Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 23.08.2011 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Klägers in der Zeit vom 01.05.1990 bis 31.12.1996.
Der 1960 geborene Kläger absolvierte nach Abschluss der Realschulausbildung eine Lehre als KFZ-Mechaniker. Nach anschließender Ableistung des Wehrdienstes war er in einer Lackiererei beschäftigt. Ab 1985 war er bei der Beigeladenen zu 3) zunächst als Fahrer tätig. Deren Rechtsvorgängerin, die ursprüngliche Einzelfirma L, war 1971 von I L gegründet worden; seit 1982 wurde die Firma in der Form einer GmbH betrieben. Gesellschafter war seinerzeit I L. Gegenstand des Unternehmens war Kanalreinigung, Containerdienst und Grubenentleerung. In seiner Funktion als Fahrer hat der Kläger zunächst Kanalreinigungsfahrzeuge gefahren und Container transportiert; teilweise hat er auch Reparaturen an den Fahrzeugen durchgeführt. Er erhielt ein übliches Fahrergehalt. 1986 heiratete der Kläger die Tochter H des I L, die nach Abschluss der kaufmännischen Lehre bereits seit 1980 als Industriekauffrau ebenfalls in dem Betrieb der Beigeladenen zu 3) tätig war. I L war bis zu seinem Tod am 18.04.1990 aktiv in der Firma tätig, hat aber nach Angaben des Klägers bereits ca. ein Jahr zuvor damit begonnen, diesen mit weitergehenden Aufgaben wie z.B. Gesprächen mit Kommunen und Auftraggebern zu betrauen. Nach dem Tod von I L führten dessen Ehefrau und die Ehefrau des Klägers den Betrieb der Beigeladenen zu 3), "wie im Vertrag und in der Erbfolge vorgesehen", mit 50 zu 50 Gesellschaftsanteilen fort.
Der Kläger wurde mit Wirkung zum 01.05.1990 von der Beigeladenen zu 3) als Geschäftsführer angestellt. Sein monatliches Festgehalt betrug 6.000,00 DM. Zusätzlich wurde eine vom Gesellschaftsgewinn abhängige Tantieme vereinbart. Das Arbeitsentgelt des Klägers wurde regelmäßig auf ein privates Girokonto überwiesen. Von dem Arbeitsentgelt wurden Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben entrichtet. Dies wurde als Betriebsausgabe gebucht.
Unter dem 09.05.2006 begehrte der Kläger die Feststellung seines sozialversicherungspflichtigen Status u.a. unter Hinweis darauf, ab 01.05.1990 nicht wie ein fremder Arbeitnehmer einem Direktionsrecht der Gesellschaft zu unterliegen und seine Tätigkeit in der Gesellschaft frei bestimmen und gestalten zu können. Mit Bescheid vom 22.03.2007 stellte die Beklagte, bei der der Kläger in der Zeit vom 01.03.1986 bis 31.12.1996 als sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer gemeldet gewesen war, fest, dass der Kläger in dem Zeitraum vom 01.05.1990 bis zum 31.12.1996 als Arbeitnehmer der Beigeladenen zu 3) der Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung unterlegen war.
