Der Beklagte wird unter Aufhebung seiner mit Ziffer 4 seines Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2017 verlautbarten sozialverwaltungsbehördlichen Entscheidung verpflichtet, die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der ihm entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig sind die Erstattung der Kosten eines Widerspruchsverfahrens sowie die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwaltes im Rahmen der Rechtsbeziehungen der Beteiligten im Zusammenhang mit der Leistungsgewährung nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Der Kläger steht seit geraumer Zeit im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II durch den Beklagten.
Nachdem der Beklagte gegenüber dem Kläger ua eine Erstattungsverfügung wegen überzahlter Leistungen in Höhe eines Betrages von 63,46 Euro für den Monat Juli 2014 verlautbart hatte (Bescheid vom 16. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2016; rechtshängiges Klageverfahren bei dem erkennenden Gericht unter dem gerichtlichen Aktenzeichen S 26 AS 430/16, das aufgrund des Beschlusses der Kammer vom 01. März 2019 auf den übereinstimmenden Antrag der Beteiligten derzeit ruht), forderte der Beklagte den Kläger mit einem als "Mahnung" titulierten Schreiben vom 07. November 2016 zur Zahlung eines Erstattungsbetrages in Höhe von 63,46 Euro auf und machte in diesem Schreiben zusätzlich Mahngebühren in Höhe eines Betrages von 5,00 Euro geltend. Das Schreiben enthält darüber hinaus folgenden Hinweis: "Die Geltendmachung der Forderung und der Mahngebühren beruht auf der Annahme, dass von Ihnen weder Widerspruch noch Klage gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Jobcenters eingelegt wurden. Sollten Sie entgegen meiner Annahme gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid Widerspruch oder Klage eingereicht haben, so bitte ich um formlose Mitteilung unter der oben angegebenen Anschrift, Telefonnummer oder E-Mailadresse." Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt das Schreiben nicht.
Hiergegen legte der Kläger durch seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 11. November 2016 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, hinsichtlich der geltend gemachten Erstattungsforderung seien Klagen bei dem Sozialgericht Neuruppin erhoben worden, die unter dem dortigen Aktenzeichen S 26 AS 430/16 geführt würden. Widerspruch und Klage gegen Aufhebungs- und Erstattungsverfügungen hätten aufschiebende Wirkung, so dass vor rechtskräftigem Abschluss des Klageverfahrens eine Rückforderung gegen den Kläger ausgeschlossen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2017 hob der Beklagte "den Bescheid über die Festsetzung einer Mahngebühr vom 07. November 2016" auf (Ziffer 1), wies den Widerspruch im Übrigen zurück (Ziffer 2) und entschied zugleich, dass die Kosten des Vorverfahrens Kläger und Beklagter jeweils zur Hälfte trügen (Ziffer 3) sowie schließlich, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren nicht notwendig gewesen sei. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die Erhebung der Mahngebühr sei angesichts der erhobenen Klage rechtswidrig. Soweit sich der Widerspruch gegen das Mahnschreiben als solches richte, sei dieser mangels Verwaltungsaktes unzulässig. Schließlich sei die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nicht notwendig gewesen (Verweis auf § 63 Abs 3 S 2 SGB X), weil die nach der Rechtsprechung erforderliche Waffengleichheit zwischen einer Fachbehörde und dem Kläger hergestellt gewesen sei. Der Kläger sei bereits im Widerspruchsverfahren gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid anwaltlich vertreten gewesen. Es habe dem Bevollmächtigten spätestens bei Vorlage des Mahnschreibens im Rahmen des Auftragsverhältnisses oblegen, über die Bedeutung des Supsensiveffektes einer Klage aufzuklären, was zu seinen Nebenpflichten gehöre. Aus der Mahnung sei ersichtlich gewesen, dass diese auf der Annahme beruhe, gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Jobcenters seien Widerspruch und Klage nicht eingelegt worden; dieser Hinweis genüge den Anforderungen des Bundessozialgerichts (Verweis auf Urteil vom 02. November 2012 – B 4 AS 97/11 R, RdNr 22), die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zu verneinen. Zudem habe auch wegen der fehlenden Rechtsbehelfsbelehrung keine Verfristung gedroht (Verweis auf § 66 Abs 2 SGG).
Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 15. Februar 2017 – bei dem Sozialgericht Neuruppin am gleichen Tage eingegangen – bei dem erkennenden Gericht Klage erhoben. Er meint, die Kostenentscheidung des Beklagten im Widerspruchsbescheid sei rechtswidrig, der Beklagte habe die dem Kläger entstandenen notwendigen Kosten in voller Höhe zu erstatten und zu erklären, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig gewesen sei. Der Beklagte habe von dem Kläger mit seiner Mahnung trotz der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage rechtswidrig Leistungen zurück verlangt und zusätzlich eine Mahngebühr erhoben. Weil dem Beklagten bewusst geworden sei, dass seine Mahnung rechtswidrig gewesen sei, habe er dem Widerspruch in der Hauptsache mit seinem Widerspruchsbescheid stattgegeben. Daher sei der Widerspruch erfolgreich gewesen, für eine Quotelung sei kein Raum. Im Übrigen sei die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren zur Herstellung von Waffengleichheit notwendig gewesen, was "allgemein in der SGB II-Rechtsprechung anerkannt" sei (Verweis auf Urteil der Kammer vom 10. August 2018 – S 26 AS 1211/16), zumal es dem Kläger aufgrund seiner individuellen Fähigkeiten nicht zumutbar gewesen sei, das Verfahren allein zu betreiben.
Der Kläger beantragt (nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß),
die mit dem Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 24. Januar 2017 verlautbarte Kostenentscheidung abzuändern, den Beklagten zu verpflichten, die Kosten des Widerspruchsverfahrens in voller Höhe zu erstatten und die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt und vertieft er seine Ausführungen in dem angegriffenen Widerspruchsbescheid. Er ergänzt, der Anspruch auf Kostenerstattung bestehe nicht, soweit sich der Widerspruch des Klägers gegen die Mahnung als solche gerichtet habe. Entgegen der Auffassung des Klägers habe der Kläger nicht seine "Mahnung" aufgehoben, sondern seine Entscheidung über die Festsetzung der Mahngebühr, weshalb der Widerspruch mangels Statthaftigkeit auch im Übrigen und mit der entsprechenden Kostenquotierung zurückgewiesen worden sei. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf die begehrte Erklärung, dass die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig gewesen sei. Die Herstellung der Waffengleichheit sei dann nicht erforderlich und deshalb die Hinzuziehung in diesen Fällen nicht notwendig, wenn ein einfach aufzuklärendes, offensichtliches Missverständnis vorliege, das etwa mit einem einfachen Telefonanruf beseitigt werden könne. Hier sei es offensichtlich durch eine "Übermittlungspanne" im Geschäftsgang des Beklagten nicht zu einer "Mahnsperre" gekommen, weshalb versehentlich eine Mahnung versandt worden sei. Von besonderer Bedeutung sei der entsprechende Hinweis in dem Mahnschreiben vom 16. März 2016 (richtig: 07. November 2016), der dazu führe, dass die Hinzuziehung nicht notwendig gewesen sei (Verweis auf Bundessozialgericht, Urteil vom 02. November 2012 – B 4 AS 97/11 R, RdNr 22). Auch sei die Vorbefassung des Bevollmächtigten in dem zugrunde liegenden Klageverfahren betreffend die Aufhebungs- und Erstattungsverfügung zu beachten; er habe um die aufschiebende Wirkung dieser Rechtsbehelfe gewusst und es sei seine Aufgabe als Organ der Rechtspflege gewesen, den Kläger entsprechend zu informieren und zu beraten. Schließlich sei die Hinzuziehung angesichts der geringen Höhe der Mahngebühren einerseits und den vorgesehenen Rahmengebühren nicht verhältnismäßig. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts (Verweis auf Entscheidungen verschiedener Kammern) sei die Hinzuziehung jedenfalls dann nicht notwendig, wenn ein Hinweis auf die möglicherweise bestehende aufschiebende Wirkung in dem Mahnschreiben gegeben worden sei oder wenn der Bevollmächtigte bereits vorbefasst gewesen sei. Hier lägen sogar beide Konstellationen kumulativ vor.
