Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05. November 2003 wird zurückgewiesen. Dem Kläger werden Kosten in Höhe von 300,00 Euro auferlegt. Im Übrigen haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger Pflegegeld nach Pflegestufe I zu zahlen ist.
Der 1956 geborene Kläger stellte im August 2000 bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung. Er verwies auf ein Gutachten von Frau Dr. X vom Gesundheitsamt E, die einen Grundpflegebedarf von 45 Minuten (Körperpflege 25 Minuten, Mobilität 20 Minuten) festgestellt hatte. Die Beklagte holte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) vom 23.10.2000 ein. Der Sachverständige X1 sah einen Grundpflegebedarf von 10 Minuten (Körperpflege 5 Minuten, Mobilität 5 Minuten). Mit Bescheid vom 30.10.2000 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Auf den Widerspruch vom 01.12.2000 hin bat sie den Kläger um die Übersendung eines ausgefüllten Pflegetagebuchs. Dieses gelangte trotz verschiedener Erinnerungen nicht zu den Akten der Beklagten. Der Kläger vertrat die Auffassung, er habe das Pflegetagebuch mehrmals eingereicht. Im Januar 2002 erteilte die Beklagte erneut einen Begutachtungsauftrag an den MDK. Bei einem ersten angekündigten Termin für die Begutachtung am 08.04.2002 war der Kläger nach Mitteilung des MDK ebenso wenig zu Hause wie an einem zweiten Termin am 14.06.2002.
Bereits am 06.06.2002 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage wegen Untätigkeit der Beklagten erhoben. Seiner Meinung nach seien die Begutachtungstermine nicht ordnungsgemäß angekündigt worden.
Während des Klageverfahrens ist der Kläger am 04.09.2002 auf Veranlassung der Beklagten durch den MDK begutachtet worden. Die Ärztin Frau C hat festgestellt, dass der Grundpflegebedarf 15 Minuten betrage (Körperpflege 9 Minuten, Mobilität 6 Minuten). Auf der Grundlage dieses Gutachtens hat die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.2002 zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Untätigkeitsklage daraufhin am 13.01.2003 in eine Anfechtungs- und Leistungsklage umgestellt und Leistungen der Pflegestufe I begehrt.
Das SG hat zunächst einen Befundbericht des den Kläger behandelnden Internisten Dr. N vom 04.04.2003 eingeholt. Anschließend hat es die Sachverständige I mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Nachdem es zunächst bereits Probleme bei der Terminsabstimmung gegeben hatte, konnte die Sachverständige den Kläger am 09.07.2003, dem vereinbarten Termin, nicht zu Hause antreffen. Auf weitere Versuche der Terminsabsprache hat der Kläger nicht reagiert bzw. einer Begutachtung in der nächsten Zeit nicht zugestimmt. Das SG hat den Bevollmächtigten des Klägers auf seine Mitwirkungspflichten und die Prozesslage sowie auf die Vorschrift des § 192 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen. Daraufhin hat der Bevollmächtigte des Klägers sein Mandat niedergelegt.
Zum Verhandlungstermin am 05.11.2003 ist der Kläger mit der Begründung nicht erschienen, dass ihm die Teilnahme ohne Anwalt unzumutbar sei. Das SG hat die Klage abgewiesen. Der Kläger sei nicht erheblich pflegebedürftig im Sinne von §§ 14, 15 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI), da er nach den übereinstimmenden Gutachten des MDK keinen Pflegebedarf von mindestens 90 Minuten täglich, dabei mehr als 45 Minuten in der Grundpflege habe. Dies habe der Bericht des Dr. N bestätigt. Eine weitergehende Beweisermittlung sei an der mangelnden Mitwirkung des Klägers gescheitert.
Gegen das ihm am 10.12.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.01.2004 mit neuem Bevollmächtigten Berufung eingelegt und sein Begehren, ihm Leistungen der Pflegestufe I zu gewähren, weiter verfolgt.
Der Kläger ist ordnungsgemäß zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.02.2006 geladen worden. Er hat dem Gericht unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung von Dr. N mitgeteilt, aus gesundheitlichen Gründen nicht erscheinen zu können. Auch sein Bevollmächtigter hat nicht am Termin teilgenommen.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.11.2003 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des angefochtenen Bescheides vom 30.10.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2002 zu verurteilen, ihm Pflegegeld nach Pflegestufe I ab dem 01.03.2001 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts sowie auf das Ergebnis der Beweiserhebung im Berufungsverfahren.
