertragliche Übereinkunft mit einbezogen werden könnten. Was die Formerfordernisse einer Präzedenzfallabrede angehe, so könne schon ein bloßer Briefwechsel ausreichen, um die gehörige Form nach § 56 SGB X zu wahren. Außerdem habe sich die Beigeladene auf das Rechtsgeschäft eingelassen bzw. das Geschäft mit Schreiben vom 06.12.1993 ausdrücklich bestätigt und damit auf ein etwaiges Schriftformerfordernis gemäß § 125 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verzichtet. Weder seien zur Nichtigkeit führende Mängel der vertraglichen Absprache ersichtlich noch sei der Vertrag unwirksam oder anfechtbar. Im Übrigen habe der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit, mit dem sich das BSG-Urteil befasst habe, nicht in jedem Falle Vorrang vor dem Grundsatz der Rechtssicherheit, wie schon aus § 113 Abs. 1 SGB X hervorgehe, wonach Erstattungs- und Rückerstattungsansprüche der Verjährung unterlägen. Hervorzuheben sei schließlich, dass es in der damaligen gerichtlichen Auseinandersetzung nicht nur um die Frage der Erstattung und Rückerstattung, sondern auch darum gegangen sei, bei welchem Versicherungsträger die Zuständigkeit liege. Insbesondere die Erklärungen der Beigeladenen vom 07.12.1990, die als Teilanerkenntnisse zu würdigen seien, hätten dazu geführt, dass die Zuständigkeitsfrage sowie die Erstattungspflichten für bestimmte Zeiträume nicht mehr Gegenstand des Rechtsstreits gewesen seien.
Der Beklagte hat vorgebracht, im Verfahren beim LSG sei es nur noch um die Erstattung von Aufwendungen des Klägers für die Zeit vor Abgabe der Entschädigungsfälle an die Beigeladene bzw. um die Frage der Verjährung dieser Erstattungsansprüche gegangen. Kein Streitgegenstand in den sog. Präzedenzfällen sei daher die Zuständigkeit für die Versicherungsfälle gewesen, so dass insoweit auch keine vergleichsweise Einigung oder die Abgabe eines Anerkenntnisses vorgelegen haben könne, aus der sich entgegen der nun vorliegenden Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 05.10.1995 – 2 RU 34/94 – und vom 14.12.1995 – 2 RU 40/94 -) die Leistungspflicht der Beigeladenen herleiten könnte. Im Übrigen sei mit der außergerichtlichen Präzedenzfallabrede eine Beschränkung des ursprünglichen Klageantrages bzw. eine Teilrücknahme oder eine teilweise Erledigungserklärung verbunden gewesen.
Somit stelle die Abrede eine Prozesshandlung dar, der ein Einvernehmen über die Auswahl der Fälle vorausgegangen sei. Die Übertragung von Rechtswirkungen von Prozesshandlungen im Wege der Analogie auf außergerichtliche Abreden sei jedoch unzulässig. Folglich könne die Vereinbarung der Versicherungsträger, die den Vergleichen und Anerkenntnissen zugrundeliegende Rechtsauslegung auch in Fällen mit gleichgelagertem Sachverhalt anzuwenden, selbst dann nicht die gegebenenfalls bindenden Rechtswirkungen dieser Prozesshandlungen entfalten, wenn sie vorliegen sollten. Die getroffene Abmachung sei vielmehr insoweit gegenstandslos, als sie sich in Anbetracht der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (hier BSG-Urteile vom 05.10. und 14.12.1995) rückwirkend materiell als rechtswidrig erweisen sollte. Hinzu komme, dass – wie ausgeführt – nicht die Frage der Zuständigkeit, sondern allein der Umfang der Erstattungsansprüche noch Streitgegenstand gewesen sei, so dass die geschlossenen Vergleiche und die abgegebenen Anerkenntnisse – wenn überhaupt – nur in dieser Hinsicht eine materielle Bindungswirkung entfalten könnten. Nach alledem sei es rechtsmissbräuchlich, wenn der Kläger sich auf die Präzedenzfallabrede berufe. Darüber hinaus seien die UV-Träger bei einer Zuständigkeitsänderung nach § 136 Abs. 1 S. 4 des Siebten Sozialgesetzbuches (SGB VII) gehalten, Einvernehmen über die Überweisung des betroffenen Unternehmens herzustellen. Stelle sich andererseits heraus, dass die im Einvernehmen angenommene Zuständigkeit unzutreffend sei, sei diese wieder zu ändern. Das Beharren des Klägers auf seiner Rechtsposition verstoße in jedem Falle gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns und gegen die in § 86 SGB X normierte Verpflichtung der Leistungsträger zur engen Zusammenarbeit und der damit verbundenen angemessenen Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen. Unabhängig davon habe ein Ausgleich nach § 105 SGB X stattzufinden, wenn Leistungen von einem unzuständigen Versicherungsträger erbracht worden seien, für die es nach materieller Rechtslage keine Rechtsgrundlage gegeben habe.