Das Gericht hat die Beteiligten mit Verfügung vom 25. Februar 2020 zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Prozessakte dieses Verfahrens und die Prozessakte des Verfahrens mit dem gerichtlichen Aktenzeichen S 26 AS 430/16 sowie auf die den Kläger betreffende Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klagen, über die die Kammer gemäß § 105 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden konnte, weil die Sache keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist, der Sachverhalt geklärt ist, die Beteiligten zuvor mit Verfügung vom 25. Februar 2020 zu dieser beabsichtigten Entscheidungsform ordnungsgemäß angehört worden sind, eine ausdrückliche Zustimmung der Beteiligten hierzu nicht erforderlich ist und weil das Gericht – ebenso wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung – weder zur Darstellung seiner Rechtsansicht (vgl Bundessozialgericht, Beschluss vom 03. April 2014 – B 2 U 308/13 B, RdNr 8 mwN) noch zu einem umfassenden Rechtsgespräch verpflichtet ist (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 30. Oktober 2014 – B 5 R 8/14 R, RdNr 23), haben im tenorierten Umfang Erfolg, im Übrigen bleiben sie erfolglos.
1. a) Gegenstand des Klageverfahrens ist zum einen die Entscheidung über die Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2017 für das Vorverfahren gegen die "Mahnung" und die Festsetzung der Mahngebühren mit Schreiben vom 07. November 2016. Der Kläger verfolgt sein Begehren zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Regelung 2 SGG, § 54 Abs 1 S 1 Regelung 3 SGG und § 56 SGG).
b) Zum anderen ist Gegenstand des Klageverfahrens auch die mit Ziffer 4 des angegriffenen Widerspruchsbescheides verlautbarte ablehnende Entscheidung des Beklagten über die Notwendigkeit der Hinzuziehung der Bevollmächtigten in dem genannten Vorverfahren. Auch dieses Begehren verfolgt der Kläger zu Recht mit einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Regelung 1 SGG und § 54 Abs 1 S 1 Regelung 3 SGG und § 56 SGG).
2. Die so verstandenen Klagen unmittelbar gegen die Entscheidung des Beklagten im Widerspruchsbescheid über die Kosten des Widerspruchsverfahrens dem Grunde nach und über die Frage der Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren sind zulässig. Insbesondere fehlt es auch nicht an der Durchführung eines ordnungsgemäßen – gesonderten – Vorverfahrens nach § 78 Abs 1 SGG; eines solchen bedurfte es nämlich nicht. Zwar ist die Kostenentscheidung und die Entscheidung über die Hinzuziehung einer Bevollmächtigten im Vorverfahren, die regelmäßig und auch hier ein Teil des Widerspruchsbescheids ist, eine erstmalige Entscheidung, gegen die aber – als isolierte sozialverwaltungsbehördliche Entscheidungen, die mit dem Widerspruchsbescheid verlautbart werden – sogleich der Klageweg beschritten werden kann, wenn sie über die angefochtene Entscheidung hinaus eine weitere Beschwer enthält. Gegenstand des Klageverfahrens sind dann allein diese isolierten sozialverwaltungsbehördlichen Entscheidungen, die mit dem Widerspruchsbescheid verlautbart werden (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Juni 2013 – B 14 AS 68/12 R, RdNr 12 mwN).
