Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.06.2008 geändert und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin den Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 31.01.2006 für 960 Leistungstage oder erst ab 01.02.2006 für dann nur 540 Leistungstage hat.
Die am 00.00.1945 geborene Klägerin war vom 01.01.1991 bis 30.01.2006 ununterbrochen in der Firma Q in F als kaufmännische Angestellte tätig. Zugrunde lagen jeweils befristete Arbeitsverhältnisse. Das wiederholt befristete Arbeitsverhältnis endete am 30.01.2006 durch Erklärung des Arbeitgebers, keine weitere Verlängerung vornehmen zu können. Die vorangegangen befristeten Arbeitsverhältnisse der Klägerin waren jeweils seit dem 01.01.1991 nahtlos fortgeführt worden.
Nach Aktenlage meldete sich die Klägerin am 01.02.2006 bei der Arbeitsagentur X arbeitslos. Hierbei wies die Klägerin nicht darauf hin, dass sie bereits am vorherigen Tag, also am 31.01.2006, versucht habe, sich arbeitslos zu melden, dies aber gescheitert sei, weil die Arbeitsagentur gerade geschlossen worden sei.
Mit Bescheid vom 01.03.2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld ab 01.02.2006 für die Dauer von 540 Kalendertagen in Höhe von 52,51 EUR pro Tag. Hiergegen erhob die Klägerin am 14.03.2006 Widerspruch und führte aus, sie sei zum 30.01.2006 entlassen worden und somit ab 31.01.2006 arbeitslos. In diesem Fall bestehe der Anspruch auf Arbeitslosengeld bereits ab 31.01.2006 und nicht ab 01.02.2006. Dann aber habe sie Anspruch auf Arbeitslosengeld für 32 Monate und nicht nur, wie bewilligt, für 18 Monate. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.03.2006 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie an, der Anspruch der Klägerin sei erst ab 01.02.2006, dem Tag der persönlichen Arbeitslosmeldung entstanden. Anhaltspunkte für eine tatsächlich erfolgte frühere Arbeitslosmeldung lägen nicht vor.
Hiergegen hat die Klägerin am 28.04.2006 Klage vor dem Sozialgericht in Düsseldorf erhoben. Diese hat sie mit Schriftsatz vom 13.11.2006 begründet. Sie hat vorgetragen, nie in ihrem Leben zuvor arbeitslos gewesen zu sein. Sie habe sich deshalb an dem auf die Kündigung folgenden Tag, also am Vormittag des 31.01.2005, zu ihrem Steuerberater Herrn G S in X begeben, um diesem ihre Unterlagen zwecks Arbeitslosmeldung vorbeizubringen. Herr S habe ihr mitgeteilt, dass sie die Unterlagen nicht bei ihm, sondern bei der Arbeitsagentur abgeben müsse. Da sie nicht gewusst habe, wo sich in X die Agentur für Arbeit befinde, habe Herr S ihr angeboten, sie mitzunehmen und dort im Rahmen seiner Mittagspause abzusetzen. Herr S habe sie um ca. 12:23 Uhr vor der Arbeitsagentur abgesetzt, damit sie sich dort arbeitslos melden könne. Sie habe sich dann zum Haupteingang begeben. Obwohl noch etwa 5 Minuten bis zum Ablauf der Öffnungszeit ausstanden, habe ein zur Agentur für Arbeit gehörender Mann die Klägerin an der Tür, nachdem sie vorgetragen habe, dass sie sich arbeitslos melden wolle, mit den Worten "Wir schließen jetzt, kommen Sie morgen wieder!" wieder fortgeschickt. Dies habe sie dann getan und sich am nächsten Tag, dem 01.02.2006 erneut gemeldet, um sich arbeitslos zu melden. Es sei nicht hinnehmbar, dass sie am 31.01.2006 vor Ablauf der Öffnungszeit des Arbeitsamtes um 12:30 Uhr davon abgehalten worden sei, sich noch an diesem Tag arbeitslos zu melden. Da sie erst am 30.01.2006 erfahren habe, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht verlängert werde, sei eine frühere Arbeitslosmeldung auch gar nicht möglich gewesen.