Die mit Beschluss des SG vom 28.03.2000 gemäß § 75 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beigeladene Landesunfallkasse NRW hat darauf hingewiesen, dass sich die Verwaltung nicht an rechtswidrigen Präzedenzfall-Entscheidungen festhalten lassen müsse. Der Bindungswille bei einer Präzedenzfallregelung sei allein auf den rechtmäßigen materiellen Inhalt der Musterentscheidung gerichtet und erstrecke sich nicht auf deren weitergehende Bindungswirkung. Zudem seien nur Entscheidungen von dazu berufenen Entscheidungsträgern geeignet, der Zweckbestimmung eines Präzedenzfalles gerecht zu werden. Anerkenntnisse, Vergleiche und sonstige das Verfahren beendende Prozesshandlungen der Parteien seien hingegen weder einer formellen noch einer materiellen Rechtskraft fähig. Abgesehen davon habe es gar keine Abrede darüber gegeben, wie die "Analogfälle" zu behandeln wären, wenn die Präzedenzfallverfahren ohne rechtskräftige gerichtliche Entscheidung enden würden. Ein darauf gerichteter öffentlich-rechtlicher Vertrag sei also gar nicht geschlossen worden. Im Übrigen komme als einzige geeignete Präzedenzfallentscheidung das BSG-Urteil vom 14.12.1995 in Betracht. Da diese Entscheidung eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung beinhalte, sei der Kläger trotz der Unternehmensübergänge in die Zuständigkeit der Beigeladenen für die Analogfälle (Unfalllast) zuständig geblieben. Infolgedessen seien die übrigen Verfahren, die sich vom BSG-Fall nur in Art und Umfang der erhobenen Erstattungsansprüche unterschieden, als Musterverfahren gegenstandslos geworden. Zumindest aber müsste eine rückwirkende Anpassung des vom Kläger behaupteten Vertrages (sofern ein solcher zustande gekommen sein sollte) an die geänderten Verhältnisse bzw. an die aktuelle Rechtsprechung des BSG erfolgen.
Mit Urteil vom 30.10.2001 hat das SG den Verpflichtungsbescheid des Beklagten vom 20.06.1997 aufgehoben. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Voraussetzungen für ein Tätigwerden des Beklagten im Wege der erlassenen Verpflichtungsanordnung nicht gegeben gewesen seien. In eine – zum Teil schon gerichtlich ausgetragene – Auseinandersetzung zweier gleichrangiger UV-Träger dürfe sich die Aufsichtsbehörde nur dann in der hier gewählten Art und Weise einschalten, wenn der von ihr gerügte eindeutige Rechtsverstoß tatsächlich vorläge. Dies sei hier nicht der Fall. Der Umfang der gewechselten Schriftsätze und die darin vertretenen unterschiedlichen Rechtsstandpunkte machten jedenfalls hinreichend deutlich, dass die Rechtslage keineswegs so klar sei wie vom Beklagten behauptet und dass die der Rechtsauffassung des Beklagten und der Beigeladenen entgegenstehende Argumentation des Klägers nicht von vornherein unzutreffend oder gar abwegig sei. Für den vom Kläger beanstandeten Verpflichtungsbescheid gebe es somit keine ausreichende Rechtsgrundlage.