3. Die danach insgesamt zulässigen Klagen sind im tenorierten Umfang begründet, im Übrigen aber unbegründet.
a) aa) Soweit der Kläger begehrt, dass der Beklagte ausspricht, dass er ihm die ihm entstandenen notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsverfahren dem Grunde nach in voller Höhe erstattet, erweist sich die auf Abänderung der Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid gerichtete Anfechtungsklage als unbegründet. Denn die angegriffene Verfügung ist rechtmäßig und der Kläger wird durch sie nicht in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten beschwert (vgl § 54 Abs 2 S 1 SGG). Der Beklagte hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger ein höherer Kostenerstattungsanspruch nach Maßgabe des § 40 Abs 1 S 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) iVm § 63 Abs 1 S 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) – jeweils in der Fassung, die die genannten Vorschriften vor dem Zeitpunkt der sozialverwaltungsbehördlichen Entscheidung hatten, weil in Rechtsstreitigkeiten der vorliegenden Art das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden ist (sog Geltungszeitraumprinzip, vgl dazu nur Bundessozialgericht, Urteil vom 11. Juli 2019 – B 14 AS 44/18 R, RdNr 12 mwN) – nicht zusteht.
Die Kammer sieht in entsprechender Anwendung von § 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 136 Abs 3 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und folgt der zutreffenden Begründung auf Seite 2 (dort unter: "1." und dort unter "b)" bis vor "2.") des Schriftsatzes des Beklagten vom 09. Mai 2017, der der Kläger nach Auffassung der Kammer auch im Klageverfahren nichts Entscheidungserhebliches entgegen gesetzt hat. Insoweit hat der Beklagte insbesondere zu Recht darauf abgestellt, dass allein maßgeblich ist, in welchem Umfang der Widerspruchsführer obsiegt hat (§ 63 Abs 1 S 1 SGB X: "Soweit der Widerspruch erfolgreich ist, …"). Weil hier der gegen die Mahnung als solche gerichtete Widerspruch mangels Verwaltungsakteigenschaft der Mahnung (vgl § 31 S 1 SGB X) unstatthaft und damit unzulässig war (vgl § 78 Abs 1 S 1 SGG und § 78 Abs 3 SGG), hat der Beklagte dem Kläger mit Blick auf das weitere – erfolgreiche – Begehren hinsichtlich der Erhebung von Mahngebühren zu Recht lediglich einen anteiligen Kostenerstattungsanspruch zugestanden, wobei nach Auffassung der Kammer auch gegen die von dem Beklagten ermittelte Kostenquote nichts zu erinnern ist.
bb) Die mit der Anfechtungsklage kombinierte Verpflichtungsklage ist unbegründet, weil in Verfahren der vorliegenden Art (zulässige und) begründete Verpflichtungsklagen wegen des der Kombination immanenten Stufenverhältnisses ihrerseits zulässige und begründete Anfechtungsklagen voraussetzen.
b) aa) Die Anfechtungsklage gegen die ablehnende Entscheidung des Beklagten im Widerspruchsbescheid, die Hinzuziehung der Bevollmächtigten im Vorverfahren sei nicht notwendig gewesen, ist indes begründet. Denn diese Entscheidung ist rechtswidrig und der Kläger ist durch sie in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten beschwert (vgl § 54 Abs 2 S 1 SGG).