Die Klägerin hat eine Erklärung des Steuerberaters G S vom 05.02.2007 zu den Akten gereicht. Darin führt dieser aus, am Vormittag des 31.01.2006 sei seine Mandantin, die Klägerin, in seinen Büroräumen erschienen. Die Klägerin habe sich bei ihm arbeitslos melden wollen. Er habe ihr erklärt, dass sie die Unterlagen nicht bei ihm, sondern bei der Arbeitsagentur abgeben müsse. Da die Klägerin nicht gewusst habe, wo sich in X die Agentur für Arbeit befinde, habe er ihr angeboten, sie mitzunehmen und dort abzusetzen. Sie seien um 12:15 Uhr losgefahren und er habe die Klägerin vor der Bundesagentur für Arbeit abgesetzt. Er habe gesehen, wie sie durch die Eingangstür gegangen sei. Er sei dann weitergefahren.
Vor dem Sozialgericht hat die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 01.03.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2006 zu verurteilen, ihr aufgrund ihres am 01.02.2006 gestellten Antrages auf Arbeitslosengeld mit Wirkung vom 31.01.2006 Arbeitslosengeld für die Gesamtdauer von 960 Kalendertagen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass eine Arbeitslosmeldung erst unter dem 01.02.2006 dokumentiert sei. Erst an diesem Tag hätten alle Anspruchsvoraussetzungen vorgelegen. Wenn es zutreffend sei, dass die Klägerin tatsächlich vor 12:30 Uhr bei der Arbeitsagentur vorgesprochen habe, sei es praktisch ausgeschlossen, dass die Klägerin wieder weggeschickt worden sei. Den Bediensteten sei die rechtliche Bedeutung einer Arbeitslosmeldung bekannt. Bei Vorsprachen von Kunden, welche kurz vor Ende der Öffnungszeiten am Empfang vorsprächen, werde die Identität des Kunden geprüft. Dann werde dieser darüber informiert, dass zur Arbeitslosmeldung eine persönliche Vorsprache in der Eingangszone notwendig sei und wegen des Endes der Öffnungszeit eine Weiterleitung an das Team Eingangszone nicht mehr möglich sei. Für den Kunden werde dann ein Nachweis über die Vorsprache am Empfang ausgefüllt. Der Vortrag der Klägerin sei deshalb nicht glaubhaft.
Mit Urteil vom 12.06.2008 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld mit Wirkung ab 31.01.2006 für die Dauer von 960 Tagen zu gewähren. Zur Begründung hat es unter anderem wörtlich ausgeführt:
"Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld für die Dauer von 960 Kalendertagen ab dem 31.01.2006 gem. § 127 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) III a. F. (in der Fassung bis 31.12.2003) in Verbindung mit § 434 I Abs. 1 SGB III. Zu Unrecht hat die Beklagte mit angefochtenem Bescheid vom 01.03.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2006 für die Klägerin ab 01.02.2006 lediglich eine Anspruchsdauer von 540 Kalendertagen zuerkannt.
Der Arbeitslosengeldanspruch der Klägerin ist aufgrund ihrer persönlichen Arbeitslosmeldung und Antragstellung vom 01.02.2006 rückwirkend zum 31.01.2006 bereits entstanden, in entsprechender Anwendung der §§ 122 Abs. 3, 325 Abs. 2 S. 2 SGB III.
Eine Arbeitslosmeldung der Klägerin am ersten Tag ihrer Beschäftigungslosigkeit, Dienstag den 31.01.2006 um ca. 12:30 Uhr, scheiterte daran, dass die ortsansässige Geschäftsstelle der Beklagten nach 12:30 Uhr keine Öffnungszeit mehr hatte, auch nicht in Gestalt einer reinen Antragsannahme zur Fristwahrung. Diese fehlende Dienstbereitschaft der Beklagten an einem normalen Werktag ab 12:30 Uhr wertete das Gericht als Organisationsverschulden, welches entsprechende Anwendung von §§ 122 Abs. 3, 325 Abs. 2 S. 2 SGB III zur Rückwirkung der am 01.02.2006 erfolgten Arbeitslosmeldung und Antragstellung der Klägerin führt (Notwendige "Lückenfüllung", da die Verspätung der Arbeitslosmeldung auf fehlender Dienstbereitschaft des Arbeitsamtes beruht, vgl. Spellbrink in Eicher/Schlegel, SGB III Kommentar, § 122 Rn. 37).