Das Urteil ist dem Beklagten am 11.01.2002, der Beigeladenen am 10.01.2002 zugestellt worden. Diese Beteiligten haben gegen das Urteil am 17.01.2002 (Beklagter) und am 21.01.2002 (Beigeladene) Berufung eingelegt. Der Beklagte macht geltend, das Urteil des SG verstoße in der materiell-rechtlichen Beurteilung gegen geltendes Recht und lasse im Ergebnis die eigentlich entscheidungserheblichen Rechtsfragen unbeantwortet. Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen und macht ergänzende und vertiefende Ausführungen zu der aus seiner Sicht sich darstellenden materiellen Rechtslage. Das Aufsichtsrecht der Aufsichtsbehörden – so trägt der Beklagte des weiteren vor – erstrecke sich darauf, dass das Recht beachtet, d.h., dass es von den Versicherungsträgern richtig angewendet werde. Die Grenze des aus der Fassung des § 87 Abs. 1 SGB IV sich ergebenden "Rechtsanwendungsspielraums" der Sozialversicherungsträger, d.h. die Frage, ob hier die vom Kläger vertretene Rechtsauffassung und die auf ihr beruhende Entscheidung unrichtig, also rechtlich unvertretbar und durch die bestehende Rechtsordnung nicht mehr gedeckt ist, sei vom SG bei seiner Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen aufsichtsrechtlichen Anordnung nicht festgestellt worden. Nur auf der Grundlage einer solchen Feststellung wäre aber eine Entscheidung in der Sache und damit eine Beurteilung des von ihm – dem Beklagten – ausgeübten Ermessens möglich gewesen.
Die Beigeladene ist der Ansicht, dem Beklagten als im vorliegenden Fall zuständiger Fach- und Rechtsaufsicht müsse die Möglichkeit zugestanden werden, bei Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen gleichrangigen Sozialversicherungsträgern durch Verpflichtungsbescheid eine abschließende Entscheidung herbeizuführen. Eine solche aufsichtsrechtliche Maßnahme erscheine geboten, weil andernfalls eine Lücke in der Entscheidungskompetenz der Fach- und Rechtsaufsicht entstünde, die nur durch die unmittelbare Herbeiführung sozialgerichtlicher Entscheidungen zu schließen wäre. Auch dann, wenn die Entscheidung des SG hinsichtlich des Verpflichtungsbescheides rechtlich Bestand haben sollte, sei aus ihrer – der Beigeladenen – Sicht die Einlegung der Berufung geboten, weil das SG über den eigentlichen Inhalt des Verpflichtungsbescheides nicht entschieden habe. Im Ergebnis sei die Frage, ob zu ihren Gunsten Rückerstattungsansprüche gemäß §§ 105 und 112 SGB X bestehen, unbeantwortet geblieben. Insoweit begehre sie für den Fall, dass die Klage gegen den Verpflichtungsbescheid nicht zurückgewiesen werde, eine Klärung der Frage, ob ihr die im Verpflichtungsbescheid geltend gemachten Rückerstattungsansprüche zustehen und der Kläger in den dort benannten Fällen zuständiger Versicherungsträger ist. Diese Feststellungen seien geboten, weil der Kläger unter Behauptung des Bestehens einer speziell ausgestalteten Präzedenzfallabrede zwischen ihm und ihr – der Beigeladenen – die Erfüllung der geltend gemachten Ansprüche unter Hinweis auf seine angebliche Unzuständigkeit ablehne. Zur Frage der Existenz einer "Präzedenzfallabrede" wiederholt die Beigeladene im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und ist im Ergebnis weiterhin der Auffassung, eine solche Abrede in der vom Kläger beschriebenen Form gebe es nicht.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.10.2001 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.10.2001 zu ändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise festzustellen, dass ihr die im Verpflichtungsbescheid beschriebenen Erstattungsansprüche gemäß §§ 105 und 112 SGB X gegen den Rheinischen Gemeindeunfallversicherungsverband als dem in den benannten Fällen zuständigen Unfallversicherungsträger zustehen.