Mit seinem Widerspruch trug der Kläger vor, bei der Beigeladenen zu 3) habe es sich um einen Kanalreinigungsbetrieb mit Containerdienst und Grubenentleerung gehandelt, der durch wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel sowie erhebliche Änderungen der Rechtslage in seiner bisherigen Form nicht mehr hätte weiterbestehen können. Mit dem Versterben von I L hätten dessen Witwe und seine, des Klägers Ehefrau, die Beigeladene zu 3), jeweils zur Hälfte geerbt. Beide seien jedoch fachlich und persönlich zu keiner Zeit in der Lage gewesen, die Beigeladene zu 3) fortzuführen. Er sei deshalb, wie auch pro Forma seine Ehefrau, zum alleinvertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch befreiten Geschäftsführer bestellt worden. Zwischen allen Beteiligten sei unstreitig gewesen, dass die tatsächliche Führung der Beigeladenen zu 3) allein bei ihm liege. Seine Schwiegermutter und seine Ehefrau bedienten lediglich das Telefon, erledigten Post, hefteten Unterlagen ab und widmeten sich einfacher Büro- und Buchhaltungstätigkeit. Er treffe hingegen jegliche Entscheidungen über Ausrichtung, Politik, Führung und Zukunft des Unternehmens. Dies geschehe ohne Weisung, ohne Rahmenvorgaben und auch ohne Berichterstattung gegenüber den beiden Gesellschafterinnen. Er allein habe die Fachkenntnisse und verfüge auch über die für den Fortbestand zwingend notwendigen Gütezeichen und -siegel sowie Zertifikate, ohne die der Betrieb nicht mehr als Entsorgungsfachbetrieb tätig sein dürfte. Ohne ihn dürften z.B. keine rechtsgültigen Hausanschlussuntersuchungen und Kanalanschlussprüfungen durchgeführt werden. Er führe alleinverantwortlich alle Verhandlungen, treffe alle Personalentscheidungen, erschließe neue Geschäftsfelder u.v.a … Er sei im Gegensatz zu den beiden von ihm wirtschaftlich abhängigen Gesellschafterinnen Kopf und Seele der Beigeladenen zu 3). Er habe keinerlei Freizeit und arbeite mit ca. 85 Wochenstunden mehr als ein abhängig Beschäftigter.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.08.2007 zurück. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) stehe ein Geschäftsführer einer GmbH, der selbst an dieser Gesellschaft nicht beteiligt sei und der eine von der Ertragslage der GmbH unabhängige monatlich gleichbleibende Vergütung sowie bezahlten Urlaub erhalte, grundsätzlich in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis. Der Geschäftsführer, der nicht Mitgesellschafter der GmbH sei, trage kein Unternehmensrisiko. Er habe, wie andere Arbeitnehmer auch, ausschließlich seine Arbeitskraft für die Gesellschaft zu verwenden, ohne an deren Gewinn oder Verlust beteiligt zu sein. Das Fehlen eines eigenen wirtschaftlichen Risikos und die Zahlung laufender Bezüge sprächen für eine persönliche Abhängigkeit, die wesentliches Merkmal eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses sei. Nur ausnahmsweise, und zwar bei Familiengesellschaften, könnte bei Geschäftsführern, die am Stammkapital der GmbH nicht beteiligt seien, ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis verneint werden. Das BSG gehe ausnahmsweise dann von einer selbständigen Tätigkeit aus, wenn der Geschäftsführer einer Familiengesellschaft keinerlei Weisungen unterlegen sei, es völlig an einer Direktion durch die Gesellschafter mangele und der Geschäftsführer die Geschäfte der Gesellschaft faktisch wie ein Alleininhaber führe. Vorliegend weise der Geschäftsführervertrag jedoch aus, dass der Kläger weisungsgebunden gegenüber den Gesellschafterinnen gewesen sei. Der Kläger habe nämlich die Gesellschafterbeschlüsse zu befolgen und damit letztendlich auf diese Beschlüsse keinerlei Einfluss gehabt. Darüber hinaus habe er auch kein Unternehmensrisiko getragen. Er habe ein festes monatliches Gehalt erhalten, das nicht von der unmittelbaren Ertragslage der GmbH abhängig gewesen sei. Er sei auch nicht wie ein Alleininhaber einer GmbH tätig gewesen; die GmbH sei auch von der Ehefrau des Klägers vertreten worden.
Mit seiner Klage vom 27.08.2007 hat der Kläger u.a. vorgetragen, die Beklagte berücksichtige nicht die tatsächlich gelebten Verhältnisse. Mit dem Versterben seines Schwiegervaters, der Gründungsgesellschafter und Geschäftsführer gewesen sei, seien die beiden Erbinnen und Gesellschafterinnen fachlich und persönlich nicht in der Lage gewesen, die Beigeladene zu 3) fortzuführen. Allein er habe über das nötige Wissen verfügt und dementsprechend die wirtschaftlich von ihm abhängigen Gesellschafterinnen dominiert. Im Übrigen hätten die AOK Westfalen-Lippe als nunmehr aktuelle Einzugsstelle wie auch die Beigeladene zu 2) die Auffassung vertreten, dass er ab 01.05.1990 dem Personenkreis der Selbständigen zuzuordnen sei. Darüber hinaus habe er u.a. ab 2001 erhebliche Einlagen in die aus seiner Ehefrau und seiner Schwiegermutter bestehende Erbengemeinschaft L GbR, der die Maschinen und Fahrzeuge gehörten, mit denen die Beigeladene zu 3) arbeite, geleistet. Auch seien die ihm und seiner Ehefrau zustehenden Tantiemen in diese GbR investiert worden. Ihm gehörten mithin anteilig die Produktionsmittel respektive Maschinen und Fahrzeuge, die die Beigeladene zu 3) zur Ausübung der Geschäftstätigkeit benötige.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 22.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.08.2007 aufzuheben und festzustellen, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Firma I L GmbH seit dem 01.05.1990 bis zum 31.12.1996 nicht der Gesamtsozialversicherungspflicht unterliegt.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat darauf hingewiesen, dass die im Schreiben der Beigeladenen zu 2) vom 20.08.2007 geäußerte Auffassung, der Kläger sei ab 01.05.1990 dem Personenkreis der Selbständigen zuzuordnen, sie nicht binde.