Eine Arbeitnehmerin, die – erstmals – arbeitslos wird, kann und muss nicht damit rechnen, dass eine Behörde, wie die Beklagte, an einem normalen Werktag (kein Freitag) zur fristgemäßen Antragsabgabe/Meldung lediglich Öffnungszeiten bis Mittags 12:30 Uhr hat. Zumal bestimmte Stichtage, wie hier der 31.01.2006, aufgrund der gesetzlichen Vorgaben erheblich veränderte Anspruchsvoraussetzungen bzw. Rechtsfolgen mit sich bringen können. Aus dem Rechtsgedanken der §§ 122 Abs. 3, 325 Abs. 2 S. 2 SGB III folgt für das Gericht, dass solche zur heutigen Zeit unüblich eingeschränkten Zeiten der Dienstbereitschaft nicht zum Nachteil der Antragsteller führen dürfen. Die Rückwirkung auf den 31.01.2006 mit der Rechtsfolge der längeren Anspruchsdauer folgt hieraus zu Gunsten der Klägerin."
Gegen dieses ihr am 15.07.2008 zugestellte Urteil richtet sich die am 04.08.2008 eingegangene Berufung der Beklagten. Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für unzutreffend. Sei die zuständige Agentur für Arbeit am ersten Tag der Beschäftigungslosigkeit des Arbeitslosen nicht dienstbereit, so wirke eine persönliche Meldung am nächsten Tag, an dem die Agentur dienstbereit sei, auf den Tag zurück, an dem die Agentur nicht dienstbereit gewesen sei. Diese Vorschrift gehe davon aus, dass derjenige nicht schlechter gestellt werden dürfte, der aus von der Bundesagentur für Arbeit zu vertretenden Gründen die Arbeitslosigkeit nicht am ersten Tag der Beschäftigungslosigkeit melden könne. Bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift des § 122 Abs. 3 SGB III sei eine Anwendung auf den vorliegenden Sachverhalt ausgeschlossen. Die Agentur für Arbeit in X sei am 31.01.2006 dienstbereit gewesen. Die Klägerin sei auch nicht durch einen anerkennenswerten Grund daran gehindert worden, an diesem Tag innerhalb der Öffnungszeit ihre Arbeitslosmeldung vorzunehmen. Ihre Unkenntnis über die Notwendigkeit der persönlichen Arbeitslosmeldung und der eingeschränkten Öffnungszeit seien ihr und nicht der Beklagten zuzurechnen. Der Vortrag, noch kurz vor Ablauf der Öffnungszeit das Gebäude betreten zu haben und dort abgewiesen worden zu sein, sei nicht glaubhaft und könne nicht zu einer entsprechenden Anwendung des § 122 Abs. 3 SGB III führen. Einerseits sei bemerkenswert, dass dieses Vorbringen erstmals im Klageverfahren erfolgt sei., andererseits sei ein Ablauf, wie er von der Klägerin geschildert werde, im Rahmen der Organisation der Beklagten völlig ausgeschlossen.
Der Vertreter der Beklagten beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.06.2008 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Bevollmächtigte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise Zulassung der Revision.
Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Anhörung der Klägerin und durch Vernehmung des Steuerberaters S und der Bediensteten der Beklagten Frau M als Zeugen. Die Klägerin hat vorgetragen, am 31.01.2006 bei ihrem Steuerberater gewesen zu sein, um dort den Antrag auf Arbeitslosengeld zu stellen. Dieser habe sie an die Bundesagentur für Arbeit verwiesen und ihr angeboten, sie dort vorbeizufahren. Er habe sie gegenüber des Einganges abgesetzt und sei weitergefahren. Vor Erreichen des Eingangs habe sie noch eine andere Person nach dem richtigen Eingang gefragt. Dann sei sie dort hingegangen, um das Arbeitsamtsgebäude zu betreten. Dort sei gerade ein Mitarbeiter, dabei gewesen, die Tür abzuschließen. Er habe ihr gesagt, sie solle am nächsten Morgen wiederkommen. Sie könne eine genaue Uhrzeit nicht mehr angeben. Es möge gegen 12:30 Uhr gewesen sein.