Der Kläger beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen und die Feststellungsklage der Beigeladenen abzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend, bezieht sich auf sein bisheriges Vorbringen und ist der Ansicht, das SG sei im Rahmen der Prüfung, ob eindeutige Fehler oder offenkundige Rechtsverstöße von seiner – des Klägers – Seite aus vorgelegen hätten bzw. begangen worden seien, nicht gehalten gewesen, über jede von den Beteiligten diskutierte und problematisierte streitige Rechtsansicht zu entscheiden, da der Beklagte nur im Falle einer Eindeutigkeit und Offensichtlichkeit ermächtigt gewesen sei, im Wege eines Aufsichtsmittels einzuschreiten. Im Übrigen könnten ihm – dem Kläger – auch keinerlei Rechtsverstöße angelastet werden. Für die Feststellungsklage der Beigeladenen gebe es keine Grundlage.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und den der beigezogenen Verwaltungsakten der Beteiligten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässigen Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen sind unbegründet. Die Feststellungsklage der Beigeladenen ist unzulässig.
Zu Recht hat das SG der Anfechtungsklage des Klägers, bei der es sich um eine Aufsichtsklage nach § 54 Abs 3 SGG handelt, stattgegeben und den vom Beklagten erlassenen Verpflichtungsbescheid vom 20.06.1997 aufgehoben, denn dieser ist rechtswidrig und verletzt den Kläger daher in seinem Selbstverwaltungsrecht (§ 29 Abs. 1 SGB IV). Der Beklagte hat mit den darin getroffenen Anordnungen sein Aufsichtsrecht überschritten.
Nach § 87 Abs. 1 S. 2 SGB IV erstreckt sich die Aufsicht auf die Beachtung von Gesetz und sonstigem Recht, das für den Versicherungsträger (VT) maßgebend ist. Wird durch das Handeln oder Unterlassen eines VT das Recht verletzt, soll die Aufsichtsbehörde zunächst beratend darauf hinwirken, dass der VT die Rechtsverletzung behebt (§ 89 Abs. 1 S. 2 SGB IV). Kommt der VT dem innerhalb einer angemessenen Frist nicht nach, kann ihn die Aufsichtsbehörde verpflichten, die Rechtsverletzung zu beheben. Der Erlass einer Aufsichtsanordnung ist danach ein an den VT gerichteter Verwaltungsakt, der im (pflichtgemäßen) Ermessen der Aufsichtsbehörde ("kann") steht und neben einer Rechtsverletzung des VT voraussetzt, dass dessen vorangegangene Beratung nicht zur Behebung der Rechtsverletzung geführt hat.
Dem angefochtenen Verpflichtungsbescheid ist zwar eine ordnungsgemäße Beratung vorausgegangen, die im Rahmen eines am 10.12.1996 zwischen allen Beteiligten stattgefundenen Erörterungsgesprächs sowie durch ein Schreiben des Beklagten an den Vorstandsvorsitzenden des Klägers vom 10.04.1997 erfolgt ist. Es fehlt aber an einer die Anordnung rechtfertigenden Rechtsverletzung. Eine solche liegt vor, wenn der VT durch sein Handeln oder Unterlassen gegen zwingende Vorschriften von Gesetzen, Rechtsverordnungen, autonomen Recht, allgemeinen Verwaltungsvorschriften oder gegen Gewohnheitsrecht verstößt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich um Leistungs- oder Beitragsrecht, Finanzierungs- oder Organisationsrecht oder um Ordnungs- oder Verfahrensrecht handelt. Unerheblich ist auch, ob die Vorschrift dem öffentlichen oder privaten Recht zuzuordnen ist und ob sie das Verhältnis von Verwaltung und Bürger oder das mehrerer Verwaltungsträger oder mehrerer Organe innerhalb eines Verwaltungsträgers betrifft. Es muss sich lediglich um eine Rechtsvorschrift handeln, die für den VT "maßgebend" ist (§ 87 