Die Beigeladenen zu 1) und 2) haben keinen Antrag gestellt.
Das Sozialgericht (SG) Münster hat den Kläger gehört und seine Ehefrau H W als Zeugin vernommen. Mit Urteil vom 23.08.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zwar sprächen u.a. die Kenntnisse, Qualifikationen und Erlaubnisse des Klägers für eine Selbständigkeit. Weit gewichtigere Umstände sprächen jedoch dagegen; der Kläger sei nämlich nur Mitgeschäftsführer, aber weder Inhaber, Gesellschafter noch Träger eines unternehmerischen Risikos gewesen. Er habe auch nach dem Eindruck bei seiner Vernehmung und dem seiner Ehefrau trotz seiner innovativen Ideen nicht etwa seine Ehefrau oder Schwiegermutter beherrscht. Auch die Zahlung einer zusätzlichen ertragsabhängigen Gewinnbeteiligung habe ihn nicht zum Selbständigen oder Träger des Unternehmensrisikos gemacht.
Gegen das am 19.09.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.10.2011 Berufung eingelegt und zu deren Begründung u.a. vorgetragen, einer rückwirkenden Statusentscheidung stünden ebenso wie einer über vier Jahre hinausgehenden Rückabwicklung des Versicherungsverhältnisses keine rechtlichen Hindernisse entgegen. Im Übrigen sei die Subsumtion des SG unzutreffend bzw. ungenügend. Nach der Rechtsprechung seien mitarbeitende Angehörige, denen die formale Rechtsmacht-Position fehle, sozialversicherungsfrei. Er sei auch nicht wie eine fremde Arbeitskraft in den Betrieb eingegliedert gewesen; es habe sich nicht um einen fremden, sondern um den eigenen Betrieb gehandelt. Der Betrieb bestehe aus Betriebsmitteln, die einer Besitz-GbR gehörten, an der er wiederum beteiligt sei und in die seine jährlichen Gewinnbeteiligungen aus der L GmbH eingeflossen seien. Er ersetze auch keine fremde Arbeitskraft, sondern den Inhaber. Er unterliege keinen Weisungen, da er als Geschäftsführer das Tagesgeschehen in eigener Verantwortung und Organstellung bestimme. Die Beschlussbefugnisse der Gesellschafterinnen seien faktisch eingeschränkt, weil seine fachliche und tatsächliche Dominanz überwiege. Die Gesellschafterinnen hätten keine überwachende Position. Auf die steuerrechtliche Beurteilung seiner Stellung könne nicht zurückgegriffen werden, da Geschäftsführer einer GmbH regelmäßig lohnsteuerpflichtig seien. Im Übrigen spreche sein geringes Gehalt ebenfalls für eine selbstständige Tätigkeit, da Einkommen und Engagement zueinander ins Verhältnis gesetzt darauf hinwiesen, dass er keiner entgeltlichen Tätigkeit im eigentlichen Sinne nachgehe. Er lebe in der Betriebsstätte und stehe 24 Stunden am Tag zur Verfügung.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 23.08.2011 abzuändern und unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 22.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.08.2007 festzustellen, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit bei der I L GmbH in der Zeit vom 01.05.1990 bis zum 31.12.1996 nicht der Gesamtsozialversicherungspflicht unterlag, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückweisen.