aaa) Nach § 63 Abs 2 SGB X sind die Gebühren und Auslagen ua eines Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Für die Beurteilung der Notwendigkeit ist auf die Sicht eines verständigen Beteiligten im Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen. Ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts notwendig ist, kann nicht allein anhand des im Widerspruchsverfahren geltend gemachten Betrages beurteilt werden. Insoweit kann sinngemäß zur weiteren Ausfüllung des Merkmals auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, die das Bundesverfassungsgericht zum Merkmal der Erforderlichkeit von Prozesskostenhilfe entwickelt hat. Entscheidender Maßstab ist hiernach nicht das Verhältnis von Streitwert und Kostenrisiko, sondern die Wahrung des Grundsatzes der Waffengleichheit. Da dem Widerspruchsführer rechtskundige und prozesserfahrene Vertreter einer Behörde gegenüberstehen, kann die Notwendigkeit einer Zuziehung nur ausnahmsweise verneint werden. Denn es ist davon auszugehen, dass die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Wahrnehmung der eigenen Interessen regelmäßig erfolgt, wenn im Kenntnisstand und Fähigkeiten der Prozessparteien ein deutliches Ungleichgewicht besteht (Bundessozialgericht, Urteil vom 02. November 2012 – B 4 AS 97/11 R, RdNr 19f mwN, insbesondere unter Hinweis auf Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 24. März 2011 – 1 BvR 2493/10 und Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 24. März 2011 – 1 BvR 1737/10).
bbb) Nach der auch von dem Beklagten zur Stützung seiner Ansicht zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 02. November 2012 – B 4 AS 97/11 R, RdNr 22) der sich die Kammer nach eigener Prüfung anschließt, weil sie sie für überzeugend hält, könne ein Ausnahmefall in Fällen der vorliegenden Art zB erwogen werden, wenn es um die Klärung tatsächlicher Fragen gehe oder aus dem angegriffenen Bescheid ersichtlich sei, dass die Entscheidung auf einem Missverständnis beruhe, das vom Widersprechenden leicht aufzuklären sei. Dies könne dann angenommen werden, wenn der Betroffene der Mahnung insbesondere entnehmen könne, dass die Geltendmachung der Forderung einschließlich der Mahngebühren auf der Vorstellung beruht habe, dass kein Widerspruch gegen die Aufhebungs- und Erstattungsverfügung eingelegt worden sei (Bundessozialgericht, Urteil vom 02. November 2012 – B 4 AS 97/11 R, RdNr 22).
ccc) Diese Rechtsprechung kann das klägerische Begehren indes nicht zu Fall bringen. Auch wenn in der an den Kläger gerichteten Mahnung der oben näher bezeichnete Hinweis – beinahe wortlautgetreu – enthalten ist, vermag die Kammer vorliegend einen solchen Ausnahmefall nicht zu erkennen. Nach Auffassung der Kammer macht der Beklagte die vom Bundessozialgericht beispielhaft erwähnte Situation durch den von ihm gerichtsbekanntlich jeder Mahnung beigefügten Hinweis zum Regelfall und überträgt damit die eigene Prüfverantwortung dafür, ob das Bestehen einer aufschiebenden Wirkung zu beachten ist, auf die Betroffenen und lässt sich dies auch noch durch die Erhebung von Mahngebühren bezahlen (vgl hierzu auch bereits das Urteil der Kammer vom 10. August 2018 – S 26 AS 1211/16, RdNr 27, mit dem sich der Beklagte nicht auseinandergesetzt hat).