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Demgemäß gilt § 89 Abs. 1 SGB IV auch insoweit, als Rechtsverletzungen das Verhältnis von Organen des VT zueinander berühen (Hauck/Noftz/Graeff, Kommentar zum SGB IV, Stand: IV/99, § 89 Rdnr. 3; vgl. auch Peters, Kommentar zum SGB IV, Stand: 09/1993, § 89 Rdnr. 8; Wannagat/Stober/Schuler, Kommentar zum SGB IV, Stand: 08/1997, § 87 Rdnr. 21 und § 89 Rdnr. 6). Der Beklagte hat den angefochtenen Bescheid damit begründet, dass das BSG mit seinen Urteilen vom 05.10.1995 – 2 RU 34/94 – und vom 14.12.1995 – 2 RU 40/94 – entschieden habe, dass trotz der unfallversicherungsrechtlichen Funktionsnachfolge des Landes NRW (hier: AfU) hiermit nicht auch ein Übergang vom zum Zeitpunkt des Zuständigkeitswechsels bereits bestehenden Unfalllasten verbunden gewesen und somit die Zuständigkeit des Klägers für die Leistungserbringung in den genannten Fällen entgegen der von diesem im Rahmen der Anhörung vorgetragenen Rechtsauffassung fortlaufend bestehen geblieben sei, was zur Folge habe, dass die Leistungsgewährung unverzüglich wieder vom Kläger zu übernehmen sei, die mit Schreiben vom 06.02.1996 angemeldeten Erstattungsansprüchen nach § 105 SGB X für die von der Ausführungsbehörde erbrachten Leistungen zu erfüllen sowie die von dieser im Mai 1995 zu Unrecht "geleisteten Erstattungsansprüche" gemäß § 112 SGB X zurückzuerstatten seien. Ob diese Begründung dem Erfordernis entspricht im Verpflichtungsbescheid die (angenommene) Rechtsverletzung zu bezeichnen (vgl. dazu Peters a.a.O. § 89 Rdnr. 19; Maier in Kass. Komm., SGB IV, Stand: 05/1997, § 89 Rdnr. 5) und ob der Bescheid schon wegen ggf. fehlender Bezeichnung der Rechtsverletzung als rechtswidrig anzusehen wäre, kann letztlich dahingestellt bleiben. Der Begründung des Bescheides ist zu entnehmen, dass der Beklagte die dem Kläger zur Last gelegte Rechtsverletzung darin gesehen hat, dass der Kläger trotz der genannten BSG-Urteile dem Begehren der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen nicht entsprochen hat. Lässt man dies als "Bezeichnung" genügen, so liegt jedenfalls die vom Beklagten angenommene Rechtsverletzung nicht vor. Dies gilt auch dann, wenn man mit der im Schrifttum vertretenen Auffassung (vgl. Marschner/Pohl in ihrer Anmerkung zum Urteil des LSG NRW vom 29.11.2001 – L 2 KN 106/98 U = SGb 2003 S. 420 ff., 422) davon ausgeht, dass zum aufsichtsrechtlichen Einschreiten kein offenkundiger, eindeutiger Rechtsverstoß vorliegen muss. Die Anwendung der Aufsichtsmittel des § 89 SGB VII setzt jedenfalls aber voraus, dass die Rechtsverletzung positiv feststeht (vgl. Wannagat/Stober/Schuler a.a.O., § 89 Rdnr. 3). Das ist hier nicht der Fall. Denn die vom Kläger praktizierte Rechtsanwendung und Rechtsauslegung ist zumindest vertretbar. Eine vertretbare Interpretation von Gesetz und Recht kann aber nicht als Rechtsverletzung i.S.d. § 89 Abs. 1 SGB IV angesehen werden (vgl. Marschner/Pohl a.a.O., S. 422). Ist die Aufsichtsbehörde gleichwohl anderer Ansicht, berechtigt sie dies nicht zu Aufsichtsmaßnahmen (Wannagat/Stober/Schuler a.a.O.). Das BSG hat in seinem Urteil vom 12.11.2003 – B 8 Kn 1/02 U R -, dass zu dem Urteil des LSG NRW vom 29.11.2001 – L 2 Kn 106/08 U – ergangen ist und ebenfalls einen aufsichtsrechtlichen Verpflichtungsbescheid betraf, ausgeführt, bei der Rechtsanwendung habe jeder Inhaber eines öffentlichen Amtes die Rechtslage mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen und sich danach aufgrund