Sie verteidigt ihre Entscheidung. Der Kläger habe regelmäßig ein angemessenes Entgelt für seine Beschäftigung erhalten. Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sei vereinbart worden. Ohne die Mitarbeit des Klägers hätte eine andere Arbeitskraft eingestellt werden müssen. Es sei Lohnsteuer abgeführt worden. Das ausgezahlte Entgelt sei entsprechend als Lohn/Gehalt verbucht worden. Auch wenn von einem Weisungsrecht in abgeschwächter Form auszugehen sei, ergebe sich daraus nur, dass der Kläger Dienste höherer Art geleistet habe, wie dies bei Geschäftsführern üblich sei. Schließlich sei der Kläger trotz der größeren Freiheiten, die er besessen habe, letztlich an die Weisungen der Gesellschafterinnen gebunden gewesen. Der Kläger habe auch kein eigenes unternehmerisches Risiko, das maßgebliches Indiz gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sei, getragen.
Die Beigeladene zu 2) sieht keine Rechtfertigung dafür, rückwirkend in das bewusst als abhängig und sozialversicherungspflichtig gestaltete Versicherungsverhältnis einzugreifen und dieses rückabzuwickeln. Im Übrigen sei die Beurteilung der Beklagten und des SG zutreffend. Es sei von einer abhängigen Tätigkeit auszugehen; sie habe ihre Rechtsauffassung aufgrund Änderungen in der Rechtsprechung geändert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Beigeladenen zu 2) – Vers.-Nr. 000 – Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Das SG hat die Klage des Klägers zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 22.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.08.2007 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Einen Ansatzpunkt für die vom SG und der Beigeladenen zu 2) geäußerten Bedenken gegen eine rückwirkende sozialversicherungsrechtliche Neubeurteilung sieht der Senat nicht (s. auch z.B. BSG, Urteil vom 24.06.2008 – B 12 KR 24/07 R -). Entgegen den Angaben des SG und der Beigeladenen zu 2) wird in sämtlichen von ihnen angeführten Entscheidungen die kombinierte Anfechtungs-/ Feststellungsklage nach §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1, 56 SGG für zulässig erachtet und werden auch keine Bedenken gegenüber einer rückwirkenden Statusfeststellung erhoben (SG Reutlingen, Urteil vom 26.10.2006 – S 3 KR 69/06 -; Bayerisches Landessozialgericht (LSG), Urteile vom 11.12.2008 – L 4 KR 97/08 und L 4 KR 55/07 -, vom 23.04.2009 – L 4 KR 80/08 -). Auch das von der Beigeladenen zu 2) als Beleg vorgetragene Zitat aus dem Urteil des Hessischen LSG vom 27.10.2011 – L 8 KR 175/09 – wendet sich nicht gegen die bereits im ersten Satz der Gründe dieser Entscheidung festgestellte Zulässigkeit einer Feststellungsklage, sondern stellt im Rahmen der gebotenen Abwägung bei der Prüfung des versicherungsrechtlichen Status nach Auffassung des Hessischen LSG nur ein (letztes) Argument dafür dar, dass für eine Änderung der bisherigen Beurteilung keine gewichtige Gründe sprechen.
Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass der Kläger in dem Zeitraum vom 01.05.1990 bis zum 31.12.1996 als Arbeitnehmer der Beigeladenen zu 3) versicherungspflichtig in der Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung war.
Die Beklagte war für diese Entscheidung zuständig. Nach § 28h Abs. 2 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV – eingefügt mit Wirkung vom 01.01.1989 durch das Gesetz zur Einordnung der Vorschriften über die Meldepflichten des Arbeitgebers in der Kranken- und Rentenversicherung sowie im Arbeitsförderungsrecht und über den Einzug des Gesamtsozialversicherungsbeitrags in das Vierte Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – vom 20.12.1988 (BGBl I 2330)) entscheidet die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- (ab 01.01.1995) und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (bis 31.12.1997: Beitragspflicht nach dem Arbeitsförderungsgesetz) und erlässt den Widerspruchsbescheid. An sie ist der Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen, sie überwacht die Einreichung des Beitragsnachweises und macht die Beitragsansprüche geltend (§ 28h Abs. 1 SGB IV). § 28i SGB IV bestimmt die für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zuständige Einzugsstelle. Dies ist nach Satz 1 der Vorschrift grundsätzlich die Krankenkasse, von der die Krankenversicherung durchgeführt wird. Das war in der vorliegend streitigen Zeit die Beklagte, deren Zuständigkeit durch einen späteren Kassenwechsel nicht rückwirkend entfällt (BSG, Urteil vom 24.06.2008 – B 12 KR 24/07 R -).