Der Zeuge S hat bekundet, die Klägerin sei am 31.01.2006 in seiner Praxis gewesen, um sich arbeitslos zu melden. Er habe sie dann darauf hingewiesen, dass sie dies bei der Arbeitsagentur selbst tun müsse. Er habe ihr dann angeboten, sie zum Arbeitsamt zu fahren, was er auch getan habe. Vor dem Gebäude habe er sie nur aus dem Auto gelassen, er sei nicht mit ihr ins Gebäude gegangen. Er habe gesehen, wie sie in das Gebäude hineingegangen sei. Er glaube nicht, dass sie vor dem Betreten des Arbeitsamts noch mit einer anderen Person gesprochen habe. Letztlich könne er aber nicht sagen, ob die Klägerin in das Gebäude gegangen sei, möglicherweise sei es auch so, dass er nur gesehen habe, dass die Klägerin unter das Dach des Arbeitsamtes gegangen sei. Dass sie letztlich hineingegangen sei, könne er nicht beschwören.
Die Zeugin M hat ausgesagt, dass die Agentur für Arbeit am 31.01.2006, einem Dienstag, wie üblich von 07:30 – 12:30 Uhr geöffnet gehabt habe. Das Gebäude werde um 12:30 Uhr von Mitarbeitern des Empfangs verschlossen. Wenn dann noch jemand in das Gebäude hinein kommen wolle, würde diesem mitgeteilt, das Gebäude sei geschlossen. Wenn der Bürger allerdings ein dringendes Anliegen vorgetragen hätte, würde er noch hereingelassen werden. Wenn sich jemand erkennbar arbeitslos hätte melden wollen, wäre dieser Person noch Eingang gewährt worden. Möglicherweise wäre dann nur eine so genannte Wiederkomm-Karte ausgefüllt worden, die dem Betreffenden dann aber den Beweis eröffnet hätte, dass er sich am 31.01.2006 arbeitslos habe melden wollen.
Wegen des genauen Inhalts der Aussage der Klägerin und der Aussage der Zeugen wird auf das Protokoll vom 09.12.2009 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 01.03.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2006 ist nicht rechtswidrig. Zu Recht hat die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld ab 01.02.2006 für 540 Kalendertage (18 Monate) und nicht bereits ab dem 31.01.2006 für 960 Kalendertage (32 Monate) zuerkannt.
Anspruch auf Arbeitslosengeld haben nach § 118 Abs. 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) Arbeitnehmer, die
1.arbeitslos sind,
2.sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und
3.die Anwartschaftszeit erfüllt haben.
Diese Voraussetzungen können erst für die Zeit ab 01.02.2006 festgestellt werden. Die Klägerin ist am 30.01.2006 durch die unerwartete Nichtverlängerung ihres befristeten Arbeitsvertrages arbeitslos geworden. Es besteht kein Anlass, die vorgelegte Bescheinigung der Firma Q vom 30.01.2006 in Zweifel zu ziehen. Eine Arbeitslosmeldung lässt sich erst am 01.02.2006 feststellen. An diesem Tag hat sich die Klägerin unstreitig bei der Beklagten arbeitslos gemeldet, wie aus Blatt 1 der Leistungsakte der Beklagten hervorgeht. Da die Klägerin vom 01.01.1991 – 30.06.2006 (also 15 Jahre lang) ununterbrochen bei der Firma Q gearbeitet hat, hat sie auch die Anwartschaftszeit des § 123 SGB III erfüllt. Die Klägerin erfüllt somit die Anspruchsvoraussetzungen des § 118 SGB III für die Gewährung von Arbeitslosengeld.
Für die Dauer des Anspruchs ist § 127 Abs. 2 SGB III maßgebend und zwar die ab dem 01.01.2004 geltende Fassung. Danach beträgt der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach einem Versicherungspflichtverhältnis mit einer Dauer von mindestens 36 Monaten und nach Vollendung des 55. Lebensjahres maximal 18 Monate. Die Klägerin hatte zuvor 15 Jahre lang versicherungspflichtig gearbeitet und war am 01.02.2006 bereits 60 Jahre alt. Ihr stand daher Arbeitslosengeld für einen Zeitraum von maximal 18 Monaten zu. Die Anspruchsdauer von 18 Monaten entspricht nach § 339 Abs. 1 S. 2 SGB III 540 Kalendertagen. Genau in diesem Umfang ist der Klägerin auch Arbeitslosengeld zuerkannt worden.