vernünftiger Überlegungen eine Meinung zu bilden. Nicht jeder objektive Rechtsirrtum begründe dann einen Schuldvorwurf. Wenn die nach sorgfältiger Prüfung gewonnene Rechtsansicht des Amtsträgers als rechtlich vertretbar angesehen werden könne und er daran bis zur gerichtlichen Klärung der Rechtslage festhalte, könne aus der Missbilligung seiner Rechtsauffassung durch die Gerichte ein Schuldvorwurf nicht hergeleitet werden. Diese Ausführungen des BSG betrifft zwar die Prüfung der Frage einer Amtspflichtsverletzung i.S.d. § 839 BGB. Die darin aufgezeigten Kriterien und Rechtsgedanken sind aber gleichermaßen übertragbar auf die Prüfung der Frage einer Rechtsverletzung i.S.d. § 89 SGB IV, zumal sie der vorstehend dargelegten, im Schrifttum vertretenen Auffassung entspreche. Hiervon ausgehend ist aber festzustellen, dass der Kläger seine Rechtsansicht nach sorgfältiger Prüfung gewonnen hat. Er hat sich auch schon im "Anhörungsverfahren" auf die zwischen ihm und der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen (AfU) getroffene "Präzedenzfall"- abrede berufen, die seiner Auffassung nach für alle gleich gelagerten Fälle gelten sollte, und dies im Einzelnen in seinem Schreiben an den Beklagten vom 15.01.1997, auf dessen Inhalt der Senat Bezug nimmt, nochmals dargelegt. Der Kläger hat seine Auffassung stützen können auf eine von ihm eingeholte ergänzende Stellungnahme des Rechtsanwalts und Fachanwalts für Sozialrecht Prof. Dr. Q in G/M. vom 03.01.1997. Darin hat dieser u.a. ausgeführt, es sei gerade Sinn der Präzedenzfallabrede im Jahre 1989 gewesen, die Fälle, die zunächst Gegenstand der Klage vor dem SG Düsseldorf gewesen, dann aber aus Gründen der Arbeitserleichterung nicht zum Gegenstand der Verhandlungs- und Entscheidungsgründe vor dem SG geworden seien, analog zu behandeln. Es liege also zwischen den beiden Streitparteien – der AfU und dem GUV – ein Vertrag bestehend aus Präzedenzfallabrede und Schreiben [der AfU] vom 06.12.1993 einschließlich Erfüllung im Jahre 1995) vor, der die Erstattungsverfahren endgültig habe abschließen sollen. Dieser Vertrag habe auf eine einvernehmliche Been digung der Auseinandersetzungen gezielt. Er enthalte nicht "nur" ein Anerkenntnis, sondern einen Vergleichsvertrag, mit dessen Hilfe die Parteien die sich aus den unterschiedlichen Rechtsstandpunkten ergebende Ungewissheit hätten beseitigen wollen. Beide Parteien seien sich 1987, 1989 und 1993 darüber bewusst gewesen, dass die Frage der Erstattungspflicht bzw. der Zuständigkeit nach den gesetzlichen Be stimmungen zweifelhaft sei. Um diese Zweifel auszuräumen, hätten die Parteien die Präzedenzfallabrede und die Vereinbarung vom Dezember 1993 geschlossen. Als Vergleichsvertrag sei diese Vereinbarung unbeschadet des Urteils des BSG vom 14.12.1995 weiterhin wirksam. Der Vergleichsvertrag sei weder nichtig noch anfechtbar, sondern er bleibe bestandskräftig, unabhängig davon, ob die Vorschriften über die Zuständigkeit entsprechend der Entscheidung des BSG vom 14.12.1995 anders zu verstehen seien, als es die Vertragsparteien damals getan hätten. Bei dieser Sachlage ist die Rechtsansicht des Klägers zumindest als gut vertretbar anzusehen. Es ist deshalb auch nicht zu beanstanden und – entgegen der Ansicht des Beklagten – schon gar nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er an ihr weiterhin festgehalten hat. Ob die vom Kläger vertretene Rechtsauffassung, die dem Senat als schlüssig und einleuchtend erscheint, tatsächlich