Die Beklagte hat auch zu Recht festgestellt, dass der Kläger in der Zeit vom 01.05.1990 bis 31.12.1996 der Sozialversicherungspflicht unterlag.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB V -, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB XI -, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VI -, § 25 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III -). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Beschäftigung ist danach die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV).
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Voraussetzungen überwiegen. Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung.
Das Gesamtbild bestimmt sich grundsätzlich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteile vom 08.08.1990 – 11 RAr 77/89 – und vom 08.12.1994 – 11 RAr 49/94 -). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 08.08.1990 – 11 RAr 77/89 – und vom 10.08.2000 – B 12 KR 21/98 R -). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Rechtsbeziehung so wie sie rechtlich zulässig ist. Bei juristischen Personen gilt, dass deren Organe nicht in einem rechtsfreien bzw. der Beliebigkeit der Beteiligten unterstehenden Raum agieren. Vielmehr sind die rechtlichen Rahmenbedingungen, wie sie insbesondere durch das Zivilrecht ausgestaltet sind, zu beachten. Angesichts dieser rechtlichen Rahmenbedingungen kann allein aus der faktischen Nichtwahrnehmung gesellschaftsrechtlicher Befugnisse nicht auf deren stillschweigende Abbedingung geschlossen werden (BSG, Urteile vom 29.08.2012 – B 12 KR 14/10 R und B 12 KR 25/10 -).
Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen unterlag der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 3) der Sozialversicherungspflicht.
Der Kläger war im streitigen Zeitraum nicht in seinem eigenen, sondern in einem fremden Betrieb tätig. Die alleinige Betriebs- bzw. Unternehmensinhaberin war die Beigeladene zu 3), die juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss (BSG, Urteil vom 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R -).
Nach der vertraglichen Gestaltung des mit der Beigeladenen zu 3) bestehenden Rechtsverhältnisses erbrachte der Kläger seine Dienste für die Beigeladenen zu 3) in der Zeit vom 01.05.1990 bis 31.12.1996 im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung. Der Geschäftsführervertrag vom 30.04.1990 hatte sowohl nach der im Text aufgeführten Bezeichnung als "Anstellungsvertrag" als auch nach seinem Inhalt – regelmäßiges monatliches Gehalt, Urlaubsanspruch, Anspruch auf Weihnachts- und Urlaubsgeld, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Befolgung von Gesellschafterbeschlüssen – ein Arbeitsverhältnis zum Gegenstand. Gleiches ergibt sich im Übrigen auch aus der im Geschäftsführervertrag festgelegten Bindung der Urlaubszeit "in Abstimmung mit den übrigen Geschäftsführern unter Wahrung der Belange der GmbH" (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R -). Weitere Bindungen ergeben sich zudem aus dem Gesellschaftsvertrag der Beigeladenen zu 3) vom 20.12.1982, der in § 5 ausdrücklich 13 Fälle aufführt, in denen die Geschäftsführer der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfen (z.B. Anschaffungen im Wert von über 20.000,00 DM, Aufnahme von Krediten; Abschluss von Miet- oder Pachtverträgen im Monatswert von mehr als 1.000,00 DM). Für eine unterwertige Bezahlung des das KFZ-Handwerk erlernt habenden Klägers besteht bei einem monatlichen Gehalt von 6.000,00 DM in den vorliegend relevanten Jahren 1990 bis 1995 im Übrigen nicht einmal ein Anhaltspunkt.
Dieser vertraglichen Gestaltung entsprechend erbrachte der Kläger seine Dienste für die Beigeladene zu 3) in der Zeit vom 01.05.1990 bis 31.12.1996 im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung. Eine Selbständigkeit des Klägers ergibt sich demgegenüber nicht daraus, dass er nach seinem Vorbringen allein die für eine Führung der Beigeladenen zu 3) erforderlichen Kenntnisse besaß, dass er weitgehend die Geschicke der Gesellschaft bestimmt hat und dass die Gesellschafterinnen ihm gegenüber von dem ihnen zustehenden Weisungsrecht keinen Gebrauch gemacht haben. All dies kann ebenso gut im Rahmen der Funktion eines leitenden Angestellten, der als Geschäftsführer Dienste höhere Art erbringt, der Fall sein. Entscheidend ist vielmehr, dass der Kläger weder rechtlich noch tatsächlich die Möglichkeit hatte, wie ein beherrschender oder zumindest mit einer Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter-Geschäftsführer ihm nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden (BSG, Urteil vom 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R -) und dass er kein Unternehmerrisiko getragen hat.