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 960 Kalendertage (32 Monate) zu. Dies würde voraussetzen, dass § 127 Abs. 2 SGB III in der bis zum 31.12.2003 gültigen Fassung noch Anwendung finden könnte. Hiernach wurde nach Versicherungspflichtverhältnissen mit einer Dauer von insgesamt mehr als 64 Monaten und nach Vollendung des 55. Lebensjahr eine Anspruchsdauer von 32 Monaten ausgewiesen. Nach § 434 l Abs. 1 SGB III ist § 127 in der bis 31.12.2003 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden bei Personen, deren Anspruch auf Arbeitslosengeld bis 31.01.2006 entstanden ist. Um zu einem für die Klägerin positiven Ergebnis zu kommen, müsste man also feststellen können, dass sich die Klägerin bereits am 31.01.2006 arbeitslos gemeldet hat oder dies – so man den Argumenten des Sozialgerichts zu § 122 Abs. 3 SGB III folgen wollte – zumindest versucht hat. Hiervon vermochte sich der Senat im Gegensatz zum Sozialgericht nicht zu überzeugen.
Der Senat hält es nicht für glaubhaft, dass die Klägerin bereits am 31.01.2006 versucht hat, sich arbeitslos zu melden und dieser Versuch am Verhalten der Bediensteten der Arbeitsagentur gescheitert ist. Zunächst verwundert, weshalb die Klägerin nicht am 01.02.2006 auf den vergeblichen Versuch vom Vortag hingewiesen hat, wenn er Tatsächlich stattgefunden hat. Auch im Widerspruchsschreiben vom 10.03.2006 wird der angebliche, fehlgeschlagene Versuch nicht hervorgehoben. Vielmehr wird (nur) die unzutreffende Meinung vertreten, durch den Verlust des Arbeitsplatzes vom 30.01.2006 entstehe automatisch der Anspruch auf Arbeitslosengeld bereits am 31.01.2006. Erst mit Erhalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2006 war dann der Klägerin wohl klar, dass es vorliegend entscheidend darauf ankommt, ob sie sich am 31.01.2006 arbeitslos gemeldet hat oder dieses zumindest versucht hat.
Der daraufhin erfolgte Vortrag der Klägerin ist widersprüchlich und gibt dem Senat keinen Anlass, ihn als zutreffend zugrunde zu legen. In der Klageschrift vom 13.11.2006 wird vorgetragen, sie habe die Arbeitsagentur am 31.01.2006 fünf Minuten vor Ende der Öffnungszeiten erreicht, gleichwohl sei ihr der Zutritt verwehrt worden. Diese Darstellung wird bereits mit der schriftlichen Aussage des Zeugen S vom 05.02.2007 nicht bestätigt, der ausführt, die Klägerin sei durch die Eingangstür gegangen, was die Klägerin ja selbst bestreitet.
Der Senat hat versucht, den Sachverhalt weiter aufzuklären durch Anhörung der Klägerin, durch Vernehmung des Herrn S als Zeugen und durch Anhörung der Bediensteten der Beklagten, Frau M, über die örtlichen Verhältnisse im Eingangsbereich der Arbeitsagentur X. Auch diese Beweisaufnahme vermochte den Senat nicht davon zu überzeugen, dass die Darstellung der Klägerin, sie habe versucht, sich am 31.01.2006 arbeitslos zu melden, zutreffend ist.
Zwar bekundet der Zeuge S, dass er die Klägerin am 31.01.2006 zur Arbeitsagentur gefahren und gesehen habe, dass diese das Gebäude der Agentur betreten habe. Dies widerspricht aber weiterhin der eigenen Darstellung der Klägerin, sie sei vor dem Betreten des Gebäudes abgewiesen worden. Nachdem der Zeuge auf Vorhalt ders Gerichts dann selbst seine Aussage geändert und gemeint hat, er könne nicht beschwören, ob die Klägerin nun rein gegangen sei oder nicht, ist diese Aussage insgesamt zumindest als zweifelhaft und erschüttert anzusehen. Der Senat vermag dem Zeugen in dem Punkt nicht zu glauben, die Fahrt habe am 31.01.2006 stattgefunden, die anderen zweifelhaften Punkte aber offen zu lassen.