der materiellen Rechtslage entspricht, war hier nicht zu entscheiden. Deshalb war auch weder das SG noch der Senat in dem hier vorliegenden Aufsichtsrechtsstreit gehalten, auf die von den Beteiligten umfangreich vorgetragenen und kontrovers diskutierten Rechtsstandpunkte zur materiellen Rechtslage einzugehen und zu prüfen, ob die von der Beigeladenen bzw. deren Rechtsvorgängerin geltend gemachten Ansprüche, zu deren Durchsetzung die Verpflichtungsanordnung ergangen ist, zu Recht bestehen. Denn vorliegend geht es allein um die Rechtmäßigkeit des Verpflichtungsbescheides und in diesem Rahmen vordringlich um die Frage, ob dem Kläger eine Rechtsverletzung anzulasten ist. Wie bereits das SG im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat, machen der Umfang der gewechselten Schriftsätze und die darin vertretenen unterschiedlichen Rechtsstandpunkte hinreichend deutlich, dass die Rechtslage keineswegs so klar ist, wie dies vom Beklagten behauptet wird. Von einer eindeutigen Rechtslage – wie es im Verpflichtungsbescheid heißt – kann auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG aus dem Jahre 1995 angesichts der Komplexität und Kompliziertheit der Materie keine Rede sei. Vielmehr erscheint jeder der von den Beteiligten unterschiedlich vertretenen Rechtsstandpunkte als vertretbar. Da mithin – wie oben bereits dargelegt – auch die nach sorgfältiger Prüfung gewonnene, u. a. auf die erwähnte Stellungnahme des renomierten Sozialrechtlers Prof. Dr. Q gestützte Rechtsansicht des Klägers zumindest vertretbar ist, lässt sich ein von diesem begangener Rechtsverstoß nicht feststellen.
Fehlt es hiernach bereits an der für eine aufsichtsrechtliche Verpflichtungsanordnung erforderlichen Grundvoraussetzungen einer Rechtsverletzung, so erübrigt sich eine ins Detail gehende Prüfung der Frage, ob der Beklagte bei Erlass des Verpflichtungsbescheides sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. Gleichwohl weist der Senat auf Folgendes hin: So weit es im angefochtenen Bescheid heißt, im Rahmen der Ermessensausübung sei geprüft worden, ob ggf. eine tolerierbare Rechtsverletzung vorliege, aufgrund der nunmehr vorliegenden BSG-Rechtssprechung und somit eindeutigen Rechtslage habe dies allerdings verneint werden müssen, ist die Rechtslage nur verkürzt, nämlich auf die BSG- Urteile aus dem Jahre 1995 reduziert beschrieben worden. Welche Ermessenserwägungen der Beklagte im Einzelnen angestellt und ob er im Hinblick auf die BSG-Rechtssprechung möglicherweise eine Ermessensreduzierung auf "Null" angenommen hat, geht aus dem Bescheid nicht hervor. Bereits deshalb könnte es an einer ausreichenden Begründung der Ermessensentscheidung fehlen, was die Rechtswidrigkeit des Bescheides zur Folge hätte. Denn die Aufsichtsbehörde hat ihr Entschließungsermessen, d. h. ihr Ermessen, ob sie einschreiten will, pflichtgemäß unter Abwägung aller im Einzelfall in Betracht kommenden Interessen auszuüben. Auch dabei – wie bei der Beratung – gilt das Opportunitätsprinzip. In ihrer Entscheidung hat die Aufsichtsbehörde nicht nur die Gründe darzulegen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt, sondern auch die Ermessenserwägung, die für den Erlass der Aufsichtsanordnung maßgebend waren (vgl. Peters a.a.O., § 89 Rdnr. 17 mit Hinweise auf BSG SozR 3 – 2400 § 89 Nr. 1; Hauck/Noftz/Graeff a.a.O., § 89 Rdnr. 5 b; Wannagat/Stober/Schuler a.a.O., § 89 Rdnr. 13). Und in dieser Hinsicht erscheint die Begründung des Bescheides als wenig