Der Kläger war nicht Gesellschafter der Beigeladenen zu 3) und hatte damit keine rechtliche Möglichkeit, auf deren Geschicke Einfluss zu nehmen. Er war – wie in seinem Anstellungsvertrag auch ausdrücklich formuliert – verpflichtet, die Gesellschafterbeschlüsse zu befolgen. Einem Unternehmerrisiko unterlag der Kläger schon deshalb nicht, weil er am Stammkapital der Beigeladenen zu 3) nicht beteiligt war. Unerheblich ist, dass sich der Kläger mit seinen Tantiemen bzw. mit Einlagen an der Erbengemeinschaft L GbR beteiligt und diese dann der Beigeladenen zu 3) Maschinen und Fahrzeuge zur Verfügung gestellt hat. Unabhängig davon, dass der Kläger keine seiner Zahlungen bzw. Einlagen für den vorliegend relevanten Zeitraum auch nur benennen konnte, führt dies weder zu einer Änderung seiner rechtlichen Stellung als abhängig Beschäftigter der Beigeladenen zu 3) noch begründet dies ein Unternehmerrisiko des Klägers aufgrund seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 3). Im Übrigen ist die Zahlung einer Tantieme an einen Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich und schon damit als Bewertungsfaktor bei der Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit von nur geringem Gewicht (BSG, Urteil vom 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R -).
Eine Selbstständigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 3) kann auch nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung zur Versicherungspflicht von in Familiengesellschaften verrichteten Tätigkeiten gestützt werden. Zwar ist es nicht schlechterdings von der Hand zu weisen, dass der Kläger aufgrund familiärer Rücksichtnahmen die Möglichkeit gehabt haben könnte, auf "informellem Wege" (so LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.05.2013 – L 5 KR 597/11 -) unliebsame Weisungen abzuwenden. Darüber hinaus unterliegt es auch keinen durchgreifenden Zweifeln, dass der Kläger weitestgehend selbstständig arbeiten und hierbei auch verantwortungsvolle unternehmerische Entscheidungen hat treffen können, zumal dies gerade dem Anforderungsprofil von Geschäftsführern und leitenden Angestellten entspricht. Familiäre Rücksichtnahme kann allerdings nur so lange angenommen werden, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Demgegenüber wäre jedoch z.B. im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten allein die den einzelnen Gesellschafts-Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht ausschlaggebend, so dass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde. Eine solche – vom BSG so bezeichnete – "Schönwetter-Selbstständigkeit" ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht zu vereinbaren (BSG, Urteil vom 29.08.2012 – B 12 KR 14/10 R -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.05.2013 a.a.O.).
Obwohl es bereits aus den dargestellten Rechtsgründen nicht weiter darauf ankommt, ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass die Aussage der Ehefrau des Klägers, der Mitgeschäftsführerin und Mitgesellschafterin der Beigeladenen zu 3), eine Weisungsabhängigkeit des Klägers selbst für den Fall einer familiären Einvernehmlichkeit belegt, in dem die Zeugin u.a. angibt:
"Diese Grundentscheidung Fernsehwagen anzuschaffen haben meine Mutter, Jürgen und ich zusammen getroffen."
"Kaufverträge für Anschaffungen hat meist mein Mann unterschrieben. Die waren dann allerdings bei bedeutsamen Angelegenheiten von uns dreien vorher abgesprochen gewesen. Bisher kam es nicht zu streitigen Entscheidungen Wenn es zu Streitigkeiten über Anschaffungen käme, würde sich wohl mein Mann durchsetzen müssen."
"Größere Bankgeschäfte machen wir jeweils zu dritt. Jedenfalls mit Absprache miteinander."
"Mein Mann sagt zum Beispiel, wir müssen einen zweiten Fernsehwagen haben, wir reden dann beim Mittagessen darüber. Dann wird er angeschafft, bzw. dann wird er angeschafft oder es wird besprochen wie wir es regeln."
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 23.10.2013
Zuletzt verändert am: 23.10.2013