Die Zeugin M hat zunächst bestätigt, dass die Öffnungszeit der Arbeitsagentur X um 12:30 Uhr planmäßig endete. Die Mitarbeiter seien gehalten, pünktlich um 12:30 Uhr die Ausseneingangstür zu verschließen. Es sei ihr nicht bekannt geworden, dass das Abschließen bereits einige Minuten vorher stattfinde. Wenn jemand kurz vor Ende der Öffnungszeiten versuche, die Arbeitsagentur aufzusuchen, um sich arbeitslos zu melden, so werde diesem Begehren nachgegeben. Er erhalte dann zumindest einen Zettel, mit dem er nachweisen könne, dass er zu der Schließungszeit noch versucht habe,
die Arbeitsagentur zu betreten. Sie selbst sei am 31.01.2006 nicht an der Eingangstür gewesen und könne nur etwas dazu sagen, wie es üblicherweise von der Beklagten gehandhabt werde. Gleichwohl kann das von ihr Beschriebene von dem Senat zugrunde gelegt werden, da die Zeugin durch Ihre Stichproben bestätigt worden ist und ihr keine Anhaltspunkte bekannt geworden sind, dass am 31.01.2006 anders gehandelt worden ist.
Bestärkt wird der Senat auch durch die Angaben der Zeugin M über die örtlichen Verhältnisse und die übliche Verfahrensweise. Sie hat es als absolut unüblich beschrieben, dass die Arbeitsagentur vor Ende der Öffnungszeiten abgeschlossen werde, auch wäre ein Verhalten des Abschließenden, die Klägerin ohne eine Bestätigung über ihr Vorsprechen wieder wegzuschicken und auf den nächsten Tag zu verweisen, eine grobe Pflichtwidrigkeit gewesen. Zwar war die Zeugin am 31.01.2006 nicht direkt am Eingangsbereich, jedoch kann von ihrer Aussage auf den üblichen Ablauf geschlossen werden. Der Vortrag der Klägerin, sie sei bei Abschluss der Eingangstür weggeschickt worden, wird aber jedenfalls nicht bestätigt. Da die Klägerin die Beweislast für die Arbeitslosmeldung bereits am 31.01.2006 trägt, reicht die Möglichkeit, es könne so gewesen sein, wie sie vorträgt, nicht aus.
Da eine Vorsprache am 31.01.2006 nicht bewiesen ist, kommt es auf die Ausführungen des Sozialgerichts zum so genannten Organisationsverschulden nicht an. Die Klägerin trägt gerade nicht vor, nach Ablauf der Öffnungszeiten die Arbeitsagentur erreicht zu haben. Das Sozialgericht hat sich mit einem Sachverhalt beschäftigt, den die Klägerin selbst nicht vorgetragen hat. Der Senat enthält sich jeden Kommentars dazu, ob man den Ausführungen des Sozialgerichts zum so genannten Organisationsverschulden folgen könnte. Es kommt hierauf angesichts es vorliegenden Sachverhalts nicht an. Wenn man nicht feststellen kann, dass die Klägerin überhaupt am 31.01.2006 versucht hat, sich arbeitslos zu melden, bedarf es keines Kommentars dazu, ob Öffnungszeiten von 07:30 – 12:30 Uhr für einen Arbeitslosen an einem so genannten Stichtag ausreichend sind oder nicht. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 19.01.2005 – B 11 a/11 AL 41/04 R – Rn. 18; so auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.02.2008 – L 1 AL 59/07 – Rn. 15) wäre es für die Klägerin bereits ausreichend gewesen, wenn bewiesen worden wäre, dass sie am 31.01.2006 versucht hätte, sich arbeitslos zu melden und dies in irgendeiner Weise zum Ausdruck gebracht worden wäre. Hierfür reicht es nach der genannten Rechtsprechung aus, wenn der Arbeitslose die Arbeitsagentur betritt und jedenfalls zum Ausdruck bringt, sich arbeitslos melden zu wollen. Auf irgendwelche Fragen oder Beratungsfehler wäre es dann überhaupt nicht angekommen. Diese Feststellung konnte jedoch, wie dargelegt, nicht getroffen werden.
Auf die Berufung der Beklagten war das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die hierfür in § 160 Abs. 2 Ziffern 1 oder 2 SGG die aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen. Maßgebend war insbesondere hier nicht, ob Öffnungszeiten bis 12:30 Uhr an einem Stichtag ausreichend sind oder nicht. Entscheidungserheblich war die Beurteilung einer Tatfrage nach Würdigung der zur Verfügung stehenden Beweismittel.
Erstellt am: 02.02.2010
Zuletzt verändert am: 02.02.2010