tragfähig. So fehlen etwa Erwägungen auch zu der – in Rechtsprechung und Literatur allerdings umstrittenen – Frage, ob ein Verpflichtungsbescheid der Aufsichtsbehörde auch dann ergehen kann, wenn wegen desselben Sachverhalts zwischen dem VT und einem Dritten, bei dem es sich auch um einen weiteren VT handeln kann, ein Rechtsstreit gerichtlich anhängig ist, wie dies hier jedenfalls zum Teil bereits der Fall war (vgl. zu dieser Problematik BSGE 25, 224, 226 und BSGE SozR 2200 § 30 RVO – a. F. – Nr. 3; Hauck/Noftz/Graeff a.a.O., § 89 Rdnr. 5 a; Wannagat/Stober/Schuler a.a.O., § 89 Rdnr. 14) und ob ein Einschreiten der Behörde bei einer außergerichtlich begonnenen Auseinandersetzung zwischen zwei gleichrangigen VTen auch dann opportun ist, wenn der bestimmte Forderungen geltend machende VT jederzeit gerichtlich gegen den anderen VT vorgehen kann. Schließlich ist auch nicht erkennbar, welche Gründe den Beklagten bewogen haben, in der hier gewählten Art und Weise gegen den Kläger einzuschreiten, obwohl das Aufsichtsrecht in erster Linie dem Schutz von Versicherten gegen von VTen begangener Rechtsverletzungen dienen soll (vgl. dazu z.B. Wannagat/Stober/Schuler a.a.O., § 89 Rdnr. 1, wonach erst dann, wenn die koordinierte Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsbehörde und VT im Interesse des Versicherten nicht zu dem gewünschten Ergebnis führt, der Weg zu einer Verpflichtung des VT zur Behebung der Rechtsverletzung eröffnet ist; s. a. Hauck/Noftz/Graeff a.a.O., § 89 Rdnr. 5, wonach die Aufsichtsbehörde in der Regel gegen solche Rechtsverletzungen der VTer einschreiten muss, die sich zum Nachteil der Bürger auswirken). Nach allem spricht vieles dafür, dass der Beklagte auch sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt, jedenfalls aber die von ihm angestellten Erwägungen in der Begründung des Bescheides nicht bzw. nicht hinreichend dargelegt hat. Letztlich konnte diese Frage aber hier dahingestellt bleiben, weil bereits eine vom Kläger begangene Rechtsverletzung nicht festgestellt werden kann.
Erweist sich hiernach der angefochtene Verpflichtungsbescheid als rechtswidrig, so konnten die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen keinen Erfolg haben.
Die von der Beigeladenen hilfsweise erhobene Feststellungsklage ist unzulässig. Mit ihrem Begehren festzustellen, dass ihr die im Verpflichtungsbescheid beschriebenen Erstattungsansprüche gemäß §§ 105 und 112 SGB X gegen den Kläger zustehen, versucht sie, im vorliegenden Verfahren, in dem Streitgegenstand allein die Frage der Rechtmäßigkeit des vom Beklagten erlassenen Verpflichtungsbescheides, mithin einer Aufsichtsmaßnahme, ist, einen "Nebenkriegsschauplatz" zu eröffnen, auf dem nunmehr die – bisher versäumte – gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Kläger über die materielle Rechtslage hinsichtlich der erhobenen Erstattung- und Rückerstattungsansprüche nachgeholt werden soll. Dieser Versuch musste scheitern, denn Ansprüche nach den §§ 105, 112 SGB X waren und sind nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits und können von der Beigeladenen auch nicht über eine "Hintertür" zum Gegenstand gemacht werden. Die Feststellungsklage der Beigeladenen war mithin als unzulässig abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Zur Revisionszulassung bestand kein Anlass, denn die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 u. 2 SGG sind nicht erfüllt.
Erstellt am: 23.07.2004
Zuletzt verändert am: 23.07.2004