Der Senat hat den Neurologen und Psychiater Dr. A mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Einen für den 30.08.2004 anberaumten Untersuchungstermin hat der Kläger wegen eines Unfalls vom 15.06.2004 abgesagt. Nach Einholung eines Befundberichtes von Dr. N vom 22.09.2004 zur Reisefähigkeit des Klägers ist Dr. A um Durchführung eines Hausbesuchs gebeten worden. In dem am 14.02.2005 erstellten Gutachten hat der Sachverständige einen Grundpflegebedarf von 37 Minuten festgestellt (Körperpflege 25 Minuten, Mobilität 12 Minuten). Auf Schreiben des Gerichts, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe, hat der Kläger nicht reagiert. Zu einem auf den 12.07.2005 anberaumten Erörterungstermin ist er nicht erschienen. Vor einem auf den 30.08.2005 anberaumten Verhandlungstermin hat er seinem Bevollmächtigten die Vollmacht entzogen und um Vertagung gebeten. Vor einem weiteren auf den 25.10.2005 anberaumten Verhandlungstermin hat er am 24.10.2005 mitgeteilt, immer noch keinen neuen Bevollmächtigten gefunden zu haben. Der Senat hat den Termin vertagt, weil der Kläger noch nicht auf die Beiziehung der Rentenstreitakten hingewiesen worden war. Er hat dem Kläger in der diesem zugestellten Sitzungsniederschrift dargelegt, dass bei weiterer Rechtsverfolgung, die der Senat für rechtsmissbräuchlich halte, Kosten in Höhe von 300 Euro (§ 192 Abs. 1 S.1 Nr. 2 SGG) auferlegt werden könnten.
Anfang November 2005 hat sich ein neuer Bevollmächtigter für den Kläger bestellt. Dieser hat Akteneinsicht genommen und anschließend für den Kläger am 05.12.2005 einen Antrag gemäß § 109 SGG gestellt. Das Gericht hat dem Kläger Frist zur Benennung eines Sachverständigen bis zum 09.12.2005 und zur Einzahlung eines Kostenvorschusses bis zum 19.12.2005 gesetzt. Am 12.12.2005 hat der Kläger den Sachverständigen Dr. Q benannt. Auf die Zahlungserinnerung des Gerichts hat der Kläger am 10.01.2006 erklärt, derzeit nicht über die finanziellen Mittel zu verfügen, um den Vorschuss einzuzahlen. Hierzu werde er Mitte Februar in der Lage sein, da ihm das Geld dann darlehensweise zur Verfügung gestellt werde. Der Senat hat dem Kläger am 12.01.2006 mitgeteilt, dass er den Antrag auf Anhörung von Dr. Q nunmehr gemäß § 109 Abs. 2 SGG ablehne.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsakten und der Rentenstreitakte des Klägers (Sozialgericht Düsseldorf, S 27 RA 294/03) verwiesen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 30.10.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2002 ist nicht rechtswidrig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen nach Pflegestufe I. Das Sozialgericht hat die entscheidungserheblichen Kriterien zutreffend dargestellt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten von Dr. A hat bestätigt, dass der Grundpflegebedarf des Klägers das für die Gewährung von Pflegestufe I notwendige Mindestmaß von 46 Minuten täglich im Durchschnitt nicht erreicht. Die vom Senat noch beigezogenen Prozessakten des Rentenstreitverfahrens haben weitere Erkenntnisse im Hinblick auf den Umfang des erforderlichen Hilfebedarfs nicht erbracht.
Den Antrag des Klägers gem. § 109 SGG auf Anhörung von Dr. Q als Sachverständigen lehnt der Senat nunmehr wegen Verzögerung des Rechtsstreits gem. § 109 Abs. 2 SGG ab. Das für das Berufungsziel des Klägers negative Gutachten von Dr. A ist ihm bereits im Februar 2005 übersandt worden. Seither hat der Kläger das Verfahren dadurch in die Länge gezogen, dass er auf Schreiben des Gerichts nicht substantiiert geantwortet hat oder zu anberaumten Terminen nicht erschienen ist. Er hat sich weder mit dem Gutachten von Dr. A sachlich auseinander gesetzt noch im Einzelnen den seiner Meinung nach bestehenden Hilfebedarf konkret dargelegt. Zugunsten des Klägers hat der Senat dennoch den Anfang Dezember 2005 gestellten Antrag des Klägers auf Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG nicht von vornherein abgelehnt, sondern ihm Gelegenheit gegeben, den Kostenvorschuss bis zum 19.12.2005 einzuzahlen. Dem ist der Kläger nicht nachgekommen. Ein weiteres Zuwarten hätte die Erledigung des seit einem Jahr entscheidungsreifen Rechtsstreits unvertretbar verzögert. Dies gilt um so mehr, als das bisherige Prozessgebahren des Klägers die Gewähr dafür vermissen lässt, dass dieser tatsächlich noch eine Einzahlung vornehmen und einem Termin des Sachverständigen Folge leisten würde.