ddd) Im Ergebnis kann dies aber auch offen bleiben. Denn selbst wenn von einem Ausnahmefall im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auszugehen wäre – woran die Kammer aus den dargelegten Erwägungen heraus erhebliche Zweifel hegt –, war die Herstellung der Waffengleichheit jedenfalls deshalb notwendig, weil der Beklagte die Möglichkeit, sich gegen die Erhebung von Mahngebühren zur Wehr zu setzen, verschleiert hat. Er hat durch die Bezeichnung seines Schreibens als "Mahnung", die auch in diesem Sinne erfolgte Gestaltung des Schreibens und insbesondere durch die unterbliebene Rechtsbehelfsbelehrung für einen juristischen Laien den Eindruck erweckt, dass jedenfalls gegen die Erhebung von Mahngebühren ein Rechtsbehelf nicht möglich sei. Hierdurch hat er nach Auffassung der Kammer Tatsachen geschaffen, die – vergleichbar zum Prozesskostenhilferecht – auch und gerade einen Bemittelten hätten veranlassen dürfen, sich professioneller Unterstützung zu bedienen, weshalb sich der Kläger auch zu Recht an seinen Bevollmächtigten gewandt hat. Dass dem Bevollmächtigten bereits aus dem Klageverfahren, in dem um die Rechtmäßigkeit der von dem Beklagten geltend gemachten Hauptforderung, das Bestehen der aufschiebenden Wirkung bekannt war, kann der Rechtsverteidigung ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Gerade weil hinsichtlich der Hauptforderung bereits eine Bevollmächtigung bestanden hat, war der Kläger gehalten, sich mit der "zugehörigen" Mahnung auch an seinen Bevollmächtigten zu wenden. Nicht er – der Bevollmächtigte – hat die Aufgabe, den Eintritt der aufschiebenden Wirkung zu prüfen, sondern der Beklagte, der hieraus seinerseits das Recht herleitet, Mahngebühren mittels belastendem Verwaltungsakt zu erheben. Wenn der Beklagte den Eintritt der aufschiebenden Wirkung – trotz vermeintlich sorgfältiger Prüfung – übersieht und in verschleierter Weise einen Mahngebührenverwaltungsakt bekannt gibt, ohne sich angesichts der ihm bekannten Bevollmächtigung bezüglich der Hauptforderung auch mit der "Mahnung" an den Bevollmächtigten zu wenden (vgl dazu auch § 13 Abs 3 S 1 SGB X), hat er auch durch die Erklärung, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig, für deren Inanspruchnahme aufzukommen (vgl hierzu auch das Urteil der Kammer vom 10. August 2018 – S 26 AS 1211/16, RdNr 29, mit dem sich der Beklagte nicht auseinandergesetzt hat).
eee) Soweit der Beklagte das Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung als Argument anführt, dass es der Herstellung der Waffengleichheit deshalb nicht bedürfen würde, weil für den Kläger damit keine Verfristung gedroht habe, kann auch dieser Einwand nicht verfangen. Denn durch das Unterbleiben oder die unrichtige Erteilung einer Rechtsbehelfsbelehrung gemäß § 66 Abs 2 S 1 SGG verlängert sich lediglich die Widerspruchseinlegungsfrist, so dass die Gefahr des Eintritts der Bestandskraft (vgl § 77 SGG) damit nur hinausgeschoben wird.
fff) Soweit sich der Beklagte schließlich auf Entscheidungen anderer Kammern des erkennenden Gerichts beruft, kann ihm auch dies nicht zum Erfolg verhelfen. Denn diese Entscheidungen verhalten sich naturgemäß nicht zu sämtlichen hier zu berücksichtigenden Besonderheiten, die für die Kammer vorliegend entscheidungserheblich sind, zumal sich der Beklagte auch nicht mit den Argumenten der Kammer, die diese bereits in ihrem Urteil vom 10. August 2018 – S 26 AS 1211/16 (dort ab RdNr 25 ff) im Einzelnen dargelegt hat, auseinandergesetzt hat. Dass die Kammer im Übrigen nicht an Entscheidungen anderer Kammern des erkennenden Gerichts gebunden ist, versteht sich von selbst.
bb) Wenn danach die Anfechtungsklage begründet ist, folgt daraus zugleich, dass die mit ihr kombinierte Verpflichtungsklage begründet ist, weil der Kläger nach dem oben Gesagten einen Anspruch darauf hat, dass der Beklagte ausspricht, dass die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig gewesen ist.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 und Abs 4 SGG. Es entsprach dabei der Billigkeit, dass der Beklagte dem Kläger die Hälfte der ihm entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat, weil der Kläger mit seinem Begehren nur zum Teil obsiegt hat.
5. Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben (§ 183 S 1 SGG).
Rechtsmittelbelehrung: ( …)
B.,
Richter am Sozialgericht
Erstellt am: 06.08.2020
Zuletzt verändert am: 23.12.2024