Die Entscheidung über die Auferlegung von Kosten in Höhe von 300 Euro beruht auf der Vorschrift des § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG in der seit dem 02.01.2002 geltenden Fassung des Sechsten Gesetzes zur Änderung des SGG vom 17.08.2001 (BGBl. I, 2144, 2151). Der Kläger hat den Rechtsstreit fortgeführt, obwohl der Vorsitzende ihm im Termin vom 25.10.2005 ausdrücklich die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt und ihn auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen hat. Der Anwendung des § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG steht nicht entgegen, dass der zu diesem Termin persönlich geladene Kläger unentschuldigt nicht erschienen ist und den Hinweis daher nicht persönlich entgegen nehmen konnte. Die Vorschrift setzt nach Auffassung des Senats nicht voraus, dass ein ordnungsgemäß geladener Kläger in dem Termin, in dem der Vorsitzende den (Warn-)Hinweis erteilt, persönlich anwesend ist. Es genügt vielmehr, wenn der Hinweis als wesentlicher Vorgang in die Terminsniederschrift aufgenommen wird und der Beteiligte mit der Übersendung des Sitzungsprotokolls rechtliches Gehör erhält. Der Senat teilt nicht die in der Kommentierung zum SGG teilweise vertretene Auffassung, nach der die Auferlegung von Kosten ausgeschlossen sei, wenn der Beteiligte zu keinem der anberaumten Termine erscheine (vgl. Zeihe, SGG, § 192 Rz. 16 b). Nach dem Gesetzeswortlaut ("ihm in einem Termin") kann man annehmen, dass der Vorsitzende den im Termin anwesenden Beteiligten auf die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung hinweisen muss.
Die Formulierung des § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG erfordert die persönliche Anwesenheit jedoch nicht ausdrücklich. Wäre diese Eingrenzung vom Gesetzgeber gewollt gewesen, hätte er eine entsprechend klare Formulierung wählen können ("obwohl der Vorsitzende dem persönlich im Termin anwesenden Beteiligten die Missbräuchlichkeit dargelegt hat"). Eine solch enge Auslegung ergibt sich auch nicht aus den Gesetzgebungsmaterialien. Dort wird lediglich ausgeführt, dass der Beteiligte vorab auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung hingewiesen werden solle (BT-Drs. 14/6335, S. 33). Schließlich entspricht eine restriktive Auslegung nicht Sinn und Zweck der Vorschrift des § 192 SGG. Der Beteiligte, der sich trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens der Erörterung der Sach- und Rechtslage entzieht und von einer weiteren Prozessführung trotz entsprechender Belehrung in einem Termin nicht Abstand nimmt, missbraucht den kostenfreien sozialgerichtlichen Rechtsschutz mindestens genau so weit wie der Beteiligte, der in der mündlichen Verhandlung erscheint und dort auf der rechtsmissbräuchlichen Fortführung des Verfahrens beharrt. Eine Bevorzugung des wenig mitwirkungsbereiten Beteiligten ist erst recht dann sachlich nicht gerechtfertigt, wenn dieser wie im vorliegenden Fall sogar anwaltlich vertreten ist und auch der Bevollmächtigte selbst nicht für den persönlich geladenen Beteiligten zum Termin erscheint.
Nach der wiederholten Erläuterung der Sach- und Rechtslage in einer Vielzahl von Richterbriefen sowie ausdrücklich gegenüber dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers im Erörterungstermin vom 12.07.2005, schließlich erneut in der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2005 musste der jetzt wieder anwaltlich vertretene Kläger die Sinnlosigkeit der Aufrechterhaltung der weiteren Rechtsverfolgung ohne Weiteres erkennen. Wenn er das Verfahren dennoch ohne sachliche Begründung fortführt, so stellt sich das Weiterprozessieren als Rechtsmissbrauch mit der Kostenfolge des § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG dar. Die Höhe der auferlegten Kosten bestimmt sich nach §§ 192 Abs. 1 S. 3, 184 Abs. 2 SGG, wobei der Senat die Kosten im Hinblick auf die Einkommensverhältnisse des Klägers mit 300 Euro am unteren Rahmen angesetzt hat.
Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf 193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs.2 Nr.1 oder 2 SGG) nicht als gegeben angesehen.
Erstellt am: 07.06.2006
Zuletzt verändert am: 07.06.2006